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1 Einleitung

1.2 Knochenmarktransplantation

1.2.3 Pathophysiologie der GvHD

1955 wurde in einem Tiermodell nach einer allogenen KMT ein bis dahin unbekanntes Krankheitsbild beschrieben [96]. Um es von der "primären Krankheit", der damals so bezeichneten Strahlenkrankheit, begrifflich zu unterscheiden, wurde es als "sekundäre Krankheit" bezeichnet. Ende 1950 konnte gezeigt werden, daß diese Krankheit die Folge einer Reaktion immunkompetenter Spenderzellen in dem immungeschwächten Empfänger war. Der Begriff "Graft-versus-Host-Disease" (Transplantat-gegen-Empfänger-Krankheit) wurde eingeführt, um den Richtungsvektor dieses immunologischen Angriffs zu beschreiben. 1966 definierten Billingham und Brent die Kriterien zur Voraussetzung einer GvHD-Entwicklung [97]:

1.) Das Transplantat muß immunologisch kompetente Zellen besitzen.

2.) Der Empfänger muß wichtige Transplantations-(Histokompatibilitätsantigene) besitzen, die im Spendergewebe fehlen, so daß der Empfänger dem Transplantat fremd erscheint und daher eine immunologische Abwehrreaktion auslöst.

3.) Der Empfänger selbst muß immundefizient sein; d. h. er ist nicht in der Lage, eine Immunantwort gegen das Transplantat auszulösen, zumindest für die entsprechend lange Dauer, die das Transplantat zum Einwachsen und zur Wiederherstellung seiner immunologischen Fähigkeiten benötigt.

Obwohl der genaue pathophysiologische Mechanismus der GvHD zu dieser Zeit unbekannt war, haben diese Kriterien mit nur wenigen Erweiterungen, bezüglich der selten beobachtbaren GvHD bei der autologen KMT, bis heute ihre Gültigkeit behalten [96].

Die GvHD wird in eine akute und eine chronische Form unterschieden. Per definitionem tritt die akute GvHD innerhalb der ersten 100 Tage auf, meist zwischen der zweiten und der vierten Woche nach der Transplantation, die chronische (chron.) nach dem 100. Tag, obwohl entsprechende klinische Zeichen der chron. GvHD bereits schon nach 60 bis 70 Tagen auftreten können [91].

Die akute GvHD manifestiert sich hauptsächlich an den Organen Haut, Leber und Darm / Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) [91]. Das Erscheinungsbild an der Haut reicht vom Pruritus mit makulopapulösem Hauterythem bis zur Erythrodermie, Bildung von Bullae, Desqua-mationen und Epidermolyse bei schwerem Verlauf [98]. Die Leberschädigung äußert sich durch Ikterus mit konjugierter Hyperbilirubinämie und erhöhtem Wert an alkalischer Phosphatase [91, 98]; die Aminotransferasewerte können erhöht sein [91] oder auch normal bleiben [98]. Die GvH-Reaktion am GI-Trakt ist schwer zu behandeln [98]. Klinische Symptome sind krampfartige Abdominalschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Ileus, intestinelle Blutungen und voluminöse, oft blutige Diarrhoe [99]. Entsprechend der Symptomatik und klinischen Laborwerte kann die GvHD in vier Stadien mit unterschiedlichen Prognosen eingeteilt werden [91, 98].

Zwischen 20% und 50% aller Patienten entwickeln sechs Monate nach einer KMT eine chron.

GvHD, die Rate ist bei älteren Patienten, MHC-inkompatibler und bei vorausgegangener akuter GvHD höher [91]. Die chron. GvHD ähnelt einer Autoimmunkrankheit mit Erythem, Sklerodermie, Hautulzera, Alopezie, Polyserositis, Sicca-Syndrom, Arthritis, obliterativer Bronchiolitis und cholestatischer Hepatitis [91]. Im Mittelpunkt des Entstehungsmechanismus der chron. GvHD steht der durch die Konditionierung oder eine erfolgte akute GvHD beschädigte Thymus, der die gegen den Empfänger gerichteten, sich neu entwickelnden T-Zellen aus dem Spender-KM nicht beseitigen kann [100]. Schwerwiegende Verläufe mit letalem Ausgang ergeben sich durch die leichte Infektanfälligkeit [101] aufgrund der funktionsuntüchtigen T-Zellen. Die chron. GvHD wird mit Ciclosporin A, Steroiden, Azathioprin, Thalidomid oder UV-A Strahlen behandelt [101].

