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2 Metaphonie: eine Einführung .1 Allgemein

2.4 Metaphonie in der Romania und die Parameter ihrer Variation

2.4.3 Parameter der Variation III: Segmentaler Kontext

2.4.3 Parameter der Variation III: Segmentaler Kontext

Leonard (1978) definiert in seiner Untersuchung zur Metaphonie in der Romania die asym-metrische Metaphonie gegenüber der symasym-metrischen Metaphonie. Während die asymmetri-sche Metaphonie durch auslautendes /i/ ausgelöst wird, sind die Auslöser der symmetriasymmetri-schen Metaphonie sowohl auslautendes /i/ als auch auslautendes /u/.16

Die Metaphonie durch /i/ ist in der Westromania, genauer gesagt in Teilen Spaniens und in norditalienischen Dialekten zu beobachten (siehe Moro 2003: 70). Ebenso kann sie für das Altfranzösische und Altprovenzalische belegt werden. Hier handelt es sich um Spuren des Phänomens, die für einige starke Perfektformen der 1. und 2. Pers. Sg. (passé simple) sowie

14 In Norditalien kann die Monophthongierung von *[wo] zum gerundeten Vokal [ø] führen (Savoia & Maiden 1997: 18).

15 Bei den Beispielen aus dem Portugiesischen habe ich den Wortakzent eingefügt.

16 Maiden (1991) spricht hingegen von I-Metaphonie (= asymmetrische Metaphonie) und U-Metaphonie (= sym-metrische Metaphonie). Bei der U-Metaphonie impliziert die Metaphonie durch /u/ auch das Auftreten der Metaphonie durch /i/. In der vorliegenden Arbeit spreche ich weder von asymmetrischer bzw. symmetrischer Metaphonie noch von I- bzw. U-Metaphonie, sondern von Metaphonie ausgelöst durch /i/ bzw. /u/.

für Formen wie lat. vigĭnti > vint etc. belegt sind (Beispiele aus Moro 2003: 70; vgl. Leonard 1978: 97f; Schwan 1966: 41). In Tab. 2-2 ist stellvertretend für das Altfranzösische das Per-fekt-Paradigma von vedeir (‘sehen’) zusammen mit den jeweiligen lateinischen Formen dar-gestellt. Die durch Metaphonie angehobenen Vokale in betonter Stellung betreffen die 2. Pers.

Sg. sowie die 1. und 2. Pers. Pl. (jeweils farbig gekennzeichnet):

Tab. 2-2 Paradigma von ‘vedeir’ im Altfranzösischen (gegenüber Lat. ‘videre’).

(Perfekt Indikativ; Beispiele aus: Schwan 1966: 23317) Lat. Afrz.

1SG vídi vit 2SG vidésti vedís 3SG vídit vit 1PL vidémus vedímes 2PL vidéstis vedístes 3PL víderunt vidrent

Ebenso kann man für das Kastilische Spuren von Metaphonie nachweisen, die mit den Bege-benheiten im Altfranzösischen und Altprovenzalischen vergleichbar sind. Moro (2003: 71) führt zum Beispiel lat. vēni > vine(PERF. 1SG) an (siehe Leonard 1978: 97; Penny 1991: 43, 184, 187).

Spuren der Metaphonie durch /i/ sind außerdem für die norditalienischen Dialekte zu bele-gen (vgl. Moro 2003: 71). Maiden (1987: 41f) nennt in diesem Zusammenhang die liguri-schen Dialekte, die Dialekte der Poregion des südlichen Piemonts sowie die südlombardi-schen, emilianischen und romagnolischen Dialekte.18

In Mittelitalien ist die Metaphonie durch /i/ nur entlang der Adriaküste von den Marken bis in das nördliche Molise anzutreffen (vgl. Rohlfs 1966: 44; Moro 2003: 73).

Die Dialekte Süditaliens weisen in der Regel diejenige Form der Metaphonie auf, die durch /i/ und /u/ bedingt ist (siehe hierzu u. a. Rohlfs 1966: 15f, 45f). Auf diese Auslöser sind eben-so die kampanischen Dialekte eben-sowie der Dialekt von Piedimonte Matese zurückzuführen (Ka-pitel 9). Bei den meisten süditalienischen Dialekten ist an der Oberfläche nur auslautendes [´]

zu beobachten. Die potentiellen Auslöser /i/ und /u/ werden neutralisiert oder vollständig ge-tilgt. Für Moro (2003: 77) ist die Neutralisierung grundsätzlich ein Hinweis darauf, dass die

17 Die Notation von intervokalischem -d- steht phonetisch für [ð], das zu einem späteren Zeitpunkt verstummte (vgl. Schwan 1966: 80).

18 Dies gilt ebenso für das Altligurische (PERF.2SG. faisti) und Altlombardische (pisci, nigri, vedisti, credisti, critu, nui, vui, multi, tuti) (siehe Moro 2003: 71).

