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Planung und Durchführung des Experiments

6 Das Experiment zur Umsetzung des Puzzle-Modells im Fremdsprachenunterricht

6.3 Planung und Durchführung des Experiments

Das Experiment zur Erprobung des PEIK im Fremdsprachenunterricht fand im ersten Se-mester (WinterseSe-mester) des Studienjahres 2004/2005 statt. Das Programm wurde als Er-gänzung zum geplanten Fremdsprachenunterricht in zwei Gruppen des ersten Studienjah-res von September 2004 bis Februar 2005 eingesetzt. Zur Evaluation der Wirksamkeit von PEIK wurde vor der ersten Sitzung ein Prätest und nach der letzten Sitzung ein Post-test durchgeführt. Prä- und PostPost-tests wurden ebenso in zwei Kontrollgruppen durchge-führt, die innerhalb des oben genannten Zeitrahmens einen traditionellen Fremdsprachen-unterricht erhielten.

Das Experiment wurde mit dem Einverständnis der Leiterin des Lehrstuhls „Fremdspra-chen und Sprachkultur“ Frau Prof. Dr. Pjatschina durchgeführt.

6.3.1 Experimentelle Methode

Zur Überprüfung der im Kapitel 6.1. formulierten Hypothese, dass das Niveau interkultu-reller Kompetenz der Lernenden steigt, wenn im Unterricht gezielt daran gearbeitet wird, den Lernenden kulturspezifische und kulturübergreifende Kenntnisse beizubringen, dabei ihr Bewusstsein für die Besonderheiten einer interkulturellen Situation erweckt wird und sie für diese Besonderheiten sensibilisiert sowie interkulturell bedeutsame Fähigkeiten ent-wickelt werden, wurde zugunsten der experimentellen Methode entschieden.

Bei einem psychologischen oder pädagogischen Experiment geht es darum, die Bedinggen zu variieren, um ihre Wirkung durch Vergleich der Versuchsergebnisse auf die zu

un-55 Der Lernende mit seiner Sprache und seinen Interessen steht im Mittelpunkt des Lernprozesses.

tersuchenden Vorgänge zu prüfen.

Das Experiment zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz wird im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts an einer Hochschule durchgeführt, findet also in einem speziel-len Untersuchungsraum statt. Dabei ist es den Teilnehmern bewusst, dass sie den Bedin-gungen eines experimentellen Programms unterzogen werden. Es muss erwähnt werden, dass unterschiedliche Einflussfaktoren nicht ausgeschlossen werden können, z.B. dass Teil-nehmer, die seit ihrer Kindheit emotionale Eigenschaften wie Empathie oder Offenheit gut entwickelt haben, bessere Möglichkeiten haben, diese Eigenschaften auf die „neuen“ inter-kulturellen Bedingungen zu übertragen und zugleich bessere Chancen, gerade in der Varia-ble Sensibilität ihre Ergebnisse zu verbessern. Der Deutschunterricht findet zwei- bis drei-mal mit einer Doppelstunde statt, außerhalb dieser Zeit studieren die Teilnehmer andere Fächer und leisten gleichzeitig einen Militärdienst. Das bedeutet, dass sie unter dem Ein-fluss zahlreicher anderer Faktoren stehen, die sich sowohl fördernd als auch störend auf das Ergebnis auswirken können.

Es ist in der Forschungspraxis kaum möglich, die Einflüsse aller Störfaktoren zu kontrol-lieren. So waren bei diesem Experiment die Versuchsgruppen bereits bestehende Studen-tengruppen, d.h. die Gruppenzuteilung der Versuchspersonen erfolgte nicht nach bestimm-ten Kriterien. Aufgrund dieser Tatsachen ist festzustellen, dass es sich hier, bezogen auf die Kontrolle der Störvariablen, um ein Quasi-Experiment handelt.

6.3.2 Zielgruppendarstellungen

Das Experiment wurde in zwei Gruppen der Juristischen Fakultät des Ost-Sibirischen Insti-tut des MdI durchgeführt.

