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Zur wiederholbaren, experimentellen Erprobung der analgetischen Wirkung von Arzneistoffen hat sich seit langer Zeit die nozizeptive Schwellenwertmessung etabliert (BIANCHI u. FRANCESCHINI 1954; RAMABADRAN u. BANSINATH 1986;

DIXON et al. 2010). Hierbei werden Nozizeptoren durch unterschiedliche Methoden stimuliert und die Latenzzeit bei gleichbleibendem Stimulus oder die Stärke des erbrachten Stimulus bis zur Reaktion des Tieres gemessen. Vorteilhaft ist, dass es sich bei diesen Tests um relativ objektive und wiederholbare Verfahren handelt, durch die unterschiedliche Beobachter zu gleichen Ergebnissen gelangen können.

Daneben sollten sie sich auch als gut quantifizierbar auszeichnen, um Schwellenwerte möglichst genau zu erfassen. Die nozizeptiven Schwellenwertmessungen können mithilfe von mechanischen, thermischen, elektrischen oder chemischen Stimuli durchgeführt werden. Bei allen Tests, bei denen der Stimulus intensiviert wird, ist es wichtig und Regel der guten wissenschaftlichen Praxis, einen Abbruchzeitpunkt oder Abbruchwert zu definieren, den sogenannten „cut-out Wert“ (LE BARS et al. 2001).

2.3.1 Auswahl des Testsystems

Je nach zu untersuchendem Arzneistoff sind die oben genannten nozizeptiven Schwellenwertmessungen mehr oder weniger geeignet. Hierbei steht der jeweilige Wirkmechanismus des Medikaments, also welcher Typ von Schmerz gehemmt wird,

im Vordergrund. Opioide scheinen ihre analgetische Wirkung durch präferenzielle Inhibierung der durch C-Fasern evozierten Potenziale zu entfalten (LE BARS et al.

1976). Thermische Testsysteme stimulieren in niedrigen Heizraten von ≤ 2

°C/Sekunde C-Fasern, wohingegen sie in höheren Raten mehr Aδ-Fasern stimulieren (YEOMANS et al. 1996). Mechanische Testsysteme sprechen in niedrigen Druckraten A- und Fasern an, wohingegen in hohen Druckraten C-Fasern ein Plateau aufweisen. Somit wird angenommen, das A-Faser-Nozizeptoren mehr Informationen über mechanische Stimuli an das ZNS liefern als C-Faser-Nozizeptoren (SLUGG et al. 2000). Laut einer Studie ist die thermische Stimulation selektiv für die Evaluierung von µ-Opioidagonisten geeignet, während durch die mechanische Stimulation sowohl µ- als auch κ-Agonisten untersucht werden können (TYERS 1980). Die elektrische Stimulation ermöglicht quantifizierbare und reproduzierbare Ergebnisse mit synchronisierten afferenten Signalen, jedoch spiegelt sie keinen natürlich vorkommenden Schmerzstimulus wieder. Außerdem werden durch die elektrische Stimulation nicht nur direkt nozizeptive Fasern angesprochen, sondern auch weitere Fasern, wie Fasern mit großem Durchmesser, die nicht direkt im Zusammenhang mit Nozizeption stehen oder Aδ- und C-Fasern, die neben nozizeptiven Signalen auch Informationen über Wärme und Kälte weiterleiten.

Weiterhin werden mögliche periphere antinozizeptive Wirkungen von der elektrischen Stimulation nicht erfasst, da die Transduktionsmechanismen überbrückt werden und somit nur zentrale Wirkmechanismen zum Tragen kommen (LE BARS et al. 2001).

Chemische Verfahren unterscheiden sich von den akuten Modellen, da es sich hier um eine langsame Art der Stimulation von längerer Dauer handelt. Es wird ein supramaximaler Stimulus erzeugt, dem nicht ausgewichen werden kann, das heißt, in diesem Fall wird kein Schwellenwert ermittelt, sondern eine Verhaltensscore im Zeitverlauf untersucht. Wahrscheinlich ist diese Art von Stimulation dem klinischen Schmerz am ähnlichsten (LE BARS et al. 2001). Durch chemische Verfahren lässt sich entzündlicher Schmerz imitieren, sie eignen sich daher gut zur Erprobung von nicht-steroidalen Antiphlogistika. Chronische Schmerzmodelle, insbesondere für neuropathischen Schmerz, erfordern reproduzierbare sensorische Defizite wie Allodynie, Hyperalgesie oder spontanen Schmerz über eine gewisse Zeit. Die Etablierung solcher Modelle ist allerdings problematisch. Zum einen bedingen die meisten Tiermodelle, in denen neuropathischer Schmerz erzeugt wird, irreversible Schäden, zum anderen verhindert die breitgefächerte Ätiologie und Manifestation

von neuropathischem Schmerz die Etablierung eines einzigen Schmerzmodells (JAGGI et al. 2011).

