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Direkte Manipulation

Im Dokument Offene Hypertextsysteme (Seite 79-82)

5. Präsentations- und Interaktionsformen

5.1 Die Schnittstellenmetapher

5.4.3 Direkte Manipulation

In den letzten Jahren wurden insbesondere Verfahren der direkten Manipulation als vielversprechende Interaktionstechniken angesehen. Als besonders wichtig gilt dabei, daß Vorgehensweisen der realen Welt, nämlich die unmittelbare Handhabung von Gegenständen, z.B. durch "Drag and Drop", metaphorisch auf die Benutzerschnittstelle übertragen werden.

Durch die Analogie der Tätigkeit und durch die unmittelbare Rückmeldung des erzielten Effekts sind derartige Interaktionsformen plausibel und leicht zu erlernen [Fähnrich & Ziegler 84]. Im Zusammenhang mit der direkten Manipulation wurden wichtige Eigenschaften von Nutzerschnittstellen ausgearbeitet, die auch auf andere Interaktionsformen übertragen werden können. [Kunkel et al. 95] diskutieren unter anderem folgende Aspekte der direkten Manipulation:

Ständige Präsenz relevanter Objekte Direkte Manipulation erfordert die Anwesenheit des zu handhabenden Gegenstands. Dies ist allerdings bei umfangreichen und komplex strukturierten Objektmengen nicht immer einfach zu erreichen. Der Aufwand, die relevanten Objekte zu finden und adäquat auf dem Bildschirm zu arrangieren, kann hier leicht den Nutzen übersteigen. In Hypertexten ist z.B. die Definition von Verknüpfungen besonders kritisch. Es ist möglich, daß der Nutzer gerade zwei Objekte verbinden will, die in der Struktur des Hypertexts sehr entfernt voneinander liegen. Hier kann es von Vorteil sein, wenn der Nutzer andere Verfahren zur Verfügung hat, auf Objekte zu referenzieren, als bloße Zeigeoperationen, z.B. menübasierte Auswahl.

Typspezifische Kommandos Die Semantik von Aktionen — z.B. Betätigen einer Maus-Taste — wird erst durch das Objekt endgültig determiniert, auf das sie sich beziehen. Dieses Prinzip ist im KHS sehr weitgehend ausgenutzt worden, indem nicht nur Zeigeoperationen typspezifisch interpretiert werden, sondern auch typspezifische Menüs und Funktionstasten definiert sind. Bei der Nutzung derartiger generischer Aktionen [Rosenberg & Moran 84] oder Kommandos ist allerdings großes Gewicht auf die Konsistenz des typunabhängigen Anteils der Operation zu legen.

Gebrauch von Metaphern Das Interaktionsparadigma der direkten Manipulation, selbst schon eine Metapher, beruht weitgehend auf der Wahl adäquater Metaphern für die zu handhabenden Gegenstände und die jeweiligen Aktionen. Viele Stilmittel der graphischen Interaktion, wie Scroll-Bars, Schalter etc. sind erdacht worden, um abstrakte Funktionen, wie z.B. die Reorganisation einer graphischen Oberfläche, der direkten Manipulation zugänglich

auf die Netzwerkmetapher für Hypertext (s.a. Abschnitt 5.1), so daß keine Metaphernbrüche zu befürchten sind.

Deiktische Operationen und Funktionsobjekte Die Interaktion in Systemen mit direkter Manipulation basiert hauptsächlich auf deiktischen Operationen, die im Normalfall mit der Maus ausgeführt werden. Der Nutzer zeigt auf ein Objekt, dann wird eine Aktion — zumeist mit einer Maustaste — angestoßen. Die zu aktivierende Funktion kann implizit an das Objekt gebunden sein, dann wird sie unmittelbar aktiviert. Dies ist im KHS z.B. bei Ankern der Fall, die eine sofortige Navigationsoperation bewirken. Es ist aber auch möglich, daß die Funktion erst durch ein Menü aktiviert werden muß. Das Prinzip der Objektorientierung und auch der direkten Manipulation ist bei Funktionsaktivierung durch spezialisierte Objekte, sogenannte Funktionsobjekte, am konsequentesten durchgeführt. Ein Objekt wird mit dem Zeigeinstrument "in die Hand genommen" und über den Bildschirm zu einem zweiten Objekt bewegt ("drag and drop"), das dann wie eine "Maschine" eine Operation an dem "Werkstück"

ausführt. Diese Interaktionsform S ist sehr einsichtig und ansprechend, wenn sich gute Analogien aus dem täglichen Leben finden lassen, wie z.B. das Zerstören von Dateien mit Hilfe eines "Reißwolfs". Es sind aber auch gravierende Nachteile dieser Interaktionsform zu verzeichnen [Krause 94]:

Es können nicht immer klare Analogien gefunden werden.

