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2.2 Biogene Amine

2.2.7 Physiologische Effekte der Amine

2.2.7.1 Exogene Aminzufuhr und Amine aus de novo Synthese

Alle Organe eines Organismus benötigen Polyamine für das Wachstum, die Erneuerung von Zellen und ihren Stoffwechsel. Lange Zeit wurde angenommen, dass Zellen ihren Polyaminbedarf durch die Eigensynthese abdecken. Die Konzentrationen von Polyaminen in Körperflüssigkeiten befinden sich im Bereich von pmol/ml und sind somit sehr gering. Nur die Samenflüssigkeit ist reich an Polyaminen. Heute ist bekannt, dass Polyamine exogener Herkunft somit von großer Bedeutung für den Organismus sind (BARDOCZ 1993).

Je nach Herkunft werden Polyamine exogenen Ursprungs und aus de novo Synthese unterschieden. Exogene Quellen stellen die Nahrung, das Blut, exokrines Pankreassekret (BUTS et al.1995; OSBORNE u.SEIDEL 1990) und die Mikroorganismen des Darmtraktes dar (BLACHIER 1991). Außerdem können bei der Lyse abgeschilferter Enterozyten Polyamine freigesetzt werden (MCCORMACK u.JOHNSON 1991). Folglich kann der Polyaminpool in der Darmzelle einerseits durch exogene Polyamine aus dem Darmlumen (apikal) und andererseits über die basolaterale Membran aus dem zirkulierenden Blut (basolateral) aufgefüllt werden (BARDOCZ 1993). Für die Homöostasis des Polyaminhaushaltes muss der Organismus seinen Polyaminbedarf durch Absorption aus dem Darmlumen decken (BARDOCZ 1993).

Nach M´RABET et al.(1995) stellen exogene Polyamine bei Ferkeln die Hauptquelle für den intrazellulären Polyaminpool von Enterozyten dar. Ihren Untersuchungen zufolge unterliegt die Aufnahme von Polyaminen in die Darmzelle (apikal und basolateral) folgender Hierarchie: Es dominiert die Resorption von Spermin, es folgt Spermidin und an letzter Stelle steht die Putrescinaufnahme. Dies entspricht auch dem Muster der intrazellulären Polyaminkonzentrationen dieser Amine.

Positiv geladene Metallionen wie Mg2+ oder Ca2+ können die Wirkung von Polyaminen in nicht-spezifischen Reaktionen ersetzen. Andere Funktionen sind für die Polyamine spezifisch und können durch andere Polykationen nicht hervorgerufen werden. Deshalb sind Polyamine für das Wachstum und die Proliferation von Zellen essentiell (BARDOCZ 1993).

2.2.7.2 Polyamine und ihre Effekte am Darm

Die Wirkung von Polyaminen am Intestinaltrakt wurde sowohl an säugenden als auch bei abgesetzten Tieren untersucht. Bei Neonaten spielen Polyamine eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Intestinaltraktes. In der Literatur existieren mehrere Studien über die Effekte einer exogenen Polyaminzufuhr, diese Untersuchungen wurden größtenteils in vivo an Ratten oder in vitro durchgeführt.

Untersuchungen in vivo:

Die Polyaminsynthese ist essentiell für den Zellturnover der intestinalen Mukosa. Wird die Aktivität der ODC durch DFMO gehemmt, sinkt der DNA-, RNA- und Proteingehalt in der Mukosa des Jejunums und Ileums von Ratten stark ab. Exogenes Spermin und Spermidin können dies jedoch verhindern, indem sie intrazellulär gebildete Amine ersetzen (WANG et al.

1991).

DUFOUR et al. (1988) befaßten sich mit der Wirkung einer Spermin- bzw.

