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6.3 Multivariate Unterscheidung von SEHRS-Spektren

6.3.2 Klassifizierung

Multivariate Analysemethoden erm¨oglichen die Unterscheidung von Spektren unter Ber¨ucksichtigung mehrerer (oder aller) Banden und k¨onnen auf diese Weise subtilere Unterschiede sichtbar machen als univariate Auswertungen.[141] Im Folgenden werden daher Untersuchungen der SEHRS-Spektren von Kristallviolett, Malachitgr¨un und de-ren Mischung mittels hierarchischer Clusteranalyse (HCA) und Hauptkomponenten-analyse (engl. principal component analysis, PCA) diskutiert. Sowohl PCA als auch HCA wurden zum einen f¨ur den Spektralbereich von 380 bis 1700 cm−1 durchgef¨uhrt, der alle im vorliegenden Experiment beobachteten Banden enth¨alt, zum anderen f¨ur einen kleineren Spektralbereich zwischen 380 cm−1 und 1000 cm−1.

Abb. 6.15 zeigt die Ergebnisse von hierarchischen Clusteranalysen der SEHRS-Spektren der beiden Farbstoffe. Die Auswahl des Spektralbereichs beeinflusst das Er-gebnis der Analyse: Wird der gr¨oßere Bereich verwendet (380-1700 cm−1, Abb. 6.15 a),

Kapitel 6 - Bildgebende Experimente an mikrostrukturierten Oberfl¨achen

Abb. 6.15: Ergebnisse von hierarchischen Clusteranalysen der SEHRS-Spektren von L¨osungen von Kristallviolett (CV), Malachitgr¨un (MG) und einer ¨aquimolaren Mischung (mix) dieser beiden Farb-stoffe auf immobilisierten Silbernanopartikeln. Verwendeter Spektralbereich: (a) 380-1700 cm−1 (b) 380-1000 cm−1.

bilden sich grunds¨atzlich drei separate Cluster f¨ur die Spektren von Kristallviolett, Malachitgr¨un bzw. der ¨aquimolaren Mischung. Allerdings wird ein Teil der Mala-chitgr¨unspektren dem Cluster zugeordnet, der haupts¨achlich Kristallviolettspektren enth¨alt (Abb. 6.15 a, oben). Bei Verwendung des kleineren Spektralbereichs zwischen 380 und 1000 cm−1werden dahingegen die Spektren von Malachitgr¨un vollst¨andig in ei-nem eigenen Cluster gesammelt, was der erwarteten Gruppierung entspricht. Die Spek-tren von Kristallviolett und der Mischung bilden einen gemeinsamen ¨ubergeordneten Cluster, der sich weiter aufspaltet in einen Cluster, der nur Kristallviolettspektren enth¨alt und einen Cluster, der mehrere Gruppen von Kristallviolett- bzw. Mischungs-spektren enth¨alt (Abb. 6.15 b). Die gemeinsame Gruppierung der Spektren von Kris-tallviolett und Mischung spiegelt die subjektive Beobachtung wider, dass die Spektren der Mischung eine gr¨oßere ¨Ahnlichkeit zu den Spektren von Kristallviolett haben als zu

6.3 Multivariate Unterscheidung von SEHRS-Spektren denjenigen von Malachitgr¨un (siehe auch Abb. 6.13 a). Die Verwendung des kleineren Spektralbereichs in der HCA erm¨oglicht also, insbesondere durch die klare Separierung der Malachitgr¨unspektren, eine realistischere Unterscheidung der SEHRS-Spektren der Farbstoffe als die Verwendung des gr¨oßeren Spektralbereichs. Demnach enthalten die Spektren im Bereich oberhalb von 1000 cm−1 Varianz, die nicht direkt durch die che-mischen Unterschiede zwischen den beiden Farbstoffen verursacht wird.