Die Kursanten der Gruppe 214156 sind für die Fachrichtung 023100 „Rechtsschutztätigkeit:

Qualifikation – Jurist“ (höhere Berufsausbildung) immatrikuliert. Die durchschnittliche Gruppe in dem oben genannten Institut besteht aus etwa 30 Kursanten, die im Fremdspra-chenunterricht in zwei kleinere Gruppen aufgeteilt wird. EG1 wurde vom Anfang des Stu-dienjahres an aufgeteilt, und zwar erlernte eine Gruppe die englische Sprache, die zweite Deutsch. Für die Aufteilung der Kursanten waren zwei Gründe maßgeblich: welche Spra-che sie in der Schule erlernt hatten und ihr eigenen Wunsch. Im Weiteren folgt die Be-schreibung der Gruppe, die den Unterricht in der deutschen Sprache erhielt und

diesbezüg-56 Im weiteren Textverlauf wird die Gruppe 2141 Experimentelle Gruppe 1 (EG1) genannt.

lich am Experiment teilnahm. Sie bestand aus 14 Kursanten, darunter 12 Männer und zwei Frauen. Die geringere Zahl der weiblichen Teilnehmer ist bei diesem Beruf in Russland nicht außergewöhnlich, so bilden nach den Beobachtungen der Autorin Teilnehmerinnen etwa 15-20% aller Unterrichtsgruppen. In der Gruppe befanden sich 17- bis 21-Jährige, die meisten hatten im Juni 2004 ihr Abitur gemacht und nach den Aufnahmeprüfungen direkt mit dem Studium angefangen. 12 Teilnehmer hatten als Pflichtfach in der Schule Deutsch, zwei Französisch, d.h. im ersten Semester waren zwei Teilnehmer der Gruppe Anfänger.

Nach den Fähigkeiten und den Leistungen der Teilnehmer kann EG1 nicht als homogen eingeschätzt werden: neben den Anfängern gab es Teilnehmer, die sich schon am Anfang des Semesters relativ frei zu einfachen Themen wie „Das bin ich“ oder „Familie“ äußern konnten. Diese Unterschiede können durch folgende Tatsachen erklären werden. Zum einen sind Fähigkeiten und die Motivation zum Fremdsprachenlernen bei den Teilnehmern unterschiedlich. Das spiegelt sich in der Note, die sie im Schulzeugnis nach Abschluss der Schule haben. Zum anderen spielt der Status der Schule nach Meinung der Verfasserin eine große Rolle. Die Abiturienten aus städtischen Gymnasien haben bessere Deutschkenntnisse als diejenigen, die ihre Ausbildung in kleineren Schulen aus abgelegenen Dörfern beka-men. Zum Ende des Semesters haben sich die Unterschiede etwas ausgeglichen, Homoge-nität wurde aber kaum erreicht. Um die Leistungen der Teilnehmer innerhalb des Semes-ters einzuschätzen, wurde eine Kontrollarbeit mit dem grammatischen und lexikalischen Stoff der erlernten Themen durchgeführt, die Durchschnittsnote der Gruppe betrug 3,9.57 Die Gruppe 212158 nahm auch an dem Experiment teil. Ihre Kursanten gehören zu der Fachrichtung 0203 „Rechtsschutztätigkeit“ (mittlere Berufsausbildung). Die Aufteilung der Gruppe fand wie bei EG1 statt, die „deutsche“ Gruppe bestand aus 16 Teilnehmern, darun-ter 15 Männern und einer Frau. Alle Teilnehmer dieser Gruppe hatten Deutsch in der Schu-le geSchu-lernt, und obwohl das Sprachniveau der Kursanten relativ homogen war, waren die Lernleistungen dieser Gruppe schwächer als die der EG1. Dabei spielte der zweite oben genannte Grund nach Meinung der Verfasserin gerade in diesem Fall eine entscheidende Rolle: die meisten Kursanten kamen aus entfernten Dörfern, wo der Sprachunterricht in den kleineren Schulen nicht die gleichen Möglichkeiten und nicht die gleiche Bedeutung hat wie in den städtischen Schulen. Das hat sich auch auf die Ergebnisse der

Semesterkon-57 In Russland ist folgendes Benotungssystem in Schulen, Fach-, Hochschulen und Universitäten üblich: Die besten Leistungen werden mit der Note „5“ bewertet, was „sehr gut“ entspricht. Weiter folgen: „4“- „gut“,

„3“- „genügend“, „2“ - „mangelhaft“. Die Note „1“ bedeutet „nicht ausreichend “, wird aber in der Unterrichtsrealität kaum gebraucht.

