• Keine Ergebnisse gefunden

R ECHTSVERGLEICH MIT EINER R EGULIERUNG DURCH L ISTING

4.3.1 Situationsanalyse

Neben den Regelungsalternativen Regulierung durch Corporate Governance Kodi-zes, wie sie mit dem DCGK und § 161 AktG in Deutschland erfolgt ist, direkter Re-gulierung durch positives Gesetz und NichtreRe-gulierung kommt eine weitere Rege-lungsvariante im Gegenstandsbereich von Corporate Governance in Betracht: Die Regulierung durch Börsenzulassungsvoraussetzungen. Dabei sind zwei Gestaltungen denkbar: Die Ausgestaltung von originären Corporate Governance Regeln oder die Implementierung einer „befolge-oder-erkläre“-Regelung zu einem bestimmten Cor-porate Governance Kodex als Zulassungsvoraussetzungen für eine Wertpapierbörse.

Während die erste Variante viele Parallelen zur Regelungsalternative „Regulierung durch positives Gesetz“ aufweist, ähnelt die zweite Variante der „Regulierung durch Corporate Governance Kodizes“, von der sie sich nur hinsichtlich der Ausgestaltung der Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung unterscheidet.

4.3.2 Das Sanktionspotential von Zulassungsvoraussetzungen

Zulassungsvoraussetzungen für Wertpapierbörsen können nicht wie Parlamentsge-setze mittels des staatlichen Zwangsapparates durchgesetzt werden. Im Falle der Nichtbefolgung droht den Adressaten eine einzige Sanktion: der Ausschluss vom Handel an der jeweiligen Wertpapierbörse. Für große Publikumsgesellschaften ist diese Sanktion aufgrund ihres in weiten Teilen über den Kapitalmarkt gedeckten Ka-pitalbedarfs eine derart scharfe Sanktion,392 dass sich für die handelnden Akteure kaum Unterschiede zu einer Sanktionierung mittels des staatlichen Zwangsapparates ergeben. Etwas anderes kann lediglich für kleinere Aktiengesellschaften gelten, die sich auch über Kredite finanzieren können. Die Sanktion ist nicht skalierbar; ein

„Teil-Listing“ ist logisch nicht vorstellbar. Folglich bleibt den Börsen als für die Ausübung der Sanktion zuständige Stellen neben dem tatsächlichen Ausschluss des Unternehmens vom Handel nur die Drohung mit selbigem.

392 Vgl. Burke (2002), S. 353-355

Wenn Börsen im Falle der Nichtbefolgung die für die Ausübung der Sanktionen zu-ständige Stelle sind, so sind einige Besonderheiten zu beachten. Es widerspricht im Grunde dem Interesse einer Börse, große Unternehmen auszuschließen. Zwar gibt es Anreize, nach außen hin mit einer prägnanten Öffentlichkeitsarbeit den Eindruck einer rigiden Durchsetzung der Listing-Voraussetzungen zu erwecken.393 Bei Be-trachtung der internen Abläufe fällt jedoch auf, dass der Umsatz einer Börse durch die Zahl der gelisteten Unternehmen und das Handelsvolumen bestimmt wird. Der Ausschluss eines großen Unternehmens kann den Umsatz unter Umständen nicht unerheblich mindern. Das Management einer Börse hat deshalb keine starken Anrei-ze, die Einhaltung der Listing-Voraussetzungen wirksam zu überwachen.394 Für Drit-te besDrit-teht in der Regel keine Möglichkeit, gegen die Verletzung von Listing-Voraussetzungen gerichtlich vorzugehen.

4.3.3 Die Einhaltung originärer Corporate Governance Standards als Zulassungsvor-aussetzung für Wertpapierbörsen

Als Zulassungsvoraussetzungen ausgestaltete, originäre Corporate Governance Re-geln ähneln der unter 4.2 dargestellten direkten Regulierung. Wichtige Unterschiede ergeben sich jedoch hinsichtlich der Art der Sanktionierung der Verhaltensalternative

„Nichtbefolgung“.

