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Perspektive: drei Aktionsfelder, um Zukunft zu gestalten

Im Dokument 38/2018 (Seite 123-126)

7 Perspektive: drei Aktionsfelder, um Zukunft zu gestalten

Die tatsächliche Entwicklung der Flächenneuinanspruchnahme (vgl. Kap. 2.2), aber auch die Analyse der Ursachen (vgl. Kap. 2.4) haben gezeigt, dass es auf dem bisherigen Weg und mit dem vorhandenen Instrumentarium (vgl. Kap. 4 bis 6) nicht gelingen kann, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren oder gar perspektivisch eine Netto-Null-Inanspruchnahme zu erreichen. In Zu­

sammenführung dieser Ergebnisse werden abschließend Schritte einer notwendigen Umsteuerung abgeleitet, näher erläutert und in einem Aktionsplan zusammengefasst (siehe Anhang).

Eine wirkliche Umsteuerung in Richtung ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltiger Strukturen erfordert es, dass Bund und Länder den Rahmen für das Handeln der beteiligten Akteure deutlich ver­

ändern: Die Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme auf einen Zielwert kann zuverlässig nur mit einer konsequenten Kontingentierung gelingen. Die damit verbundene verbindliche Festlegung und Zuweisung von Flächen, die neu in Anspruch genommen werden können, wird im Bestand und im Neubau auch auf eine effektivere Ausnutzung wirken. Gleichzeitig müssen Bund und Länder die Kom­

munen stärker bei der Innenentwicklung, insbesondere bei der Mobilisierung von Innenentwick­

lungspotenzialen unterstützen (vgl. Kap. 6).

Bund und Länder müssen – gleichzeitig – in drei Aktionsfeldern aktiv werden, sie müssen ein Kontin­

gentierungssystem einführen (vgl. Kap. 7.1.), die Innenentwicklung stärken (vgl. Kap. 7.2.) und die Fehlanreize abbauen (vgl. Kap. 7.3.).

7.1 Aktionsfeld „Kontingentierung einführen“

Kern des strategischen Flächenmanagementansatzes ist es, die flächenpolitischen Ziele zu operationa­

lisieren, sie also in Maßnahmen und Prozesse zu übersetzen, mit denen sie punktgenau erreicht wer­

den können. Dies ist originäre Aufgabe von Bund und Ländern. Die Ergebnisse nicht nur dieser Studie zeigen, dass nur ein Kontingentierungssystem gewährleisten kann, dass die gesetzten Mengenziele erreicht werden. Dazu muss die Kontingentierung verbindlich bis in die kommunale Bauleitplanung wirken. Entsprechende Regelungen sind im ROG zu verankern.

Zwingend erforderliche Voraussetzung der Einführung einer Kontingentierung ist zunächst ein Aus­

handlungsprozess zwischen Bund und Ländern. Dieser Dialog muss jetzt zielführend begonnen wer­

den, denn die Zeit bis zum Jahr 2020 drängt. Ziel ist es, nach einem als gerecht empfundenen Schlüssel das Flächenkontingent (derzeit 30 Hektar pro Tag) auf die Länder zu verteilen. Hierbei kann auf die Ergebnisse des Planspiels Flächenhandel zurückgegriffen werden. Der Verteilungsschlüssel muss in Verbindung mit der Entscheidung verhandelt werden, welcher Weg nach der Kontingentierung einge­

schlagen werden soll. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zwei mögliche Wege: den Handel mit Flä­

chenzertifikaten einführen oder den Weg der klassischen Raumordnung.

7.1.1 Erster Weg: Handel mit Flächenzertifikaten – umweltökonomischer Ansatz

Der erste Weg zur Umsetzung einer Kontingentierung liegt in der Einführung eines Systems der han­

delbaren Flächenzertifikate (vgl. Kap. 7.1.3.). Hierzu muss der Bund das bestehende Planungsrecht (ROG und BauGB) ergänzen. Der Handel mit Zertifikaten basiert auf einem ökonomischen Ansatz, er erlaubt eine quantitativ zielgenaue Steuerung und ist somit ein sicherer Weg, das 30-Hektar-Ziel zu erreichen. Zudem lenkt er Neuausweisungen bevorzugt auf Bereiche, in denen Investitionen langfristig rentierlich sind. Er belohnt Kommunen, die ihre Kontingente nicht nutzen, da sie diese veräußern können. Durch die Möglichkeit des Handels und die Möglichkeit, durch die Rücknahme von Baurechten

„Weiße Zertifikate“ zu generieren, lässt er den Kommunen – innerhalb der Grenzen der Raumordnung – vergleichsweise große Entscheidungsspielräume.

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Die Wirksamkeit und grundsätzliche Praxistauglichkeit des Systems wurden in einem Planspiel mit 87 Kommunen bereits nachgewiesen. Eine Herausforderung liegt jedoch darin, dass die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen für den bundesweiten Einsatz dieses Instrumentes noch geschaffen werden müssten.

