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2 VEP bei Patienten mit ausgewählten intrakraniellen Erkrankungen

2.1 Patienten mit vollständiger Erblindung

Bei dem ersten Patienten (# 100 381) handelte es sich um einen Rhodesian Ridgeback Rüden, der zum Zeitpunkt der Vorstellung neun Jahre alt war. Dem Besitzer war seit einigen Monaten verstärktes Reiben an den Augen aufgefallen.

Zusätzlich zeigte der Rüde seit dieser Zeit deutliche Sehbeschwerden in der Dämmerung und seit etwa vier Wochen vor Vorstellung auch tagsüber. Zum Zeitpunkt der Untersuchung war nach Ansicht des Besitzers das Tier vollständig erblindet.

Die Allgemeinuntersuchung blieb ohne besonderen Befund. Bei der neuroophthalmologischen Untersuchung waren die Drohreflexe beider Augen negativ, die Pupillen mydriatisch und direkt wie indirekt nicht reaktiv.

Die VEP-Kurven beider Augen waren vollständig ausgelöscht (Abb. 34). Diese Auslöschung der VEP-Kurven, die einen vollständigen Leitungsblock im Bereich beider Sehbahnen vermuten ließen, war mit der vollständigen Erblindung des Patienten in Einklang zu bringen.

a) b)

Abbildung 34:

Drei nacheinander abgeleitete VEP-Kurven nach Stimulation des linken (a) bzw. des rechten (b) Auges des Patienten (# 100 381). Bei beiden Augen waren nach

Lichtstimulation keine visuell evozierten Potentiale ableitbar. Bei diesem Patienten wurde mit Hilfe der Computertomographie eine Umfangsvermehrung im Bereich der Hypophyse festgestellt.

Die Computertomographie des Schädels zeigte im Bereich der Hypophyse nach Kontrastmittelapplikation eine hyperdense Struktur (Abb. 35), die sich weiter nach rostral erstreckte. Aufgrund der vorliegenden Untersuchung wurde die Verdachtsdiagnose eines tumorösen Geschehens im Bereich der Fossa hypophysealis gestellt.

Der Leitungsblock im Bereich der Sehbahnen beider Augen, der aufgrund der fehlenden VEP-Kurven vermutet wurde, erfolgte bei diesem Patienten im Bereich der Fossa hypophysealis.

Abbildung 35:

Rhodesian Ridgeback Rüde, neun Jahre (# 100 381): Computertomographisches Bild, Transversalschnitt im Weichteilfenster nach Kontrastmittelapplikation. Im Bereich der mittleren Schädelgrube war eine nach Kontrastmittelapplikation

hyperdense Umfangsvermehrung erkennbar, die beide Fissurae opticae vollständig ausfüllte. „L“ kennzeichnet die linke Seite des Schädels.

Beim zweiten Patienten (# 88 351) handelte es sich um einen elf Jahre alten Cairn Terrier Rüden, der drei bis vier Monate vor der Vorstellung durch ein eingeschränktes Sehvermögen aufgefallen war. Dabei sah er laut Besitzer abends schlechter als tagsüber. Mit zunehmender Krankheitsdauer kam es zur vollständigen Erblindung.

Die Allgemeinuntersuchung war unauffällig. Die Drohreflexe beider Augen waren negativ und die direkten und indirekten Pupillarreflexe waren bei mydriatischen Pupillen verzögert und nicht vollständig.

Die VEP-Kurven nach Stimulation beider Augen (Abb. 36) waren vollständig ausgelöscht. Aus organisatorischen Gründen konnten in diesem Falle nur zwei vollständige Messungen je Seite abgeleitet werden. Dieser vollständig erblindete Patient zeigte ebenfalls ausgelöschte VEP-Kurven. Es war erneut von einem vollständigen Leitungsblock in beiden Sehbahnen auszugehen.

a) b)

Abbildung 36:

Zwei nacheinander abgeleitete VEP-Kurven nach Stimulation des linken (a) bzw.

des rechten (b) Auges des Patienten (# 88 351). Bei beiden Augen waren nach Lichtstimulation keine visuell evozierten Potentiale ableitbar. Bei diesem Patienten wurde mit Hilfe der Computertomographie eine Umfangsvermehrung im Bereich der Hypophyse festgestellt.