Das Listing an einer Börse hat im Allgemeinen eine erhebliche Steigerung des Rufs eines Unternehmens zur Folge. Im Hinblick auf kleinere Aktiengesellschaften, die erstmals ein Listing anstreben, ergeben sich somit durchaus Anreize, auch strikte Corporate Governance Regeln zu befolgen. Das Unternehmen hat so die Möglich-keit, eine glaubwürdige Selbstbindung (credible commitment) einzugehen und (po-tentiellen) Investoren gute Corporate Governance zu demonstrieren.395

Allerdings bieten Listing-Voraussetzungen keinerlei Flexibilität in der Anwendung, d.h. es besteht keine Möglichkeit für die gelisteten Unternehmen, in begründeten Fällen von den Vorschriften abzuweichen. Gerade im Hinblick auf große

393 Vgl. Oesterle (1998), S. 215.

394 Vgl. Oesterle (1998), S. 215-216; Cain (2003), S. 650-651.

395 Vgl. Cain (2003), S. 637-638; ABA Special Study Group (2002), Section V. A.

Aktiengesellschaften wirkt die Regulierung durch Listing-Voraussetzungen aufgrund der Schärfe der Sanktion eines Delisting wie ein positives Gesetz. Insofern kann auf die Analyse in Abschnitt 4.2 verwiesen werden.

Wenn die Börsen die Autoren der Zulassungsvoraussetzungen sind, so ergeben sich hinsichtlich der Flexibilität und Qualität des Normsetzungsprozesses die gleichen Effekte wie bei einer Regulierung durch Corporate Governance Kodizes (vgl. Ab-schnitt 3.4). Für Börsen bietet sich wie für andere private Autoren von Corporate Governance Standards, das Sachverständnis der Marktteilnehmer zu nutzen.396 Es ist allerdings zu beachten, dass es für die Autoren in dieser Situation möglicherweise Anreize gibt, Markteintrittsbarrieren zu schaffen.397

Gegenüber einer Regulierung durch Unternehmensführungskodizes vermag die Re-gulierung durch als originäre Corporate Governance Standards ausgestaltete Listing-Voraussetzungen nicht zu überzeugen. Wenngleich sich hinsichtlich der Qualität des Normsetzungsprozesses keine wesentlichen Unterschiede ergeben, so erlaubt die verpflichtende Wirkung jedoch keine ausreichend flexible Handhabung der Stan-dards. Es gibt für die Unternehmen keine Möglichkeit der Abweichung, wenn sie nicht der scharfen Sanktion eines Delisting ausgesetzt sein wollen.

4.3.4 Die Ausgestaltung einer „befolge-oder-erkläre“-Regelung als Zulassungsvoraus-setzung für Wertpapierbörsen

Die zweite Variante gleicht der in Abschnitt 3.4 dargestellten Regulierung durch Corporate Governance Kodizes, von der sie sich nur durch die unterschiedliche Aus-gestaltung der „befolge-oder-erkläre“-Regelung unterscheidet. Hinsichtlich des Ef-fekts der Standardsetzung, der Kommunikationsfunktion, der Qualität des Normset-zungsprozesses, der Flexibilität der Regelungen sowie den unternehmensexternen Wirkungen im Allgemeinen und den Signaling-Möglichkeiten und –Gefahren im Besonderen kann auf Abschnitt 3.4 verwiesen werden.

396 Vgl. Thompson (2003), S. 973.

397 Vgl. Pirrong (1998), S. 435.

Der britische Combined Code398, der aus dem Cadbury Code399 von 1992 und seinen Nachfolgern hervorgegangen ist und als ein Vorreiter von Corporate Governance Kodizes in ganz Europa angesehen werden kann, wird von einer als Listing-Voraussetzung für die Londoner Börse LSE ausgestalteten „befolge-oder-erkläre“-Regelung begleitet.400 Einen ähnlichen Vorschlag hat eine Special Study Group der American Bar Association der SEC für die NYSE unterbreitet.401 Im Vergleich der Durchsetzungsmechanismen scheint eine gesetzlich ausgestaltete „befolge-oder-erkläre“-Regelung effektiver. Zum einen etabliert sie eine klare Rechtspflicht für Vorstände und Aufsichtsräte und zieht entsprechende Haftungsfolgen nach sich. An-dererseits erzeugt die Kontrolle des Vorhandenseins der Entsprechenserklärung durch den Abschlussprüfer (und eine Einschränkung des Abschlussvermerks im ne-gativen Falle) einen gewissen zusätzlichen Druck.