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2.3 In-vitro-Methoden zur Untersuchung von Lungengewebe

2.3.4 Precision Cut Lung Slices (PCLS)

Eine Methode zum Erstellen von präzisionsgeschnittenem Gewebe wurde erstmals von KRUMDIECK et al. (1980) vorgestellt. Mit einem manuell zu bedienenden Mikrotom konnten Serienschnitte in einer nahezu identischen Dicke hergestellt und unter Zellkulturbedingungen inkubiert werden. Die Schichtdicke konnte zwischen 160-640 µm variiert werden. Um Lungengewebe in dieser Form schneiden zu können, musste eine Befüllungstechnik des Lungengewebes mit Agarose entwickelt werden (PLACKE u. FISHER, 1987).

DANDURAND et al. (1993) zeigten, dass man anhand von Lungenschnitten die Möglichkeit hat, eine Bronchokonstriktion zu untersuchen. Die Schichtdicke der PCLS betrug in dieser Untersuchung ca. 500-1000 µm.

MARTIN et al. (1996) entwickelten die Technik zum Erstellen von PCLS aus Lungengewebe von Mäusen, Ratten und Menschen weiter und waren so in der Lage, unter standardisierten Bedingungen Lungenscheiben in einer Schichtdicke von 250 µm zu erstellen und über 72 Stunden zu kultivieren. Die geringere Schichtdicke führt zu einem minimalen Auftreten von Artefakten und verringert das Auftreten von schräg angeschnittenen Atemwegen. Weiterhin ist durch die größere Oberfläche im Verhältnis zum Gewebe eine bessere Versorgung der Schnitte mit Sauerstoff und Nährstoffen gewährleistet (MARTIN et al., 1996).

Mit Hilfe der digitalen Aufzeichnung von Videoaufnahmen und Fotos ist es möglich die Bronchokonstriktion zu visualisieren und zu quantifizieren. Diese Methode, bei der die histologische Struktur des Gewebeverbandes erhalten bleibt, scheint den Parenchymstreifen und den isolierten Bronchien überlegen. Die Kontraktionen der Parenchymstreifen können nicht sicher den Atemwegen zugeschrieben werden, und die Untersuchungen an isolierten Atemwegen beziehen die Interaktionen mit dem umgebenden Parenchym nicht ein.

Ein weiterer Vorteil ist, dass man Atemwege verschiedener Größe miteinander vergleichen kann. Es können auch sehr weit distal gelegene Atemwege mit einem Durchmesser von bis zu 110 µm in die Untersuchungen miteinbezogen werden (WOHLSEN et al., 2001). MARTIN et al. (1996) konnten beispielsweise zeigen, dass

kleine Atemwege sensitiver auf Metacholin reagieren. Die Sensitivität der kleinen und großen Atemwege bezüglich unterschiedlicher Agonisten ist verschieden, (WOHLSEN et al., 2001) so dass mit dieser Methodik ein probates Mittel zur Untersuchung dieser Unterschiede vorhanden ist.

2.3.4.1 Methodik zum Erstellen von PCLS aus der Mäuselunge

Nach MARTIN et al. (1996) wird im Anschluss an eine Injektion von Pentobarbital die Trachea der Mäuse freipräpariert und über eine Inszision eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Die Lunge wird während des gesamten Eingriffes mit einer Frequenz von 80 Zügen/Minute belüftet. Nach laparoskopischer Eröffnung wird das Diaphragma entfernt und Heparin in die rechte Herzkammer injiziert. Nachdem die Tiere über einen Schnitt in die Vena cava entblutet sind, wird die Lunge über einen Katheter gespült, bis sie blutleer ist.

Die Entnahme von Lunge und Herz geschieht im Verbund. Um mehr Stabilität in das Gewebe zu bekommen, werden die Lungen mit einem Agarose-Medium-Gemisch befüllt. Es wird hierfür eine low melting point agarose verwendet, die sich bereits bei einer Temperatur von 37°C verflüssigt. Die Befüllung erfolgt über die Trachea, bis die Lunge mit Agarose gefüllt ist. Um die Agarose auf 4°C herunterzukühlen wird die Lunge auf Eis überführt. Nachdem die Agarose ausgehärtet ist, werden aus dem Gewebe mit einem scharfen, rotierenden Gewebeschneider Kernstücke ausgeschnitten, die einen Durchmesser von 8 mm besitzen. Aus diesen Gewebezylindern werden mit Hilfe eines Mikrotoms (Krumdieck tissue slicer, Alabama Research and Development, Munford, USA) Gewebescheiben mit einer Schichtdicke von 250 ± 20 µm geschnitten, die sofort in Zellmedium überführt werden. Die Lungenschnitte werden anschließend bei 37°C inkubiert. Bei dieser Temperatur verflüssigt sich die in den Schnitten befindliche Agarose wieder und kann durch mehrfachen Mediumwechsel ausgewaschen werden (MARTIN et al. 1996).

