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1.3 Präeklampsie

1.3.3 Proangiogenetische und antiangiogenetische Faktoren

1.3.3.1 Allgemeines

Die PE wird charakterisiert durch mangelnde Trophoblasteninvasion und fehlenden Umbau der Spiralarterien, plazentare Hypoxie, oxidativen Stress, Inflammation und endotheliale Dysfunktion [54]. Letztere ist vor allem durch ein Ungleichgewicht zwischen antiangiogenetischen und proangiogenetischen Faktoren gekennzeichnet. Während die Konzentration antiangiogenetischer Faktoren wie soluble FMS-like Tyrosin-Kinase 1 (sFlt-1) und soluble Endoglin (sEng) ansteigt, sinkt bei PE die Konzentration proangiogenetischer Faktoren wie des Placental Growth Factor (PlGF) und des freien Vascular Endothelial Growth Factor A (VEGF-A) im mütterlichen Blut [55, 56]. Die Plazenta gilt als Hauptproduktionsort für diese Faktoren. Sie konnten als Proteine in verschiedenen Zellen (Mesenchym, villöse und extravillöse Trophoblasten, Dezidualzellen, Endothelzellen der Blutgefäße) nachgewiesen werden [57].

Abbildung 1.7: Erweiterter Vorschlag zur Entstehung von Präeklampsie und/oder FGR [1], gedruckt mit Genehmigung des Urhebers.

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1.3.3.2 Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)

Vascular endothelial growth factors (VEGFs) sind proangiogenetische Faktoren, die maßgeblich Angiogenese, Vaskulogenese und Lymphangiogenese regulieren. Zur VEGF-Familie gehören VEGF-A bis –D und PlGF [58]. Sie werden während der Schwangerschaft vornehmlich in Synzytiotrophoblasten exprimiert und sezerniert [59, 60]. VEGF-A kommt im Rahmen der Vaskulo- und Angiogenese während der Plazentation eine Schlüsselrolle zu. Im Mausmodel wurde gezeigt, dass es nach Ausschalten eines oder beider VEGF-Allele zu mangelnder Angiogenese, dann zu fehlerhafter Plazentation und damit zum Abort der Schwangerschaft kommt [61, 62].

VEGF-A bindet an zwei membranständige Tyrosinkinaserezeptoren, VEGFR-1 (Flt-1) und VEGFR-2 (Flk-1 oder KDR) in der Plazenta. Wie bisher nur im Mausmodel gezeigt wurde, haben diese beiden Rezeptoren in der frühen Embryogenese gegensätzliche Funktionen:

VEGFR-2 vermittelt proangiogene Signale, wohingegen VEGFR-1 die zirkulierenden proangiogenetischen Faktoren einfängt, sie damit für VEGFR-2 unzugänglich macht und damit indirekt zur Inhibition der Angiogenese beiträgt [62, 63]. VEGF-A und PlGF können auch von der nicht-membranständigen, sondern löslichen, Variante des VEGFR-1 (sVEGFR-1 oder sFlt-(sVEGFR-1) gebunden werden. In diesem Zustand sind sie inaktiviert, da sie nicht mehr an die membranständigen Rezeptoren binden können [8, 62]. Dieser Mechanismus unterstützt die PE-Entstehung: Plazentare Hypoxie, ein für die PE typischer Zustand, induziert die VEGF-Expression via HIF-1α in Endothelzellen [64, 65]. Bei PE ist der VEGF-Spiegel erhöht, aber der Anteil an ungebundenem VEGF erniedrigt [66]. Dieser Umstand lässt sich durch die gleichzeitig erhöhten sFlt-1-Werte erklären: sFlt-1 fängt VEGF ab, bindet es und behindert so die Angiogenese.

