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Produktionsnetzwerke in der Windenergiebranche

Die in Abbildung 18 links dargestellten zentralen Komponenten und Materialien zur Montage der Gondel sind in Abbildung 19 rechts nochmals in einer beispielhaften geographischen Sichtweise dargestellt. Durch die Visualisierung der Netzwerke wird die Gondelmontage in der Windenergiebranche der Fahrzeugmontage in der Auto-mobilindustrie gegenübergestellt und verglichen.

Wie in der Gondelmontage gibt es in der Fahrzeugmontage vielteilige Komponenten wie Scheinwerfer oder Sitze, die fertig montiert angeliefert werden. Auf der anderen Seite gibt es Bauteile, wie die Batterie oder die Räder, die wie die Nabe aus einem Materialblock mit wenigen Anbauteilen oder wie die Hauptwelle „aus einem Guss“

gefertigt werden. Die Netzwerke sind international, dabei aber zumeist kontinental

und selten global ausgerichtet. Die einmal aufgebauten Netzwerke überdauern in der Regel die Bauzeit einer Baureihe und können auch beim Generationswechsel eines Produktes in Teilen unverändert bleiben, da sie baureihenübergreifend strukturiert sind. Ihre längerfristige Auslegung, die eingeschränkte Substituierbarkeit von Liefe-ranten mit hohen Wechselkosten bei gleichzeitig absatzseitiger Dominanz, definiert die Gondelmontage in der Windenergiebranche als strategisches Netzwerk, aufgrund der geringeren Variantenvielfalt jedoch auch auf geringerem Komplexitätsniveau.

Abbildung 19: Strategische Netzwerke in der Automobil- und Windenergiebranche Quelle: Eigene Darstellung

Das Produktionsnetzwerk der Gondelmontage befindet sich aber nicht im Fokus die-ser Arbeit, sondern das Netzwerk zur Windparkbelieferung und Anlagenerrichtung.

Beide Netzwerke kennzeichnen deutlich voneinander abweichende Eigenschaften.

So baut sich das Netzwerk zur Windparkbelieferung mit der ersten Belieferung aus den unterschiedlichen, teils veränderlichen, Quellen hin zum Standort des jeweiligen Windparks als Senke auf und endet mit der Errichtung der letzten Anlage. Das heißt, dass die Hauptkomponenten Gondel, Blatt und Turm von unterschiedlichen Standor-ten und poStandor-tentiell unabhängig voneinander zum Errichtungsstandort transportiert werden. Dabei können sich die Quellen wie in Abbildung 20 dargestellt von Windpark zu Windpark verändern. Die Belieferung der einzelnen Windparks erfolgt zudem nicht streng sequenziell, sondern kann parallel durchgeführt werden. Die Dauer der Belie-ferung hängt weiterhin von der Größe des Windparks sowie der geplanten

Errich-tungsgeschwindigkeit ab. Diese ist wiederum von der Zugänglichkeit des Geländes, der Jahreszeit, vereinbarten Fertigstellungsterminen und verschiedenen weiteren Faktoren abhängig. Weiterhin unterscheiden sich die Netzwerkstrukturen je nach be-trachteter Hauptkomponente.

Die montierten Gondeln werden aus den Werken des Anlagenherstellers geliefert, wovon, mit Ausnahme von Vestas, die wenigsten Hersteller mehr als zwei Standorte in Europa betreiben. In den graphisch dargestellten Netzwerkbeispielen in Abbildung 20 wird im Vergleich zu der Anzahl an Blatt- und Turmlieferanten deshalb von einem unveränderlichen Standort zur Gondelmontage ausgegangen.

Abbildung 20: Verschiedene Netzwerkkonstellationen in der Windparkbelieferung Quelle: Eigene Darstellung

Das Blatt wird als Kernkomponente häufig zumindest teilweise von den Herstellern selbst gefertigt. Zur Sicherung der Qualität der Komponenten wird zumeist nur eine überschaubare Anzahl an Lieferanten zur Fertigung freigegeben. Im graphischen

Beispiel wird dies daran verdeutlicht, dass zwei unterschiedliche Standorte eines in-ternen oder exin-ternen Blattlieferanten vorliegen.

Wie im Abschnitt zuvor beschrieben ist der Turm keine Kernkomponente und stellt für Unternehmen der Schwerindustrie keine besondere technologische Herausforderung in der Fertigung dar. Dadurch ist die Markteintrittsschwelle verhältnismäßig gering und es herrscht ein reger Wettbewerb. In den Netzwerken zur Windparkbelieferung ist der Turm somit die lokalste Komponente. Dem wird in den graphischen Beispielen in Abbildung 20 Rechnung getragen, indem in jedem der vier Windparkbelieferungs-konstellationen ein anderer Turmlieferant ausgewählt wurde.

