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2.2 Opioide

2.2.2 Methadon

2.2.2.1 Analgetische Wirkung

Methadon ist ein vollsynthetisches, 50:50 razemisches Opioid (Levo- und Dextromethadon). Es weist verschiedene Wirkmechanismen auf, über die es analgetisch und schmerzmodulierend wirkt. Zum einen besitzt es eine volle agonistische Wirkung am -Rezeptor und schwache Wirkung an den δ- und κ-Rezeptoren, die weitestgehend Levomethadon zuzuschreiben sind (KRISTENSEN et al. 1995). Zum anderen zeigen beide Enantiomere eine antagonistische Wirkung an der nicht kompetitiven Seite des N-Methyl-D-Aspartat- (NMDA) Rezeptors und unterscheiden sich daher von anderen Opioiden wie Morphin, Hydromorphon oder Naltrexon (GORMAN et al. 1997). Weiterhin wirkt Methadon hemmend auf die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin, wobei Levomethadon potenter die Wiederaufnahme hemmt (CODD et al. 1995). Außerdem sind beide Enantiomere,

sowie deren Metaboliten nikotinerge Acetylcholinrezeptorantagonisten (XIAO et al.

2001). In einer Studie bei Ratten konnte für Nikotin nachgewiesen werden, dass es in verschiedenen Hirnregionen analgetisch oder aber hyperalgetisch wirkte. In Hirnregionen, die zwischen Regionen, in denen Nikotin analgetisch wirkt, und Regionen, in denen Nikotin hyperalgetisch wirkt, liegen, konnte hingegen ein biphasischer, erst hyperalgetischer dann analgetischer Effekt beobachtet werden. In derselben Studie konnte ein analgetischer Effekt des nikotinergen Acetylcholinrezeptorantagonisten Mecamylamin nachgewiesen werden, wenn dieser in Hirnregionen injiziert wurde, die hyperalgetisch auf Nikotin reagieren, oder intraperitoneal verabreicht wurde. Die Autoren vermuten hier die Antagonisierung tonisch und hyperalgetisch wirksamer, endogener, nikotinerger Liganden (HAMANN u. MARTIN 1992). Aufgrund des Zusammenspiels dieser verschiedenen analgetischen und schmerzmodulierenden Wirkmechanismen ist Methadon von besonderem Interesse in der Therapie bzw. für die Prävention von chronischen, neuropathischen Schmerzen (FOLEY 2003).

2.2.2.2 Anwendungsgebiete und Darreichungsformen

Methadon wird in Deutschland bereits seit Jahrzehnten zur perioperativen Analgesie genutzt, wobei seit langer Zeit in der Veterinärmedizin ein Präparat in fixer Kombination mit 2,5 mg/ml Levomethadon und 0,125 mg/ml Fenpipramid, einem Parasymphatolytikum, zum Einsatz kommt, das für Hunde und Pferde zugelassen ist (Polamivet®). Weiterhin befindet sich ein razemisches Methadonpräparat im Handel (Comfortan® 10 mg/ml), das für Hunde und Katzen zugelassen ist, und sowohl im perioperativen Bereich als auch generell für die Therapie starker Schmerzen genutzt wird. Momentan wird es zur Analgesie in der Regel als Bolus dosis- und speziesabhängig alle 4-8 Stunden subkutan, intramuskulär oder intravaskulär verabreicht. Methadon eignet sich aufgrund des hohen „first pass“ Effekts (s.u.) unter normalen Bedingungen nicht zur oralen Applikation beim Hund.

In der Humanmedizin wird Methadon aufgrund seiner sehr langen Wirkungsdauer, bei Dauertherapie von bis zu 8 bis 12 Stunden, v.a. in der Heroinsubstitution eingesetzt. Hierbei ist die lange Wirkungsdauer und die beim Menschen gute orale Verfügbarkeit von Vorteil, da sie eine einmal tägliche orale Medikation möglich machen (JAGE 1989).

2.2.2.3 Pharmakokinetik

Die Pharmakokinetik von Methadon nach Bolusinjektion ist beim Hund bereits mehrfach, sowohl für das Razemat als auch die einzelnen Enantiomere untersucht worden (GARRETT et al. 1985; SCHMIDT et al. 1994; KUKANICH et al. 2005;

KUKANICH u. BORUM 2008; INGVAST-LARSSON et al. 2010). Schmidt et al.

(1994) untersuchten die Unterschiede in der Pharmakokinetik der Enantiomere von Methadon beim Hund unter alleiniger Gabe des Isomers oder als Teil des Razemats.

Dazu verabreichten sie vier Beageln in einem dreifachen cross-over Verfahren entweder 0,25 mg/kg des jeweiligen Enantiomers [/(R)-Methadon], wobei (S)-Methadon Dextromethadon und (R)- (S)-Methadon Levomethadon ist, oder 0,5 mg/kg des Razemats Methadon. Hierbei stellte er fest, dass (S)-Methadon, wenn es als Teil des Razemats verabreicht wird, eine signifikant erhöhte Clearance (487 ± 128 ml/min) im Vergleich zum co-administrierten (R)-Methadon (318 ± 92 ml/min) und zum allein verabreichten (S)-Methadon (316 ± 81 ml/min) aufweist. Außerdem zeigte sich ein Trend, dass die terminale Halbwertszeit von (R)-Methadon als Teil des Razemats (4,3 ± 0,6 h) gegenüber dem isoliert verabreichten (R)-Methadon (3,3 ± 1,0 h) verlängert schien.

