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Potenziale und komparative Vorteile der Kommunen als Akteure der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

2 Entwicklungspolitik der Kommunen – die internationale Diskussion

2.2 Potenziale und komparative Vorteile der Kommunen als Akteure der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

Die im Abschnitt 2.1 beschriebenen internationalen Beschlüsse, Empfehlungen und Initiativen verweisen indirekt auf die Potenziale und komparativen Vorteile, die der Entwicklungszusam-menarbeit der Kommunen zugeschrieben werden. Diese gilt es, komplementär zur nationalen EZ in eine Gesamtstrategie der staatlichen Entwicklungspolitik einzubringen. Im Folgenden werden diese Potenziale und möglichen Vorteile der KEpol dargestellt.

47 Vgl. Shapira (2007, 16).

48 CEMR wird in der deutschen Übersetzung mit „Rat der Gemeinden und Regionen Europas“ (RGRE) über-setzt. Außerdem gibt es als offiziellen Namen des europäischen Dachverbandes die französische Übersetzung von CEMR, nämlich Conseil des Communes d’Europe / CCRE (vgl. www.ccre.org), die deutsche Bezeich-nung wird allerdings nicht international verwendet. Die BezeichBezeich-nung RGRE wird daher im Rahmen dieser Studie nur für die deutsche Sektion des CEMR verwendet (und zusätzlich mit dem Zusatzdeutscher Sektion gekennzeichnet), um Vermischungen von der deutschen Sektion des RGRE und dem CEMR zu vermeiden.

49 Vgl. CEMR (2008b).

50 Vgl. online: http://www.ccre.org/champs_activites_detail_news_en.htm?ID=904&idca=3125 (Stand: 31.01.2009).

51 Vgl. online: http://www.ccre.org/imprimer.htm (Stand: 31.01.2009).

Ausgehend von der Debatte um Dezentralisierung als wichtiges Handlungsfeld der Entwick-lungszusammenarbeit sowie aufgrund der rasanten Urbanisierung in den Entwicklungsländern und der damit einhergehenden Probleme, Herausforderungen und Potenziale, ist die Rolle der Kommunen in diesem Politikfeld als Akteur auf der einen und als Partner bzw. Empfänger auf der anderen Seite immer mehr in das Blickfeld der nationalen und internationalen Organisa-tionen der Entwicklungszusammenarbeit gerückt. Nicht zuletzt, da man sich von einer funkti-onsfähigen und effizienten Kommunalverwaltung in den Partnerländern einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der verschiedensten Probleme einer Gesellschaft erhofft, spielen die Er-fahrungen der Kommunen der Industrieländer eine immer bedeutendere Rolle. Daher wird an dieser Stelle ein Überblick über die Potenziale und möglichen Vorteile gegenüber national-staatlicher EZ gegeben. Im Anschluss daran werden auch die Kritikpunkte und Problemberei-che kurz aufgezeigt.

Vorteile kommunaler Entwicklungszusammenarbeit (im Besonderen als Instrument der Dezen-tralisierung und Kommunalförderung):

Die folgende Zusammenstellung der Vorteile und Potenziale kommunaler Entwicklungspolitik, hier speziell der Auslandsaktivitäten, stützt sich auf verschiedene Publikationen, die auf Inter-views, Studien über europäische Nachbarländer bzw. Erfahrungswerte des Deutschen Städte-tags aufbauen.52Welchen Mehrwert und welche Potenziale die deutschen Kommunen selbst ih-ren entwicklungspolitischen Aktivitäten zurechnen, wird im empirischen Teil dieser Studie dar-gestellt (vgl. Kapitel 4.2.2).

Vorteile und Besonderheiten der Auslandsaktivitäten kommunaler Entwicklungspolitik:

– Langfristigkeit kommunaler Partnerschaften:dauerhafte Beziehungen zwischen den Part-nern (insbesondere Städtepartnerschaften), Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit

– Spezifisches kommunales Know-how: z.B. bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleis-tungen (Stichwort: kommunale Selbstverwaltung)

– Bürgernähe: Bewusstseinsbildung für globale Fragen in der Bevölkerung; bedarfsorien-tiert; Möglichkeit der Umsetzung partizipativer Ansätze in Nord und Süd; Aktivierung der Zivilgesellschaft; Transparenz;

– Zusammenarbeit auf Augenhöhe:Erfahrungsaustausch (in beide Richtungen möglich): bes-sere Kommunikation; „gemeinsame Sprache“; besbes-seres (gemeinsames) Verständnis der Probleme und Fragestellungen; Wissens- und Erfahrungsaustausch findet vor einem prak-tischen Hintergrund statt;

– Flexibilität in der Zusammenarbeit: Kommunikation auf Augenhöhe erleichtert die Zu-sammenarbeit;

52 Vgl. Shapira (2007, 5–9; UN-Habitat Best Practices Seville Centre for city-to-city co-operation (2006, 8–12;

Heinz / Langel (2002, 159 f.; Marwede et al. (2005, 13); Hilliges / Nitschke (2007, 24); Emmighaus. (2003, 17 ff.); DST / GTZ (2005, 7–9).