Bei den SERS-Spektren hat die Auswahl des Spektralbereichs im Gegensatz zu den SEHRS-Spektren keinen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis der hierarchi-schen Clusteranalyse. SERS-Spektren von Kristallviolett, Malachitgr¨un und der Mi-schung werden jeweils ohne Fehlzuordnungen in drei separate Cluster getrennt, wobei Kristallviolett- und Mischungsspektren einem gemeinsamen ¨ubergeordneten Cluster zugeordnet werden (Abbildung nicht gezeigt).

Eine weitere M¨oglichkeit, die Unterschiede zwischen den SEHRS- und SERS-Spek-tren der beiden Farbstoffe zu untersuchen und damit eine Klassifizierung zu erm¨oglichen, ist die PCA. Gegen¨uber der Clusteranalyse bietet die PCA den Vorteil, dass sich durch eine Betrachtung der Loadings R¨uckschl¨usse auf diejenigen Banden, die f¨ur die Unter-scheidung der verschiedenen Spektren wichtig sind, ziehen lassen.

Eine Trennung der SEHRS-Spektren der beiden Farbstoffe ist, basierend auf den Scores der ersten beiden Hauptkomponenten der PCA dieser Spektren, unabh¨angig vom verwendeten Spektralbereich m¨oglich (Abb. 6.16 a und 6.16 c). Allerdings erfolgt die Trennung bei der Verwendung des gr¨oßeren Spektralbereichs entlang der zweiten Hauptkomponente (Abb. 6.16 a), w¨ahrend f¨ur den kleineren Spektralbereich eine Tren-nung entlang der ersten Hauptkomponente zu erkennen ist (Abb. 6.16 c). Sowohl die Loadings der zweiten Hauptkomponente bei Verwendung des großen Spektralbereichs (Abb. 6.16 b, unten) als auch die Loadings der ersten Hauptkomponente bei Verwen-dung des kleinen Spektralbereichs (Abb. 6.16 d, oben) zeigen eine intensive Bande bei ca. 915 cm−1. Dort befindet sich in den Kristallviolettspektren eine Phenyldeforma-tionsbande, die in den Malachitgr¨unspektren bei einer kleineren Raman-Verschiebung liegt. Dies zeigt, dass die f¨ur die Trennung der Spektren der beiden Farbstoffe rele-vanten spektralen Merkmale unabh¨angig vom verwendeten Spektralbereich sind, aber durch die Einfl¨usse weiterer Varianz unterschiedlich gewichtet werden.

Die dominanten Banden in den Loadings der ersten Hauptkomponente unter Ver-wendung des großen Spektralbereichs sind zugleich die drei intensivsten Banden in den SEHRS-Spektren beider Farbstoffe (1587, 1373 und 1174 cm−1) und liegen oberhalb von

Kapitel 6 - Bildgebende Experimente an mikrostrukturierten Oberfl¨achen

Abb. 6.16: (a-d)Scores (a, c) und Loadings (b, d) der ersten beiden Hauptkomponenten (PC) aus Hauptkomponentenanalysen der SEHRS-Spektren von L¨osungen von Kristallviolett (CV, +), Mala-chitgr¨un (MG,X) und einer ¨aquimolaren Mischung dieser beiden Farbstoffe (mix,o) auf immobilisier-ten Silbernanopartikeln. Untersucht wurden die Spektralbereiche von 380-1700 cm−1 (a-b) und von 380-1000 cm−1(c-d). Der Anteil der Varianz der Daten, der durch die jeweilige PC erkl¨art wird, ist in (b, d) angegeben. (e-h)Entsprechende Ergebnisse der Hauptkomponentenanalysen eines SERS-Da-tensatzes der gleichen Farbstoffe.

