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2.2 Analytische Anwendungen der Raman-Streuung

2.2.2 Raman-Spektroskopie von Carotinoiden

Carotinoide sind langkettige Kohlenwasserstoffe, die aus Isoprenoid-Einheiten zusam-mengesetzt sind.[105] Sie unterscheiden sich in der L¨ange der Polyenkette und in den Endgruppen. Aufgrund ihrer großen Bedeutung in der Natur und ihrer interessanten optischen Eigenschaften wurden Carotinoide in den vergangenen Jahrzehnten vielfach spektroskopisch untersucht.

Das konjugierteπ-System in der Polyenkette f¨uhrt dazu, das Carotinoide im Bereich des sichtbaren Lichts absorbieren. Dies erkl¨art ihre Funktionen als Bestandteile der Photosysteme I und II in Pflanzen. Dort erg¨anzen sie in den Lichtsammelkomplexen die Chlorophylle und erweitern so den f¨ur die Photosynthese nutzbaren Spektralbereich des einfallenden Lichts.[33] Gleichzeitig bieten sie durch Absorption und aufgrund ihres hohen Reduktionspotentials einfache M¨oglichkeiten Energie abzuf¨uhren und sch¨utzen somit die Photosysteme vor ¨ubersch¨ussigem Licht.[106]

Menschliche und tierische Organismen k¨onnen Carotinoide nicht selbst herstellen, ben¨otigen aber insbesondere β-Carotin als Vorl¨aufer f¨ur Vitamin A und andere Reti-noide, die f¨ur den Sehprozess wichtig sind,[107,108] und als Antioxidans in der Haut.[33]

Spektroskopische Untersuchungen erm¨oglichen Erkenntnisse ¨uber die Struktur, Zu-sammensetzung und Funktion der Carotinoide in den genannten biologischen Prozes-sen. Außerdem f¨uhren die energetisch niedrig liegenden elektronischen Zust¨ande[109]und die hohe molekulare Symmetrie der Carotinoide dazu, dass sie auch unabh¨angig von ihrer Bedeutung in der Natur interessante Systeme f¨ur verschiedene spektroskopische Methoden[110] und insbesondere f¨ur die Resonanz-Raman-Spektroskopie darstellen. So wurden Raman-Anregungsprofile von β-Carotin unter verschiedenen Umgebungsbe-dingungen,[34,35] sowie dessen Schwingungsspektren in Kombination mit Berechnungen der Molek¨ulstruktur untersucht.[36,111,112] Durch den starken Resonanzeffekt k¨onnen resonante Raman-Spektren von β-Carotin bis hin zu nanomolaren Konzentrationen erhalten werden.[37] Der Vergleich der Resonanz-Raman-Spektren verschiedener Caro-tinoide zeigt, dass die spektrale Signatur haupts¨achlich durch Ver¨anderungen in der Polyenkette, z. B. cis/trans-Isomerie, aber weniger durch unterschiedliche Endgruppen beeinflusst wird.[113,114]

Bei der Analyse nat¨urlicher Systeme, die Carotinoide enthalten, dient die Raman-Spektroskopie – bei Anregung sowohl in Resonanz als auch weit entfernt vom π−π -Ubergang – vor allem der Untersuchung der Zusammensetzung der Carotinoide¨ [115]oder ihrer Wechselwirkung mit der Umgebung,[116,117] wobei insbesondere die

Wechselwir-2.2 Analytische Anwendungen der Raman-Streuung kung und Orientierung von Carotinoiden in Lipidmembranen von Interesse ist,[118,119]

da sie deren Festigkeit beeinflussen.[33] Außerdem l¨asst sich anhand von Raman-Spek-tren das chemische Verhalten von Carotinoiden unter Lichteinfluss in verschiedenen Matrizes untersuchen.[120,121]

