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Prozedurale Semantik von Verknüpfungen

Im Dokument Offene Hypertextsysteme (Seite 40-43)

3. Hypertextobjekte im KHS

3.3.7 Prozedurale Semantik von Verknüpfungen

Hypertext-Verknüpfungen verfügen über eine deklarative und eine prozedurale Semantik.

Dies wurde schon angedeutet, als in Abschnitt 3.3.4 zwischen der semantischen und der Traversierangsrichtung einer Verknüpfung unterschieden wurde. Die deklarative Semantik legt fest, welchen inhaltlichen und strukturellen Kombinationsregeln eine Verknüpfung unterliegt. Die prozedurale Semantik legt fest, was bei Nutzung einer Verknüpfung geschieht.

Dabei ist es zwar der Normalfall, aber nicht selbstverständlich, daß eine Verknüpfung überhaupt traversiert werden kann.

Die prozedurale Semantik wird, so wird es auch vom KHS gehandhabt, durch typspezi-fische Verarbeitungsregeln in einer Skript-Sprache [Afrati & Koutras 90], definiert, die weitgehend die generischen Objekteigenschaften des KHS ausnutzt (vgl. auch [Monnard &

Pasquier-Boltuck 92]). Prototypische, orthogonale Kriterien betreffende Verhaltensformen werden von abstrakten Typen zur Verfügung gestellt, und können in spezifischen Subtypen zu einer individuellen Funktionalität zusammengestellt werden. Damit wird die Forderung von [Stotts & Furuta 92] berücksichtigt, das Systemverhalten nicht an die Nutzung bestimmter Werkzeuge, insbesondere Browser, zu binden, sondern als Eigenschaft von Hypertext-Verknüpfungen zu definieren.

Traversierung Nach Aktivierung einer Verknüpfung wird normalerweise die Medien-information des Zielknotens zur Darstellung gebracht. Das kann einerseits bedeuten, daß die Inhalte des vorher präsentierten Knotens überblendet werden, oder daß die Inhalte des Zielknotens zusätzlich — z.B. in einem eigenen Fenster — eingeblendet werden. Der Zielknoten wird dann jeweils so präsentiert, daß ein etwaig definierter Zielanker der Verknüpfung hervorgehoben zur Darstellung kommt. 'Rollen' oder 'Blättern' innerhalb des gleichen Knotens kann also als ein Sonderfall des Traversierens mit Seitenwechsel angesehen werden, nur daß hier nicht der Knoteninhalt, sondern ausschließlich' die Hervorhebung des Ankers gewechselt werden muß.

Die Strategie des Bildwechsels ist dann sinnvoll, wenn sich der Fokus des Interesses während des Lesens eindeutig von einem zum nächsten Knoten verschiebt. Dies ist z.B. beim Lesen eines linearen Texts der Fall. Wird die Information des Zielknotens in Bezug auf den aktuellen dargestellten Knoten benötigt, findet also kein Wechsel des Fokus statt, so ist Information zusätzlich einzublenden, um einen durch Hin- und Herblättern entstehenden Kontextverlust zu vermeiden. Letztere Situation entsteht z.B. beim Nachschlagen von Wortbedeutungen in einem Glossar, dem Lesen von Annotationen zu einem Textsegment oder bei der Darstellung von Details aus einer Übersichtskarte (s. Abb. 13). Eine differenzierte Behandlung des Traversierungsverhaltens ist für Hypermediasysteme von größter Bedeutung, da hier ein Kontextwechsel den Abbruch einer Animation oder einer Tonsequenz bedeuten kann, die sinnvoll auch nach dem Navigationsschritt fortgesetzt werden können [Hardman et al. 94].

Abbildung 13 Navigation durch Einblenden von Information: Nach Maus-Aktion in dem sensitiven Areal der Europakarte wird aufgrund der zugehörigen Zoom—Verknüpfung eine zusätzliche Abbildung, die eine Sektorvergrößerung enthält, dargestellt.

