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2.4 Virulenzeigenschaften der VTEC

2.4.3 Plasmid-codierte Virulenzfaktoren

Die Heterogenität der VTEC spiegelt sich auch in der Variabilität ihrer Plasmid-Profile wieder (PRADEL et al., 2001; FRUTH et al., 2002). Selbst innerhalb eines Serotyps können Gengehalt und -anordnung der Plasmide variieren (BRUNDER et al., 1999).

Bei E. coli O157:H7-Stämmen läßt sich jedoch mit hoher Regelmäßigkeit das 90 kb-große Virulenzplasmid pO157 nachweisen, auf welchem Gene für das EHEC-Hämo-lysin, eine Katalase-Peroxidase, eine Serin-Protease sowie ein Typ II-Sekretions-system identifiziert werden konnten (SCHMIDT et al., 1994a; BURLAND et al., 1998).

Diese Gene sind auch bei anderen E. coli-Serovaren nachweisbar, treten jedoch nicht zwangsläufig in Kombination miteinander auf (BRUNDER et al., 1999; FRUTH et al., 2002). pO157 des Referenzstammes E. coli EDL 933 umfaßt insgesamt 100 ORF (BURLAND et al., 1998).

2.4.3.1 Enterohämolysin

Bei E. coli können verschiedene Hämolysin-Typen nachgewiesen werden. Das best-untersuchte ist wohl das α-Hämolysin, welches mit extraintestinalen E. coli-Infek-tionen assoziiert ist (BHAKDI et al., 1988).

BEUTIN et al. (1988) beschrieben ein neuartiges Hämolysin bei EPEC-Stämmen der Serogruppe O26, das sie Enterohämolysin nannten. Im Unterschied zu α-Hämolysin, welches auf Schafblutagar bereits nach 3-stündiger Inkubation bei 37 °C eine deut-liche, klare Hämolysezone hervorruft, zeichnet sich der enterohämolytische Phänotyp durch schmale, trübe Hämolysezonen aus, welche erst nach Übernachtkultur erkenn-bar werden. Da es regelmäßig bei VTEC unterschiedlicher Serotypen, aber nur sel-ten bei anderen E. coli-Pathovaren nachgewiesen werden kann, wird es auch als EHEC-Hämolysin bezeichnet (SCHMIDT et al., 1995; GYLES et al., 1998).

Anders als α-Hämolysin wird Enterohämolysin nicht in das Nährmedium sezerniert, was auf ein defektes Sekretionssystem zurückzuführen ist (BEUTIN et al. 1988;

SCHMIDT et al., 1995). Beiden Hämolysin-Typen gemeinsam ist die Zugehörigkeit zur Familie der RTX-Proteine, welche durch die namensgebenden tandemartigen Wie-derholungen von Nonapeptiden charakterisiert und bei gramnegativen tier- und humanpathogenen Bakterienstämmen verbreitet sind. Typisch ist weiterhin die Hitze-labilität und Calcium-Abhängigkeit (BAUER und WELCH, 1996). Da Enterohämolysin eine höhere Zielzell-Spezifität aufweist, als dies für Hämolysine üblich ist, schlagen diese Autoren die Bezeichnung “enterohemorrhagic E. coli toxin (Ehx)” anstelle von Enterohämolysin (Ehly) vor; beide Nomenklaturen werden in der Literatur parallel verwendet.

Codiert werden α-Hämolysin und Enterohämolysin jeweils durch ein hlyCABD-Operon, wobei die Aminosäuresequenz-Homologie der A- bzw. C-Proteine 61,2 % bzw. 66,0 % beträgt (SCHMIDT et al., 1995). Manche Isolate beherbergen offensicht-lich “stille” EHEC-Hämolysin-Gene, die mittels genotypischer Methoden nachweisbar sind, jedoch nicht mit einem enterohämolytischen Phänotyp einhergehen, wie SCHMIDT und KARCH (1996) bei zwei von insgesamt 22 hlyEHEC-positiven E. coli O111:H--Isolaten sowie BOCKEMÜHL et al. (1997) bei 15,9 % von insgesamt 148 hlyEHEC-positiven klinischen VTEC-Stämmen unterschiedlicher Serogruppen zeigen konnten.

