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Messungen der HRV können den Zusammenhang körperlicher und psychischer Befindlichkeit verdeutlichen: „Die eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit depressiv Erkrankter scheint mit einer eingeschränkten kardialen Anpassungsfähigkeit einherzugehen“

(Mück-Weymann 2005, S.67). Eine Verbesserung der psychischen Befindlichkeit geht analog dazu in einigen Studien mit einer besseren kardialen Anpassungsfähigkeit, d. h. einer erhöhten HRV, einher (Hughes 2010, Carney and Freedland 2009, Mück-Weymann et al.

2002, Agelink et al. 2002, Stein et al. 2000), während andere Studien diesen Effekt nicht beobachteten (Glassman et al. 2002, Gehi et al. 2005).

1.6.1 Depression und HRV

Depression gehört zur häufigsten psychischen Erkrankung. In der Allgemeinarztpraxis leiden 10% der Patienten an einer behandlungsbedürftigen Depression (Möller et al. 2009). Gerade bei Herzpatienten sind depressive Begleiterkrankungen häufig und treten je nach Krankheitssituation und –schwere bei 15-50% der Patienten auf (Herrmann-Lingen et al.

2008). Gemäß Definition gehören Depressionen zu den affektiven Störungen und werden nach der ICD-10-Klassifikation nach deskriptiven Merkmalen unterteilt in bipolare affektive Störungen, depressive Episoden (entspricht in der DSM-IV-Klassifikation der „Major Depression“), rezidivierende depressive Störungen, anhaltende affektive Störungen und andere affektive Störungen. Weiter differenziert wird nach Schweregrad, Verlauf und Auftreten psychotischer und somatischer Symptome (Möller et al. 2009).

Ätiopathogenetisch werden integrative bio-psycho-soziale Modellvorstellungen (im Sinne eines „Vulnerabilitäts-Stress-Konzeptes“) zur Erklärung der Depressionsentstehung herangezogen. Empirisch bestätigt wurden genetische Faktoren, neurobiologische Faktoren, hirnmorphologische Veränderungen sowie somatische Erkrankungen und Pharmaka. Des Weiteren werden psychologische Faktoren genannt wie kritische Lebensereignisse als auslösender Faktor, Entwicklungsfaktoren in psychodynamisch-psychoanalytischen Modellvorstellungen, Konzepte der „gelernten Hilfslosigkeit“ in kognitions- und lerntheoretischen Modellvorstellungen und Persönlichkeitsfaktoren. Die Ursachen der Depression werden somit als multifaktoriell bedingt angesehen und sind individuell unterschiedlich gewichtet (Möller et al. 2009).

Leitsymptome sind gedrückte Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit sowie Antriebsmangel mit erhöhter Ermüdbarkeit. Es können verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken oder -handlungen sowie somatische Symptome (Früherwachen, Morgentief, Appetitverlust) hinzukommen (Fritsche und Wirsching 2006). In der Therapie wirksam sind sowohl Antidepressiva (Trizyklika, SSRIs) als auch Psychotherapie. Die Prognose einer Depression ist prinzipiell gut, bei 15-30% der Patienten treten jedoch Rezidive auf (Möller et al. 2009).

Der Zusammenhang zwischen Depression und HRV sowie HR wurde in einer Reihe von Studien untersucht. Dabei zeigen Patienten mit Depression häufig im Gegensatz zu psychisch gesunden Menschen eine höhere Herzfrequenz und eine eingeschränkte HRV. In einer Studie

von Agelink et al. (2002) wurden Time Domain- und Frequency Domain- Parameter der HRV bei Patienten mit und ohne „major depression“ verglichen. Hierbei konnte ein inverser Zusammenhang zwischen der angewandten Depressionsskala und „vagalen“ HRV-Parametern festgestellt werden. Bei Patienten mit schwerer Depression ergaben sich signifikante Unterschiede der HRV-Parameter und bei Patienten mit mittelgradiger Depression zeigten sich Tendenzen in die erwartete Richtung (Agelink et al. 2002). Ebenso war bei den depressiven Patienten die (Ruhe-) Herzfrequenz erhöht (Agelink et al. 2002).

Auch in einer Studie von Koschke et al. (2009) konnte anhand von 75 Patienten mit akuter rezidivierender depressiver Episode im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Verlagerung der autonomen Balance in Richtung sympathische Dominanz gezeigt werden (Koschke et al.

2009). In einer Metaanalyse von Kemp et al. (2010) werden aktuelle Studien aufgeführt, die den Zusammenhang zwischen Depression und HRV untersuchen. Es kann festgehalten werden, dass eine ausgeprägte Depression nach derzeitiger Studienlage mit einer zumindest in einigen Parametern eingeschränkten HRV einhergeht.

