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2.2 Opioide

2.2.1 Pharmakodynamik

2.2.1.1 Nebenwirkungen

Opioide mit stärkerer analgetischen Wirkung zeichnen sich auch gleichzeitig durch stärkere Nebenwirkungen aus.

2.2.1.1.1 Atemdepression

Opioide vermitteln eine dosisabhängige Atemdepression über den Rezeptor. µ-Rezeptoren können in die Subtypen µ1 und µ2 unterschieden werden, wobei die atemdepressive Wirkung µ2 zuzuschreiben ist, wie es bei Ratten nachgewiesen wurde (PASTERNAK 1986). Opioide nehmen hierbei direkt Einfluss auf das Atemzentrum. Die CO2 Antwortkurve, die als Antwort auf einen erhöhten Kohlenstoffdioxidpartialdruck (pCO2), die Erhöhung des Atemminutenvolumen vorsieht, wird hierbei nach rechts verschoben, sodass der Atemantrieb vermindert ist und der pCO2 über den Referenzbereich ansteigt (BOURKE u. WARLEY 1989).

Aufgrund der Dosisabhängigkeit und ohne co-administrative Gabe von anderen atemdepressiv wirkenden Arzneimitteln bedarf dies in klinisch analgetischen Dosen meist keiner Intervention (KUKANICH u. WIESE 2015).

2.2.1.1.2 Sedative Eigenschaften

Opioide weisen zwischen den Tierarten gravierende Unterschiede in ihrer zentralen Wirkung auf. Während Pferde mit Ruhelosigkeit, Bewegungsdrang und zentralen Erregungserscheinungen reagieren und auch Katzen dosisabhängig früher zur zentralen Erregung neigen, führen µ-Agonisten beim Hund in der Regel zu zentraler Dämpfung und Sedation (MONTEIRO et al. 2008; MAIANTE et al. 2009;

TUNSMEYER et al. 2012; MENEGHETI et al. 2014). Erst bei sehr hohen, supratherapeutischen Dosen kann es zu Erregungserscheinungen bis hin zu Krämpfen kommen. In einer Dosis von 180-200 mg/kg Morphin i.v. wurden Grand Mal Anfälle ausgelöst, während bei einer Dosis von 20 mg/kg Morphin s.c.

Erregungserscheinungen und EEG-Veränderungen sichtbar waren (WIKLER u.

ALTSCHUL 1950).

2.2.1.1.3 Effekte auf die Thermoregulation

Durch Gabe von µ-Agonisten wird das Thermoregulationszentrum beeinflusst.

Hierbei wird vermutet, dass es zu einer „Sollwertverschiebung“ kommt, die eigentlich vorherrschende Normothermie als Hyperthermie wahrgenommen wird (PAPICH 2000). Indiz hierfür ist das häufig zu beobachtende Hecheln; eine physiologische Reaktion zum Temperaturausgleich des Hundes, das häufig nach Opioidgabe auftritt und zum Absinken der Körperkerntemperatur führt (PASCOE 2000; MONTEIRO et al. 2008; MAIANTE et al. 2009; GAROFALO et al. 2012; TUNSMEYER et al. 2012;

MENEGHETI et al. 2014). Weiterhin führt die sedierende Wirkung der Opioide beim Hund auch zu einer Senkung der metabolischen Grundrate. Hieraus resultiert eine verminderte Wärmeproduktion, eine weitere Ursache einer Hypothermie (ADLER et al. 1988).

