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3.1.1 Erzeugung monochromatischer Röntgenstrahlen

Die Röntgenpulverdiffraktometrie (XRD) ist eine vielseitig anwendbare Charakterisierungsmethode, die sich am besten zur Untersuchung kristalliner Materialien eignet. Prinzipiell wird bei dieser Methode die Beugung von Röntgenstrahlen an der zu untersuchenden Probe detektiert.

Als Röntgenstrahlung wird elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge in der Größenordnung von 0,1 Å < λ < 100 Å bezeichnet.[116] In kommerziell erhältlichen Laborgeräten werden hauptsächlich Röntgenstrahlen der Wellenlänge λ = 1,54056 Å (Cu 1)[117] sowie λ = 0,70930 Å (Mo Kα1)[117] verwendet. Die Erzeugung dieser Strahlung ist relativ einfach zu bewerkstelligen. Elektronen treten aus einer Glühkatode aus und werden an einem hochenergetischen Feld im Vakuum stark beschleunigt. Die beschleunigten Elektronen treffen auf ein Metall-Filament aus Cu bzw. Mo auf. Ein Teil der Elektronen wird durch die Atomkerne an der Anode abgebremst, wodurch ein kontinuierliches Bremsstrahlenspektrum emittiert wird, andere wiederum treffen auf kernnahe Elektronen. Aufgrund der hohen Energie dieser einfallenden Elektronen wird ein Elektron aus den Schalen eines Metallatoms der Anode geschossen. Dieses „Loch“ wird dann mit einem Elektron der äußeren Schalen geschlossen, wobei aufgrund des definierten Energieunterschieds elektromagnetische Strahlung bestimmter Wellenlänge frei wird (Abbildung 3.1).[118]

Röntgenpulverdiffraktometrie

Abbildung 3.1: Energiediagramm eines Cu0 Atoms. Die charakteristischen Elektronenübergänge wurden schematisch hervorgehoben (nach Ref. [118]).

Röntgenstrahlung, die so erzeugt wird, setzt sich daher nicht aus Strahlung einer Wellenlänge zusammen. Zum einen wird die Bremsstrahlung emittiert, zum anderen rekombinieren nicht nur Elektronen aus den nächsten Schalen, sondern es können Elektronen aus allen darüber liegenden Schalen potentiell den Platz des heraus-geschossenen Elektrons einnehmen. Somit muss die zunächst weiße Röntgenstrahlung mit Hilfe von Monochromatoren monochromatisiert werden.

Monochromatoren für Röntgenstrahlen bestehen aus großen Einkristallen, welche mechanisch stabil, einfach und in großem Maße herzustellen sind, im Idealfall aus nur einem Kristall hoher Güte bestehen und dabei Röntgenstrahlen nur gering absorbieren. Als gute Monochromatoren haben sich Kristalle aus Ge, Si oder C (Diamant oder Graphit) erwiesen. Um Röntgenstrahlung einer bestimmten Wellenlänge zu erhalten, wird der Einkristall in einem Winkel θM relativ zum einfallenden weißen Röntgenstrahl positioniert. Bei bekanntem Netzebenenabstand d kann mittels der Bragg-Beziehung (Gleichung (3.1)) die gewünschte Wellenlänge λ aus dem Emissionsspektrum erhalten werden.[118]

2 sind M

λ

=

θ

(3.1)

Auf diese Weise erhaltene monochromatische Röntgenstrahlung ist für den Einsatz in der Röntgenstrukturanalyse geeignet.

3.1.2 Röntgenbeugung

Das Prinzip der Röntgenpulverdiffraktometrie beruht, wie bereits oben erwähnt, auf der Messung der Intensität gebeugter Röntgenstrahlen. Dabei ist die Wechselwirkung der Photonen mit den Elektronen der Probe von Bedeutung. Trifft Röntgenstrahlung auf eine Probe, können drei verschiedene Prozesse beobachtet werden.

Zunächst kann Röntgenstrahlung absorbiert werden. Die Probe zeigt daraufhin, analog wie bei der Absorption von sichtbarem Licht, photoelektrische Effekte (z.B.