Die Netzwerke zur Windparkbelieferung in der Windenergiebranche sind zwar durch eine absatzseitige Dominanz in der Netzwerkkoordination durch den Anlagenherstel-ler gekennzeichnet, was eine typische Ausprägung für strategische Netzwerke ist.

Sie entsprechen mit ihrer kurzen Dauer und großen Veränderlichkeit aber der maß-geblichen Eigenschaft von Projektnetzwerken. Deshalb wird das Windparkbeliefe-rungsnetzwerk anhand des in Kapitel 2.2.8.1 Netzwerk definierende Merkmale und ihre Ausprägungen entwickelten morphologischen Merkmalsschemas nachfolgend genauer beschrieben.

Im Merkmal Produkt liegen die Ausprägungen des Netzwerks „Wind“ zumeist zwi-schen denen des strategizwi-schen und des Projektnetzwerks. Ausnahmen sind die Pro-duktstruktur, an der sich der Maschinenbaucharakter der Windenergiebranche ab-zeichnet, sowie das Marktwachstum. Dieses ist aus europäischer Perspektive einge-ordnet und würde in anderen Weltregionen durchaus andere Ergebnisse zur Folge haben, die in der Tendenz mit dem stärksten Wachstum in der Windenergiebranche voraussichtlich eine unveränderte Rangfolge zur Folge haben würden.

Dieses Bild setzt sich im Bereich der Zusammenarbeit fort. Die Ausnahme bildet hier das Attribut Beziehung, welches in den von kleineren Unternehmen geprägten Pro-jektnetzwerken vertrauter und in den strategischen Netzwerken durch den kontinuier-lichen Kontakt intensiver ausfällt als in den Netzwerken zur Windparkbelieferung.

Abhängig von der Größe des Anlagenherstellers und vom Geschäftsvolumen mit dem einzelnen Lieferanten kann dieses in der Windenergiebranche mal intensiv-vertraut sein, aber auch zu einer anfällig-formalen Beziehung kippen.

Abbildung 21: Das Windparkbelieferungsnetzwerk im Vergleich zu den Ausprägungen des strategischen und des Projektnetzwerks

Quelle: Eigene Darstellung

In der Netzwerk- und Verbundstruktur gibt es je eine Übereinstimmung mit dem stra-tegischen wie mit dem Projektnetzwerk. Während das Attribut der Substituierbarkeit durch das Multiple-Sourcing insbesondere bei der Komponente Turm ausgesprochen flexibel zu handhaben ist, sind die Wechselkosten im Bereich des Blatts höher. Eine ähnliche komponentenabhängige Unterscheidung muss beim Attribut Führung und Machtstruktur vorgenommen werden, was in Summe zu einer eingeschränkten ab-satzseitigen Dominanz führt. Der geographische Umfang der Windnetzwerke ist mit dem strategischer Netzwerke vergleichbar, während sich die Ausprägung in der Un-ternehmensgröße sinnbildlich für die gesamte Gegenüberstellung inmitten der beiden alternativen Positionen einordnet.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Netzwerke zur Windparkbe-lieferung in der Windenergiebranche im Bereich der Attribute Produktstruktur, Substi-tuierbarkeit von Lieferanten und insbesondere der variablen und kurzen Dauer den Eigenschaften von Projektnetzwerken entsprechen. Bei den Ausprägungen der Attri-bute Kooperation, Koordinationsform und Machtstruktur im Netzwerk besteht indes eine große Ähnlichkeit zu den strategischen Netzwerken. Dieser Mix an Eigenschaf-ten, speziell für die Komponente Turm, bietet ideale Bedingungen für den erfolgrei-chen Einsatz des Total Landed Cost Ansatzes in der Minimierung der Gesamtkosten in der Supply Chain. Die konkreten Effekte werden im weiteren Verlauf im Rahmen einer Fallstudie untersucht.

4 Stand der Forschung zu ‚Total Cost‘ Modellen

Ziel dieses Kapitels ist es, den Stand der Forschung von ‚Total Cost‘ Modellen zu bestimmen und den Forschungsbedarf zu definieren. Dazu werden Forschungsarbei-ten zum Thema analysiert und mit den beschriebenen GegebenheiForschungsarbei-ten und Heraus-forderungen in der Windenergiebranche verglichen.