2.3.2 Mechanische Stimulation

Bereits 1954 testeten Bianchi und Franceschini die Wirkung verschiedener Opioidanalgetika an Mäusen durch Schließen einer mit Gummischlauch bewehrten Arterienklemme für 30 Sekunden am Schwanz. Die hier gezeigten Abwehrbewegungen der Mäuse wurden mit denen vor Gabe des jeweiligen Analgetikums verglichen und in Prozent dargestellt. Weiterhin wurden verschiedene Tests an Labornagern etabliert, bei denen verschiedene Körperteile wie Pfoten, Ohren oder Zehen per Klemme stimuliert wurden (RAMABADRAN u. BANSINATH 1986). Aufgrund der eingeschränkten Stimulationsart, durch das nur zweistufige Einrasten der Klemme, wird dabei keine gute Quantifizierbarkeit erreicht.

Abseits der Labornager und als Weiterentwicklung der traditionellen Methoden kommen v.a. pneumatische Stimulatoren zum Einsatz, die den Schwellenwert durch eine kontinuierliche Verstärkung des Stimulus besser quantifizierbar machen. Hierbei werden ein oder mehrere Metallbolzen gegen die Haut des Tieres gedrückt. Beim Schaf wurde beispielsweise ein Aktuator an der anterioren Seite des Radius befestigt und Druck mittels Pin über einen Bowdenzug erzeugt (NOLAN et al. 1987a). Die bei Großtieren eingesetzten Geräte sind meist durch Motoren betrieben und/oder sehen eine Fixierung des Tieres in einem Stand vor (MOENS et al. 2003). Diese recht schweren und die Bewegungsfreiheit einengenden Geräte sind für Kleintiere wenig geeignet, weshalb auch hier adaptierte, manuell betriebene Testsysteme entwickelt wurden, bei denen das Tier in seiner Bewegungsfreiheit so wenig wie möglich eingeschränkt wird und somit auch die falsch positive Bewertung von aversiven Reaktionen geringer ist (DIXON et al. 2010). Bei hohen einwirkenden Kräften kann es zur Verletzung des Gewebes und der Mechanozeptoren kommen, sodass eine akkurate Messung und Reproduktion der Reizschwellenmessung nicht mehr gegeben ist. Daher ist es nötig ebenfalls einen limitierenden „cut-out“ Wert zu setzen, um Gewebeschäden zu vermeiden.

2.3.3 Thermische Stimulation

Bei der thermischen Reizschwellenbestimmung werden von Mechanozeptoren unabhängige nozizeptive Bahnen untersucht. In der Labortierkunde werden Verfahren wie die „Hot Plate“ Methode verwendet, bei der sich das Tier auf einem Heizelement frei bewegen kann, das bei konstanter Temperatur gehalten wird, bis das Tier Reaktionen wie das Anheben oder Belecken der Füße oder Springen zeigt (EDDY u. LEIMBACH 1953). Weitere Modifikationen dieser Tests wurden vorgenommen, sodass auch hier die Temperatur des sich konstant erwärmenden Heizelements statt der Latenzzeit Objekt der Messung ist.

Weiterhin werden Techniken verwendet, die thermische Schwellenwerte an der Schwanzspitze, da diese am Sensibelsten ist, testen. Bei dem sogenannten „Tail-Flick“ Test sind die Tiere weitestgehend fixiert, nur der Schwanz bleibt frei beweglich.

Strahlungswärme, erzeugt durch eine elektrische Quelle, wird auf die zu untersuchende Stelle gerichtet und die Zeit bis zum Wegziehen des Schwanzes gemessen (D'AMOUR u. SMITH 1941)

Im Gegensatz dazu wird der Schwanz des zu untersuchenden Tieres beim „Tail- Immersion“ Test in ein Wasserbad getaucht, das mit einem kontinuierlichen Temperaturanstieg erwärmt wird. Auch hierbei ist das Tier weitestgehend fixiert und der Endpunkt ist das Wegziehen des Schwanzes (LE BARS et al. 2001). Ansonsten können auch ultraschallgeführte oder per Laserlicht getestete nozizeptive Schwellenwerte bestimmt werden.

Bei größeren Tieren können Heizelemente eingesetzt werden, die direkt auf die Haut aufgebracht werden. Diese stehen meist in Kombination mit einem Temperaturfühler zur Verfügung, um die Hauttemperatur an dieser Stelle mit zu erfassen. Da verschiedene zu testende Medikamente die Hauttemperatur beeinflussen können, sollte diese immer zu jeder Messung bestimmt werden (TJØLSEN et al. 1989; LE BARS et al. 2001).

Beim Schaf kam beispielsweise ein Ohrclip zum Einsatz, bei dem als gerichtete Reaktion das schnelle Schlagen des Ohres angesehen wurde (NOLAN et al. 1987a).

Später wurden diese Testsysteme für Hund und Katze adaptiert, damit diese sich weiterhin möglichst ungehindert bewegen und verhalten können (DIXON et al. 2002;

HOFFMANN et al. 2012).

Zur akut nozizeptiven Evaluation von Opioiden hat sich die Kombination aus mechanischen und thermischen Reizschwellenbestimmungen bewährt (NOLAN et al.

1987b; STEAGALL et al. 2006; STEAGALL et al. 2007; STEAGALL et al. 2008;

STEAGALL et al. 2009).

3 Material und Methode

Diese Studie wurde durch die Ethik-Kommission des niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) nach §15 des Tierschutzgesetztes geprüft und genehmigt (Aktenzeichen 33.12-42502-04-14/1733).