Fluoreszenz) oder wird aufgrund von Photon-Elektron-Stoßprozessen ionisiert.

Dieser Effekt kann vermehrt bei schweren Elementen auftreten. Beispielsweise zeigt Co eine starke Röntgenfluoreszenz, wenn es Cu-Strahlung ausgesetzt wird. Dieses Phänomen wird bei der XRF (X-ray fluorescence) -Spurenanalyse angewandt, um kleinste Mengen bestimmter Elemente in einer Matrix detektieren zu können.[119]

Der zweite mögliche Prozess ist die inkohärente oder Compton-Streuung.[120]

Aufgrund von Stoßprozessen der Photonen mit den Kern-Elektronen nimmt die Photonenenergie ab (Compton Effekt [121]). Die ausfallenden Röntgenstrahlen weisen somit eine größere Wellenlänge auf als die einfallenden. Für Strukturanalysen wird die inkohärente Strahlung meist vernachlässigt. [122]

Der dritte und für XRD Analysen wichtige auftretende Effekt ist die kohärente Beugung von Röntgenstrahlen. Hier weisen die einfallenden Strahlen die gleiche Wellenlänge wie die ausfallenden Strahlen auf, die vom Streuzentrum aus in alle Raumrichtungen gleichermaßen entsandt werden. Findet die Beugung zudem an mehreren Stellen des Kristalls statt, interferieren diese neuen, kohärenten Wellen untereinander. Man spricht dabei von konstruktiver Interferenz, wenn die Amplitude der resultierenden Welle um ein Vielfaches größer ist als die der einfallenden Welle, destruktive Interferenz hingegen zeigt sich in einer Auslöschung von Wellen. Dabei ist die Phasenverschiebung der Wellen relativ zueinander maßgebend, ob konstruktive oder destruktive Interferenz auftritt. Diese Phänomene, welche ursprünglich bei der Beugung sichtbarer Strahlung an Gittern schon im Jahr 1665 beobachtet wurden,[123] zeigen sich, wenn die verwendete Strahlung eine Wellenlänge aufweist, die in etwa dem Gitterabstand entspricht.[122]

Interferieren zwei Wellen miteinander, ist der Gangunterschied, also der Phasenverschiebung δφ der beiden Wellen relativ zueinander, maßgebend, ob konstruktive (δφ = 0) oder destruktive (δφ = π) Interferenz beobachtet wird.[124]

Röntgenpulverdiffraktometrie

Betrachtet man nun die Interferenz mehrerer sich überlagernder Wellen, die sich aus einer Amplitude A und einer Phase φ, die relativ zu einem gewissen Ursprung bezogen wird, zusammensetzen, kann die Intensität der resultierenden Welle folgendermaßen berechnet werden:

Streng genommen gilt Gleichung (3.2) nur, wenn der Abstand von der Röntgenquelle zur Probe L1 und der Abstand von der Probe zum Detektor L2 um ein Vielfaches größer sind als der Gitterabstand der Probe D. Diese Annahme, auch als Fraunhofer Näherung bekannt,[125] ist im Fall der Röntgenbeugung gut erfüllt (Gleichung(3.3)).

10

1 2

10

D D L L ≈ =

(3.3)

Wie zuvor erwähnt, beruht die Röntgendiffraktometrie auf der Messung der Intensität von Röntgenstrahlen, die durch Atome im Gitter gestreut wurde. Nach Gleichung (3.2) wird also eine Intensität gemessen, die abhängig von der jeweiligen Phasenverschiebung ist. Diese Phasenverschiebung wiederum basiert auf der relativen Position der Atome zueinander. Kennt man also das Streuverhalten einer Probe, kann auf die Anordnung der Atome im Gitter geschlossen werden (Abbildung 3.2).