Metaphonie morphologisiert worden ist. Der segmentale Kontext ist nicht länger vorhanden, so dass die Metaphonie eine morphologische Funktion erfüllt. Aus meiner Sicht ist die Neut-ralisierung des segmentalen Kontextes nicht zwangsläufig ein Beleg dafür, dass die Metapho-nie morphologisiert wurde, da die Neutralisierung bzw. Tilgung als phonologische Regel der Metaphonie nachgeordnet sein kann, was meine Analyse in Kapitel 7 deutlich macht. Im Dia-lekt von Piedimonte Matese wurde die Metaphonie trotz zugrunde liegender phonologischer Kontexte morphologisiert (Kapitel 10). Maiden (1991) zeigt zudem, dass die Metaphonie auch in denjenigen Dialekten morphologisiert worden sein kann, die über voll realisierte End-vokale verfügen (vgl. Penny 1994: 278f).

Das Portugiesische und Rumänische weisen laut Moro (2003: 72) komplexere Formen der Metaphonie im Hinblick auf die auslautenden Vokale /i/ und /u/ auf.

So weist das Altportugiesische wie auch andere westromanische Sprachen die Metaphonie durch /i/ für Formen der 1. und 2. Pers. Sg. Perf. auf (altport./mod. port. fiz, altport. feziste (>

mod. port. fizeste), siehe Leonard 1978: 86). Für das mod. Portugiesische kommt dadurch der Kontrast zwischen der 1. (metaphonisch) und 3. Pers. Sg. (nicht metaphonisch) bei einigen stammbetonten Verben zustande: fiz vs. fez, estive vs. esteve, tive vs. teve, pus vs. pôs, pude vs. pôde (siehe Penny 1994: 274).

Gleichzeitig ist laut Moro (2003) auch die Metaphonie durch /u/ (< ō/ŭ) zu beobachten (z.B.

mĕtum > [»mEdo] > [»medu]; ĭpsum > esso > [»issu]; fŏcum > [»fçgo] > [fogu]; tōtum > todo >

[»tudu] (Beispiele aus: Moro 2003: 72)19).

In portugiesischen Dialekten ist aber auch die Absenkung mittlerer Vokale durch auslauten-des /a/ anzutreffen, die ebenfalls als Metaphonie interpretiert wird.

Das Rumänische weist hingegen die Diphthongierung von -e- zu -ea- durch [a] oder [´]

(orth. ă) (drept vs. dreaptă, sec vs. seacă) und -o- zu -oa- durch auslautendes [´] (orth. ă) und [e] auf (orb > oarbă, joc > joacă, joace; vgl. Leonard 1978: 20f; Beispiele aus Moro 2003:

73).

Die Metaphonie muss nicht zwangsläufig vom Endvokal ausgelöst werden. Walker (2005:

923) beobachtet in einem Dialekt des Veneto, dass die Metaphonie auch von einem nachtoni-gen hohen Vokal ausgelöst werden kann, zum Beispiel [»givimo] (haben\IMPERF.1PL-IMPERF. 1PL, ‘hatten’) gegenüber [»geva] (haben-IMPERF.3SG, ‘hatte’).

19 Bei den altportugiesischen Beispielen habe ich den Wortakzent eingefügt.

2.4.4 Morphologische Konsequenzen bzw. morphologische Konditionie-rung des Phänomens und seine semantische Rolle

Anhand der in (3) genannten historischen Auslöser der Metaphonie und der bislang darge-stellten Beispiele aus den verschiedenen romanischen Sprachen wird deutlich, dass die Meta-phonie in der Regel eine morphologische Funktion übernimmt, da es sich bei den Auslösern überwiegend um Flexionssuffixe handelt. Zumeist markiert die Metaphonie die Kategorien Person, Numerus und Genus. Dies wird besonders in denjenigen Dialekten deutlich, die über eine Reduktion (Tilgung oder Neutralisierung) der Endvokale verfügen, durch die der betonte Vokal zum alleinigen Träger der Information wird, was vor allem in süditalienischen Dialek-ten der Fall ist. In DialekDialek-ten, die über einen lexikalischen Schwund oder Zusammenfall der Endvokale verfügen, kann es sich bei der Metaphonie hingegen nur um eine reine morpholo-gische Regel handeln, oder die Metaphonie wurde vollständig lexikalisiert. Im Dialekt von Bologna sind die Endvokale zum großen Teil verloren gegangen. Kaze (1989: 83-113) nimmt für die Metaphonie als Anhebung eine rein morphologische Regel an, da kein Endvokal als Auslöser vorliegt, auf den die Variation zurückgeführt werden kann. Dies gilt ebenso für den Dialekt von La Valle Anzasca (Piemont) (siehe Kaze 1989: 114-128).

a) Metaphonie beim Nomen

In den meisten italienischen Dialekten kommt es hinsichtlich der Formen des maskulinen Plu-rals (o-/u- und e-Deklinationsklasse) zur Metaphonie. Diese weisen Metaphonie ausgelöst durch /i/ auf, was sowohl für norditalienische als auch für süditalienische Dialekte gilt. Meta-phonie durch /i/ und /u/ zeigen hingegen die meisten süditalienischen Dialekte, weshalb es hier zur Metaphonie auch beim maskulinen Singular (u-Deklinationsklasse) kommt.

