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Pastorale Bedrohungskommunikation in Zeiten des Konflikts

Im Dokument Confessio im Konflikt (Seite 78-102)

Befähigung zur konfessionellen Selbst- und Fremdwahrnehmung durch deß newlich außgegangnen Predicantenspiegels von

Matthias Mairhofer SJ

1. Hinführung

In seiner umfangreichen Monographie über den Jesuitenorden verdeutlicht Markus Friedrich den großen Einfluss des Mitte des 16.  Jahrhunderts von Ignatius von Loyola und seinen Gefährten gegründeten Jesuitenordens auf die römisch-katholische Kontroverstheologie. Friedrich attestiert zwei chan-gierende Umgangsweisen mit den Protestanten, die sich bei seiner Analyse jesuitischer Anstrengungen herausstellen: einerseits die protestantischen Leh-ren in aller Härte zurückweisen und widerlegen, andererseits die Protestanten aus seelsorgerlicher Motivation in die Papstkirche zurückführen1. Sowohl die akademische Kontroverstheologie als auch andere Formate der konfessionel-len Publizistik – wie beispielsweise Predigten oder Gebets- und Andachts-bücher – waren nicht nur ein zentrales Internalisierungsmedium des neuen, vom Trienter Konzil (1545–1563) motivierten und strukturierten römisch-katholischen Lehrgebäudes, sondern auch institutionalisierte Artikulations-medien, durch die theologische Konflikte ausgetragen und religiös-konfes-sionelle Selbst- und Fremdwahrnehmung kommuniziert werden sollten.

Papstkirch liche und protestantische Akteure gleichermaßen konstruierten angesichts der als bedroht wahrgenommenen religiösen Ordnung durch das konfessionelle Gegenüber sowie aufgrund der damit einhergehenden reli-giösen Auseinandersetzungen, die nicht losgelöst von politisch-recht lichen Verflechtungen berücksichtigt werden dürfen, Orthodoxie und Heterodoxie gleichermaßen, um so den Mitgliedern ihrer eigenen wie auch der anderen Konfession eine dezidierte Selbst- und Fremdwahrnehmung plausibel zu machen. Es lässt sich also eine doppelte Stoßrichtung in

kontroverstheologi-1 Vgl. Markus Friedrich, Die Jesuiten. Aufstieg – Niedergang – Neubeginn, München 2016, S. 234–251, hier S. 235.

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schen Publikationen attestieren: Die in Wort und Schrift geführten Debatten verfolgten zum einen, dem als falschgläubig erachteten Gegenüber die Wahr-heit der eigenen und damit in logischer Konsequenz die FalschWahr-heit seiner, also der anderen Lehre zu beweisen und ihn idealiter für die eigene Seite zu gewin-nen. Diese Absicht der Akteure entsprach jedoch nicht einem engstirnigen Dogmatismus, sondern einer realen pastoralen Fürsorge, die das dies- und jenseitige Heil der Menschen im Blick hatte. Aus diesem Grund sollten eben auch zum anderen die eigenen Konfessionsangehörigen durch die kommu-nikative Vermittlung des Gegenübers als einer existentiellen Bedrohung für das Seelenheil in ihrem konfessionellen Glauben bestärkt werden, sodass sie jeglichen Verführungen durch den konfessionellen Rivalen widerstehen und jedwede Konversionsüberlegung verwerfen würden. Aufgrund dieser sowohl nach außen als auch nach innen gerichteten Intention ist der kontroverstheo-logischen Publizistik des 16. und 17. Jahrhunderts eine seelsorgerliche Motiva-tion eigen, die entschieden darum bemüht war, die im anderskonfessionellen Gegenüber gesehene Bedrohung um des pastoralen Auftrags willen sowohl zu kommunizieren als auch zu bewältigen, um so eine konfessionelle Ordnung zu etablieren, in der das Seelenheil der eigenen wie auch der als verirrt erach-teten fremden Konfessionsmitglieder gerettet werden konnte. Die Fremd-wahrnehmung des konfessionellen Gegenübers als Bedrohung für die eigene Stellung und für das Seelenheil der Anvertrauten sowie die Selbstwahrneh-mung der eigenen Konfessionskirche als Instanz, die die Wahrheit vertritt und die Heilsgüter verwaltet, stellt deutlich heraus, dass die Kontroverstheologie mit ihrer interkonfessionellen Polemik keineswegs ein Ausdruck eines philis-trösen oder militanten Konfessionalismus ist, der sich lediglich in eloquen-ten Hasstiraden, perfiden Schimpfwörtern oder pejorativen Unterstellungen erschöpft. Vielmehr kommt sie zu stehen als ein meist theologisch gebildeter, methodisch intelligenter und auch – im wahrsten Sinne des Wortes – von der Seelsorge motivierter Versuch, sich angesichts des als realer Bedrohung wahr-genommenen konfessionellen Gegenübers zu behaupten, wie hier bereits im Beitrag von Christian V. Witt gezeigt wurde2.