Weiter konnte gezeigt werden, dass ein VEGF-Mangel, hervorgerufen durch anti-VEGF-Antikörper, Deletion auf dem entsprechenden Gen oder sFlt-1-Überschuss, zu den typischen präeklamptischen Symptomen Proteinurie und glomerulärer Nephritis führt [8]. Im Rattenmodel führte die Hemmung der proangiogenetischen Faktoren VEGF-A und PlGF durch sFlt-1 zu einem PE-ähnlichen Syndrom bei schwangeren Ratten [13]. Der Regulation von VEGF kommt daher wahrscheinlich eine wichtige Funktion in der Entstehung dieser Symptome bei PE zu.

1.3.3.3 Soluble VEGF-Receptor-1 (sFlt-1)

sFlt-1, auch sVEGFR-1 genannt, ist der lösliche Rezeptor von VEGF. Er entsteht durch alternatives Spleißen der pre-mRNA, welche für den membranständigen Rezeptor von VEGF

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(Flt-1 oder VEGFR-1) kodiert. Im Vergleich zu VEGFR-1 fehlen bei sFlt-1 die zytoplasmatische sowie die transmembranöse Domäne [67]. sFlt-1 bindet mit hoher Affinität an VEGF und PlGF und inaktiviert sie [68]. sFlt-1 wird unter dem Einfluss von Hypoxie in den Zytotrophoblasten vermehrt gebildet und in den mütterlichen Kreislauf abgegeben[69-72]. Bei PE, aber auch bei unkomplizierten Schwangerschaften steigt sFlt-1 im Serum in den letzten beiden Schwangerschaftsmonaten an, PlGF sinkt ab. Diese Veränderung beginnt bei PE-Patientinnen verglichen mit gesunden Schwangeren früher und der Anstieg von sFlt-1 bzw. der Abfall von PlGF ist signifikant größer [13]. Die sFlt-1-Konzentration steigt im Rahmen der PE ca. 5 Wochen vor Beginn der klinischen Symptome im Serum der Patientin signifikant an [56]. Zum Zeitpunkt der Entbindung wurde bei präeklamptischen Patientinnen auch im plazentaren Gewebe eine erhöhte sFlt-1-Konzentration gemessen [55]. Nach der Geburt normalisieren sich die Werte von sFlt-1 und PlGF rasch wieder [13] und auch die Symptome der PE verschwinden, sodass sich hier ein Zusammenhang annehmen lässt.

Die Sekretion von sFlt-1 wird in primären Zytotrophoblasten [72] und in humanem plazentarem Gewebe [73] durch Hypoxie induziert. Hypoxie tritt auch im Rahmen der PE in der Plazenta auf. Dieser Effekt wird durch den Transkriptionsfaktor HiF-1α [74] vermittelt.

Abbildung 1.8: sFlt-1 induziert bei Präeklamspie eine endothelialer Dysfunktion [9], gedruckt mit Genehmigung des Urhebers

sFlt wird bei PE verstärkt exprimiert und fängt VEGF und PlGF ein. Auf diese Weise werden VEGF und PlGF daran gehindert an Rezeptoren auf der Zelloberfläche zu binden. Dadurch entfällt ihre proangiogenetische und schützende Funktion. Es resultiert die endotheliale Dysfunktion.

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Auch Reoxygenierung nach Hypoxie [75] und TNF-α [73] stimulieren die sFlt-1-Sekretion in humanem plazentaren Gewebe. Bei Primaten führte eine plazentare Minderperfusion zu erhöhten sFlt-1-Leveln und Hypertonie [76]. Beim Menschen konnte nachgewiesen werden, dass die intermittierend, unterbrochene Blutzufuhr während der Geburtswehen zur erhöhten Expression von sFlt-1-mRNA und –Protein führt [77]. Diese Erkenntnisse führen zu der Annahme, dass die erhöhte sFlt-1-Sekretion eng mit der Endotheldysfunktion und der mangelnden Angiogenese im Rahmen der PE assoziiert ist [14, 56, 78].