2.2.1.1.4 Kardiovaskuläre Effekte

Opioide weisen in klinisch relevanten Dosen wenige direkte kardiovaskuläre Effekte auf. Durch vermehrte Aktivierung von A-Fasern des Vagus und zentrale Stimulation von Opioidrezeptoren in den Vaguskernen kann es durch µ-Agonisten zu Bradykardien kommen, die dosisabhängig auftreten und meist nicht therapiewürdig sind und ansonsten mit Anticholinergika zu behandeln sind (INOUE et al. 1980;

STANLEY et al. 1980; COPLAND et al. 1992; KUKANICH u. WIESE 2015). Weiterhin kann es zu einem geringgradigen Anstieg oder Abfall des arteriellen Blutdrucks kommen. Methadon führte zum Beispiel bei wachen Hunden in einer Dosierung von 1 mg/kg zu einer Erhöhung des mittleren arteriellen Blutdrucks (HELLEBREKERS et al. 1989). Ursächlich könnte hierfür eine Erhöhung der Vasopressinkonzentration im Blut gewesen sein. Zum einen führt Vasopressin, das auch als Antidiuretisches Hormon (ADH) bezeichnet wird, zur Rückresorption von Wasser aus dem Primärharn und somit zu einem größeren Blutvolumen, zum anderen wirkt es über V1-Rezeptoren vasokonstriktorisch (HELLEBREKERS et al. 1989; HOLMES et al. 2003).

Ein Abfall des Blutdrucks kann Folge der Bradykardie und somit des verringerten Herzminutenvolumens sein oder aber bei Morphin Folge der mit der Applikation verbundenen Histaminfreisetzung sein (EVANS et al. 1952).

2.2.1.1.5 Auswirkungen auf die Diurese

Der Anstieg der Vasopressinkonzentration wird auch als Ursache für eine verminderte Harnproduktion diskutiert, die unter Gabe von Morphin (1 mg/kg i.m.) beim Hund, festzustellen ist (ROBERTSON et al. 2001). Bei κ-Agonisten, bzw.

gemischten Agonisten/Antagonisten liegt im Gegensatz dazu eine erhöhte Diurese durch Hemmung des Antidiuretischen Hormons vor, wie es für Ratten nachgewiesen wurde (CRAFT et al. 2000). Ferner führt Methadon beim Hund in einer Dosierung von 0,03 mg/kg intrathekal zu einer Erhöhung des Blasensphinktertonus und zur Hemmung der Miktion. Bei intravenöser Gabe ist dies nicht zu verzeichnen (DRENGER et al. 1986).

2.2.1.1.6 Antitussive Effekte

Weiterhin haben Opioide einen antitussiven Effekt. Dieser entsteht durch direkte Hemmung des Hustenzentrums und ist unabhängig von der atemdepressiven Wirkung (CHOU u. WANG 1975). Sowohl µ- als auch κ-Agonisten weisen diesen Effekt auf (TAKAHAMA u. SHIRASAKI 2007). Methadon hat ebenfalls einen antitussiven Effekt bei Hunden (ROSIERE et al. 1956).

2.2.1.1.7 Gastrointestinale Effekte 2.2.1.1.7.1 Vomitus und Nausea

Die emetischen oder antiemetischen Wirkungen von Opioiden sind abhängig davon, ob sie zuerst an Dopaminrezeptoren der Chemorezeptortriggerzone, die außerhalb der Bluthirnschranke liegt, stimulieren oder aber zentral am Brechzentrum, das innerhalb der Bluthirnschranke liegt und an dem sie inhibierend wirken. Verbunden mit der emetischen Wirkung kann es durch Stimulation der Chemorezeptortriggerzone zu Nausea kommen (MITCHELSON 1992). Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen hat die Lipophilie der Opioide einen Einfluss auf die Penetration der Bluthirnschranke. Somit führt Morphin (0,5 mg/kg

i.m.) beim Hund beispielsweise häufiger zu Erbrechen als Hydromorphon (0,1 mg/kg i.m.) oder Oxymorphon (0,075 mg/kg i.m.), da die letztgenannten eine höhere Lipophilie besitzen (VALVERDE et al. 2004). Gleichzeitig scheint aber auch die Dosis einen Einfluss zu haben. In einer Studie von BLANCQUART et al. (1986) wurde festgestellt, dass Morphin in einer Dosis von 0,3 mg/kg i.v. beim Hund emetisch wirkte, während es in höheren Dosen von 1 und 2 mg/kg i.v. eher antiemetisch unter Coadministration des potenten Emetikums Apomorphin wirkte. Methadon zeigte in derselben Studie keinerlei emetischen Effekt und in höherer Dosierung von 1 mg/kg i.v. ebenfalls einen antiemetischen Effekt. Weiterhin hat auch die Administrationsroute Einfluss auf die emetischen bzw. antiemetischen Effekte.