Bei EPEC O26:H--Stämmen gelang der Nachweis zweier Bakteriophagen-assozi-ierter Enterohämolysine, Ehly1 und Ehly2 (BEUTIN et al., 1990; BEUTIN et al., 1993b;

STROEHER et al., 1993). Später konnte jedoch gezeigt werden, daß diese Proteine keine Hämolysine im eigentlichen Sinne darstellen, sondern mittelbar die Produktion von Zytolysin A steigern, was in einer sichtbaren Zellyse auf Blutagar resultiert (OSCARSSON et al., 2002).

Die klinische Bedeutung von Enterohämolysin ist umstritten. Zwar konnte BÜLTE

(2001) bei 90,0 % der HUS-/HC-Isolate hlyEHEC detektieren, jedoch lag die Nachweis-rate bei Isolaten symptomloser Ausscheider mit 93,4 % in vergleichbarer Höhe. In Untersuchungen von BOCKEMÜHL et al. (1997) zeigten sich HUS- bzw. Enteritis-Isolate zu 95,1 % bzw. 95,3 % hlyEHEC-positiv, während die Nachweisrate für Isolate

symptomloser Ausscheider bei 70,7 % lag. SCHMIDT und KARCH (1996) fanden bei VTEC O111-Stämmen einen signifikanten Unterschied zwischen HUS- und Diarrhöe-Isolaten, die zu 88 % bzw. 22 % einen enterohämolytischen Phänotyp aufwiesen. Die von BOERLIN et al. (1999) durchgeführte Untersuchung ergab keinen statistisch signi-fikanten Zusammenhang zwischen dem Vorkommen des hlyEHEC-Gens und dem Auf-treten von Erkrankungen.

BEUTIN et al. (1989) sprechen Enterohämolysin eine Markerfunktion für die VTEC-Diagnostik zu, da dieser Virulenzfaktor in ihren Untersuchungen zu 89 % mit der Verotoxin-Produktion assoziiert war. BOCKEMÜHL et al. (1997) betonen demgegen-über jedoch die Unabdingbarkeit der Fokussierung auf das Verotoxin(-gen) und lehnen den Einsatz des Enterohämolysin-Agars als alleinige Screeningmethode ab, da in ihren Untersuchungen 24,8 % der Isolate keine Hämolyse zeigten. Ähnlich äußerten sich auch SCHMIDT und KARCH (1996), da 34 % der von ihnen untersuchten klinischen VTEC O111-Isolate keine Enterohämolyse zeigten.

2.4.3.2 Katalase-Peroxidase (KatP)

BRUNDER et al. (1996) identifizierten auf pO157 einen 2208 bp umfassenden ORF, dessen vorhergesagte Aminosäuresequenz große Ähnlichkeit zur Familie der bi-funktionalen Katalase-Peroxidasen aufweist. Um den mutmaßlichen Virulenzfaktor von der chromosomal codierten Katalase-Peroxidase abzugrenzen, wurde er KatP genannt, wobei „P“ den plasmidalen Ursprung verdeutlicht. Durch Schutz vor oxida-tivem Streß könnte das 81,8 kDa umfassende Enzym einen Beitrag zur Virulenz leisten. Aufgrund einer N-terminal gelegenen Signalsequenz wird vermutet, daß KatP durch die zytoplasmatische Membran transportiert wird. Es kann bei einer Vielzahl verschiedener VTEC-Serogruppen nachgewiesen werden (BRUNDER, 1999; FRUTH et al., 2002). GALLIEN et al. (1998) detektierten katP bei 21,2 % der Milch- und 40,0 % der Stuhl-Isolate, jedoch nicht bei Stämmen aus Fleisch oder Fleischerzeugnissen.

2.4.3.3 Serin-Protease (EspP)

Die extrazelluläre Serin-Protease EspP gehört zur Familie der sogenannten Auto-transporter, die bei verschiedenen gramnegativen Pathogenen zu finden sind (BRUNDER et al., 1997). Prototyp dieser auch als Typ IV-Sekretionssystem bekannten Proteine ist die IgA1-Protease von Neisseria gonorrhoe. Die Fähigkeit, ihre Aus-schleusung aus der Bakterienzelle selbst zu vermitteln, war namensgebend für diese Gruppe (JOSE et al., 1995; FINLAY und FALKOW, 1997).

