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Bildungsfunktion der Familie stärken – auch in Kitas

Im Dokument OPUS 4 | Entdeckendes Lernen (Seite 34-37)

BILDUNGSFUNKTION DER FAMILIE … Monika Gordes / Städte- und

Gemeindebund Brandenburg

Im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (NDV 5/2005, S. 155) ist eine Abhandlung von Dr.

Martin R. Textor vom Staatsinstitut für Früh-pädagogik in München zum Thema „Die Bil-dungsfunktion der Familie stärken: Neue Auf-gabe der Familienbildung, Kindergärten und Schulen?“ erschienen. Textor geht in seiner Abhandlung von der Feststellung aus, dass der Einfluss der Familie auf den Schulerfolg größer ist als der Einfluss der Schule oder der Einfluss von Kindmerkmalen, also der geneti-schen Ausstattung des Kindes. Diese Fest-stellung führt er zurück auf verschiedene empirische Forschungen der letzten Jahr-zehnte, in denen nachgewiesen wurde, dass der Anteil der Schule am Schulerfolg von Kin-dern nur etwa halb so groß ist wie der Anteil der Familie. In ihren Familien erwerben Kin-der die meisten psychomotorischen, sozialen, affektiven und sprachlichen Kompetenzen.

Für den Schulerfolg ist besonders relevant, welcher Sprachstil in der Familie erlernt wird, inwieweit Literacy gefördert wird, wie groß die kognitive Anregung ist, welche Einstellungen zur Schule und generell zum Lernen vermittelt werden, wie hoch das Anspruchsniveau, die Leistungsmotivation, die Selbstkontrolle und die Frustrationstoleranz sind. Nach Auffas-sung von Textor ist es angesichts des großen Einflusses der Familie auf den Schulerfolg

letztlich nicht verwunderlich, dass es der Schule im Verlauf vieler Jahre nicht gelingt, diese auf die Elternhäuser zurückzuführen-den Unterschiede weit gehend zu verringern.

In Zusammenhang mit den „Pisa-Ergebnis-sen“ haben die Bundesländer unterschied-liche Reformen in ihren Bildungssystemen eingeführt. Textor bemängelt hierbei, dass das Hauptproblem bei diesen Bildungsrefor-men jedoch sei, dass in dem ganzen Reform-eifer die Familie als die wichtigste Bildungs-institution außen vorbleibe. Es werde ver-sucht, mit Erziehern und Lehrern die Situation zu verbessern, obwohl die wichtigsten Er-folgsfaktoren und Lernvoraussetzungen über-wiegend von der Familie – und weit gehend in den ersten Lebensjahren – geprägt werden.

Textor fordert, „(Bildungs-)Politik und Bil-dungssystem müssen endlich die zentrale Bedeutung der Familie als Bildungsinstitution anerkennen. Erst dann wird es möglich sein, Programme zu entwickeln und flächen-deckend einzuführen, mit deren Hilfe die Lernvoraussetzungen in Familien verbessert sowie die Erziehungskraft und Bildungsfunk-tion der Eltern gestärkt werden können.“

Sodann erläutert Textor das bisherige traditio-nelle Angebot zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie durch die Familien-bildung, welches durch Familienbildungsstät-ten, Volkshochschulen, Jugendämter, Kirchen

34 BILDUNGSFUNKTION DER FAMILIE … und Verbände angeboten wird. Da durch diese Angebote bildungsschwache und insbe-sondere sozial benachteiligte Familien selten erreicht werden könnten, fordert er, dass die Familienbildung verstärkte Anstrengungen unternehmen müsse. Es gelte, vor allem fol-gende bildungsrelevante Merkmale zu för-dern:

1. eine qualitativ gute Kommunikation zwi-schen Eltern und Kindern (also auch be-zogen auf Wortschatz, Begriffsverständ-nis, Komplexität von Sätzen usw.), 2. Unterstützung des (Klein)Kindes bei der

Erkundung der Welt und bei der Aufnah-me sozialer Beziehungen,

3. bildende Aktivitäten in der Familie, z. B.

Beschäftigung mit Lernspielen, Vorlesen, Experimentieren, Gespräche über Fern-sehfilme, Bücher, naturwissenschaftliche Themen oder politische Ereignisse, 4. eine positive Einstellung zu Lernen und

Leistung, zu Kindertageseinrichtung, Schule und Berufsausbildung bzw. Studi-um,

5. positive Interaktionen über das, was in der Schule und im Unterricht passiert, Unter-stützung bei den Hausaufgaben, ein hohes Anspruchsniveau hinsichtlich Schulleistung und -abschluss,

6. ein enger Kontakt zwischen Eltern und Erzieherinnen bzw. Lehrerinnen, damit erstere wissen, wie sie außerfamiliale Bil-dungs- und Erziehungsbemühungen zu Hause unterstützen können.

Textor schildert Möglichkeiten familienbilden-der Angebote und neue Wege, wie sie in vie-len Kommunen und Modellversuchen bereits

erprobt werden. Er weist insbesondere auf die aufsuchende und stadtteilorientierte Arbeits-form hin, auf offene Angebote sowie die Ein-bindung von Fachkräften bzw. Multiplikatoren.