– Unabhängigkeit von den spezifischen Konstellationen nationaler und internationaler Inte-ressen: z.B. Partnerschaften mit Kommunen, die nicht in einem offiziellen Partnerland des BMZ liegen;

– Projekte mit geringer Vorlaufzeit und relativ geringem Risiko:vergleichsweise geringe fi-nanzielle Mittel; Kommunikation auf Augenhöhe;

– Kurzer bis mittlerer Zeit- bzw. Wirkungshorizont:Aktivitäten setzen direkt auf lokaler Ebe-ne unter Bürgerbeteiligung an; keiEbe-ne umfangreichen politischen Veränderungsprozesse;

– Konkretisierung der EZ für die Bürger und damit Beitrag zur Bildungsarbeit: z.B. Darstel-lung der Partnerschaftsarbeit mit Kommunen aus EntwickDarstel-lungsländern in der eigenen Kommune;

– Reduktion abstrakter EZ-Zielsetzungen auf nachvollziehbare Handlungszusammenhänge, einschließlich der Einbindung der Bevölkerung in den Industrie- sowie in den Entwick-lungsländern;

Vorteile durchbereits existierende Netzwerke und Partnerschaften;

– Handlungsoption für den einzelnen Bürger: Partnerschaftsvereine, öffentliche Veranstal-tungen etc.

Hinsichtlich der entwicklungspolitischen Aktivitäten der Kommunen im Inland, also bei Maß-nahmen der entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationsarbeit, der Vernetzung und Aktivierung der verschiedenen Akteure und der Integration von Migrantinnen und Migranten in die KEpol wird der Hauptvorteil der Kommunen gegenüber den übergeordneten Ebenen ebenfalls in der Bürgernähe gesehen.

Ein wichtiger Vorteil der kommunalen EZ, also der Auslandsaktivitäten, wird weiterhin darin gesehen, dassbeideSeiten, also die Kommune im Industrieland und die Partnerkommune im Entwicklungsland von einer solchen Zusammenarbeit profitieren können. Um auch die mögli-chen Effekte auf die Kommunen in Deutschland durch solche Partnerschaften zu berücksichti-gen, wird im Folgenden eine Unterteilung nach „Mehrwert für die Kommunen in den Indus-trieländern (IL)“ und „Mehrwert für die Kommunen in den Entwicklungsländern (EL)“ vorge-nommen.

Potenziale und Mehrwert kommunaler Entwicklungszusammenarbeit:

a) Mehrwert für die Kommunen in den IL:

– Lernerfolg durch Erfahrungsaustausch (vgl. Beteiligungshaushalt aus Porto Alegre), – Internationalisierung der Kommunen und ihrer Bürger in einer globalisierten Welt, – Qualifizierung und Weiterbildung des eigenen Personals durch Auslandseinsätze,

inter-nationale Kontakte etc.,

– erhöhte Attraktivität der Arbeitsplätze in der Kommunalverwaltung, durch mögliche Einsätze in den Partnerkommunen im Rahmen von Personalaustausch und Partner-schaftsbesuchen,

– interkulturelle Kompetenzbildung, also die Entwicklung von Fähigkeiten der Bürger und Verwaltungsangestellten über kulturelle Grenzen hinweg kommunizieren und ge-meinsam agieren zu können und ein Verständnis für andere Kulturen zu entwickeln, – Aktivierung von zivilgesellschaftlichem Engagement,

– Möglichkeiten zur Integration von Migrant(inn)en im Rahmen der Partnerschaftsaktivi-täten und der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit.

– Möglichkeit der „Beeinflussung“/“Gestaltung“ der globalen Entwicklung, globalen He-rausforderungen lokal zu begegnen,

– lokale Wirtschaft der Kommunen der IL kann durch die bestehenden Kontakte profitie-ren (Aufträge, Absatz, Zulieferer),53

– Erfahrung abstrakter EZ-Zielsetzungen anhand konkreter Projekte,

– Imageverbesserung; Profilierung der Kommunen, Beitrag zum Stadtmarketing: Weiche Standortfaktoren mit möglichen direkten Wirkungen z.B. auf das Investitionsklima (auch aufgrund des international ausgebildeten Personals in der Verwaltung) oder den Tourismus.

