FIT FÜR DIE SCHULE – 60
Beschreibung eines Qualitätsprozesses mit fertigem, stolzem Ergebnis / Angela Wisian
Mein Name ist Angela Wisian, ich bin 43 Jahre alt und seit 1987 Leiterin der Kita in Altreetz.
In unserem Haus werden ca. 100 Kinder im Alter von 8 Wochen bis zum 12. Lebensjahr betreut.
Altreetz gehört zum Amt Barnim-Oderbruch, welches Träger von insgesamt 5 Kinderein-richtungen ist.
Situationsanalyse:
Schon lange machten wir uns im Amt Gedan-ken über die „richtige“ Schulvorbereitung unserer Kinder.
Wir ärgerten uns gewaltig darüber, dass die schlechten PISA-Ergebnisse immer wieder auf die Arbeit in den Kitas zurückgeführt wur-den.
Es fehlte aus unserer Sicht ein Rahmenpro-gramm für ein zielgerichtetes Handeln der Kitas.
So entschieden wir uns, mit unserem Träger und dem Jugendamt des Landkreises Mär-kisch-Oderland einen Qualitätsstandard zu dieser Thematik zu erarbeiten. Wir gaben ihm den Titel„Fit für die Schule“.
Wegbeschreibung:
Im Zeitraum vom 29.01.2003 bis 04.02.2004 haben neun Arbeitstreffen, in der Zeit von
16.00 bis 20.00 Uhr, mit unserer Praxisbera-terin, den Kita-Leiterinnen sowie einer Kolle-gin aus jeder Einrichtung nach Feierabend stattgefunden. Es galt, viele Hausaufgaben zu erledigen. Wir erachteten es als wichtig, 2 Kolleginnen aus einem Team zu sein. Multipli-kation für das jeweilige Team war dadurch besser gegeben und wurde auch anders, intensiver in Teamberatungen diskutiert. Die Umsetzungsprozesse wurden schneller in Gang gesetzt.
Prozessgestaltung:
1. Erarbeitung theoretischer Grundlagen, Gesetzlichkeiten, Zielformulierungen, Qualitätsbeschreibungen.
2. Welches Selbstverständnis sollte eine Erzieherin heute bei Lernprozessen von Kindern haben?
3. Erarbeitung des Materials
Ziele/Maßnahmen und Handlungen der Erzieherin / Prüfkriterien.
4. Erarbeitung des Materials in den einzel-nen Kompetenzbereichen.
5. Fortbildung zum Thema „Raumgestal-tung“.
Diese Prozessbeschreibung in den 5 Punkten war verbunden mit:
– Gesetzeskenntnissen und das „Verste-hen“ durch uns.
– Wie sehen Ziele aus - wie beschreibt man sie?
– Was heißt Handlungsziel?
FIT FÜR DIE SCHULE – 61 – Was sind Prüfkriterien – woran erkenne
ich, dass Ziele umgesetzt wurden?
– Vielfältige Auseinandersetzungsprozesse.
– Wie müssen Kinder heute lernen?
– Was heißt „Selbstbildungsprozess und was ist mein verändertes „Tun“ als Erzie-herin?
– Umfangreiches „schriftliches“ Aufschrei-ben, Streiten, Umdenken, Diskutieren, Verändern, Einigen.
– Letztendlich das fertige Material verab-schieden.
– Prozesse, die uns weiterbrachten – verän-derten.
Im Ergebnis entstand ein sehr gutes hand-habbares Material, das uns ein hilfreicher Leitfaden in unserer täglichen Arbeit ist.
Diesem Leitfaden liegen natürlich die Grund-sätze der elementaren Bildung zugrunde.
Jeder einzelne Kompetenzbereich wurde von uns unter die Lupe genommen und berück-sichtigt.
Wichtig und besonders hilfreich für unsere Arbeit ist, dass wir für jeden Bereich Zielset-zungen, Maßnahmen und Handlungen der Erzieherin und Prüfkriterien herausgearbei-tet haben.
Fazit / Ergebnis:
Für uns als Erzieher von heute heißt das vor allem, auch die Beobachtung und Dokumen-tation als pädagogisches Mittel einzusetzen.
Wir müssen uns in Zurückhaltung üben.