2 Zum hier nur angerissenen seelsorgerlichen Grundzug der Kontroverstheologie und damit zu deren Vielschichtigkeit ist dort weiterführende Literatur verzeichnet.

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Die Religionsgespräche am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhun-derts wandten sich nun auch katholischerseits zusehends von dem Gedan-ken des konfessionellen Ausgleichs ab und verschrieben sich im Kontext der Gegenreformation einer ganz gezielten Rückgewinnung für den alten, d.h.

den papstkirchlichen Glauben, wodurch die publizistisch ausgetragenen Kon-troversen freilich noch stärker dynamisiert wurden. Das Regensburger Religi-onsgespräch im Jahr 1601, dessen Anstoß eine Serie von Flugschriften gegen die Person und Lehre Martin Luthers aus der Feder des Jesuiten Conrad Vetter (1548–1622)3 war, bezeichnet Irene Dingel aus gutem Grund als »[d]en Höhe-punkt der gegenreformatorisch wirkenden Religionsgespräche«4: Auf dem von Herzog Maximilian von Bayern (1500–1558) und Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg (1547–1614) einberufen und präsidierten Religionsge-spräch disputierten vom 17. bis zum 28. November für die römisch-katholi-sche Seite die beiden Jesuiten Albert Hunger (1545–1604) und Jakob Gretser (1562–1625) mit den Brüdern Jakob (1548–1618) und Philipp Heilbrunner (1546–1616), die für die protestantische Seite geladen waren. Die zentrale theologische Frage war, ob die Heilige Schrift als alleinige Schlichtungs instanz bei Glaubensstreitigkeiten genüge oder ob auch andere Quellen aus der kirch-lichen Tradition herangezogen werden können. Die Jesuiten erreichten, dass die Disputation nach syllogistischen Argumentationsregeln geführt wurde, wodurch sie – zumindest hinsichtlich der entsprechenden Beweisführung – den Sieg für sich verzeichnen konnten. In der Beantwortung der ursprüng-lichen theologischen Frage konnte jedoch kein Konsens erzielt werden.

3 Conrad Vetter SJ wurde 1548 im bayrisch-schwäbischen Engen geboren, war Kaplan des Damenstifts in Schwäbisch Hall und trat mit 28 Jahren in München dem Jesuitenorden bei. Bereits als Novize sei Vetters brillante Rhetorik sowie seine oratorische Begabung auffallend gewesen, weswegen er für die Gegenreformation geradezu prädestiniert war. Im Jahr 1588 wurde er Domprediger in Regensburg und betätigte sich primär mit antilutherischen Publikationen, die nicht nur häufig Gegenschriften evozierten, sondern sogar aufgrund ihrer Polemik auf Kritik aus den eigenen Reihen stießen.