7.1.2 Zweiter Weg: Der Weg der klassischen Raumordnung – regulatorischer Ansatz

Der zweite Weg knüpft an die Kompetenzen der Raumordnung an. Der Bund entwickelt den Rechts­

rahmen für die Raumordnungsplanung im ROG entsprechend weiter und verankert eine Kontingentie­

rung in der klassischen Raumordnung. Auch so kann das 30-Hektar-Ziel punktgenau umgesetzt und der Flächenverbrauch auf tragfähige Standorte gelenkt werden.

Der Vorteil dieses Weges liegt darin, dass auf vorhandene Strukturen, Prozesse und Instrumente zu­

rückgegriffen bzw. aufgebaut werden kann. In einzelnen Ländern liegen bereits Erfahrungen mit ver­

bindlichen Mengenzielen vor. Diese könnten die Grundlage für eine bundesweite Verständigung auf eine Stärkung der klassischen Raumordnung sein.

Der Nachteil gegenüber dem Handel mit Zertifikaten ist, dass Kommunen, die ihre Kontingente nicht in Anspruch nehmen, daraus keine direkten monetären Vorteile ziehen. Dies könnte durch begleitende Förderprogramme aufgefangen werden. Die im Vergleich zu dem Zertifikate-Handel geringere Flexibi­

lität für die handelnden Akteure sollte durch geeignete Mechanismen wie interkommunale oder intra­

regionale Abstimmungen erweitert werden. Schon heute werden Aushandlungs- und Verständigungs­

prozesse vor allem auf regionaler Ebene umgesetzt. Ausgleichsmechanismen und Tauschprozesse sind erprobt.

7.2 Aktionsfeld „Innenentwicklung stärken“

Die Ergebnisse zeigen, dass eine nationale Strategie alle Möglichkeiten nutzen muss, die Innenentwick­

lung und Nachverdichtung zu befördern – unabhängig von dem gewählten Szenario der Kontingentie­

rung. Die Nutzung der vorhandenen Flächen und leerstehenden Gebäude im Siedlungszusammenhang ist in der Regel die Voraussetzung dafür, auf Neuausweisungen verzichten zu können.

Der vorhandene Instrumentenkasten ist gut, sollte aber von Bund und Ländern zielgerichtet weiter­

entwickelt und ergänzt werden. Die Instrumentenanalyse hat gezeigt, dass vor allem ökonomisch wirksame Anreize und Förderkulissen neu zu justieren sind. Hierzu gehören folgende Aspekte:

Fiskalische Instrumente müssen konsequent auf den Prüfstand gestellt und dahingehend wei­

terentwickelt werden, die Mobilisierung und Verdichtung im Innenbereich zu unterstützen.

Mindestens sollte der Zwischenerwerb von Kommunen im Innenbereich von der Grunderwerb­

steuer befreit und die Grundsteuer B – sie begünstigt in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zum Beispiel flächenzehrende Einfamilienhäuser, aber auch nicht bebaute gegenüber bebauten Grundstücken – in Richtung einer Bodenwertsteuer oder reinen Flächensteuer weiterentwi­

ckelt werden. Der laufende Aushandlungsprozess zur Reform der Grundsteuer B sollte in je­

dem Falle genutzt werden, um Ziele des Flächensparens zu implementieren. Der vorliegende Entwurf der Länder (Stand Januar 2017 - Kostenwertmodell) ist kontraproduktiv, weil dadurch die effektive Ausnutzung von Grundstücken „bestraft“ und nicht befördert wird. Zu­

dem wirkt die Grundsteuer B in dieser Ausgestaltung nicht gegen eines der wichtigsten Mobili­

sierungshemmnisse, die Bodenspekulation.

Falls eine solche Reform nicht gelingt, könnte ein zoniertes Satzungsrecht (Anhebung der Grundsteuer für unbebaute, aber bebaubare Grundstücke innerhalb eines abgegrenzten Gebie­

tes mittels eines gesonderten Hebesatzes) bei ausreichend hoher Belastung die Bereitschaft der Eigentümerinnen und Eigentümer erhöhen, die Grundstücke zu bebauen oder an Bauwilli­

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ge zu veräußern. In Bezug auf das Instrument besteht allerdings noch Klärungsbedarf, es kann noch nicht als anwendungsreif gelten.

Die Weiterentwicklung des städtebaulichen Entwicklungsrechts würde es den Kommunen er­

leichtern, auch bei fehlender Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümerinnen und Eigentümer baureife unbebaute Grundstücke in Streulagen zu mobilisieren. Denkbar ist die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (§§ 165 – 171 BauGB) auf Fallgestaltungen, in denen es um kleine, dispers in den Siedlungskörper eingestreute Grundstücke geht. Es könnte aber auch eine – der Entwicklungssatzung nachgebildete – eigen­

ständige Satzung geschaffen werden. Die Kommune könnte dann Gebiete definieren, in denen ihr aus Gründen des Allgemeinwohls der Grunderwerb unter erleichterten Bedingungen bis hin zur Enteignung möglich wird und so eine Aktivierung erzwingen.