Komplexe Funktionalität kann allein wegen des Platzverbrauchs nicht allein durch Funktionsobjekte repräsentiert werden.

Das "drag and drop" erweist sich als manuell schwierig auszuführende Operation und führt oft zu Fehlbedienungen [Kunkel et al. 95].

Funktionsobjekte, die Operationen mit mehreren Objekten erlauben, sind kaum iko-nisch darzustellen. Hier sind nach unserem Erachten Dialogfenster angemessener.

Derartige Operationen treten aber insbesondere bei der Konstruktion von Hypertexten häufig auf, z.B.:

o Verknüpfen von Knoten

o Zusammenfassen von Knoten zu Strukturknoten

Dennoch wird im KHS, unterstützt durch die eher formale Interaktionsmetapher, weit-gehender Gebrauch von direkter Manipulation und von Funktionsobjekten gemacht. Es lassen sich dabei über elementare Auswahloperationen hinaus zwei komplexe Manipu-lationsmethoden benennen:

"drag and drop": Jede visuelle Repräsentation eines Objekts kann direkt manipuliert, d.h. zu einem Funktionsobjekt hin bewegt werden. Das ausgewählte Objekt kann ein Knoten oder eine Verknüpfung des Hypertexts sein, aber auch eine Zeichenkette o.a.

In manchen Fällen kann bei der Auswahl nicht unmittelbar dis-ambiguiert werden, ob eine Auswahloperation sich auf ein Hypertextobjekt oder seine textuelle Repräsentation beziehen soll. In einem solchen Fall werden beide Objekte berücksichtigt, die Festlegung erfolgt dann durch das Funktionsobjekt, das immer nur eine von beiden Lesarten akzeptiert. Als Funktionsobjekte können im KHS alle strukturierten Präsentationsobjekte (Sichten auf Graphen, Listen, Texte) dienen. Auf einer sehr abstrakten Ebene kann die Funktion aller Funktionsobjekte so charakterisiert werden, daß das Parameterobjekt in der Visualisierung des Funktionsobjekts sichtbar werden soll. Hier sind zwei Fälle unterscheidbar:

o Das Funktionsobjekt dient zur Visualisierung von Hypertextstrukturen. In diesem Fall wird eine "drop"-Operation zu einem Navigationsschritt führen, als deren Resultat das Parameterobjekt im Fokus der Darstellung steht.

o Das Funktionsobjekt dient, z.B. auch im Zusammenhang mit weiteren Menü-funktionen, dem Aufbau und der Manipulation von Hypertextstrukturen. Das Einbringen eines Objekts führt jetzt dazu, daß das Objekt Teil der gerade vi-sualisierten Struktur wird. Hierzu einige Beispiele:

Wird ein Objekt über der Visualisierung eines Strukturknotens

"fallengelassen", so wird es Teil dieses Knotens.

Wird ein Objekt über einer Liste von Verknüpfungen "fallengelassen", so wird eine Verknüpfung zu diesem Objekt gezogen.

Enthält das Funktionsobjekt eine Liste von Schlagworten — z.B. aus einer Suchanfrage oder einem Knotendeskriptor — und ist das Parameterobjekt ein Text, so werden die Textworte nach Stammformreduktion und nach Entfernen von Stopp Wörtern als Schlagworte dem entsprechenden Deskriptor hinzugefügt.

Diese getypte Form des "drag and drop", die je nach Typ bestimmte Bereiche eines Multi-Window-Systems als Rezeptoren für Objekte anbietet, ist als eine Variante der Interaktionstechniken anzusehen, die [Meyer 93] für objektorientierte Nutzerschnittstellen fordert.

rubberbanding: Diese Technik wird häufig in graphischen Systemen eingesetzt. Sie beruht darauf, daß ausgehend von einem angewählten Objekt ein weiteres selektiert wird, worauf dann eine vorgegebene Operation mit beiden Objekten ausgeführt wird.