Abbildung 3.2: Zustandekommen von Beugungsordnungen nullter, erster, zweiter und dritter Ordnung. Eine plane Lichtwelle trifft auf eine eindimensionale Anordnung von äquidistanten Atomen,

3.1.3 Die Bragg-Gleichung

Die Beziehung zwischen Interferenzmuster und relativer Atomposition wurde im vorherigen Abschnitt anhand einer eindimensionalen Atomkette kurz erläutert. Eine anschauliche mathematische Behandlung der Beugung liefert die Bragg-Gleichung.

Sie beschreibt die Röntgendiffraktometrie als Reflexion von Röntgenstrahlen an einer Schar von Gitterebenen. Mit Hilfe der Miller’schen Indizes hkl können diese kristallographischen Ebenen beschrieben werden, wobei gleiche Indizes für parallel zueinander verlaufende Ebenen stehen. Der Abstand dhkl bezeichnet dabei den Abstand zweier paralleler Ebenen. Die von Bragg dabei angenommene spekulare Reflexion gilt jedoch nicht für Röntgenstrahlen, da diese durch die ersten Materialschichten in das Volumen eindringen und dort weitere Beugungsphänomene hervorrufen. Zur Veranschaulichung der mathematischen Prinzipien ist diese einfache Darstellung jedoch ausreichend. Abbildung 3.3 illustriert vereinfacht den Vorgang der Streuung. Die Röntgenstrahlung fällt in parallelen Wellen auf eine Probe mit Netzebenenabstand d und wird gebeugt.[124]

Abbildung 3.3: Vereinfachte Darstellung der Röntgenbeugung zur anschaulichen Herleitung der Bragg-Gleichung (nach Ref. [124]).

Die untere Welle in Abbildung 3.3 muss dabei im Vergleich zur oberen Welle zusätzlich die Wegstrecken PN und NQ zurücklegen. Beträgt dieser

Röntgenpulverdiffraktometrie

Gangunterschied Δ = PN + NQ ein ganzzahliges Vielfaches (n = 0, ±1, ±2, …) der Wellenlänge λ, wird konstruktive Interferenz beobachtet. Für Δ gilt somit:

λ

∆ = ⋅ n

(3.4)

In allen anderen Fällen wird destruktive Interferenz beobachtet, da es in der Netzebenenschar immer eine Ebene gibt, die die Bedingung Δ = m·λ mit m = ± 0,5, ± 1,5, … erfüllt. Dadurch werden scharfe Intensitätsmaxima bei Beugungs-experimenten nur unter den Winkeln θ beobachtet, für die Gleichung (3.4) gilt.

Daraus kann nun geometrisch der Gangunterschied für eine konstruktive Interferenz hergeleitet werden:

( )

2 sind

θ

∆ = (3.5)

Der Beugungswinkel 2θ wird dabei als Winkel zwischen dem einfallenden und dem ausfallenden Röntgenstrahl definiert (Abbildung 3.3). Kombiniert man nun die Gleichungen (3.5) und (3.4), erhält man die Bragg-Gleichung:

( )

2 sin

n⋅ =

λ

d

θ

(3.6)

Es sei hier aber explizit darauf hingewiesen, dass mit Hilfe der Bragg-Beziehung das Phänomen der Beugung von Röntgenstrahlen zwar anschaulich beschrieben werden kann, in der Realität treffen jedoch die vereinfachenden Annahmen auf Atome nicht zu. Atome in einem Kristallgitter bilden keinen Spiegel, vielmehr handelt es sich bei ihnen um lokale Maxima der Elektronenaufenthaltswahrscheinlichkeit, welche durch Bereiche geringerer Elektronendichte voneinander getrennt werden. Des Weiteren liegen die Atome einer Ebene in der Regel nicht exakt über denen der vorherigen Ebene. Eine der Wirklichkeit eher entsprechende mathematische Behandlung der physikalischen Vorgänge, die bei der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen auftreten, wurde von Max von Laue unter Verwendung der Laue-Gleichungen vorgenommen. Folgt man jedoch der Herleitung dieser Beziehungen und betrachtet man zwei Streuzentren nebeneinander, erhält man wieder die zuvor geometrisch hergeleitete Bragg-Gleichung.[126]