Medientransport Üblicherweise bleiben die Inhalte der verbundenen Knoten bei der Aktivierung einer Verknüpfung unverändert, hier handelt es sich um sogenannte cold links.

Intermedia bietet aber zusätzlich die Möglichkeit, über eine Verknüpfung Daten zu übertragen [Catlin et al. 89]. Hot links übertragen ihre Daten bei Aktivierung von einem zum anderen Knoten, während warm links diese Übertragung erst initiieren, wenn ein bestimmtes Kommando gegeben wird. Die Unterscheidung von warm und hat links fällt nach unserer Systematik allerdings eher unter die für Verknüpfungen zu benennenden Aktivierungsbedingungen.

Medientransportierende Verknüpfungen können auch nach der Richtung unterschieden werden, in die der Transport durchgeführt wird. Das HyperNet System [Marovac 94] sieht alle drei Möglichkeiten vor, Medientransport vom Ursprungs- zum Zielknoten, vom Ziel- zum Ursprungsknoten und wechselseitiger Austausch.

Das KHS folgt für den Medientransport der Richtung der Verknüpfung. Der für den Ziel-knoten definierte Anker wird durch denjenigen des UrsprungsZiel-knotens ersetzt, eine Methode, die im Zusammenhang mit textueller Information dem Verfahren des Stretchtext vergleichbar ist, wie es z.B. in Augment [Englebart 84] und insbesondere in vielen adaptiven Hypertextsystemen eingesetzt wird. Die Transportrichtung kann durch angemessene Wahl der Verknüpfungsrichtung erreicht werden, bidirektionaler Transport durch die Definition zweier Verknüpfungen.

Konsistenzregeln bewirken die Kompatibilität der jeweiligen Anker. Die Modifikation des Knoteninhalts geschieht dabei nur temporär, so daß bei Deaktivierung der Verknüpfung wieder der ursprüngliche Ankerinhalt zum Vorschein kommt. Vor dem Übertragen werden jeweils diejenigen Inklusionsverknüpfungen ausgewertet, die wiederum das zu übertragende Material modifizieren.

Durch Inklusionsverknüpfungen werden zusätzlich zum eigentlichen medialen Inhalt auch die in dem Medienfragment enthaltenen Verknüpfungen übertragen. Die Auswahl der relevanten Verknüpfungen aus dem Zielknoten erfolgt anhand einer Interpretation des Zielknotens, die anhand eines vorgegebenen Algorithmus bestimmt wird (s. Kapitel 4).

Kombiniert man die Medientransportfunktionalität mit der Kontextbindung von Ver-knüpfungen, so entsteht die Möglichkeit kontextspezifischer Knoteninhalte (s. z.B. Abb. 17 u.

18) vergleichbar den Perspectives des HDM [Garzotto & Paolini 91]

Als eine spezielle Form der Medieninklusion kann das Abspielen von Tonfolgen ange-sehen werden. Hier wird keine Substitution von Ankerinhalten vorgenommen, sondern nur die im Zielknoten enthaltene Tonfolge abgespielt.

Aktivierungsbedingungen Wichtig für den Gebrauch einer Verknüpfung ist auch die Art ihrer Aktivierung. In den meisten Hypertextsystemen geschieht das durch eine Maus-Aktion in einer sensitiven Fläche oder auf einem besonders gekennzeichneten Textsegment.

Besondere Bedingungen sind hier für Hypermediasysteme gegeben. Hier ist nicht davon auszugehen, daß die Aktivierung einer Verknüpfung durch eine explizite Aktion des Lesers geschieht, sondern sie kann auch Folge eines bestimmten systeminternen Ereignisses sein, wie es durch Verstreichen einer Zeitspanne oder das Beenden der Präsentation eines kontinuierlichen Mediums (Ton, Video etc.) definiert sein kann. Hervorzuheben ist, daß hier temporale Aspekte in die Modellierung von Verknüpfungen einfließen, die in reinen Hypertextsystemen nicht berücksichtigt werden [Hardman et al. 93b]. Systeme, wie das Firefly [Buchanan & Zellweger 92] oder Trellis [Stotts & Furuta 90] erlauben die Definition komplexer temporaler Beziehungen zwischen synchronen und asynchronen Ereignissen.