Das 3.900 bp umfassende espP-Gen codiert für ein Vorläufer-Protein, welches während der Sekretion durch N- und C-terminale Prozessierung zur 104 kDa großen EspP-Protease reift. Diese ist in der Lage, Pepsin A sowie den Gerinnungsfaktor V zu spalten. Letzteres könnte in vivo zu einer Verstärkung des hämorrhagischen Krankheitsbildes führen (BRUNDER et al., 1997). BOERLIN et al. (1999) konnten jedoch keinen Zusammenhang zwischen EspP und klinischer Erkrankung feststellen.

DJAFARI et al. (1997) berichteten ebenfalls über ein 104 kDa großes Polypeptid, welches eine starke Ähnlichkeit zu Autotransporter-Proteinen sowie Serinprotease-Aktivität aufwies und PssA genannt wurde. BRUNDER et al. (1999) konnten zeigen, daß sich PssA und EspP in nur einem Aminosäurerest an Position 1113

unter-scheiden. Diese Autoren konnten espP bei einer Vielzahl unterschiedlicher Serotypen nachweisen, insgesamt beherbergten 57 % der untersuchten VTEC-Stämme dieses potentielle Virulenzgen; bei anderen E. coli-Pathovaren war es jedoch nicht nachweisbar. GALLIEN et al. (1998) detektierten espP in 51,5 % der Milch-, 45,3 % der Fleisch-, 33,3 % der Wurst- sowie 50,0 % der Stuhl-VTEC-Isolate.

2.4.3.4 EHEC type II secretion pathway (etp)

Typ II-Sekretionssysteme sind bei gramnegativen Bakterien ebenfalls weit verbreitet.

Die Ausschleusung der Moleküle erfolgt hier in zwei separaten Schritten, zunächst durch die innere, anschließend durch die äußere Bakterienmembran. Als Prototyp gilt das Pullulanase-System von Klebsiella sp. (FINLAY und FALKOW, 1997). SCHMIDT et al. (1997a) entdeckten auf dem pO157-Plasmid 13 ORF, die große Ähnlichkeit zu diesen pul-Genen aufwiesen. In Anlehnung an deren Nomenklatur wurden die neu entdeckten Sequenzen mit etpC bis etpO in alphabetischer Reihenfolge bezeichnet, wobei etp für „EHEC type II secretion pathway“ steht. Die Autoren konnten das etp-Gencluster bei 100 % der untersuchten E. coli O157:H7-Stämme, bei 60 % der EHEC-Stämme anderer Serovare sowie bei 10 % der VTEC-Isolate bovinen Ur-sprungs detektieren. Ebenso wie die anderen pO157-assoziierten Virulenzfaktoren waren sie jedoch nicht bei E. coli-Stämmen anderer Pathovare nachzuweisen.

GALLIEN et al. (1998) fanden etpD in 33,3 % der Milch-, 3,1 % der Fleisch- sowie 62,9 % der Stuhl-VTEC-Isolate.

LATHEM et al. (2002) beschrieben eine Metalloprotease, welche durch das Typ II-Sekretionssystem sezerniert wird. StcE (secreted protease of C1 esterase inhibitor from EHEC) spaltet C1-Esterase-Inhibitor, eine Hauptkomponente der klassischen Komplementkaskade. Die Metalloprotease konnte in aktiver Form in Stuhlproben eines mit E. coli O157:H7 infizierten Patienten nachgewiesen werden. Die Autoren vermuteten, daß durch lokalisierte proinflammatorische Reaktionen und Koagulation Gewebsschädigung, intestinale Ödeme und thrombotische Störungen hervorgerufen werden könnten. Neuere Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, daß StcE sowohl E. coli O157-Zellen, als auch deren Wirtszellen vor Komplement-vermittelter Lyse und inflammatorischer Schädigung schützen könnte (LATHEM et al., 2004).