Jeder von uns muss erkennen, dass Kinder heute anders lernen. Bildungsprozesse und Bildungsthemen entwickeln sich bei den Kin-dern, wenn wir eigenes „Tun“, Neugier, Krea-tivität .... zulassen.
Wir mussten umdenken.
Während der Erarbeitung des Materials „Fit für die Schule“ ist uns eigentlich richtig bewusst geworden, dass die Schulvorberei-tung nicht erst ein Jahr vor der Schule statt-findet, sondern bereits im Säuglingsalter beginnt.
Veränderungen in unserer Einrichtung:
– kritische Überprüfung der Räume und deren Umgestaltung,
– Arbeit an dem Thema „Selbstverständnis der Erzieherin“,
Aneignung von Fachwissen,
– Reflektieren der bisherigen Arbeit, Verän-derungen des eigenen „Tuns“ vornehmen wie z.B. begleiten – anstatt leiten, lenken, erziehen; bei den Kindern Fragen ent-wickeln helfen;
Kinder erkunden, erproben, erforschen lassen;
zulassen, loslassen, aushalten lernen;
Stärken und Fortschritte unserer Kinder erkennen und vieles mehr.
Dieser Prozess hat schon bei uns manchen
„AHA-Effekt“ ausgelöst und ist sehr span-nend:
– Auseinandersetzung und Reflektion mit dem erarbeiteten Material „Fit für die Schule“ – als Anwendung im gesamten Kita-Alltag mit dem Grundverständnis der sechs Bildungsbereiche,
– Erarbeitung von anderen Dokumentati-onsverfahren,
– wir „üben“ das Beobachten – erste An-wendung von Beobachtungsinstrumenten.
Wir können feststellen, dass der Prozess seit 2003 schon viele Aktivitäten und
Veränderun-62 FIT FÜR DIE SCHULE –
gen bei uns ausgelöst hat – wir sind selbst zu Lernwerkstätten geworden.
Als Anlage Auszüge unseres Materials „Qua-litätsstandards Fit für die Schule“.
Kontakt:
Kita „Rappelkiste“
Mittelstraße 10, 16259 Altreetz Leiterin: Angela Wisian Tel.: 033457/5107
oder: borkert@barnim-oderbruch.de
Amt Barnim-Oderbruch
Qualitätsstandards für die Kindertagesstätten
Themenbereich: Schulvorbereitung „Fit für die Schule“
Q-Merkmal Ich(Selbstbewusstsein) Wir-Kompetenz
Q-Merkmal Logisch – mathematische und wissenschaftliche Kompetenz
Q-Merkmal Musikalische Kompetenz
Q-Merkmal Darstellende – künstlerische Kompetenz
FIT FÜR DIE SCHULE – 63 Q-Merkmal: Logisch-mathematische und
wissenschaftliche Kompetenz
„Rechnen, Forschen, Experimentieren ...“
Ziele:
• Die Kinder machen erste Erfahrungen und lernen, sich mit Zeit, Raum und mathema-tischen Operationen auseinander zu set-zen, wie z.B. Messen, Zählen, Verglei-chen, Ordnen.
• Die Kinder entwickeln ein mathematisches Verständnis und haben eine Vorstellung davon.
• Die Kinder zeigen Interesse an Aufgaben und haben Freude am Forschen und Fin-den von Lösungswegen, die sie in ver-schiedener Form darstellen (sprachlich, bildhaft, konstruieren).
• Im Zahlenraum 1-10 sind die Kinder sicher im Umgang, immer unter
Berücksichti-gung bildhafter Anschauung (Ordnungs-zahlen, Kardinalzahlen).
• Kinder haben Umgang und Vorstellungen von den Begriffen Länge, Höhe, Breite, geometrische Formen.
• Kinder machen naturwissenschaftliche Erfahrungen, experimentieren, erfor-schen, gehen ihren Fragen nach und
„erfinden neu“; mithilfe der Kinder und Erzieherin erlangen sie Antworten und Erkenntnisse (Wasser, Luftballon im Bett-bezug).
• Kinder ordnen nach gemeinsamen Merk-malen zu und erkennen Oberbegriff.
• Kinder setzen sich neugierig mit ihrer Um-welt auseinander, erkennen dabei Zusam-menhänge.
• Die Kinder kennen Symbole und Begriffe (Hausnummer, Preisschilder, Uhr, Telefon-nummer, Umgang mit dem Würfel).