Zu Bio- und Bibliographie Vetters siehe  Michael Becht, Art. Conrad Vetter, in:

LThK3 10 (2006), Sp. 755; Gerhard Dünnhaupt, Conrad Vetter S.J. (1548–1622), in:

Personalbibliographien zu den Drucken des Barock 6 (1993), S. 4135–4171.

4 Irene Dingel, Art. Religionsgespräche  IV.  Altgläubig  – protestantisch und inner-protestantisch, in: TRE 28 (1997), S. 654–681, hier S. 664.

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Bemerkenswert ist die Fülle der kontroverstheologischen Publikationen, die sich an das Regensburger Religionsgespräch anschlossen und auf römisch-katholischer Seite deutlich die gegenreformatorischen Intentionen dieser Zusammenkunft erkennen lassen5. Der in Tübingen promovierte und ab 1574 im bayerisch-schwäbischen Lauingen predigende und lehrende Philipp Heilbrunner, der bereits bei den Verhandlungen zur Konkordienformel in der Pfalz in den Jahren 1577 bis 1580 mitwirkte, führte nach dem von den Jesuiten auf verschiedenste Weise inszenierten vermeintlichen Sieg auf dem Regensburger Religionsgespräch seine kontroverstheologische Publizistik gegen die »Societas Iesu« und die Papstkirche in vermehrter Weise fort 6.

Heil-5 Exemplarisch seien genannt: Jakob Heilbrunner, Gründtliche Bescheidenliche Verantwortung, auff Iohannis Pistorij Niddani zu Freyburg im Preißgaw jüngst außgesprengte […] Schrifft, das erste Argumentum deß anno 1601. gehaltenen Regenspurgischen Colloquij […] Dann auch die inn bemeldtem Jahr publicirte Daemonomaniam Pistorianam […] betreffend, Lauingen 1601; Philipp Heilbrunner, Postcolloqvivm Ratisbonense. Das ist Ordentliche wahrhaffte Verzeichnuß des Gesprächs so nach jüngst angesteltem Colloquio zu Regenspurg […] zwischen D. Philipp Heilbrunner und Conrad Vetter Iesuiten […] Anno 1601 gehalten worden, Lauingen 1602; Jakob Andreä, Relation von dem Post-Colloquio, so am 9. Decemb. 1601 zu Regenspurg zwischen Conrad Andreae und Philipp Heilbrunner, die ausgegangnen Tractate des unschuldigen Luthers betreffend, gehalten worden, Ingolstadt 1602. – Der auf dem Religionsgespräch disputierende Jesuit Adam Tanner veröffentlichte ebenfalls im Nachgang zu den Gesprächen eine kontroverstheologische Schrift: Adam Tanner, Gründtlicher, außführlicher Bericht, Von dem Anfang, Fortgang, vnd Endtschafft deß Regenspurgischen Colloquij, so Anno 1601, München 1602.

6 Julius August Wagenmann, Art. Philipp und Jacob Heilbrunner, in: ADB 11 (1880), S.  313–315.  –  Exemplarisch seien einige der zahlreichen kontroverstheologischen Publikationen Heilbrunners angeführt: Philipp Heilbrunner, Propositiones de creatione, Lauingen 1575; ders., Synopsis errorum pontificiorum circa doctrinam de ecclesia, Lauingen 1595; ders., Theses et antitheses de apostasia Romanensium a fide apostolica et catholica, Lauingen 1598; ders., Von der Augsp. Confession widerwer-tige Censur und Urtheil der Päpstischen Scribenten; Sampt gründlichem Bericht, auff Caspar Northausen Bedencken, von Einigkeit der Lutherischen mit den Papisten, Lau-ingen 1599; ders., Der Unschuldige, Demütige, Warhafftige, Christliche, Andächtige Luther. Das ist, Helle Prob […] das alles das jenige, so die Jesuiter […] wider […] D. M.