Im Dialekt von Cutrofiano (Kapitel 11) zeigen aber auch einige feminine Pluralformen Me-taphonie, wobei es sich um lexikalisierte Formen handelt.

Maiden (1991: 172-175) beobachtet die Metaphonie bei femininen Pluralformen ebenso für Teile Lukaniens, Kalabriens, Apuliens, Kampaniens, Molises und für Teile der Abruzzen.

b) Metaphonie beim Verb

Beim Verb ist die Metaphonie vor allem für die 2. Pers. Sg. weit verbreitet. In einigen weni-gen Dialekten Italiens kommt sie auch in der 3. Pers. Pl. Präsens Indikativ vor, was etwa für Monteroduni (Provinz Isernia, Region Molise) am Beispiel [»ruorm´n´] zu beobachten ist (siehe Savoia & Maiden 1997: 20).

Laut Maiden (1991: 156) kommt die Metaphonie in Südkalabrien und Sizilien außerdem für die 1. Pers. Sg. vor, beispielsweise im Dialekt von Ragusa: [»two}nnu] (zurückkehren\PRES.

IND.1SG-PRES. IND.1SG,‘ich kehre zurück’)vs. [»two}nni](zurückkehren\PRES. IND.2SG-PRES.

IND. 2SG, ‘du kehrst zurück’) gegenüber [»to}nna] (zurückkehren-PRES. IND. 3SG, ‘er/sie/es kehrt zurück’). Dies gilt ebenso für den romagnolischen Dialekt von Lugo, zum Beispiel [gud] (genießen\PRES. IND. 1SG & 2SG, ‘ich genieße/du genießt’) vs. [goad] (genießen.PRES.

IND.3SG, ‘er genießt’), wo die Metaphonie der 1. Pers. Sg. auf Analogie zurückzuführen ist (siehe Savoia & Maiden 1997: 20).

Interessanterweise wird die Anhebung des Themavokals der 1. und 2. Pers. Pl. Präsens In-dikativ sowie in weiteren Tempora und Modi mit Ausnahme von Rohlfs (1966) und Moro (2003) selten mit der Metaphonie in Verbindung gebracht. Das Verhalten des Themavokals gibt jedoch einen entscheidenden Hinweis darauf, wie die Metaphonie im untersuchten Dia-lekt synchron zu interpretieren ist (10.3.1.1).

c) Semantische Rolle der Metaphonie

Die Metaphonie kann aber auch eine semantische Rolle einnehmen. Penny (1994: 276) be-schreibt für das Spanische von Valle de Pas (Kantabrien) die Distinktion von Massennomina und zählbaren Nomina aufgrund von Metaphonie. Während bei Massennomina der Auslaut-vokal /o/ zugrunde liegt, der keine Metaphonie auslöst, kommt es hingegen für zählbare No-mina durch auslautendes /u/ zur Metaphonie: [»keso] (‘Käse’, im Sinne von Nahrungsmittel = Massennomen, /-o/) vs. [»kisu] (‘Käse’ im Sinne einer bestimmten Sorte = zählbares Nomen, /-u/), [»pelo] (‘Haar’, im Sinne einer Substanz) vs. [»pilu] (‘Haar’, im Sinne eines bestimmten Haares) usw. Diese semantische Konditionierung ist für Piedimonte Matese nicht beobacht-bar, weshalb ich sie nicht weiter behandle.

2.5 Zusammenfassung

In Anlehnung an Reiss (1982) habe ich zunächst die Begriffe ‘arpinatische’ bzw. ‘neapolita-nische Metaphonie’ definiert, wobei es sich in Piedimonte Matese um erstere handelt, da das Phänomen hier ausschließlich als Anhebung anzutreffen ist. Zudem habe ich die historischen Umstände des Phänomens in Kampanien und in der Romania genannt.

Der anschließende Überblick über die Bandbreite der Variation des Phänomens und seiner Parameter, die sich heutzutage stark voneinander unterscheiden können, sollte dem Leser als

Orientierungshilfe dienen. Zudem kann auf diesem Wege die Metaphonie von Piedimonte Matese besser in das Gesamtbild eingefügt werden.

Die Parameter habe ich in Anlehnung an Savoia & Maiden (1997) als Input, Output und segmentalen Kontext unterschieden. Zudem habe ich in diesem Bezug auch einen Überblick über die Bandbreite der Variation bezüglich der morphologischen Konsequenzen bzw. mor-phologischen Konditionierung des Phänomens in der Romania dargestellt.

3 Theoretische Annahmen