2.4.3.5 ToxB

Auf pO157 des Referenzstammes EDL 933 konnte ein Gen identifiziert werden, welches starke Ähnlichkeit mit dem ToxB-Gen von Clostridium difficile aufwies (BURLAND et al., 1998). Auch der E. coli O157 „Sakai“-Stamm beherbergt ein solches Gen. Nach den Ergebnissen von TATSUNO et al. (2001) scheint ToxB zur Adhärenz der E. coli O157-Zellen an Epithelzellen beizutragen, indem es die Produktion und/

oder Sekretion von über das Typ III Sekretionssystem sezernierten Proteinen fördert.

Die Aminosäureseqzenz von ToxB zeigt außerdem deutliche Homologien zu efa1/lifA (KLAPPROTH et al., 2000; NICHOLLS et al., 2000).

2.4.3.6 STEC autoagglutination adhesin (Saa)

Saa (STEC autoagglutination adhesin) ist ein 460-534 Aminosäuren umfassendes, Plasmid-codiertes Adhäsin, welches erstmals von PATON et al. (2001) bei einem HUS-Ausbruchsstamm des Serotyps O113:H21 beschrieben wurde. Besondere

Auf-merksamkeit wurde diesem potentiellen Virulenzfaktor aufgrund der Tatsache zuteil, daß dem untersuchten HUS-Isolat die Pathogenitätsinsel LEE fehlte, deren Gen-produkte die Adhäsion der Bakterienzellen an das Darmepithel vermitteln. Über die Adhäsionsmechanismen solcher LEE-negativer EHEC-Isolate war wenig bekannt;

das neu beschriebene Adhäsin stellte somit einen potentiellen Kandidaten zur Diffe-renzierung hochvirulenter von weniger virulenten Stämmen innerhalb der LEE-nega-tiven VTEC dar. Neuere Ergebnisse weisen jedoch nicht darauf hin, daß das Vor-kommen von saa mit schweren Krankheitsverläufen assoziiert ist (JENKINS et al., 2003; FRIEDRICH et al., 2003).

Saa konnte mittlerweile bei einer Vielzahl unterschiedlicher Serotypen nachgewiesen werden. Allen Isolaten gemeinsam ist das Fehlen des LEE; die meisten beherbergen jedoch das ebenfalls Plasmid-codierte Enterohämolysin-Gen (PATON et al., 2001;

FRIEDRICH et al., 2003; JENKINS et al., 2003; ZWEIFEL et al., 2004). Weiterhin ist es häufig mit der Verotoxin-Variante VT 1c assoziiert (FRIEDRICH et al., 2003; ZWEIFEL et al., 2004). Saa-positive Stämme wurden bei HUS- und Diarrhöe-Patienten sowie symptomlosen Ausscheidern, bei Rindern und Schafen sowie in Meeresfrüchten identifiziert (FRIEDRICH et al., 2003;JENKINS et al., 2003; KUMAR et al., 2004; ZWEIFEL

et al., 2004) .

2.4.3.7 Subtilase-Zytotoxin

Kürzlich wurde von PATON et al. (2004) ein neuartiges Zytotoxin mit AB5-Struktur be-schrieben, welches sich keiner bislang bekannten Toxinfamilie zuordnen läßt. Die 35 kD umfassende A-Untereinheit stellt eine Subtilase-ähnliche Serin-Protease dar;

die pentamerartig angeordneten, 13 kD großen B-Untereinheiten binden an GM2-ähnliche Strukturen. SubA- und subB-Gene konnten bei 32 von 68 untersuchten VTEC-Stämmen nachgewiesen werden, u. a. bei einem E. coli O113:H21-Stamm, welcher bei einem HUS-Ausbruch isoliert wurde. Im Tierversuch führte die orale Ver-abreichung von subA- und subB-exprimierenden E. coli K12-Stämmen zu hochgra-digen Gewichtsverlusten. Die intraperitoneale Toxin-Injektion führte bei Mäusen zu mikrovaskulärer Thrombose sowie Nekrosen in Gehirn, Niere und Leber und ver-ursachte den Tod der Tiere. Nach Ansicht der Autoren deuten diese Ergebnisse auf einen möglichen Beitrag des neuartigen Toxins zur Pathogenese humaner Er-krankungen hin.