Subkutan verabreichtes Hydromorphon in einer Dosis von 0,1 mg/kg führte bei 5 von 6 Katzen zu Vomitus (ROBERTSON et al. 2009), wohingegen es in einer anderen Studie, mit der sich die letztgenannte Studie vergleicht, nach intravenöser Gabe von Hydromorphon in verschiedenen Dosierungen nicht zu Vomitus kam (WEGNER u.

ROBERTSON 2007). Auch hier scheint ein höherer Konzentrationsgradient nach intravenöser Gabe die Penetration der Bluthirnschranke zu erleichtern, sodass die inhibitorische Wirkung am Brechzentrum überwiegt.

2.2.1.1.7.2 Motilität, Sekretion, Sphinktertonus

Darüber hinaus weisen Opioide noch weitere gastrointestinale Wirkungen auf. µ-Rezeptoren befinden sich im Plexus submucosus, im Plexus myentericus und den longitudinalen Muskeln des Ileums (NISHIMURA et al. 1986). Durch Stimulation dieser Rezeptoren kommt es zu einer langsameren Magenentleerung, verringerter Sekretion und gesteigertem Flüssigkeitsentzug, die zur Eindickung der Ingesta führen sowie zu reduzierter propulsiver Peristaltik entlang des Magens und des Dünndarms und zu einem erhöhten Pylorussphinktertonus (DEHAVEN-HUDKINS et al. 2008). Durch diese Mechanismen ist das häufigste klinische, gastrointestinale Zeichen die Konstipation. Dieser Effekt wird teilweise auch zur Behandlung von Diarrhoe genutzt (NIEMEGEERS et al. 1981). Trotzdem kann auch vor allem zu Therapiebeginn eine gesteigerte Rhythmik, sowie vermehrte segmentale, nicht-propulsive Peristaltik vorkommen. Morphin bedingt beispielsweise initial eine gesteigerte Dickdarmperistaltik mit vermehrter Defäkation (LUCAS et al. 2001;

DEHAVEN-HUDKINS et al. 2008)

2.2.1.1.8 Toleranz und Abhängigkeit

Opioide sind in der Lage, wie beim Menschen, auch bei Tieren Toleranz- und Abhängigkeitssymptome auszulösen. Jedoch erfolgt die Medikation selten über einen ausreichend langen Zeitraum, um klinische Symptome sichtbar zu machen. Sollte eine Toleranzentwicklung vorliegen, werden höhere Dosen des gleichen Opioids benötigt oder die Umstellung auf ein anderes Opioid ist von Nöten. Bei Gabe eines Opioids über 5-7 Tagen könnte es zu einer Abhängigkeitsentwicklung beim Hund kommen (KUKANICH u. PAPICH 2009). In einer Versuchsreihe, bei der Hunden eine Dauertropfinfusion Morphin mit konstanter Rate in einer Dosis von 1-5 mg/kg/Tag Morphin verabreicht wurde, konnten physische Entzugserscheinungen, nach Gabe von 1 mg/kg Naloxon s.c. an Tag 8, festgestellt werden. Die Entzugserscheinungen stellten sich wie folgt dar: Hyperaktivität, Beißen, Graben, Tremor, Nausea, Hyperthermie und vermehrte Wachheit. Außerdem waren veränderte EEG-Aktivitäten sowie eine erhöhte Herzfrequenz und ein erhöhter Blutdruck zu verzeichnen (YOSHIMURA et al. 1993). Genauso kann ein abrupter Abbruch der Medikation nach längerer Opioidgabe zu Entzugserscheinungen führen. Daher sollten Opioide nach Medikation länger als 5-7 Tage immer über eine langsame Dosisreduzierung ausgeschlichen werden.