1000 cm−1(Abb. 6.16 b, oben), das heißt in dem Bereich der Spektren, der f¨ur die Ana-lyse in Abb. 6.16 c und 6.16 d nicht verwendet wurde. Die an sich gr¨oßte Varianz in den SEHRS-Spektren der beiden Farbstoffe zwischen 1000 cm−1 und 1700 cm−1 wird also in der PCA des kleineren Spektralbereichs nicht ber¨ucksichtigt. Dieser Spektralbereich ist jedoch wichtig f¨ur die Unterscheidung der SEHRS-Spektren des reinen Kristallvio-letts und der Mischung aus Kristallviolett und Malachitgr¨un, die in der Auftragung der Scores (Abb. 6.16 a) dicht nebeneinander liegen und sich anhand der zweiten Haupt-komponente, die eine Trennung der Spektren der Reinsubstanzen erm¨oglicht, nicht separieren lassen. Da die Gruppe der Malachitgr¨unspektren entlang der ersten Haupt-komponente ebenfalls relativ breit verteilt ist (Abb. 6.16 a), ist anzunehmen, dass ein Teil der Varianz im Bereich von 1000 bis 1700 cm−1 durch Unterschiede in der

Adsorp-6.3 Multivariate Unterscheidung von SEHRS-Spektren tionsgeometrie der Farbstoffmolek¨ule verursacht wird und nicht durch Unterschiede in der Molek¨ulstruktur selbst. Solche Unterschiede bei der Adsorption k¨onnen entweder durch unterschiedliche Oberfl¨acheneigenschaften und Anordnung der immobilisierten Silbernanopartikel oder, wie beim Vergleich der Kristallviolett- und Mischungsspek-tren, durch Konkurrenz und gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Farbstoff-molek¨ule auf der Silberoberfl¨ache entstehen.

Bei der Verwendung des kleineren Spektralbereichs in der PCA wird die Varianz bei gr¨oßeren Raman-Verschiebungen ignoriert, sodass der Unterschied zwischen den Spektren der reinen Farbstoffe, der haupts¨achlich in der Bande bei 915 cm−1 zu finden ist, wichtiger wird. Die Spektren des reinen Kristallvioletts und der Mischung k¨onnen dennoch auch bei Betrachtung des kleineren Spektralbereichs unterschieden werden, allerdings anhand der zweiten Hauptkomponente (Abb. 6.16 c), die eine große Varianz bei 422 cm−1 impliziert (Abb. 6.16 d, unten). Eine schwache Bande bei 422 cm−1 ist auch in den Loadings der ersten Hauptkomponente bei Verwendung des großen Spek-tralbereichs zu finden (Abb. 6.16 b), diese Bande tr¨agt also auch dort zur Trennung der Spektren des reinen Kristallvioletts von denen der Mischung bei. Da die Phenylde-formationsschwingungsbande an dieser Position in den Kristallviolett- und Mischungs-spektren eine Schulter besitzt, in den Malachitgr¨unspektren aber nicht (Abb. 6.13 a), ist anzunehmen, dass der Beitrag der Schulter zu der Bande in den Mischungsspektren anders ist als in den Spektren des reinen Kristallvioletts.

Die PCA der SERS-Spektren erm¨oglicht ebenfalls eine Trennung der beiden Farb-stoffe und ihrer Mischung (Abb. 6.16 e-h). Allerdings werden im SERS-Datensatz die Spektren der reinen Farbstoffe, im Gegensatz zu den SEHRS-Spektren, f¨ur beide Spek-tralbereiche entlang der ersten Hauptkomponente getrennt (Abb. 6.16 e und 6.16 g).

Das ist dadurch bedingt, dass die SERS-Spektren von Kristallviolett und Malachit-gr¨un deutlichere Unterschiede aufweisen (Abb. 6.13 b), insbesondere sind einige Banden nur in den Spektren jeweils eines der beiden Farbstoffe zu finden (z. B. 1219 cm−1 f¨ur Malachitgr¨un und 726 cm−1 f¨ur Kristallviolett). Die Loadings (Abb. 6.16 f und 6.16 h, jeweils oben) zeigen einen starken Beitrag dieser zus¨atzlichen Banden zur Varianz des SERS-Datensatzes, aber auch einen Einfluss der Bande bei 915 cm−1, die auch schon f¨ur den SEHRS-Datensatz als wichtiger Unterschied zwischen den beiden Farbstoffen identifiziert wurde.