Die Computertomographie des Schädels zeigte nach Kontrastmittelapplikation eine Anreicherung des Kontrastmittels im Bereich der Hypophyse (Abb. 37). Aufgrund der vorliegenden Untersuchung wurde die Verdachtsdiagnose eines tumorösen Geschehens im Bereich der Fossa hypophysealis gestellt.

Wiederum konnte bei diesem blinden Patienten, dessen fehlende VEP-Kurven auf einen totalen Leitungsblock beider Sehbahnen schließen ließen, eine Läsion im Bereich der Fossa hypophysealis festgestellt werden.

Abbildung 37:

Cairn Terrier Rüde, elf Jahre (# 88 351): Computertomographisches Bild,

Transversalschnitt im Weichteilfenster nach Kontrastmittelapplikation. Im Bereich der Fossa hypophysealis ist nach Kontrastmittelapplikation eine hyperdense

Umfangsvermehrung zu erkennen. „L“ kennzeichnet die linke Seite des Schädels.

Bei dem dritten Patienten dieser Gruppe (# 111 348) handelte es sich um eine zehn Jahre alten Mischlingshündin, die seit drei Monaten progressive Seheinschränkungen zeigte. Seit etwa 4 Wochen erschien sie vollständig erblindet.

Die Allgemeinuntersuchung war ohne besonderen Befund. Die Drohreflexe beider Augen waren negativ, die Pupillen beider Augen befanden sich in Mydriasis und waren auf Lichteinfall direkt und indirekt nicht reaktiv.

Es waren ebenfalls keine VEP-Kurven nach Stimulation beider Augen abzuleiten (Abb. 38). Fehlende VEP-Kurven gingen bei diesem Fall erneut mit einer vollständigen Erblindung einher. Wiederum war von einem vollständigen Leitungsblock im Bereich der Sehbahnen beider Augen auszugehen.

a) b)

Abbildung 38:

Drei nacheinander abgeleitete VEP-Kurven nach Stimulation des linken (a) bzw. des rechten (b) Auges des Patienten (# 111 348). Bei beiden Augen waren nach

Lichtstimulation keine visuell evozierten Potentiale ableitbar. Bei diesem Patienten wurde mit Hilfe der Computertomographie eine Umfangsvermehrung im Bereich der Hypophyse festgestellt.

Die computertomographische Untersuchung des Schädels zeigte nach Kontrastmittelapplikation ebenfalls eine hyperdense Struktur im Bereich der Hypophyse, die eine Größe von etwa 1,2 x 1 cm aufwies (Abb. 39). Aufgrund dieser Untersuchungen wurde auch hier die Verdachtsdiagnose eines tumorösen Prozesses im Bereich der Hypophyse gestellt.

Übereinstimmend mit den Ergebnissen der beiden vorherigen Hunde wurde auch bei diesem Patienten, bei dem aufgrund ausgelöschter VEP-Kurven ein Leitungsblock vermutet wurde, eine fokale Läsion im Bereich der Fossa hypophysealis festgestellt.

Abbildung 39:

Mischlingshündin, zehn Jahre (# 111 348): Computertomographisches Bild,

Transversalschnitt im Weichteilfenster nach Kontrastmittelapplikation. Im Bereich der Fossa hypophysealis ist nach Kontrastmittelapplikation eine hyperdense

Umfangsvermehrung zu erkennen. „L“ kennzeichnet die linke Seite des Schädels.

Fasst man die Ergebnisse der drei vollständig erblindeten Patienten zusammen, so wird deutlich, dass in allen drei Fällen keine VEP-Kurven abzuleiten waren. Da das Chiasma opticum den einzigen Kreuzungspunkt der Sehbahnen des rechten und des linken Auges darstellt, war bei einer fokalen Läsion ein vollständiger Leitungsblock beider Sehbahnen in dieser Region zu erwarten. So wurde auch bei allen drei Patienten ein raumfordernder Prozess in der Fossa hypophysealis festgestellt, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sehnervenkreuzung befindet.