Insbesondere über die Kindertageseinrichtun-gen und später über die Schulen könnten Eltern flächendeckend erreicht werden, wenn hier Angebote seitens der Träger von Famili-enbildung gemacht würden.

Eine Stärkung der Bildungsfunktion von Fami-lien kann sich auch aus der Neudefinition der Beziehung zwischen Eltern und Erziehern bzw. Lehrern ergeben. In Kindertageseinrich-tungen werde zunehmend von einer Erzie-hungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehern gesprochen. Grundhaltung dieser Erziehungspartnerschaft oder Bildungspart-nerschaft an Schulen sei, dass die Erziehung und Bildung eines Kindes als „Co-Produktion“

von Eltern, Erziehern, Lehrern und dem Kind selbst verstanden werden. Voraussetzung hierfür sei eine enge Zusammenarbeit zwi-schen allen Erwachsenen, basierend auf einem intensiven dialoghaften Informations-und Erfahrungsaustausch. Je älter das Kind sei, umso mehr könne dies in den Austausch einbezogen werden. Diese Kooperation zwi-schen Familie und Kindertageseinrichtung bzw. Schule könne formalisiert werden, indem ein Bildungs- und Erziehungsvertrag unter-zeichnet werde. Zur weiteren Erläuterung schildert Textor Möglichkeiten zur Arbeit in einer solchen Erziehungspartnerschaft: Die Erzieherinnen können selbst familienbildend tätig werden, indem sie Eltern informieren und Gespräche mit ihnen führen. Wegen der Vor-bildwirkung der Erzieher und Lehrer seien

BILDUNGSFUNKTION DER FAMILIE … 35 Hospitationen im Kita-Alltag bzw. Unterricht

durch die Eltern möglich. Die Mitarbeit der Eltern in Kindertageseinrichtungen oder Schulen könne gefördert werden. Erzie-hungs- und Bildungsziele könnten mit Eltern abgestimmt und bestimmte, von den Erziehe-rinnen in der Kindertagesstätte behandelte Themen zu Hause aufgegriffen und vertieft werden. Lehrer könnten den Eltern Aufträge erteilen, sodass Eltern und Kinder zu Hause über Unterrichtsinhalte sprechen, diese ver-tiefen und so genannte interaktive Hausauf-gaben erledigen.

Die Stärkung der Bildungsfunktion von Fami-lien kann nach Textor am ehesten erreicht werden durch familienbildende Angebote an Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie durch Erziehungs- und Bildungspartnerschaf-ten zwischen Eltern, Erziehern und Lehrern.

Die Abhandlung von Textor entspricht der Auf-fassung des Städte- und Gemeindebundes.

In der Anhörung, die am 21. April 2005 im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport des Landtages Brandenburg stattfand zum Thema „Qualitätsentwicklung in der Kinderta-gesbetreuung und Strategien zur besseren Förderung von Kindern mit Entwicklungspro-blemen“, über die der Städte- und Gemeinde-bund seine Mitglieder mit Rundschreiben vom 26. April 2005 informiert hat, hat Frau Gordes als einzige Vortragende darauf hingewiesen, welche Bedeutung der Zusammenarbeit zwi-schen Kindertagesstätte und Eltern zukommt.

Von den anwesenden Wissenschaftlern ist auf den Einfluss der Familie auf den Schuler-folg in keiner Weise eingegangen worden.

Der Städte- und Gemeindebund hat in der

Anhörung darauf hingewiesen, dass viele Eltern ihre Erziehungs- und Bildungsarbeit nicht mehr ausreichend leisten könnten. Hie-rauf müsse zukünftig vermehrt das Augen-merk gerichtet werden. Die Bildungsarbeit der Eltern müsse in der Kindertagesstätte selbst gefördert und gefordert werden. Auch in der Ausbildung und Fortbildung der Erzieherin-nen müsse auf die Bildungsarbeit mit den Eltern vermehrt ein Schwerpunkt gelegt wer-den. Der Umgang mit den familiären Milieus sei in die Ausbildung der Erzieherinnen auf-zunehmen bzw. stärker zu berücksichtigen, da es wegen der Defizite in der Erziehungs-und Bildungsarbeit der Eltern immer mehr zu Problemen in der Erziehung der Kinder käme.

Frau Gordes hat ferner darauf aufmerksam gemacht, dass trotz aller Bemühungen in den Kindertagesstätten, den Bildungs- und Erzie-hungsauftrag zu erfüllen, die Kindertagesstät-ten es nicht leisKindertagesstät-ten könnKindertagesstät-ten, die Sozialisati-ons- und Erziehungsdefizite der Kinder aus-zugleichen.

Die Abhandlung von Textor gibt nützliche An-regungen, wie die Bildungsfunktion von Fami-lien in Kitas und Schule gestärkt werden könnte. Näheres hierzu können Mitglieder des Verbandes unter Nennung des unten ste-henden Aktenzeichens in der Geschäftsstelle in Potsdam abfordern.

aus: MITTEILUNGEN 06/2005, Seite 215, Nr. 140

Monika Gordes,

stellvertretende Geschäftsführerin Stephensonstraße 4, 14482 Potsdam, Tel.: 0331/74351-0

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