58 Im weiteren Textverlauf wird die Gruppe 2121 Experimentelle Gruppe 2 (EG2) genannt.

trollarbeit ausgewirkt: EG2 hat mit der Durchschnittsnote 3,7 schlechter abgeschnitten als EG1. Die Teilnehmer sind zwischen 17 und 22 Jahre alt, die meisten machten vor Kurzem ihr Abitur. Es waren aber auch zwei ältere Kursanten dabei (21,22 Jahre alt), die schon ih-ren Armeedienst hinter sich hatten59. Einer davon hatte die Funktionen eines Gruppenkom-mandeurs60. Die Kursanten wurden zu diesem Posten vom militärischen Leiter des ersten Studienjahres ernannt. Als eine Besonderheit dieser Gruppe ist auch ihre nationale Ge-mischtheit zu nennen. Von 16 Teilnehmern sind fünf burjatischer Herkunft. Das hatte meh-rere Konsequenzen: Bedeutsam sind z.B. andere kulturelle Einstellungen, aber auch, dass die Unterrichtssprache Russisch für einige burjatische Kursanten eine Zweitsprache war.

6.3.3 Ablauf des Experiments

Das Experiment wurde im Verlaufe von 28 Sitzungen durchgeführt, die folgende Inhalte hatten:

Prätest

Einführung: Erklärung des Ziels der Programm, Definition der Begriffe „Interkultu-relle Kompetenz“ und „Kultur“ sowie des Eisbergmodells der Kultur

Fall: „Deutsch-brasilianisches Gespräch in der Firma“. Kulturassimilator-Methode Fall: „Private“ Kulturassimilatormethode

Referat: Kulturtheorien von Holl, Hofstede Fall: „Polizei“. Methode des offenen Falls

Fall: „Ein russischer Gast“. Methode des offenen Falls“

Fallbeispiel aus den interkulturellen Erfahrungen des Lernenden. Methode: Analyse des kritischen Ereignisses

Fallbeispiel aus den interkulturellen Erfahrungen des Lernenden

Analyse des ausgewählten Fallbeispiels aus der interkulturellen Erfahrung eines Lernenden. Methode des offenen Falls

Checkliste zur Erfassung der kulturellen Identität Satzergänzungsübung zur kulturellen Selbstbefragung Fragebogen zur Erhebung von Kulturkontrasterfahrungen Kulturelle Simulation

Durchführung des Fragebogens „Deutschland und Deutsche“

59 Jeder männliche Bürger zwischen 18 und 27 ist in Russland verpflichtet, einen zweijährigen Pflichtdienst in der russischen Armee abzuleisten. Es gibt keine Alternative zum Militärdienst. Nur aufgrund gesundheitlicher Faktoren kann ein Mann von diesem Dienst befreit werden. Ausnahmen stellen aber auch die Kursanten solcher Militäreinrichtungen wie das Ost-Sibirische Institut des MdI dar, wo die Kursanten gleichzeitig mit dem Studium ihren Militärdiest leisten. Immatrikulationswillige, die einen Armeedienst schon hinter sich haben, werden bei dem Auswahlverfahren bevorzugt.

60 Da es hier um eine Militäreinrichtung handelt, sind die Gruppen wie kleine militärische Einheiten gestaltet. D.h. ein Kursant ist von der Kursleitung als Gruppenkommandeur ernannt, die anderen Kursanten sind ihm unterordnet.

Einführung ins Thema „Nationale Stereotype“. Diskussionsrunde „Deutschland und Deutsche“

Arbeit am Thema „Andere Länder in unseren Köpfen“

Unterrichtseinheit „Typisch Russisch?“

Ein studentischer Vortrag zum Thema „Einheit der Verschiedenen“ über die Volks-gruppen, Dialekte und Ausländer in Deutschland. Meinungsaustausch

Spielstunde „Konferenz der Tiere“

Interkulturelle Sprachübungen „Spaghetti für zwei“ (Teil 1) Interkulturelle Sprachübungen „Spaghetti für zwei“ (Teil 2) Spielstunde „ Dill Dominoso“

Unterrichtseinheit „Kulturelle Regeln und Tabus in Minidialogen“

Unterrichtsstunde „Körpersprache“

Vergleichsanalyse eines Märchens „Der Wolf und die sieben Geißlein“

Phraseologische Redewendungen. Vergleichsanalyse Diskussion „Mein Deutschland“

Arbeit an den Münchener Thesen zum interkulturellen Lernen Posttest