Die Pathophysiologie der akuten GvHD kann in drei Phasen eingeteilt werden [98]:

Phase 1: Konditionierung zur KMT

Die früheste Phase der akuten GvH-Reaktion beginnt noch vor der Gabe der KM-Spenderzellen [98, 100]. Die Ganzkörperbestrahlung oder Hochdosischemotherapie im Vor-feld der KMT zur Bekämpfung des Grundleidens und zur Immunsuppression schädigt den Organismus, was zu inflammatorischen Aktivierungs- und Abwehrreaktionen, im Sinne eines physiologischen Reparationsvorgangs, führt [98, 100]. Es werden vermehrt entzündungs-vermittelnde Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF-) a, IL-1 und hämatopoetische Wachstumsfaktoren wie der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende-Faktor (GM-CSF; engl.: colony) sezerniert [102]. Adhäsions- und MHC-Moleküle werden vermehrt exprimiert [103-106]. Die Korrelation zwischen intensiver Konditionierung und dem erhöhten Risiko einer GvHD konnte sowohl bei Tieren [107] als auch beim Menschen [108, 109]

nachgewiesen werden und das Zusammenspiel zwischen Konditionierung, Zytokinwirkung und GvHD aufgeklärt werden [107]. Das Risiko eines Auftretens der GvHD konnte minimiert werden, wenn die KM-Zellen erst nach einer gewissen Zeitspanne verabreicht werden [110-112].

Phase 2: Spender-T-Zell-Aktivierung

Das Spender-KM wird dem Empfänger in der Regel mittels eines Vena-cava-Katheters ("zentralen Venenkatheters" (ZVK)) intravenös zugeführt [113]. Bei der Infusion der Knochenmarkzellen (KMZ) stellt somit das Gefäßsystem des Empfängers, inklusive des Kapillarbetts, die erste und zudem sehr weite Kontaktfläche mit den immunkompetenten Spender-T-Zellen dar. Daher wurde untersucht, ob die Blutgefäße möglicherweise erkennbare antigene Strukturen besitzen und direkt eine Immunreaktion auslösen; die Ergebnisse sind nicht eindeutig [114-117]. Durch die Schädigung in der Konditionierungsphase mit erhöhter Zytokinproduktion werden Adhäsionsmoleküle im Gefäßbett zur Rekrutierung und Migration der T-Zellen in das Gewebe hochreguliert, wie das CD62E (E-Selektin), a4b1 Integrin (VLA-4), aLb2 Integrin (LFA-1, CD11a/CD18), ICAM-1 (intercellular adhesion molecule-1), PECAM-1 (platelet and endothelial cell adhesion molecule-1, CD31) und VCAM (vascular cell adhesion molecule) [118-119]. Befinden sich die T-Zellen im Gewebe, benötigen sie zu ihrer Aktivierung zwei Signale: die Antigenerkennung des fremden MHC:Peptidkomplexes

auf der APZ durch den TZR und ein costimulatorisches Signal. Am besten ist die Costimulation zwischen dem B7-Molekül (CD80: B7.1; CD86: B7.2) auf der APZ und dem CD28 Molekül auf der T-Zelle beschrieben [120-124]. Zu der CD28-Familie gehören weiter das CD152 (CTLA-4), was allerdings eine suppressive Wirkung hat, ICOS (inducible costimulator) und PD-1. Weitere Interaktionen sind durch die TNF-Rezeptor-Familie möglich: CD40 (auf APZ)/CD40L (auf T-Zelle), CDw137L (4-1BBL) (auf APZ)/CDw137 (4-1BB) (auf T-Zelle), CD134L (OX40L)/CD134 (OX40) und LIGHT/HVEM [100].

Es gibt bereits klinische Studien in Phase 1, mittels Induktion einer Anergie die GvHD zu verhindern [125].

Phase 3: Die Effektorphase mit zytokin- und zellvermittelten Effektoren

Ein komplexer Mechanismus führt in der letzten Phase schließlich zu den letal verlaufenden Organschäden an Leber, Haut und GI-Trakt [98].