Luthers Person […] auffbringen, Lauingen 1599; ders., Der keusche Papst. Das ist Helle und Augenscheinliche Beweisung, daß die Jesuwider an weiland D. Martin Luther, der Keuscheit halber nichts zu tadlen, sondern viel mehr sich selbs und die jhrigen straffen und reformirn sollten, Lauingen 1600; ders., Synopsis variorum huius temporis erro-rum circa doctrinam de peccato, Lauingen 1601; ders., Postcolloqvivm Ratisbonense.

Das ist Ordentliche wahrhaffte Verzeichnuß des Gesprächs so nach jüngst angesteltem Colloquio zu Regenspurg […] zwischen D. Philipp Heilbrunner und Conrad Vetter Iesuiten […] Anno 1601 gehalten worden, Lauingen 1602. – Der Jesuit Konrad Vetter publizierte ebenfalls im Anschluss an das Regensburger Religionsgespräch eine kon-troverstheologische Schrift, die in unmittelbarem Zusammenhang an den Disput mit Philipp Heilbrunner steht: Conrad Vetter, Gründtliche Relation, von dem Postcol-loquio, So den neundten Decemb. Anno 1601 zu Regenspurg zwischen M. Conrad Andreae, unnd Philippen Heilbrunner, die außgange Tracträtlein deß unschuldigen Luthers betreffend, angestelt, und in beyseyn IV. Fürstlicher Personen gehalten wor-den, Ingolstadt 1602.

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brunner veröffentlichte jedoch bereits wenige Wochen vor seiner Teilnahme am Regensburger Religionsgespräch eine 300 Seiten umfassende Abhandlung unter dem Titel Jesuider Spiegel 7, in welcher er die »Antichristliche Lehr/ vnd [den] Blutgierige[n] Geist«8 der Jesuitenschriften aufzudecken beabsichtigte.

Das Werk ist ein typisches Beispiel für die protestantische Anti-Jesuitenpub-lizistik, das angesichts des Wiedererstarkens der Papstkirche die Bedrohung durch den Jesuitenorden artikulierte und darüber die wahre Kirche Jesu Christi verteidigte9. Thomas Kaufmann summierte die Intention treffend:

Die deutschen Lutheraner haben früher, heftiger, nachhaltiger und ausdauernder gegen die Jesuiten gekämpft als irgendwer sonst. Ihre zunächst primär theologischen Einwände gegen die so ungleich dynamischeren, disziplinierteren und erfolgreicheren Vertreter einer katholischen Reform entsprang aus der Not, den Wirkungen, die diese erzielten, entgegentreten zu müssen und hinter dem »Schein« der Erneuerung das »wahre«

Gesicht des antichristlichen Systems der gewissensversklavenden sakramentskirchlichen Leistungsreligion freizulegen10.

Auf jene Schrift reagierte bereits im selben Jahr der Jesuit und Dillinger Theo logieprofessor Matthias Mairhofer (1549–1641). Der in Rom in den Jesuitenorden eingetretene gebürtige Landshuter, der über 20 Jahre lang das Münchener Jesuitenkolleg leitete, veröffentlichte eine über 400 Seiten lange Antwortschrift, die sich direkt auf [d]eß newlich außgegangnen Predicanten-spiegels11 von Philipp Heilbrunner bezieht und bereits durch die minimale Modifikation des Titels die kontroverstheologische Stoßrichtung der Publi-kation deutlich werden lässt. Seine durch Andreas Angermayer in der Eder-schen Druckerei in Ingolstadt veröffentlichte Schrift war »Allen Liebhabern

7 Philipp Heilbrunner, Jesuider Spiegel; Darinn Der Jesuider Antichristische Lehr vnd Blutgierige Geist auß ihren eignen Schrifften zuerkennen; Vnnd wirdt zugleich die Jesuiderische Apologia an König inn Franckreich wie auch Conrad Vötters Antwort wider den Vnschuldigen Luther vnnd des Mayrhofers Predicanten Spiegel alles vnder-schiedlich abgefertigt, Lauingen 1601.