2.3.4.2 Methodik zum Erstellen von PCLS aus der Menschenlunge

Um Untersuchungen an humanem Lungengewebe durchführen zu können, wurde von WOHLSEN et al. (2003) eine Methode entwickelt, PCLS aus Lungenflügeln von Menschen zu gewinnen. Operativ entfernte Lungenflügel werden über den Hauptbronchus mit ca. 500-800 ml Agarose befüllt und nach der Aushärtung das makroskopisch gesund erscheinende Gewebe zur Gewinnung der PCLS herangezogen. Das Erstellen der PCLS erfolgt analog der Methodik an der Mäuselunge (2.3.4.1).

2.3.4.3 Untersuchungen an PCLS

Unter den Bedingungen der Inkubation bei 37° C in Zellkulturmedium sind die PCLS bis zu 72 Stunden lebensfähig. Wenn man die Funktion berücksichtigt, konnten keine Unterschiede in der metacholin-induzierten Kontraktion über 28 Stunden festgestellt werden (MARTIN et al., 1996). Die Lebensfähigkeit kann nach Literaturangaben über das Austreten von LDH (Laktat Dehydrogenase) in das umgebende Medium beurteilt werden. Das Austreten von LDH kann vermindert werden, wenn die Inkubation anstatt in Gewebekulturplatten in einem dynamischen Rollersystem durchgeführt wird, in dem die Schnitte eine permanente Bewegung erhalten. Dieses System ist daher dem statischen vorzuziehen (MARTIN et al., 1996).

Ein weiterer potenter Vitalitätsfaktor ist der Zilienschlag des Flimmerepithels. EBSEN et al. (2002) beobachteten bei PCLS aus Ratten- und Affenlungen einen Zilienschlag bis zu 96 Stunden, wobei eine unverminderte Aktivität bis zu 72 Stunden zu beobachten war. Das Schlagen der Zilien entlang des Atemwegsepithels kann mit einer Kamera aufgezeichnet werden. Hierfür benötigt man ein Gerät welches mindestens 62 Bilder in der Sekunde aufnehmen kann. Die Schlagfrequenz kann durch spezielle Verfahren ermittelt werden. In PCLS aus menschlichen Lungen liegt die Schlagfrequenz zwischen 5-12 Hz bei einer Temperatur von 37°C (WOHLSEN et al., 2003).

Die Untersuchungen der Atemwege finden unter einem inversen Mikroskop statt. Die Schnitte verbleiben während der gesamten Zeit im Medium und können entweder in den Gewebekulturplatten unter dem Mikroskop untersucht werden (DANDURAND et al., 1993) oder in einer speziellen Inkubationskammer (MARTIN et al., 1996). Diese Kammer ist an ein Wasserbad angeschlossen, es gewährleistet eine konstante Temperatur der Schnitte. Die Schnitte befinden sich in Kammern mit Medium, die durch eine Öffnung mit verschiedenen Substanzen befüllt werden können. Damit die Schnitte nicht flotieren, werden sie durch dünne Nylonfäden gehalten, die an einem Platindraht befestigt sind.

2.3.4.4 Messung der Atemwege

Die Auswertung der Atemwegskontraktilität erfolgt über die Berechnung der Fläche des Atemwegslumens. Sie wird bestimmt, indem man entlang dem Atemwegslumen an der Epithelgrenze eine Markierung setzt und über eine Software die Fläche errechnet (MARTIN et al., 1996). Die ursprüngliche Fläche des unbehandelten Atemweges wird als 100% angenommen. Die Messung der Fläche scheint ein zuverlässiges Maß für die Untersuchungen an Atemwegen zu sein und sollte der Messung des Durchschnittes eines Atemweges vorgezogen werden (WOHLSEN et al., 2003)

2.3.4.5 Kontraktilität

Durch die Applikation von Metacholin konnten DANDURAND et al. (1993), MARTIN et al. (1996), und KOTT et al. (2002) in den Atemwegen der PCLS eine Bronchokonstriktion auslösen. Der Grad der Konstriktion ist konzentrationsabhängig.

Das Alter der Schnitte beeinflusst die Kontraktion nicht. Vergleiche an Schnitten nach 5-8 Stunden, 15-18 Stunden und 24-28 Stunden ergaben keinen signifikanten Unterschied (MARTIN et al., 1996).