3.1.4 Diffraktometrie an Nanopartikeln

Bisherige Betrachtungen der Streuung gingen davon aus, dass lediglich konstruktive Interferenz beobachtet wird und Wellen, die Gleichung (3.5) nicht erfüllen, ausgelöscht werden. Diese Annahme ist für Kristalle in der Größenordnung einiger µm gut erfüllt, da viele parallele Netzebenen vorliegen, von denen mindestens eine die destruktive Interferenz Δ = m·λ, m = ± 0,5, ± 1,5, … erfüllt. Ein unendlich ausgedehnter perfekter Kristall würde somit bei bestimmten 2θ-Werten scharfe Beugungslinie im Diffraktogramm mit unendlicher Intensität liefern. Bei endlichen Kristalliten hingegen fehlen parallele Kristallebenen, somit wird die zuvor erwähnte Auslöschungsbedingung nicht immer erfüllt. Als Resultat werden bei realen Proben Diffraktogramme mit Reflexen, die eine gewisse Halbwertsbreite (FWHM = full width at half maximum) zeigen, erhalten.[127] Verkleinert man nun die Kristallite immer weiter, werden die Halbwertsbreiten im entsprechenden Diffraktogramm immer größer. Aus diesem Befund schlussfolgerte Paul Scherrer, dass es möglich ist, die mittlere Kristallitgröße eines Pulvers aus den gemessenen Pulverdiffraktogrammen zu berechnen (Gleichung (3.7)).[128]

β

Diese nach ihm benannte Scherrer-Gleichung setzt die mittlere Partikelgröße D in Verbindung mit der Wellenlänge der verwendeten Röntgenstrahlung λ, der mittleren Position des Reflexes und dessen beobachteter Halbwertsbreite ß.[129] Der Formfaktor K ist dabei abhängig von der Kristallform (sphärische Partikel: K = 0,89, kubische Partikel: K = 0,94),[130] wobei dieser im Allgemeinen gleich 1 gesetzt werden kann.

Dabei ist zu beachten, dass die Reflexverbreiterung in Pulverdiffraktogrammen nicht ausschließlich von der Partikelgröße der Probe abhängig ist. Aufgrund apparativer Gegebenheiten (Optiken, etc.) werden auch bei großen Kristalliten Reflexe mit gewisser Halbwertsbreite beobachtet. Daher ist es wichtig, dass die Reflexverbreiterung, die nicht von der Partikelgröße herrührt, vor der Größen-berechnung ermittelt und berücksichtigt wird. Bei der Größenbestimmung von Nanopartikeln beispielsweise kann dies mit Hilfe von Bulkpartikeln desselben Materials geschehen. Die korrigierte Halbwertsbreite ßP berechnet sich nach Gleichung (3.8):[131]

Röntgenpulverdiffraktometrie

2 2

P S

β = β − β

(3.8)

Hier stellt ßP den Anteil der Halbwertsbreite, der von der Partikelgröße bedingt wird, ß die gemessene, unkorrigierte Halbwertsbreite und ßS die Reflexverbreiterung aufgrund systematischer Faktoren dar.

Weiterhin ist zu beachten, dass die Scherrer-Gleichung bei zu großen oder zu kleinen Kristallitgrößen keine brauchbaren Resultate liefert. Bei zu großen Kristalliten wird die Reflexverbreiterung von apparativen Gegebenheiten, wie z.B. Strahl-Kollimation, dominiert. Diese Faktoren sind von Instrument zu Instrument verschieden und sind nicht abhängig von der Partikelgröße.[122, 132] Es ist auch zu beachten, dass aufgrund vieler Annahmen, die Gleichung (3.7) zu Grunde liegen, bei sehr kleinen Nanopartikeln eine Größenbestimmung viele Fehler liefert. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Scherrer-Gleichung bei Partikeln in der Größenordnung von rund 5 – 100 nm brauchbare Ergebnisse liefert.[2, 31, 132] Allerdings wird mit dieser Methode keine Rücksicht auf inhomogene Partikelgrößen und Größenverteilungen genommen.