Q-Merkmal Sprachliche-Schrift Kompetenz
Q-Merkmal Wahrnehmungskompetenz
erarbeitet von und mit:
Praxisberaterin des Landkreises Märkisch-Oderland – Fr. Herrmann
Kita Bliesdorf, Kita Neutrebbin, Kita Prötzel, Kita Altreetz, Kita Neulewin, Kita Lüdersdorf
64 FIT FÜR DIE SCHULE – Maßnahmen und Handlungen der Erzieherin:
• differenziertes Beobachten der Kinder nach Fähigkeiten.
• Herausfiltern und Reflektieren von Stär-ken, Schwächen und Fortschritten bei den Kindern. Die Erzieherin macht Kinder durch Forschungsfragen neugierig.
• Auswahl und Bereitstellung von vielfälti-gen Materialien, die der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz dienlich sind (Uhren, Landkarten, Kalen-der, Messbecher, Bausteine, Lupen, Far-ben, Formen, Naturkundematerial, Zah-len).
• Didaktisches Material steht für die Kinder bereit (Puzzle, Würfelspiel, Kartenspiele, Farben, Formen, Bücher, ausgesuchte Literatur).
• Die Erzieherin führt gemeinsam mit den Kindern Experimente durch (Kerze-Glas-Flamme aus, Luftballon – Pulli reiben, Wasser), regt an, selbst zu experimentie-ren.
• Erzieherin stellt u.a. Analysefragen, drückt sich präziser aus, animiert Kinder zum Sprechen und zum Fragen (wozu braucht man Zahlen, was können wir für welches Geld einkaufen, Urlaubsgeld, welche Tele-fonnummer haben wir Eltern, wir brau-chen 5 Teller, zähle nach ..., wie hast du das geschafft ..., lege die Steine neben-einander).
• Die Erzieherin gibt Kindern die Möglich-keit, im praktischen Tätigsein zu lernen (Tischdienste, Einkauf).
• Zulassen der Eigenaktivitäten und eigen-ständig im Umgang mit Materialien.
• Wir stellen gemeinsam mit den Kindern Regeln im Umgang mit bestimmten Mate-rialien auf.
• Die Erzieherin nutzt bewusst den ge-samten Tagesablauf und das Alltagsge-schehen.
• Einmal wöchentlich werden gezielte Auf-gaben mit Kindern durchgeführt unter Berücksichtigung des Alters.
Prüfkriterien – Tätigkeiten der Kinder sind:
(Woran erkenne ich, dass Ziele umgesetzt wurden, was passiert bei den Kindern?)
• Selbstbedienung bei Materialauswahl,
• Kind spielt, geht mit Materialien um, setzt es zueinander in Beziehung, erkennt Muster und experimentiert,
• Kinder können grob und genauer verglei-chen, sortieren Formen, Größen (Körper-größe, Bauklotztürme),
• Kinder verstehen höher als, länger als, dicker als usw.
• Kinder erkennen Zahlen, zählen, geben es im Schriftbild wieder (Hausnummern, Geburtstag, Blätter, Bäume),
• Kinder äußern sich sprachlich, tauschen sich untereinander und mit der Erzieherin aus,
• Kinder finden verschiedene Lösungswe-ge,
• Kinder kennen Bücher und Nachschlage-werke, gehen damit um,
• Kinder kennen die Bedeutung z.B. von Tabellen, Landkarten, Uhren,
• Kinder akzeptieren, respektieren sich untereinander,
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• Kinder kennen und verstehen Regeln und halten diese ein,
• Kinder kennen Wetterkalender, Wetteruhr und gehen damit um,
• Kinder teilen Mengen,
• Kinder können in räumlichen und zeit-lichen Abläufen orientieren (Begriffe „zu-erst, bald, sofort“ verstehen sie, wenden sie an),
• Kinder haben Erfahrungen mit geometri-schen Formen (Kreis, Dreieck, Kugel, Würfel), unterscheiden Größe und Ge-wicht, Begriffe wie „länger, kürzer, mehr, weniger schmal, breit“ wenden sie an,
• Kinder sind kleine „Erfinder“, stellen ihre Werke aus,
• Kinder nehmen didaktisches Material an und gehen damit um (Zahlenpuzzle, Wür-felspiele, Zahlenbretter).