In einer aktuelleren Studie ergab sich bei einer Bolusgabe von 0,4 mg/kg Methadon i.v. oder s.c. im cross-over Design eine terminale Halbwertszeit von 3,9 ± 1,0 h und eine Plasmaclearance von 27,9 ± 7,6 ml/kg/min nach intravenöser Gabe. Damit ist die Clearance beim Hund höher als beim Menschen, was einen kürzeren und besser steuerbaren Effekt zur Folge hat, jedoch klinisch häufigere Bolusgaben erfordert (INGVAST-LARSSON et al. 2010).

Methadon wird größtenteils über die Leber metabolisiert und biliär ausgeschieden (GARRETT et al. 1985) und die hohe Clearance korreliert zu 89 % mit dem Blutfluss in der Leber (DAVIES u. MORRIS 1993; INGVAST-LARSSON et al. 2010). Zu einem geringen Teil erfolgt die Ausscheidung von unverändertem Methadon über Urin und Faeces. Daher eignet sich Methadon beim Hund bisher nicht gut zur oralen Applikation, da es beim sogenannten „first pass“- Effekt in der Leber zu einem Abbau eines Großteils des aus dem Darm resorbierten Wirkstoffes kommt und somit keine ausreichenden, analgetisch wirksamen Plasmaspiegel erreicht werden können.

Jedoch kann mit Hilfe von Cytochrom P450 Inhibitoren, insbesondere mit Chloramphenicol, die orale Bioverfügbarkeit von Methadon signifikant gesteigert werden (KUKANICH u. KUKANICH 2015). KUKANICH und BORUM (2008) zeigten

bei Greyhounds abweichende pharmakokinetische Daten im Vergleich zu einer ähnlich aufgebauten Studie mit Beageln (KUKANICH et al. 2005). Es wurde ein erhöhtes Verteilungsvolumen bei gleichbleibender terminaler Halbwertszeit beobachtet, was darauf schließen lässt, dass Greyhounds eine höhere Dosis benötigen, um die gleiche Plasmakonzentration und den gleichen Effekt zu erzielen.

2.2.2.4 Opioide als Dauertropfinfusion (DTI)

Andere Opioide, wie Morphin oder Fentanyl, sind neben der Bolusgabe auch als Dauertropfinfusionen in Gebrauch, da diese viele Vorteile bieten. Zum einen führen sie zu gleichbleibenden Plasmaspiegeln und daher wahrscheinlich auch zu einer gleichmäßigeren Analgesiequalität, da sie extreme Plasmaspiegelschwankungen im Gegensatz zu wiederholten Bolusgaben verhindern. Außerdem sind gleichbleibende Plasmaspiegel in der Regel mit weniger adversen Effekten verbunden und es ist leichter nach Effekt und anhaltender Schmerzfreiheit zu titrieren. Weiterhin kann kurzfristig der Analgetikumbedarf angepasst werden, falls dies von Nöten ist (DYSON 2008). Darüber hinaus kann nachweislich die benötigte Gesamt-Dosis verringert werden. So wurden gleiche analgetische Effekte mit der halben Dosis Morphin, als DTI appliziert, im Vergleich zur intramuskulären Gabe erzielt. Auch hier konnten konstante Plasmaspiegel über einen Zeitraum von 4 Stunden erzielt werden (LUCAS et al. 2001). In bereits pharmakokinetisch untersuchten Dauertropfinfusionen für Morphin und Fentanyl konnte folgendes festgestellt werden: In einer Studie wurden zwei Morphin-DTI (Bolus 0,3 bzw. 0,6 mg/kg und DTI 0,17 bzw. 0,34 mg/kg/h i.v.) über 4 Stunden beim Hund mit folgenden Ergebnissen für jeweils die niedrige und die hohe Dosierung untersucht: eine terminale Halbwertszeit von 27 ± 14 und 38 ± 5 Minuten, ein Verteilungsvolumen im steady state von 1,3 ± 0,8 und 1,9 ± 0,5 l/kg, einer Clearance von 67 ± 20 und 50 ± 15 ml/kg/min und steady state Plasmakonzentrationen von 45 bis 80 ng/ml und 93 bis 180 ng/ml. Insgesamt wurde die Morphin Pharmakokinetik nicht signifikant von der Erhöhung der Infusionsdosis beeinflusst und führte zu stabilen Plasmaspiegeln (GUEDES et al. 2007).

In einer anderen Studie wurden pharmakokinetische Daten von 14 Beagle verglichen, die entweder einen Fentanylbolus von 10 µg/kg erhielten oder aber den Bolus und darauffolgend eine Fentanylinfusion mit 10 µg/kg/h. Weiterhin wurde der Einfluss der Infusionsdauer untersucht, so dass die Infusion ein, drei und vier Stunden verabreicht wurde. In dieser Studie konnten stabile Plasmaspiegel unter der

DTI über drei und vier Stunden erzielt werden, wobei die pharmakokinetischen Daten durch die Infusionsdauer beeinflusst wurden. Die Halbwertszeit der Verteilungsphase war größer in allen DTI-Gruppen im Vergleich zur Bolusgabe. Außerdem verringerte sich die totale Körper-Clearance in der 3- und 4-Stunden-Gruppe gegenüber der 1-Stunden-Gruppe, sodass eine kontextsensitive Analgesie angenommen werden kann. Die Eliminations-Halbwertszeit war in allen DTI Gruppen im Vergleich zur Bolusgruppe verlängert (kontextsensitive Halbwertszeit). Hier wurde als Haupteinflussfaktor die geringere Körperclearance angenommen, wobei auch Akkumulation und das Verteilungsvolumen eine Rolle spielen können (SANO et al.

2006).