1.3.3.4 Placental Growth Factor (PlGF)

Der plazentare Wachstumsfaktor (PlGF) stellt einen weiteren potentiellen Einflussfaktor in der Entstehung der PE dar. Im Jahr 1991 wurde PlGF erstmals von Maglione et al.

beschrieben [79]. Er wird in Fettgewebe, Lunge, Herz, Schilddrüse und Skelettmuskel produziert. Während der Schwangerschaft wird PlGF in den Synzytiotrophoblasten synthetisiert und sezerniert [80]. Strukturell gehört PlGF zur VEGF-Familie. Durch alternatives Spleißen des humanen PlGF-Gens entstehen vier verschiedene Isoformen von PlGF. PlGF-1 und -3 sind nicht-heparinbindend, wohingegen PlGF-2 und -4 heparinbindende Domänen besitzen [81, 82]. Verglichen mit den weiteren Mitgliedern der VEGF-Familie bindet PlGF mit höherer Affinität und ausschließlich an den VEGFR-1-Rezeptor (Flt-1, löslich oder membrangebunden) [83]. Bei entzündlichen, malignen und ischämischen Erkrankungen werden über diesen Rezeptor die Effekte Angiogenese und Vaskulogenese vermittelt [1, 25]. Die lösliche Variante des Rezeptors, sFlt-1, gilt bislang als Köder, der PlGF kompetitiv bindet und somit inhibiert [84]. Seine proangiogenetische Wirkung kann PlGF direkt über Flt-1 vermitteln oder im Zusammenspiel mit VEGF: PlGF bindet mit höherer Affinität an sFlt-1 und „opfert“ sich, sodass freies VEGF weiterhin an VEGFR-1 und-2 binden kann [1].

Einleitung

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Der Verlust oder die Inaktivierung von PlGF im gesunden Individuum gilt bisher als folgenlos. Im Verlauf der Schwangerschaft ist PlGF ab der 8. SSW im maternalen Blut nachweisbar, steigt bis zur 29.-32. SSW an und fällt dann bis zur Geburt wieder ab. Bei PE zeigten sich mit Rücksicht auf das Gestationsalter stark erniedrigte PlGF-Werte im Vergleich zu normal verlaufenden Schwangerschaften [1]. Im Rahmen der early-onset PE sinken die PlGF-Werte deutlicher ab, als bei der late-onset-Variante [85]. Unter Hypoxie, ein Zustand der sich bei PE in der Plazenta manifestiert, zeigte sich in den bisherigen Veröffentlichungen folgendes Phänomen: In den meisten o.g. Geweben wird die PlGF-Synthese durch Hypoxie induziert [86-89], in den fetalen Trophoblasten führt sie indes zu einer Reduktion des PlGF [70, 90-93]. Hyperoxämie hingegen erhöhte die PlGF-Expression in Trophoblasten [86].

PlGF-mRNA und –Protein wurden in vitro in Keratinozyten vermehrt gebildet nach Behandlung mit Entzündungszytokinen wie transforming growth factor α (TGFα), transforming growth factor β (TGFβ), Interleukin 6 (IL-6) und endothelial growth factor (EGF) [86]. Bisher konnte noch kein mechanistischer Zusammenhang zwischen den reduzierten PlGF-Werten und der Entstehung der PE gezeigt werden, sodass PlGF in Zusammenschau mit sFlt-1 zunächst als Prädiktionsparameter für das Entwickeln einer PE im Verlauf der Schwangerschaft vorgeschlagen wurde [1]. Besondere Bedeutung hat PlGF bei IUGR mit und ohne PE. Die early-onset-Variante der PE geht häufig mit einer Wachstumsretardierung des Fetus einher (siehe Kapitel 1.3.2). In diesen Fällen ist die PlGF-Konzentration noch niedriger als bei PE ohne IUGR [50]. Man geht daher bei PlGF von einem Marker für die plazentare Funktion aus (siehe Abbildung 1.7).

Abbildung 1.9: PlGF induziert direkt und indirekt proangiogenetische Signale, modifiziert nach Fischer et al [5], gedruckt mit Genehmigung des Urhebers

a: PlGF bindet anstelle von VEGF an sFlt-1 und Flt-1, sodass VEGF via Flk1 (KDR) proangiogenetische Signale vermitteln kann. b: PlGF induziert proangiogenetische Signale über die direkte Bindung an Flt-1.

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