F¨ur eine m¨oglichst schonende Analyse verschiedener Carotinoid enthaltender bio-logischer Proben, insbesondere zur Vermeidung der Ver¨anderung der Proben durch photochemische Prozesse, ist die Anregung der Raman-Spektren mit Wellenl¨angen im nahen Infrarot vorzuziehen. Bei der Hyper-Raman-Spektroskopie kann man gleichzei-tig Resonanzverst¨arkungseffekte durch den elektronischen ¨Ubergang der Carotinoide ausnutzen, da die Zweiphotonenstreuung bei Anregung im nahen Infrarot im sichtba-ren Spektralbereich auftritt. In diesem Spektralbereich l¨asst sich der intensivste, ein-und zweiphotonenerlaubte, elektronische ¨Ubergang von β-Carotin anregen, neben dem es noch weitere, energetisch h¨oher liegende Zweiphotonen erlaubte ¨Uberg¨ange gibt.[122]

In bisherigen Hyper-Raman-Experimenten wurde kristallines β-Carotin als Modell in der Hyper-Raman-Mikrospektroskopie verwendet.[123]Des weiteren wurde in Resonanz-Hyper-Raman-Spektren organischer L¨osungen von β-Carotin eine Verst¨arkung der (nicht-resonanten) Hyper-Raman-Streuung des L¨osungsmittels beobachtet, die auf ei-ner intermolekularen Kopplung zwischen Carotinmolek¨ulen und benachbarten L¨ osungs-mittelmolek¨ulen beruht.[124]

Von besonderem Interesse sind auch nicht-resonante Raman-Spektren von Caro-tinoiden, da auf diese Weise andere Schwingungen untersucht werden k¨onnen, die bei resonanter Anregung neben den sehr dominanten, verst¨arkten Banden im Spek-trum nur schwer zu beobachten sind. Außerdem erm¨oglicht der Vergleich von reso-nanten und nicht-resoreso-nanten Raman-Spektren eine Beurteilung des Ausmaßes der Re-sonanzverst¨arkung auf die verschiedenen Banden, was wiederum strukturelle Infor-mationen ¨uber den elektronischen ¨Ubergang in den Molek¨ulen bietet.[28] Allerdings wurde f¨ur Carotinoide und andere vergleichbare Polyene bei Experimenten mit den entsprechenden Feststoffen auch bei Anregung der Raman-Spektren mit Wellenl¨angen, die weit entfernt vom elektronischen ¨Ubergang der Molek¨ule sind, ein Einfluss die-ses ¨Ubergangs auf die Raman-Spektren beobachtet.[38,125] Dieser Einfluss wurde mit einer Kopplung zwischen den π-Elektronen der einzelnen Molek¨ule und den Phono-nen des Molek¨ulverbands im Festk¨orper, der aufgrund der delokalisiertenπ-Elektronen zum Teil metallische Eigenschaften hat, erkl¨art.[125] Daher sollten die Carotinoide f¨ur Raman-Experimente, bei denen Einfl¨usse des elektronischen ¨Ubergangs ausgeschlossen

Kapitel 2 - Grundlagen

werden sollen, in L¨osungen vorliegen. Im Hinblick darauf, dass die nat¨urliche Umge-bung der Carotinoide im wesentlichen aus Lipidmembranen oder Proteinstrukturen in w¨assriger Umgebung besteht, sind insbesondere Messungen in w¨assrigen L¨osungen von Interesse. Aufgrund der Tendenz der Carotinoide, in Wasser molekulare Aggre-gate zu bilden, deren optische Eigenschaften sich deutlich von denen der Monomere unterscheiden,[126,127] sollten diese L¨osungen sehr geringe Konzentrationen aufweisen.