Innenentwicklung, Um- und Rückbau benötigen Ressourcen. Städtebauförderung und EFRE-Mittel können schon jetzt für die Innenentwicklung oder Brachflächenrevitalisierung genutzt werden, jedoch sollten sie stärker als bisher an Flächensparziele gekoppelt werden. So sollten beispielsweise die Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepte als verpflichtende Grundlage der Städtebauförderung auch Flächensparziele enthalten, die mit konkreten Strate­

gien und Maßnahmen unterlegt sind. An die Flächensparziele könnten Mindestanforderungen gestellt werden. Zudem erreichen Mittel der Städtebauförderung zwar Klein- und Mittelstädte in ländlichen, dünn besiedelten Räumen. In Anbetracht sich manifestierenden Schrumpfungs­

prozesse in vielen kleinen Gemeinden muss jedoch hinterfragt werden, ob Um- und Rückbau und der Erhalt von Dorfzentren inklusive einer gesteuerten Wiedernutzung von Flächenpoten­

zialen im Bestand mit den zur Verfügung stehenden Programmen der Dorferneuerung und ländlichen Entwicklung in der Fläche gelingen können. Die Entwicklung von neuen Perspekti­

ven für schrumpfende Räume muss unterstützt werden. Bestehende Programme sollten ent­

sprechend nachjustiert, gegebenenfalls neue Programme – auch ressortübergreifend – aufge­

legt werden. Schwerpunkte könnten auch die Entwicklung und Qualifizierung der inneren Pe­

ripherie, der Aufbau von (ggf. revolvierenden) Brachflächenfonds bzw. die Mobilisierung von

„Schrottimmobilien“ sein. Zu prüfen ist, ob neue Programme, die umfassende Transformations­

prozesse unterstützen, stärker in der Fläche wirken sollten, d.h. größere räumliche Kulissen brauchen. Zudem sind innovative kommunale Förderprogramme zum Beispiel durch Wettbe­

werbe zu unterstützen und bekannt zu machen.

Die Einführung einer turnusmäßigen Überprüfungspflicht von Flächennutzungsplänen und regi­

onalen Raumordnungsplänen durch den Bundesgesetzgeber ist notwendig, damit Bauflächen­

kulissen regelmäßig auf der Grundlage aktueller Daten zu Entwicklungsdynamiken, Innenent­

wicklungspotenzialen etc. angepasst werden.

Für die Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen ist eine aktive Liegenschaftspolitik der Kommunen erforderlich, die in vielen Städten vor allem vor dem Hintergrund fiskalpoliti­

scher Erwägungen unterentwickelt oder weitgehend eingestellt ist. Bund und Länder sollten die Kommunen deshalb bei der (Neu-)Initiierung einer solchen aktiven Liegenschaftspolitik unterstützen. Dies könnte z.B. durch die Bereitstellung von Anschubfinanzierungen für die Ein­

richtung kommunaler Liegenschaftsfonds aber auch durch direkte Förderung des Grunder­

werbs im Zusammenhang mit Maßnahmen des Stadtumbaus erfolgen.

Auch Instrumente und Konzepte für bezahlbaren Mietwohnungsbau können flächenpolitische Ziele unterstützen. Diskussionen zur generellen Stärkung der Gemeinwohlverpflichtung des Bodeneigentums dürfen kein Tabu sein.

Darüber hinaus bleibt eine wichtige Aufgabe, eine breite Debatte über das Wohnen und Arbei­

ten der Zukunft anzustoßen und damit auch einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Überzeugen kann man dabei nur mit Qualitäten eines urbanen Wohnens, Arbeitens und Lebens. Dafür müs­

sen Argumente und gute Beispiele einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

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7.3 Aktionsfeld „Fehlanreize abbauen!“

Flankierend sollten folgende Aktivitäten von Bund und Ländern ökonomische Fehlanreize abbauen:

Insgesamt sollten alle relevanten Förderprogramme systematisch auf ihre Vereinbarkeit mit flächenpolitischen Zielstellungen überprüft und Fehlanreize abgebaut werden. So werden mit GRW-Mitteln (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur) neben Innenentwicklungsprojekten noch immer neue Industrie- und Gewerbegebiete auf der „grünen Wiese“ subventioniert. Hier ist – gerade in den strukturschwachen Gebieten – ein grundsätzli­

ches Umdenken erforderlich. Mindestens müssten belastbare Bedarfsprognosen und Innen­

entwicklungspotenzialanalysen sowie ggf. eine interkommunale Zusammenarbeit eingefordert werden.

Darüber hinaus sollten auch alle relevanten fiskalischen Instrumente (u.a. Grunderwerbsteuer, Grundsteuer B etc.) mit Fokus auf die Vermeidung von Fehlanreizen systematisch überprüft und ggf. nachjustiert werden. Vorschläge zu neuen Instrumenten – zum Beispiel der Neuer­

schließungsabgabe – sollten offen diskutiert werden.

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