Durch eine Inkubation von PCLS mit einer Mischung aus Tumor-Nekrose-Faktor α, Interleukin-1β und Interferon γ kann ebenfalls eine Kontraktion der Atemwege induziert werden (MARTIN et al., 2001).

Im Prinzip ist es auch möglich, in PCLS eine Vasokonstriktion zu erzeugen und zu quantifizieren. Problematisch ist dabei die Unterscheidung zwischen der A.

pulmonalis, der V. pulmonalis und der A. bronchialis (MARTIN et al., 1996).

2.3.4.6 Relaxation

Nach MARTIN et al. (1996) sind Bronchodilatatoren (z.B. β2-Agonisten) in der Lage, die Kontraktion der glatten Atemwegsmuskulatur nach Metacholin wieder aufzuheben. Präinkubation der Schnitte mit einem Bronchodilatator zeigten keine Änderung des initialen Atemwegsdurchmessers (MARTIN et al., 1996). WOHLSEN et al. (2003) konnte bei etwa 10% der PCLS aus menschlichen Lungen eine Präkontraktion beobachten.

2.3.4.7 Passive Sensibilisierung

WOHLSEN et al. (2001) studierten mit Hilfe der PCLS die allergische Reaktion als Antwort auf ein Allergen in den Atemwegen. Unter passiver Sensibilisierung versteht man die Sensibilisierung von Zellen oder Gewebe gegen ein Allergen, indem man es mit Serum von allergischen Tieren oder Menschen inkubiert. Hierfür wurden die PCLS aus der Rattenlunge 16 Stunden in Serum von mit Ovalbumin sensibilisierten Ratten inkubiert. Durch Zugabe des Ovalbumin zu den vorher inkubierten PCLS konnte eine Kontraktion nur einmal ausgelöst werden. Jede weitere Exposition mit dem Antigen blieb ohne Wirkung. Die Erklärung hierfür könnte eine abgelaufene

Mastzelldegranulation sein, die sich nicht wiederholen lässt. Allerdings gibt es keine direkten Beweise für die Präsenz von Mastzellen in PCLS (WOHLSEN et al., 2003).

Weitere Untersuchungen zeigten, das die PCLS wenigstens zwei Stunden dem Serum ausgesetzt werden mussten, um eine Reaktion auf das Antigen zu erlangen.

Die maximale Reaktion wurde erst nach vier Stunden Inkubation erreicht.

Das Modell der passiven Sensibilisierung wurde von WOHLSEN et al. (2003) auch auf das Modell an der menschlichen Lunge angewandt. Hierfür wurden die PCLS über Nacht mit einem 1% Serum von Menschen inkubiert, die an allergischer Rhinitis leiden. Am nächsten Morgen wurde auf die Schnitte ein Pollenextrakt gegeben, was zur Kontraktion der Atemwege führte.

Bei den Untersuchungen an menschlichem Lungengewebe muss jedoch beachtet werden, dass der größte Anteil des Lungengewebes von Rauchern stammt. Da die Inhalation von Rauch eine entzündliche Reaktion und eine Hyperreagibilität in den Atemwegen hervorrufen kann, ist nicht auszuschließen, dass dies einen Einfluss auf die beobachteten Reaktionen hat (WOHLSEN et al., 2003).

2.3.4.8 Infektionen der PCLS mit Bakterien und Viren

Effekte von bakteriellen und viralen Infektionen können mit Hilfe der PCLS an lebenden Gewebekomplexen untersucht werden (EBSEN et al., 2002). Der Vorteil dieser In-vitro-Methode gegenüber herkömmlichen Zellkuturmodellen ist die erhaltene Gewebeintegrität.

EBSEN et al. (2002) infizierten die PCLS mit Chlamydophila pneumoniae und dem RSV (Respiratorischen Synzytial Virus). Als Vitalitätsnachweis diente der Zilienschlag des Flimmerepithels, der bis zu 96 Stunden unabhängig von einer Infektion erhalten war. Die Schnitte wurden in Abständen auf morphologische Veränderungen und Bakterien- bzw. Viruspräsenz hin untersucht. Lichtmikroskopisch konnten nur geringgradige morphologische Unterschiede zwischen infizierten und nichtinfizierten Schnitten festgestellt werden. Mittels Immunfluoreszens wurden sowohl das Bakterium als auch das Virus nachgewiesen. Elektronenmikroskopisch konnten charakteristische Zellveränderungen beobachtet werden.

Ein Nachteil dieser Methode ist, dass die Dauer der Vitalität von PCLS begrenzt ist, und somit Untersuchungen über einem längeren Zeitraum unmöglich sind.