Diese Operation stellt eine Verknüpfung zwischen den Objekten her. Während der Auswahlphase wird die Verbindung zum Ursprungsobjekt durch einen "dehnbare"

Linie zur aktuellen Zeigerposition angedeutet. Im KHS wird diese Interaktionstechnik eingesetzt, um in graphischen Übersichten leicht Verknüpfungen zwischen Hypertextobjekten definieren zu können.

Wahlmöglichkeit für bestimmte Stilmittel Die Wahl einer adäquaten Interaktionsund Präsentationsform kann sowohl von der zu lösenden Aufgabe als auch von einem individuellen kognitiven Stil abhängen. Deshalb sollten Nutzerschnittstellen möglichst viel Freiraum für aufgaben- und nutzerspezifische Rekonfigurationen bieten [Gerstendörfer &

Rohr 87]. Dies gilt in ausgeprägtem Maße auch für offene Hypertexte [Evenson & J. 89].

Deshalb bietet KHS verschiedene Möglichkeiten, die Oberfläche an Nutzerwünsche anzupassen. Auf die Anpassung von Fensterstrukturen wurde bereits in Abschnitt 5.3.2 eingegangen. Zusätzliche Optionen betreffen die Nutzung von Graphik zur Darstellung von Übersichten (s. Abschnitt 6.3), den Einsatz von Funktionstasten, Ikonen etc.

5.4.4 Interaktionsprimitive

Jede Interaktion mit einem Softwaresystem basiert auf Interaktionsprimitiven, die durch die jeweiligen Eingabegeräte definiert sind. Das KHS reagiert dabei auf die folgenden l Ereignisse:

Bewegen der Maus führt zu einer Repositionierung eines auf dem Bildschirm dargestellten Zeigers. Dabei können folgende spezialisierte Ereignisse auftreten:

o Wird der Zeiger in ein Fenster hinein oder aus diesem heraus bewegt, erfolgt ein Wechsel der Kontrolle, der zu jeweils spezifischen Operationen führen kann.

o Wird ein Objekt durch den Zeiger berührt, so kann eine objektspezifische Aktion ausgelöst werden. Das kann ein Wechsel der Zeigerform sein, wodurch Information über Inhalt oder Funktion des Objekts vermittelt wird. Es sind

jedoch auch weitergehende Reaktionen möglich, die jedoch nie zu einer dauerhaften Veränderung des Systemzustands führen. Insbesondere wird in graphischen Übersichten immer eine Kurzinformation zum jeweils berührten Objekt präsentiert (s.u.), so daß ein schnelles "Überfliegen" größerer Knotenmengen möglich wird.

Betätigen von Maustasten:

o Mit der linken Maustaste wird das Objekt selektiert, auf das gerade gezeigt wird, falls es nicht schon angewählt wird. Andernfalls wird eine objektspezifi-sche Aktion aktiviert und das Objekt danach deselektiert. Wird diese Maustaste dauerhaft betätigt (länger als ein bestimmter zeitlicher Schwellwert), so führt dies zu "drag and drop"-Operationen.

o Betätigen der mittleren Maustaste führt zur Präsentation eines Popup-Menüs, das objektspezifische Funktionen anbietet, während

o mit der rechten Maustaste ein systemweit uniformes Menü zur Manipulation der Nutzerschnittstelle (z.B. der Fenstergröße) zur Darstellung gebracht wird.

Funktionstasten werden nur optional zur Effizienzsteigerung eingesetzt. Jede Operation des KHS kann auch ohne Funktionstasten über Menüs erreicht werden. Ist eine Funktion auch über eine Taste aktivierbar, wird dies in dem jeweiligen Menü angezeigt, so daß der Nutzer sie mit dem Systemgebrauch sukzessiv erlernen kann. Es stehen folgende Funktionstasten zur Verfügung:

o Tasten zur Zeigerpositionierung in Texten,

o Seitenwechseltasten zum sequentiellen Durchlaufen von Pfaden im Hypertext,

o Kopier-, Einfüge- und Löschoperationen, die je nach angewähltem Objekt sich auf Texte oder Hypertextknoten beziehen können,

o Operationen zur Freigabe oder Rücksetzung textueller Änderungen (accept, cancel),

o Tasten zur Manipulation der Nutzeroberfläche — Öffnen und Schließen von Fenstern etc.,

o Frei vergebbare Funktionstasten (F1-F12).

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