Der zytokinvermittelte Effekt wird mit dem Begriff "Sturm der Zytokine" beschrieben [119, 126]. Dabei werden viele verschiedene Zytokine von Monozyten, Makrophagen und T-Zellen produziert. Die Monozyten / Makrophagen produzieren nach ihrer Aktivierung durch Interferon-g (IFN-g) die Zytokine TNF-a, IL-1, MIP-1a und das sehr stark gewebstoxische Stickstoffmonoxid (NO). Das IL-1 wird früh in der Anfangsphase der Entzündungsreaktion gebildet und erhöht die TNF-a Expression und die anderer Zytokine [98]. Das TNF-a ist ein Entzündungsmediator und führt zur Aktivierung des Gefäßendothels [100], gefolgt von weiterer Migration der T-Zellen aus der Blutbahn in das Gewebe. Das MIP-1a führt zur Einwanderung von CCR5+CD8+ T-Zellen in die Leber, Lunge und Milz während der GvHD [100]. Es wird außerdem eine steigende IL-6 und IL-8 Sekretion während der GvH-Reaktion beobachtet [98], doch bislang ist der Zusammenhang in dieser Reaktion noch nicht aufgeklärt.

Die aktivierten T-Zellen sezernieren in großer Menge IL-2, GM-CSF, TNF-a und IFN-g [98].

Diese Zytokine können andere T-Zellen, Monozyten, NK-Zellen und sogar restliche, die die Konditionierung überlebten, Immunzellen des Empfängerorganismus aktivieren [98].

Bei den CD4+ T-Zellen muß dabei zwischen den beiden Subtypen, TH1 und TH2, unterschieden werden, da sie gegensätzlich wirkende Zytokine produzieren. Die Differen-zierung zu einem dieser beiden Typen erfolgt während des Kontakts mit der APZ, in

Abhän-gigkeit vom aktivierenden Signal, der Dauer des Aktivierungszustandes der APZ, dem Subtyp der APZ und dem Verhältnis von APZ zu TZ [127]. Die TH1-Zytokine, IL-2 und IFN-g, sind wichtige Mediatoren in der Entstehung der akuten GvHD [100]. Es konnte gezeigt werden, daß die TH1-Zellen die GvHD effizienter als die TH2-Zellen auslösen können; dagegen wirken die TH2-Zellen oft suppressiv und können die GvHD verhindern [128, 129]. Die TH2-Zellen produzieren IL-4, IL-6 und IL-10 [98]. Während die TH1-Zellen IL-2 für ihr Wachstum benötigen, brauchen die TH2-Zellen IL-1 oder IL-4 zur Proliferation [98].

Aufgrund dieser Beobachtungen wird versucht, die Zytokinproduktion und damit den Verlauf der GvHD zu beeinflussen.

Der immunregulatorische Effekt von IL-10 ist schon seit längerem bekannt, die molekularen Mechanismen werden zur Zeit noch untersucht [130].

Ebenso wird das IL-2 im Zusammenhang mit der GvH-Reaktion untersucht. Es wird in den ersten Tagen nach allogener KMT von den CD4+ T-Zellen produziert; Zugabe von IL-2-Rezeptor- oder IL-2-Liganden-blockierenden Antikörpern kann die GvHD experimentell verhindern; in klinischen Studien wurde die Häufigkeit der IL-2-produzierenden Vorläufer-T-Zellen als Parameter für das prädiktive Risiko der GvHD eingesetzt; genauso kann der lösliche IL-2-Rezeptor als sensitiver Indikator eines Auftretens der GvHD genutzt werden, da er stark mit der Schwere des GvHD-Verlaufs korreliert [98].

Zur Zeit existieren widersprüchliche Daten bezüglich eines möglichen präventiven Effekts der inflammatorischen TH1-Zytokine IL-2, IFN-g und IL-12 [131, 132]. Neben seiner aktivierenden und schädigenden Wirkung erhöht IFN-g die Fas-Expression auf T-Zellen [132]; das Fas-Molekül löst bei entsprechender Bindung an seinen Liganden den natürlichen Zelltod der T-Zelle aus und kann somit die GvH-Reaktion einschränken. Desweiteren konnte in neuen Studien gezeigt werden, daß nicht das IL-2, sondern das IL-15 wichtig ist für die akute GvHD [100]. Wenn das IL-12 zu bestimmten Zeitpunkten gegeben wird, kann es sogar protektiv wirken [132].

Die zytotoxischen T-Zellen (CTL) vermitteln ihre Wirkung über TNF-a, andererseits haben sie auch eine direkt-zelltoxische Wirkung. Dabei sind zwei Wege möglich: durch Freisetzung von Perforin/Granzyme oder durch Fas/FasL Interaktion mit der Zielzelle [126] (Skizze 1).