8 Ebd.

9 Vgl. das Kapitel zur protestantischen und vornehmlich lutherischen Anti-Jesu-itenpublizistik zwischen 1556 und 1618 bei Thomas Kaufmann, Kon fession und Kul-tur. Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Refor mationsjahrhunderts, Tübingen 2006, S. 205–299.

10 Vgl. ebd., S. 298.

11 Matthias Mairhofer, Deß newlich außgegangnen Predicantenspiegels. Catholi-sche Schutzschrifft darin nicht allein die KatholiCatholi-sche vnd zuvor beschädigte Wahr-heit gehand habet/ sondern auch der erdichte/ vngegründete vnd leichtfertige Jesu-iterspiegel/ welchen die Pfälzischen Predicanten/ wie etliche dafür halten wollen/

vnder dem Namen des Philipps Heilbrunners in diesem lauffenden Jahr zusammen getragen vnd zu Lawing in offentlichen Truck darwider außgesprenger haben/ mit gutem Grund widerlegt wird, Ingolstadt 1601.

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der Gründlichen Warheit zu Nutz/ Trost vnd guter Nachrichtung«12 zur Lek-türe empfohlen. Der Jesuit gliederte sein umfangreiches Werk in insgesamt elf Kapitel:

Kapitel Kontroverstheologischer Gegenstand Seitenan- gabe 1 Dass die katholischen Skribenten in der Aussage der

Augsburgischen Konfession einig seien S. 13–30

2 Von der heiligen Schrift S. 30–59

3 Von der Person Christi S. 59–78

4 Von der Rechtfertigung S. 78–112

5 Von den guten Werken S. 112–126

6 Von dem Gebet S. 126–156

7 Von der Kirche S. 156–181

8 Vom heiligen Sakrament des Altars S. 181–209

9 Vom Ehestand S. 209–213

10 Die Prädikanten lästern ausschließlich S. 213–355

11 Vom Religionsfrieden S. 356–392

Die elf behandelten Themen der kontroverstheologischen Abhandlung zei-gen, dass der Jesuit vor allem die theologischen Grunddiskurse des konfessi-onellen Zeitalters über die römisch-katholischen Propria behandelte, um so sowohl die kirchliche Lehre und deren »Wahrheit« zu verteidigen als auch die Anschuldigungen Philipp Heilbrunners gegen die Jesuiten und die Papst-kirche zu entkräften. Das häufige Rekurrieren auf die tridentinischen Kon-zilsbeschlüsse, die biblischen und patristischen Legitimationen der Argumen-tation, aber auch der rhetorisch-stilistisch geschliffene Text dokumentieren Mairhofers jesuitische Gelehrsamkeit und seine akademische Tätigkeit an der Dillinger Universität. Die folgende Quelle, die die Vorrede zu Mairhofers Publikation ist, führt nicht nur in die Thematik der ganzen Abhandlung ein, sondern gibt viel mehr noch dem Leserkreis in Zeiten der um sich greifenden

»Irrlehren« relevante Hinweise, die auf die oben beschriebenen seelsorger-lichen Intentionen zurückzuführen sind.

12 Ebd., Frontispiz.

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2. Quelle13 An den Christlichen und günstigen Leser