Besonders die interkulturelle Kompetenzbildung und die Effekte auf das zivilgesell-schaftliche Engagement und die Integration von Migrantinnen und Migranten können sich als Mehrwert für die Kommunen auch aus den Inlandsaktivitäten ergeben.

b) Mehrwert für die Kommunen in den EL:

– Erfahrungsaustausch/Zugewinn an Know-how in grundlegenden Bereichen wie kom-munale Selbstverwaltung, Dezentralisierung und guter lokaler Regierungsführung (Vor-teil Deutschlands durch aktuelle Erfahrungen beim Transformationsprozess der neuen Länder in das System der Bundesrepublik Deutschland),

– Erfahrungsaustausch in zentralen Bereichen/Sektoren der Entwicklung (z.B. Wasser-versorgung, Energiebereitstellung, Abfallwirtschaft, lokale Wirtschaftsentwicklung, etc…) mit dem Ziel der verbesserten Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen (im Sinne der den Kommunen übertragenen Aufgaben im Rahmen der Dezentralisierungs-prozesse),

– Beratung und Finanzierung direkter (auch technischer) Vorhaben, – Personalentwicklung,Capacity Development,

– Langfristigkeit der Zusammenarbeit,

53 Vgl. dazu auch Held / Merkle (2008).

– Bedarfsorientierung,

– lokale Wirtschaft kann von bestehenden bzw. neuen Kontakten profitieren (Aufträge, Absatz, Zulieferer) sowie vom Austausch technologischen Know-hows.

Damit diese Vorteile wirksam werden, sollten die Kommunen die folgenden Kriterien bei der Planung und Durchführung von Auslandsaktivitäten beachten:54

– Gemeinsames Verständnis über Art und Ziele der Partnerschaft: Daher ist eine partizipati-ve Planung, Durchführung und Evaluierung der Partnerschaftsaktivitäten auf beiden Seiten sowie gegenseitige Transparenz geboten. Das impliziert weiterhin eine gemeinsame Ver-antwortung der eingesetzten finanziellen Mittel und eine regelmäßige Kommunikation zwi-schen den Partnerkommunen.

– Lokale Verankerung: Breite Beteiligung möglichst vieler verschiedener Akteure auf beiden Seiten der Partnerschaft, um diese auf eine breite Basis zu stellen. Das schließt eine gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit ein.

– Nachhaltigkeit der Partnerschaft: Das bedeutet die Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Dimensionen und der Interdependenzen zwischen diesen bei der Durch-führung der Maßnahmen.

Als grundlegendeKritikpunkte und Problembereiche werden vor allem zwei Bereiche ge-nannt. Zum einen die mangelnde entwicklungspolitische Erfahrung und unter Umständen un-zureichende interkulturelle Kompetenz der Verwaltungsmitarbeiter in den Kommunen der In-dustrieländer. Zum anderen ist es fraglich, ob sich die Kommunen der IL immer am Bedarf der Partnerkommune im EL orientieren oder doch eigene Themen vorgeben (die öffentlichkeits-wirksam eingesetzt werden können).55

Vor dem Hintergrund der Paris-Deklaration und des darin verankerten Prinzips der Geberhar-monisierung muss die Frage gestellt werden, inwieweit sich die kommunalen Aktivitäten in das neue internationale System der Entwicklungszusammenarbeit einfügen und z.B. innerhalb ei-ner kohärenten nationalen Strategie den ihnen angemessenen Platz im Sinne eines Mehrebe-nenansatzes finden.

Mögliche Kritikpunkte dabei können sein, dass die Zahl der Geber und Akteure in den Part-nerländern durch die Kommunen zusätzlich steigt und dies die Kapazitäten der Empfänger überlasten kann. Da allerdings die wenigstens Projekte kommunaler Akteure politische Verän-derungsprozesse anzustoßen versuchen und der Umfang der Projekte doch eher überschaubar ist, kommt diesem Aspekt keine allzu große Bedeutung zu. Eine Koordination der kommuna-len Ebene, z.B. durch die Landesregierungen, erscheint aber sinnvoll, einerseits um Über-schneidungen zu vermeiden, andererseits um mögliche Synergieeffekte nutzen zu können (vgl.

Kapitel 5.4).

54 Vgl. Marwede et al. (2005, 41, 50 f.).

55 Vgl. Emminghaus (2003,.20).

56 Vgl. Bergemann / Linnenbürger (2005).

3 Rahmenbedingungen kommunaler Entwicklungspolitik