1.6.2 Angst und HRV

Angst ist eines der häufigsten psychopathologischen Symptome. In der Allgemeinarztpraxis geben über 50% der Patienten Angst als subjektive Beschwerde an, etwa 20% von ihnen in einer Behandlung bedürftigen Ausprägung (Möller et al. 2009). Angst kann als Realangst auftreten und damit ein gesundes Warnsignal vor Gefahren darstellen, oder als Symptom zahlreicher psychischer Störungen auftreten (Herrmann-Lingen et al. 2008). Des Weiteren gibt es mehrere Formen von eigenständigen Angststörungen, die von der ICD-10- Klassifikation unterteilt werden in phobische Störungen, sonstige Angststörungen, dazu zählen Panikstörungen und generalisierte Angststörungen, und organische Angststörungen. In der Literatur wird des Weiteren die „frei flottierende Angst“ als Form genannt (Möller et al.

2009). Die genannten Angstformen sind durch erhebliche Angstreaktionen bei gleichzeitigem Fehlen einer entsprechend ausgeprägten Gefahren- oder Bedrohungssituation charakterisiert.

Die Entstehung von Angst ist sehr komplex. Zur Erklärung werden lerntheoretische, psychodynamische und neurobiologische Theorien herangezogen (Möller et al. 2009). Angst kann sich auf den Körper und die Psyche unterschiedlich auswirken. Körperliche Symptome zeigen sich beispielsweise als Schwindel, einer erhöhten Herzfrequenz, Schwächegefühl oder Schwitzen. Psychisches Erleben von Angst kann sich als Befürchtung, Beklommenheit, Aufgeregtheit oder Panik äußern (Rudolf 2000). Folgen von Angststörungen drücken sich

nicht nur in körperlichen und psychischen Beschwerden aus, sondern können sich ebenfalls im sozialen Bereich wie beispielsweise als sozialer Rückzug äußern (Möller et al. 2009).

Zurzeit wird kontrovers diskutiert, wie die Langzeitfolgen von Angst auf die Mortalität bei KHK Patienten sind (Meyer et al. 2010 b). Letztendlich stellen Ängste verschiedener Ursachen eine Belastung für das Herz-Kreislauf-Systems dar, weil sie von einer vegetativen Reaktion begleitet werden (Herrmann-Lingen et al. 2008). Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, wurden Studien durchgeführt, die den Einfluss von Angst auf das autonome Nervensystem bestätigen. Im Vergleich zu Studien, die den Zusammenhang zwischen Depression und HRV untersuchen, gibt es weniger Studien im Bezug auf Angst und HRV.

Eine Studie von McCraty et al. (1995) untersuchte den Effekt von Emotionen auf Frequency Domain-Parameter der HRV. Die Ergebnisse geben zu erkennen, dass negative Emotionen wie Wut, Feindseligkeit und Angst eine Verschiebung des HRV-Spektrums in Richtung Sympathikus verursachen. Positive Erfahrungen wie Wertschätzung hingegen fördern die parasympathische Dominanz. Die Beeinflussung der sympathovagalen Balance durch Emotionen ist hier als unabhängig von der Herzfrequenz und Atmung beschrieben worden (McCraty et al. 1995).

1.6.3 Vitale Erschöpfung und Lebensqualität

Vitale Erschöpfung ist ein psychologischer Zustand, der durch Müdigkeit, Reizbarkeit und das Gefühl der Demoralisierung charakterisiert ist (Appels et al. 1987). Appels et al.

publizierten 1987 anhand einer prospektiven Studie, dass ein Gefühl von Vitaler Erschöpfung dem Auftreten eines Myokardinfarktes vorausgehe. Vitale Erschöpfung sei ein Risikofaktor im Sinne eines Verstärkungsfaktors für die Entstehung eines Myokardinfarktes, scheint jedoch allein nicht ursächlich zu sein (Appels et al. 1987).

Die Erfassung und Dokumentation der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gewinnt nicht nur in der Psychologie, sondern auch in der Medizin an Bedeutung. Sie stellt mittlerweile ein etabliertes Konzept zur Beurteilung nicht nur von Interventionen, sondern auch für die Darstellung von Gesundheitszuständen großer Bevölkerungskollektive dar (Morfeld und Bullinger 2008).

Der Zusammenhang zwischen Vitaler Erschöpfung sowie Lebensqualität zur HRV wurde bisher weniger untersucht und ergab unterschiedliche Ergebnisse.

Neben somatischen Faktoren, in erster Linie kardiologische Grunderkrankungen und DM, sowie psychischen Faktoren wie Depression, Angst, vitale Erschöpfung und niedrige Lebensqualität, gibt es eine Reihe weiterer Einflussfaktoren auf die HRV. Dazu zählen Alter, Geschlecht, bestimmte Medikamenteneinnahmen, Hormone, Trainingszustand, Genussmittel (v. a. Tabak), Körperlage und Tageszeit.