Das KHS unterscheidet folgende Aktivierungsereignisse für Verknüpfungen:

Der Ausgangsknoten der Verknüpfung wird bei der Navigation erreicht.Durch einen Navigationsschritt können auch mehrere derartiger Verknüpfungen aktiviert werden.

Diese Verfahren kommen insbesondere bei Medieninklusionen zum Tragen.

Der zu der Verknüpfung gehörige Anker wird mit der Maus berührt.Während diese Methode zu empfindlich für die Navigation ist, kann sie für die Medieninklusion oder das Abspielen von kurzen Tonfolgen sinnvoll sein.

Ein Mausknopf wird im Anker der Verknüpfung betätigt. Auf diese Weise können kurzschrittige Navigationsoperationen angestoßen werden, d.h. solche, die durch Aufblenden zusätzlicher Information den aktuellen Kontext nicht verlassen, oder solche, die ihn nur unwesentlich verschieben, z.B. durch Navigation innerhalb des selben Strukturknotens. Voraussetzung ist allerdings, daß der Anker eindeutig ist, also keine weiteren Verknüpfungen mit ihm verbunden sind.

Nach Betätigen eines Mausknopfs innerhalb des Ankers der Verknüpfung wählt der Nutzer aus Menüs schrittweise den Typ und das Ziel der gewünschten Verknüpfung aus bzw. bricht die Operation ab.

Sind mit einem Anker mehrere Verweise verbunden, muß eine Auswahl zunächst des Verknüpfungstyps und dann des Zielknotens stattfinden. Die sukzessive Präsentation dieser Information dient dem Nutzer auch zur Einschätzung der Relevanz der am Ziel des Verweises zu vermutenden Daten. Bei langschrittigen Operationen, die einen weitgehenden Kontextverlust mit sich bringen, kann ein solch schrittweises Vorgehen auch dann sinnvoll sein, wenn aufgrund der Eindeutigkeit des Ankers die eigentliche Auswahlfunktion entfällt.

Ist eine Verknüpfung nicht mit einem Anker verbunden, kann sie aus werkzeugspe-zifischen Listen oder graphischen Übersichten aktiviert werden.

Durch die Aktivierung von Verknüpfung und die daraus folgenden Aktionen können Synchronisationsereignisse entstehen, die andere Verknüpfungen aktivieren. Die Synchronisation von Verknüpfungen wird durch sogenannte Synchronisationsver-knüpfungen erreicht, spezialisierte Verweise, die zwischen VerSynchronisationsver-knüpfungen bestehen.

Der konkrete Typ der Synchronisationsverknüpfung legt die Art des Ablaufs fest, sequentiell mit Vorrang von entweder Ziel oder Ursprung, parallel oder überlappend.

Die Steuerung erfolgt durch Semaphore, die von den Verknüpfungsobjekten geteilt werden.

Zu beachten ist, daß Verknüpfungstypen möglich sind, die auf mehrere dieser An-fangsbedingungen reagieren, in diesem Fall aber ein jeweils unterschiedliches Verhalten zeigen. Als ein Beispiel seien die Verknüpfungen genannt, die eine textuelle Medieninklusion (stretchtext) bewirken:

Beim Erreichen des Ausgangsknotens wird die Medieninklusion dann aktiviert, wenn die hol link-Variante einer solcher Verknüpfung vorliegt, ansonsten geschieht nichts.

• Beim Anwählen des Ankers wird der Zustand der Verknüpfung von 'Übertragen' auf 'nicht Übertragen' gesetzt und umgekehrt, d.h. die textuelle Einblendung taucht auf oder verschwindet, indem jeweils der Text des Ankers ausgetauscht wird.

• Wird die Verknüpfung nicht über den Anker, sondern über eine Verknüpfungsliste aktiviert, so wird ein Navigationsschritt zum Zielknoten ausgeführt, so daß der Text editiert werden kann.

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