Nichts ist under den Christen gefährlichers/ argers und schädlicheres als die Ketzerey. Welches erstlich Christus uns genugsam zuverstehen geben/ da er sagt/ daß der jenig so die Kirchen nit hören will/ soll nit anderst alß für ein Heiden gehalten werden. Den was kann einem Christen für ein grössers Ubel und Unfall widerfahren/ als daß er den Unglaubigen Götzendienern vergli-chen wird. So sagt auch der heilige Augustinus/ daß es der Ketzer Eigenschafft sey die Kirchen verachten/ und ihr den Rücken kehren. In sanctis libris, ubi manifestatur Dominus Christus, ibi & eius declaratur Ecclesia. Isti autem (id est haeretici) mirabili coecitate percussi cum ipsum praeter scripturas nesciant, eius tamen Ecclesiam non diuinarum literarum authoritate cognoscunt, sed humanarum calumniarum vanitate configunt 14. Und was ist dem Christlichen Namen mehr widerspennig als die Gottlosigkeit. Was ist under uns Menschen so abscheuliches als der Krebs/ ein todtliche und vergiffte Kranckheit. Doch wie der heylig Apostel bezeugt/ ist die Ketzerey beydes/ sie eröffnet gleich-sam die Thür zu aller Gottlosigkeit: Hüte dich vor dem unchristlichen und unnützlichen Geschwetz, den sie fördert vil zu der Gottlosigkeit/ das ist die Ketzerey/ sie greifft umb sich/ und fehrt herum wie ein Pestilentzischer feuri-ger Pfeil/ und ihr Red frist umb sich wie der Krebs. Auß welchen ist Hymnaeus und Philetus, die von der Wahrheit seyend außgefallen. Daß seynd eigentlich die Ketzer/ wie die zween ernante Hymnaeus und Philetus Ketzer waren. Die Ketzerey ist gleichsam deß Teuffels Garn/ damit er die Menschen fahet/ und deß Lebens beraubet/ wie Augustinus spricht/ (Diabolus) Deum nobis dividere non potest, falsos Deos nobis supponere non potest, sentit viam nostram esse

13 Vorrede, in: Matthias Mairhofer, Deß newlich außgegangnen Predicanten-spiegels. Catholische Schutzschrifft darin nicht allein die Katholische und zuvor beschädigte Wahrheit gehandhabet/ sondern auch der erdichte/ ungegründete und leichtfertige Jesuiterspiegel/ welchen die Pfälzischen Predicanten/ wie etliche dafür hal ten wol len/ under dem Namen des Philipps Heilbrunners in diesem lauffenden Jahr zusam men getragen und zu Lawing in offentlichen Truck darwider außgespren-ger haben/ mit gutem Grund widerlegt wird, Ingolstadt 1601. Online einsehbar im VD 17 12:109495S. – Bei der Transkription der grundgelegten Quelle, die in frühneu-hochdeutscher Spra che verfasst wurde, werden die Kürzel stillschweigend aufgelöst.

Orthographische Eigen tümlichkeiten wie die inkonsequent gehandhabte Konsonan-tendoppelung oder Schreibung von v für u (vnnd) bzw. u für v sowie häufig j für i werden stillschweigend zuguns ten der besseren Lesbarkeit aufgelöst.

14 Übersetzung des Väterzitats: »In den heiligen Büchern, wo Christus als der Herr offenbart wird, dort wird auch seine Kirche angekündigt. Die Häretiker aber, von erstaunlicher Blindheit geschlagen, erkennen, obwohl sie ihn selbst nur aus der Schrift kennen, seine Kirche nicht an durch die Autorität der Heiligen Schriften, sondern bilden sie sich mit nichtigen menschlichen Streitereien zurecht«.

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caritatem, mortem nostram dissensionem, lites immisit in Christianos, festas multiplicavit, errores seminavit, haereses instituit 15, und es ist nit von nöthen das wir umb Wasser der Tyber zulauffen/ die Ketzerey stehet selber zugegen und thut den Busen auff/ da wird uns vergunt ohne weiter Müh und Arbeit hinein zusehen. Wir sehen anders nichts alß ein Nest der gifftigen Schlangen/

ein Band deß Teuffels/ ein Strick deß ewigen Tods/ ein Außleschung deß him-melischen Liechts/ ein Verwirrung deß Christlichen Gemüts/ ein Schlacht-banck der armen und unbehütsamen Seelen/ und mit einem Wort ein auf-fgezerten Rachen des heelischen Hunds. Denn weil sie das Fundament und Grundfest der Gnaden Gottes/ der Gerechtigkeit und alles gutes/ auch der ewigen Seligkeit zerstöret/ so wirdt der Mensch auß einem Tempel Gottes ein lauterer Abgrund der Sünden/ und ein rechte Lastergruben/ darin all untu-gentliche Werck nicht anderst als die Schlangen in ihrem Nest sich auffhalten/

