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6.1. Paraneoplastische Polyneuropathie - Veterinärmedizinische Literatur Bei Kleintieren sind neurologische paraneoplastische Syndrome selten. Die veterinärmedizinische Literatur bezieht sich dabei überwiegend auf einzelne Falldarstellungen. Eine eindeutige Klassifikation von neurologischen paraneo-plastischen Syndromen gibt es bislang noch nicht. Es scheint jedoch gesichert, dass im Gegensatz zur Humanmedizin das periphere Nervensystem stärker betroffen ist, als das zentrale Nervensystem. Auch sind bestimmte Tumorarten vermehrt für eine solche paraneoplastische Polyneuropathie verantwortlich. Kyle G. Braund führte 1987 erstmalig eine retrospektive Studie zum Thema der paraneoplastischen Polyneuro-pathie beim Hund durch. Diese nach neuropathologischen Gesichtspunkten durchge-führte Studie ergab, dass 76% der untersuchten, tumorerkrankten Hunde histo-pathologische Veränderungen der Nervenfasern aufwiesen. Eine Blutuntersuchung diente zum Ausschluß metabolischer Polyneuropathien. Die Ergebnisse dieser Unter-suchung wurden nach einem System von PJ Dyck (1984) klassifiziert. Als häufigste histopathologische Veränderungen zeigten sich die paranodale/segmentale De-myelinisierung, Remyelinisierung mit kurzen internodalen Unterbrechungen, axonale Degeneration mit kugelförmiger Veränderung der Myelinscheiden. Die Tumorart ist zudem ein entscheidendes Kriterium. Bei der Betrachtung der Prozentzahlen an histopathologischen Abweichungen der untersuchten Nervenfasern zeigte sich, dass Hunde mit Bronchialkarzinom bis zu 59% veränderte Nervenfasern aufwiesen, Hunde mit Mammatumor/Adenokarzinom ebenfalls bis zu 59%, mit malignem Melanom bis zu 48%, mit Insulinom bis zu 47%, mit Osteosarkom bis zu 39%, mit Adenokarzinom der Schilddrüse bis zu 35,5% und mit Mastzelltumor bis zu 33% (siehe Tab. 1) (Braund, 1987). Das klinische Bild von erkrankten Hunden zeigt sich in unterschiedlich ausgeprägten Tetraparesen bis Tetraplegien mit abgeschwächten Reflexen und neurogener Muskelatrophie. Elektrodiagnostisch können Veränderungen im EMG beobachtet werden. Fibrillationspotentiale und positiv

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scharfe Wellen sind Anzeichen einer Denervation und die Nervenleitgeschwindigkeit ist verlangsamt. Zur endgültigen Diagnosesicherung dient die Muskel-/ Nervenbiopsie (Mariani, 1999). Die Therapie der paraneoplastischen Polyneuropathie erfolgt durch die chirurgische Entfernung des Tumors, somit ist die Prognose dieser Polyneuropathie davon abhängig, ob der Tumor gut zu entfernen ist und keine Metstasen entstehen (Mariani, 1999). Auch die Behandlung mit Glukokortikosteroiden bei einem Hund mit Insulinom ist beschrieben worden, wobei eine kurzfristige Verbesserung der neurologischen Symptome beobachtet wurde (Van Ham und Braund, 1997). Es wird vermutet, dass die paraneoplastische Polyneuropathie durch Antikörper-vermittelte-Zellschädigung ausgelöst wird. Die Tumoren exprimieren Antigene, deren Strukturen auch im peripheren Nervensystem vorkommen. Eine Immunantwort, die gegen den Tumor gerichtet ist, schädigt dann auch periphere Nerven. In serologischen Studien der Humanmedizin konnten zirkulierende Antikörper gegen Myelin, Neurone, Ganglioside und Phospholipide festgestellt werden (Iwahashi, 1997). Die Krankheit bzw. Zellschädigung zeigte sich als übertragbar auf gesunde Tiere (Meerschweinchen) oder Zellkultursysteme (Braund et al., 1987). Am bekanntesten und am besten dokumentiert ist die paraneoplastische Polyneuropathie beim Hund in Zusammenhang mit Insulinomen (Shahar et al., 1985;

Braund, 1987; Schrauwen, 1991; Van Ham et al., 1997). Bei diesen meist älteren Hunden wird angenommen, dass neben dem paraneoplastischen Phänomen die Nerven durch die Hypoglykämie und die Hyperinsulinämie zusätzlich geschädigt und in ihrem Stoffwechsel beeinträchtigt werden (Braund, 1987). In der Humanmedizin ist bekannt, dass die paraneoplastische Polyneuropathie sehr häufig im subklinischen Bereich liegt, deutlich machen dies elektrodiagnostische Studien (Scaravilli et al., 1999). Da bislang prospektive klinische Studien beim Hund fehlen, soll die vorliegende Untersuchung die klinische Bedeutung der paraneoplastischen Polyneuropathie näher untersuchen.