Ahnlich wie f¨¨ ur den SEHRS-Datensatz ist f¨ur die Abgrenzung der SERS-Spektren der Mischung, die denen des reinen Kristallvioletts sehr ¨ahnlich sind, eine weitere,

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n¨amlich die zweite, Hauptkomponente erforderlich. Ein Unterschied f¨ur den SERS-Datensatz besteht jedoch darin, dass die durch die zweite Hauptkomponente repr¨ a-sentierte Varianz im wesentlichen auf den gleichen Banden beruht wie bei der ersten Hauptkomponente (Abb. 6.16 f und 6.16 h), nur bei Verwendung des kleineren Spektral-bereiches wird ein Einfluss einer weiteren Bande bei 801 cm−1 deutlich (Abb. 6.16 h).

Der Unterschied zwischen den SERS-Spektren der Mischung und des reinen Kristallvio-letts ist somit zwar schw¨acher ausgepr¨agt, beruht aber auf den gleichen molekularen Schwingungen wie der Unterschied zwischen den SERS-Spektren der beiden reinen Farbstoffe. Bei den SEHRS-Spektren hingegen, wo die Unterschiede zwischen den bei-den Farbstoffen ohnehin subtiler sind, lassen sich in der PCA Einfl¨usse verschiedener struktureller Gruppen der Molek¨ule erkennen, abh¨angig davon, ob die reinen Farbstof-fe untereinander oder mit der Mischung verglichen werden. Dies kann auf die gr¨oßere Empfindlichkeit von SEHRS gegen¨uber der Adsorptionsgeometrie[10] und der Molek¨ ul-Metall-Wechselwirkung zur¨uckgef¨uhrt werden (siehe auch Abschnitt 4.4). Die PCA von SEHRS-Daten der hier untersuchten Farbstoffe liefert also entscheidende Zusamtzinfor-mationen im Vergleich mit den SERS-Daten, was f¨ur die Untersuchung von Verteilun-gen der Farbstoffe auf plasmonischen Oberfl¨achen von Vorteil ist, wie in Abschnitt 6.4 gezeigt werden wird.

Zusammenfassend l¨asst sich an dieser Stelle feststellen, dass sowohl die HCA als auch die PCA eine Unterscheidung von Kristallviolett und Malachitgr¨un anhand ihrer SEHRS- und SERS-Spektren erm¨oglichen. Dabei liefert die PCA zus¨atzliche Informa-tionen ¨uber die spektralen Merkmale, die f¨ur die Unterscheidung relevant sind, und kann somit verschiedene Einfl¨usse auf die Spektren beschreiben. So l¨asst sich mit Hil-fe der Informationen aus der PCA erkl¨aren, weshalb die Unterscheidung der beiden Farbstoffe anhand der HCA der SEHRS-Spektren unter Verwendung des kleinen Spek-tralbereichs von 380 bis 1000 cm−1 besser funktioniert: Die Verringerung des betrach-teten Spektralbereichs f¨uhrt dazu, dass Varianz zwischen den einzelnen Spektren, die nicht eindeutig den Unterschieden zwischen den beiden Farbstoffen an sich zugeordnet werden kann, ignoriert wird. Der kleinere Spektralbereich zwischen 380 und 1000 cm−1 erm¨oglicht somit zwar teilweise deutlichere oder korrektere Trennungen der beiden Farbstoffe, aber der Rest der Spektren im Spektralbereich zwischen 1000 und 1700 cm−1 enth¨alt trotzdem wichtige Informationen, insbesondere hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen den Farbstoffmolek¨ulen und der Silberoberfl¨ache. Interessant ist, dass die anhand der PCA identifizierten unterscheidungsrelevanten spektralen Merkmale

aus-6.4 Hyperspektrale SEHRS-Bildgebung