neyren und aufziehen. Seitemal aber sie auch das Liecht ausleschet das uns den Weg der Wahrheit zeigen muß/ so geschicht dem Menschen/ daß er wie ein Blinder Verkauffer Sclave und wissens in die Strick des Teuffels fallet/ und kann sein verderben nicht warnemen/ meinet es sey ihm gar wol/ weil er das Messer und Beil die ihme zum ewigen Todt bereit sind/ und durch die Ketze-rey verdeckt werden/ nicht sicht. Gehet ihme also wenig aber/ daß ihn der hel-lische Trach/ wie gesagt ist/ nicht ganz und gar verschlinge und in die ewige Verdamnuß hinunder schturtze. Wiewol aber die Wort Christi so bey dem Mattheo gelesen werden/ wann der unrein Geist von einem Menschen aus-schret und widerkehret/ daß er sieben andere Geister/ die ärger seynd als er/

mit sich hinein bringe/ und solches Menschen letzte ding ärger seynd/ alß die ersten gewesen/ weitleuffitig und in gemeyn ir Bedeutung ausstrecken/ so ist doch kein zweiffel/ Christus der Herr hab sonderlich auff die Ketzer/ und so durch unglauben von der Christlichen angenommen Lehr wider außtretten/

gesehen/ daß es nemblich mit solchen Leuten viel ärger und gefährlich stehe nach er alß zuuor da sie niemals glaubt hetten/ gestanden ward/ dann also legt es auch der heylige Chrysostomus hie auß und stimmet die Erfahrnnuß zu.

So ist nun mehr klar und unlaugbar/ daß bey uns Christen das ärgste gefährlichste und schädlichste Ubel sey die Ketzerey/ und demnach allen Christen so lieb ihnen ihrer Selen Heyl ist auff das eusserste zuscheuen/

zufliehen und zu vermeiden: Auch desto mehr das der Apostel sagt/ es müs-sen Ketzereyen seyn/ auff daß die jenigen/ so bewerten seyn/ under euch offenbart werden. Dann weils so ein abscheuliches und gefährliches ubel ist/

und doch die Christliche Gemeyn ihres Einfals sich ohne underlaß besorgen

15 Übersetzung des Väterzitats: »Der Teufel kann uns Gott nicht spalten und uns nicht falsche Götter unterschieben. Er merkt, dass unser Weg die Nächstenliebe ist, unser Tod aber Spaltung. Er schickte den Christen Streitigkeiten und vervielfachte sie mit Nachdruck; er säte Irrtümer und begründete Irrlehren«.

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muß/ so erfordert die Noth selber daß man desto fleissiger Wacht halte/ ver-laut deß Spruchs Christi unsers Herren/ Wann der Haußvatter wisset/ zu was Stund der Dieb käme/ so wachet er ohne zweiffel/ und ließ sein Hauß nicht durchgraben /darum seyt bereit dann ihr wisset die Stund nicht/ etc. Es ist die Ursach wol zumercken warumb die Ketzerey der Kirchen so gefehr und so unvermeidtlich ist. Sie hat zweyerlei Art der Glieder/ etliche seynd from

muß/ so erfordert die Noth selber daß man desto fleissiger Wacht halte/ ver-laut deß Spruchs Christi unsers Herren/ Wann der Haußvatter wisset/ zu was Stund der Dieb käme/ so wachet er ohne zweiffel/ und ließ sein Hauß nicht durchgraben /darum seyt bereit dann ihr wisset die Stund nicht/ etc. Es ist die Ursach wol zumercken warumb die Ketzerey der Kirchen so gefehr und so unvermeidtlich ist. Sie hat zweyerlei Art der Glieder/ etliche seynd from

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