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Tabelle 1: Prozentuale histopathologische Veränderungen bei verschiedenen Tumorarten

Art des Tumors Maximaler Prozentsatz veränderter

Nervenfasern

Bronchialkarzinom 59%

Mammatumor/ Adenokarzinom 59%

Melanom (maligne) 48%

Insulinom 47%

Osteosarkom 39%

Adenokarzinom der Schilddrüse 35,5%

Mastzelltumor 33%

6.2. Paraneoplastische Polyneuropathie – Humanmedizinische Literatur

Erstmalig berichteten im Jahre 1954 Henson, Russel und Wilkinson zusammen-fassend über 19 Fälle von Neuro- und Myopathien bei Karzinomträgern. Von vielen Autoren, die sich seither von neurologischer Seite mit dem Phänomen des paraneoplastischen Syndroms befasst haben, wird deren häufige Koinzidenz mit malignen Neoplasien des Lungen- und Bronchialsystems, namentlich dem klein-zelligen Bronchialkarzinom, hervorgehoben (Sharief et al., 1999). Außer dem Nerven-system können auch andere Organe und OrganNerven-systeme, wie z.B. beim Bronchial-karzinom paraneoplastische Veränderungen zeigen (Henson, 1979). Neurologische Krankheitsbilder, die häufig in Begleitung eines Neoplasmas auftreten, sind die Polyneuropathie, das Lambert-Eaton-Syndrom und die Polymyositis. Aber auch zentralnervale Strukturen können durch paraneoplastische Phänomene verändert werden, gleichfalls gehäuft auftretend bei zugrundeliegendem kleinzelligen

Bronchial-- 27 Bronchial-- Literaturübersicht

karzinom. Typische neurologische Symptomenbilder im Zusammenhang mit dem paraneoplastischen Syndrom sind :

A. Paraneoplastische Enzephalitis und Myelitis a) „limbische Enzephalitis“

b) Myelitis (oft cervical) c) Ganglioradikulitis

B. Progressive multifokale Leukoenzephalopathie C. Paraneoplastische zerebelläre Degeneration

D. Paraneoplastische amyotrophe Lateralsklerose (umstritten) E. Paraneoplastische Polyneuropathie

F. Lambert-Eaton-Syndrom G. Paraneoplastische Myopathien:

a) (Dermato-) Myositis

b) nicht-entzündliche Myopathie

Die Pathogenese eines solchen paraneoplastischen Phänomens wird folgendermaßen erklärt. An der Oberfläche von Tumorzellen können sich im Zuge der malignen Umwandlung Antigene bilden oder freigelegt werden, die Proteinstrukturen des gesunden Nervengewebes gleichen („molecular mimicry“). Die Folge ist eine

„Kreuzreaktion“ des zellulären Abwehrsystems gegen Tumorgewebe einerseits und gesundes Nervengewebe andererseits (Demeling, 1982). Im Zusammenhang mit der paraneoplastischen Neuropathie sind verschiedene neurale Antikörper identifiziert worden, die diese Hypothese unterstreichen. Es werden drei verschiedene Antikörper genannt, Anti-Hu, Anti-Ri und Anti-Yo (siehe Tabelle 2) (Giometto et al., 1996).

Diese neuralen Antikörper gehören zur Gruppe der antinukleären Antikörper (ANA) und sind gegen Zellkerne des Nervensystems gerichtet. Anti-Hu-Antikörper treten

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zumeist beim kleinzelligen Bronchialkarzinom mit sensorischer Neuropathie auf. Bei einer Enzephalopathie gemeinsam mit einer sensorischen Neuropathie findet man Anti-Hu und Anti-Ri-Antikörper vergesellschaftet mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom. Anti-Purkinje-Antikörper, die Anti-Yo genannt werden, gelten als Marker für Karzinome des weiblichen Genitaltraktes und werden in Zusammenhang mit subakuter zerebellärer Degeneration gebracht (Iwahashi, 1997).

Neuropathologisch dominiert bei der paraneoplastischen Polyneuropathie des Menschen die axonale Degeneration, die segmentale Demyelinisierung und eine Kombination dieser beiden (Scaravilli, 1999). Die klinische Relevanz macht eine Untersuchung von McLeod 1993 sichtbar. Diese Studie zeigte, dass von 52 unter-suchten Patienten 5% klinisch an einer paraneoplastischen Neuropathie erkrankten, 12% wurden bei einer gründlichen neurologischen Untersuchung und 30-40% nach einer elektrodiagnostischen Untersuchung auffällig. Somit kann man davon ausgehen, dass die Erkrankung der paraneoplastischen Neuropathie beim Menschen eher subklinisch verläuft.

Tabelle 2: Neurale Antikörper bei paraneoplastischen Erkrankungen des Menschen Antikörper Nähere Bezeichnung Vorkommen Literatur Anti-Hu Typ1

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7. Feststellung klinischer Befunde bei Polyneuropathie