Um die Empfindlichkeit der Messungen, insbesondere bei nicht-resonanter Anre-gung, zu erh¨ohen, kann die Ausnutzung der oberfl¨achenverst¨arkten Raman-Streuung (SERS) von Vorteil sein. Diese ben¨otigt eine große r¨aumliche N¨ahe zwischen den zu untersuchenden Carotinmolek¨ulen und der f¨ur die plasmonische Verst¨arkung verwen-deten nanostrukturierten Metalloberfl¨ache. Bei w¨assrigen L¨osungen mit kolloidalen Metallnanopartikeln ist eine solche N¨ahe nur f¨ur Carotinoide mit hydrophilen End-gruppen,[128] die eine gewisse Affinit¨at zur Metalloberfl¨ache aufweisen, ohne weite-res gegeben. F¨ur hydrophobe Carotinoide, wie z. B. β-Carotin, ergibt sich somit ei-nerseits die M¨oglichkeit, selektiv hydrophile Bestandteile komplexer Proben neben den Carotinoiden bei Verwendung von SERS bzw. die Carotinoide selbst unter Ver-wendung von Resonanzverst¨arkung, aber ohne plasmonische Verst¨arkung zu detektie-ren.[129] Andererseits wurden verschiedene Ans¨atze entwickelt, um die Affinit¨at zwi-schen der Metalloberfl¨ache und den Carotinoiden zu erh¨ohen, indem nanostrukturierte Silberoberfl¨achen mit verschiedenen Alkanthiolen funktionalisiert wurden.[130–132] Auf diese Weise wurde anhand von Untersuchungen der Abstandsabh¨angigkeit der Ober-fl¨achenverst¨arkung festgestellt, dass die Resonanz-Raman-Streuung von β-Carotin auf Silberoberfl¨achen vor allem elektromagnetisch ist und kaum Einfluss durch chemische Verst¨arkung besteht.[133] Erg¨anzend dazu zeigen Emissionsspektren von Silberober-fl¨achen nach Aufbringen einer β-Carotin-Schicht, dass eine Kopplung zwischen den Plasmonen des Silbers und dem starken elektronischen ¨Ubergang des Carotins statt-findet.[134] Um eine solche Kopplung zu untersuchen, k¨onnen SERS-Spektren ebenfalls hilfreich sein.[31,32]

In dieser Arbeit wurde ein neuer Ansatz verfolgt, um die Affinit¨at zwischen β-Caro-tin und Silbernanopartikeln zu erh¨ohen: die Verwendung eines thiolfunktionalisierten Carotins, 7’-Apo-7’-(4-mercaptomethylphenyl)-β-carotin (5in Abb. 2.3). Dieses Caro-tinthiol bindet an Goldoberfl¨achen ¨uber die Thiolgruppe.[137]Da Schwefel zu Silber eine

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ahnlich hohe Affinit¨at hat wie zu Gold und viele organische Thiole auch auf Silberober-fl¨achen ¨uber die Thiolgruppe chemisorbieren,[101,138,139] wurde dieses Verhalten auch f¨ur

2.2 Analytische Anwendungen der Raman-Streuung

Abb. 2.3: Syntheseweg zur Herstellung von 7’-Apo-7’-(4-mercaptomethylphenyl)-β-carotin (5) aus 8’-Apo-β-carotinal (1) nach [135, 136] und die Struktur des nicht funktionalisierten β-Carotins (6) zum Vergleich. Die Zahlen an der Struktur von (6) zeigen die Nummerierung der Kohlenstoffatome nach IUPAC-Nomenklatur,[105]wie sie auch in dieser Arbeit verwendet wird.

Kapitel 2 - Grundlagen

7’-Apo-7’-(4-mercaptomethylphenyl)-β-carotin auf Silbernanopartikeln erwartet.

Das Carotinthiol wurde ausgehend von 8’-Apo-β-carotinal (1) hergestellt (Abb. 2.3).

In fr¨uheren Arbeiten wurde bereits gezeigt, dass in einer Wittig-Reaktion der Me-thylester 2 hergestellt und anschließend zum Alkohol 3 reduziert werden kann.[135]

Ausgehend von diesem k¨onnen in aufeinanderfolgenden nucleophilen Substitutionen zun¨achst das Iodid 4[135] und schließlich das Thiol 5[136] hergestellt werden. Das Thiol 5 wurde in dieser Arbeit in SEHRS- und SERS-Experimenten im Vergleich zu nicht-funktionalisiertem β-Carotin 6 (Abb. 2.3) untersucht (Kapitel 5).

2.2.3 oglichkeiten f¨ ur die multivariate Analyse von