Nach Aktivierung der zytotoxischen T-Zelle kann sie an die als fremd erkannte Zelle binden und das Glycoprotein Perforin bilden. Aufgrund seiner Struktur kann dieses Molekül die Membran der Zielzelle infiltrieren und somit durchlöchern, "perforieren". Ist die Zellmembran durchlässig, werden Zellgranula der CTL in die Zielzelle eingeschleust, die proteolytische Enzyme, die Granzyme A und B, enthalten. Neben der proteolytisch-zytolytischen Aktivität dieser Enzyme wird angenommen, daß sie auch die Caspase-Kaskade aktivieren können, die zur Apoptose der Zelle führt [133].

Der Wirkmechanismus der Fas-FasL-Interaktion beruht, wie bei TNF-a, auf der Aktivierung der Caspase-Signaltransduktion durch das FADD-Molekül nach Binden der jeweiligen Liganden an den Rezeptor (siehe Skizze 1).

Eine Aktivierung des Perforin/Granzyme-Weges wurde in Experimenten bei MHC-Klasse I disparaten Tiermodellen beobachtet und ist daher für die GvHD-Induktion durch CD8+ T-Zellen verantwortlich; dagegen vermittelt die Fas-FasL-Interaktion hauptsächlich bei MHC-Klasse II disparaten Modellen die GvHD-Induktion und stellt damit den Haupt-wirkmechanismus der CD4+ T-Zellen dar [134-136].

Dabei verursacht der Perforin-Weg die kachektische Reaktion und den zeitlichen Verlauf der GvH-Reaktion, aber nur minimale Veränderungen an den Organen [134]. Die Fas-FasL-Interaktion bewirkt die GvHD-Symptome an Haut und Leber, aber beeinflußt den Erscheinungszeitpunkt des Krankheitsbildes nicht [134]. Für das TNF-a konnte eine dominierende Rolle in der Ursache der GI-Trakt-GvHD nachgewiesen werden [137].

Diese Ergebnisse teilen den beiden Hauptmechanismen zytotoxischer T-Zellen bestimmte Effekte in der GvH-Reaktion zu, doch diese Eindeutigkeit wird angezweifelt. Es konnte beobachtet werden, daß auch CD4+ T-Zellen über den Perforin-Weg wirken können [138].

Ebenso konnte auch in einem doppelt-defekten, d. h. Perforin- und FasL-defizienten, Modell eine GvH-Reaktion ausgelöst werden. Allerdings war in diesen Versuchen eine höhere Anzahl von CTL zur Induktion der GvH-Reaktion notwendig [139, 140]. Diese Ergebnisse demonstrieren, daß noch andere Effektormoleküle eine schwerverlaufende GvHD verursachen können.

Die Wirkmechanismen der zytotoxischen T-Zelle im Rahmen der GvH-Reaktion sind noch einmal kurz zusammengefaßt:

1.) GvHD im MHC I – disparaten Modell wird über Perforin/Granzyme B (CD8+ T-Zellen) vermittelt 2.) GvHD im MHC II – disparaten Modell wird über Fas-FasL-Interaktion (CD4+ T-Zellen) vermittelt 3.) Perforin/Granzyme B þ schwerer kachektischer Zustand, Kinetik

4.) Fas-FasL þ Organschäden an Leber und Haut 5.) TNF-aþ intestinale GvHD

SKIZZE 1: WIRKUNGSWEISE ZYTOTOXISCHER T-ZELLEN [126]

zytotoxische T-Zellen

direkter Zell-Zell-Kontakt Freisetzung von löslichen Mediatoren, z.B. TNF-a

Sekretion von Granula Ligand-Rezeptor-Interaktion zwischen Zielzelle und Effektorzelle

(Fas-FasL, TWEAK-DR3, TRAIL-DR4,5)

Perforin/Granzymes A und B z. B. Fas-FasL-Interaktion TNF-Rezeptor auf Zielzelle

Proteolyse, Aktivierung von Caspase 3 FADD

Aktivierung der Caspase-Kaskade

Freisetzung von einem Inhibitor namens ICAD, gebunden an einem Caspase – assoziierten DNase Molekül (CAD)

Fragmentierung der DNA der Zielzelle

Trotz Verbesserungen in der Therapie und neuer Erkenntnisse zum Verständnis der GvHD sind noch viele Fragen offen. Die akute GvHD stellt eine lebensbedrohliche Komplikation in der KMT dar. Eine spezifische Unterdrückung dieser Reaktion bei Aufrechterhaltung der Immunfunktion gegenüber Krankheitserregern bleibt das Ziel der Transplantationsmedizin.