Spermidinapplikation bei 15 Tage alten Ratten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Aktivität der Bürstensaummembranenzyme Maltase und Saccharase in beiden Fällen anstieg, während die Laktaseaktivität abnahm. Auch die Morphologie des Intestinums deutete auf einen

Unreife noch supranucleäre Vakuolen auf, die im Falle der polyaminbehandelten Tiere nicht mehr vorhanden waren. Vergleichbare Ergebnisse stammen von WILD et al. (1993), die in ihren Untersuchungen über eine Sperminverabreichung an junge Ratten ebenfalls eine Veränderung der intestinalen Enzymaktivitäten nachweisen konnten, die mehr dem Enzymmuster adulter Tiere entsprachen.

Ähnliche Beobachtungen wurden von KAOUASS et al. (1996) mitgeteilt. Eine orale Sperminapplikation bei säugenden Rattenjungtieren führte zur Veränderung morphologischer und biochemischer Parameter im Dünndarm. An der Villusspitze trat vermehrt eine Zellabschilferung auf, während der intestinale DNA- und Proteingehalt sank. Dies führte dazu, dass der DNA- und Proteingehalt sowie die Disaccharidaseaktivität im Chymus erhöht waren. Nur wenige Stunden nach der Sperminapplikation kam es zu einer Verminderung der Laktaseaktivität im Jejunum und Ileum, während die Aktivität der Enzyme Maltase und Saccharase anstieg.

Auch BUTS et al. (1993) analysierten die Wirkung von oral zugeführtem Spermin auf die Entwicklung des Dünndarmes bei 2 Wochen alten, säugenden Ratten. Spermin in einer Dosis

>1 µmol/d bedingte einen Anstieg der Maltase, Saccharase und einer Aminopeptidase in den Enterozyten, während eine frühzeitige Abnahme der Laktaseaktivität zu beobachten war.

Über eine dosisabhängige Korrelation zwischen einer Spermingabe und der intestinalen Disaccharidaseaktivität berichten auch HARADA et al. (1994). Bei Rattenjungtieren trat eine Verminderung der Laktaseaktivität bei gleichzeitigem Anstieg der Maltaseaktivität auf. Auch die Absorption von exogen zugesetztem bovinen IgG war bei den sperminbehandelten Tieren vermindert, was für eine frühzeitige Ausbildung der Barrierefunktion des Darmes spricht.

Weitere Ergebnisse von CAPANO et al. (1994) belegen, dass an Ratten verabreichtes Spermidin die Aktivität des Enzyms Saccharase erhöht und zu morphologischen Veränderungen im distalen Dünndarm, wie z.B. das Verschwinden supranukleärer Vakuolen, führt.

DORHOUT et al. (1997) befaßten sich mit der Verteilung von oral zugeführten, radioaktiv markierten Polyaminen im Organismus. Die Ergebnisse zeigen, dass Polyamine nicht nur im

Darm, sondern auch in sämtlichen untersuchten Organen (Herz, Leber, Milz, Gehirn) nachzuweisen waren. SEIDEL et al. (1985) infundierten Putrescin in das Lumen des Ileums von Ratten, wodurch in diesem Darmabschnitt lokal begrenztes verstärktes Mukosawachstum auftrat. Die Autoren stellten jedoch keine Veränderung im Polyamingehalt der proliferierten Mukosa fest und werteten dieses als ein Indiz für die empfindliche Regulation der Polyaminkonzentration innerhalb der Zelle.

In einem Versuchsansatz mit Ratten erfassten NOACK et al. (1996) die Auswirkungen einer polyaminarmen und einer polyaminreichen Diät auf den endogenen Polyamingehalt und die mikrobielle Polyaminsynthese im Intestinaltrakt. Demnach ist Putrescin das am stärksten endogen gebildete Polyamin des Colongewebes, unabhängig von dem Polyamingehalt der Nahrung. Bei Ratten, die über einen keimfreien Intestinaltrakt verfügten, war Putrescin das vorherrschende Polyamin in den Faeces. Unabhängig vom Polyamingehalt der Nahrung wurden hohe Spermidinkonzentrationen im Darminhalt konventioneller Ratten nachgewiesen.

Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hierbei hauptsächlich um mikrobiell gebildetes Spermidin handelt.

Untersuchungen über die Wirkung von Streß bei Ratten zeigten, dass aufgrund einer Streßbelastung Schädigungen der intestinalen Mukosa auftreten und ein Anstieg der ODC zu verzeichnen ist (WANG u. JOHNSON 1989). Wird die endogene Polyaminsynthese durch DFMO gehemmt, fördert exogenes Spermin und Spermidin die Heilung solcher Mikroulzerationen mehr als Putrescin (WANG u. JOHNSON 1992). Auch hier wird deutlich, dass exogene Polyamine die endogen gebildeten Polyamine ersetzen können.

Der Einfluß von Polyaminen aus der Nahrung bzw. mikrobiellen oder intrazellulären Ursprungs auf intestinale Funktionen wurde ebenfalls eingehend von DELOYER et al. (1996) untersucht. Die Autoren testeten sowohl den Einfluß einer Polyaminrestriktion in der Nahrung als auch die Wirkung verschiedener Inhibitoren der Polyaminsynthese. Die Ergebnisse zeigten, dass der Entzug mikrobieller Polyamine bzw. von Polyaminen aus der Nahrung nur in Verbindung mit dem Einsatz von Syntheseinhibitoren zu deutlichen Veränderungen intestinaler Funktionen führt.OSBORNE undSEIDEL (1990) gelang es, anhand

Luminales Putrescin gelangte aus dem Colon über die Blutbahn in die Leber sowie in die Bauchspeicheldrüse und wurde von dort mit der Galle und dem Pankreassekret wieder in das Duodenum sezerniert. Dies lässt vermuten, dass die im proximalen Dünndarm nachweisbaren Polyamine hauptsächlich von der Mikroflora des Dickdarmes gebildet wurden und über den enterohepatischen Kreislauf die proximalen Darmabschnitte erreichten. Die geringe Aktivität der ODC in den proximalen Dünndarmabschnitten unterstützt diese Vermutung.

Untersuchungen in vitro:

Der Einfluß von exogen zugeführtem Putrescin auf Darmepithelzellkulturen wurde von GINTY et al.(1989) untersucht. Die Autoren stellten fest, dass Putrescin die DNA-, RNA- und Proteinsynthese in der Zellkultur steigert.

Der Polyamingehalt isolierter Enterozyten neugeborener Ferkel wurde von BLACHIER et al.

(1992) erfaßt. Spermin war hierbei das vorherrschende Amin. Die Aktivität der ODC lag zum Zeitpunkt der Geburt deutlich höher als am Tag 2 post natum. Entgegen den Erwartungen wurde bei Ferkeln trotz der in dieser Phase typisch hohen Wachstumsrate der Mukosa keine gesteigerte ODC-Aktivität festgestellt. Die Vermutung, dass die ODC-Enzymaktivität aufgrund eines vermehrten Angebotes an exogenen Polyaminen durch die Aufnahme der Sauenmilch mit Beginn des Säugens absinkt, hat sich durch Untersuchungen an Tieren, denen nach der Geburt keine Nahrung angeboten wurde, nicht bestätigt. Trotzdem scheint die Hauptfraktion der Polyamine in den Enterozyten externen Ursprungs zu sein und wird nicht durch de novo Synthese gebildet.

JOHNSON et al. (1995) konnten nachweisen, dass die Hemmung der intestinalen Polyaminsynthese durch DFMO die maximale Transportrate von D-Glucose in Enterozyten von Kaninchen vermindert. Die gleichzeitige orale Verabreichung von Putrescin, Spermidin oder Spermin hemmt diesen Effekt und unterstützt somit die Vermutung, dass exogene Polyamine solche aus einer de novo Synthese in der Zelle ersetzen können.