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2 Metaphonie: eine Einführung .1 Allgemein

2.3 Metaphonie und Vokalismus in Kampanien .1 Allgemein

Das kampanische Dialektgebiet ist im Hinblick auf die Metaphonie nicht homogen. Wie er-wähnt unterscheidet man die arpinatische Metaphonie, die im nördlichen Teil der Region7 vor allem an der Grenze zur Region Molise aber auch im angrenzenden Latium anzutreffen ist, von der neapolitanischen Metaphonie. Es handelt sich dabei um die beiden vorherrschenden Metaphonietypen in Kampanien. Außerdem sind die Metaphonie des von Lausberg (1939) so bezeichneten Randgebiets sowie der Vokalismus des sizilianischen Typs im Süden Kampa-niens (siehe Barbato 2002: 36f) anzutreffen. Die Klassifizierung dieser Vokalismen fußt in erster Linie auf dem Verhältnis von Metaphonie und der diachronen Entwicklung des jeweili-gen Vokalismus. Um den Dialekt von Piedimonte Matese linguistisch einordnen zu können, gebe ich einen kurzen Überblick über das kampanische Dialektgebiet. Auf den Vokalismus des Randgebiets komme ich in Kapitel 11 im Zusammenhang mit der Metaphonie im Dialekt von Cutrofiano zurück.

Der in Kampanien vorherrschende Vokalismus hat sich historisch wie in Abb. 2-1 darge-stellt aus dem klassischen Lateinischen entwickelt (vgl. Lausberg 1969: 144f; Avolio 1995:

33; Radtke 1997: 53). Hierbei kam es zum „Kollaps“ des quantitativen Systems zugunsten eines qualitativen Systems betonter Vokale, der auch unter anderem für das Standarditalieni-sche bzw. ToskaniStandarditalieni-sche gültig ist (siehe Lausberg 1969: 144f).

Abb. 2-1 Entwicklung des Systems betonter Vokale im vorherrschenden Vokalsystem des Kamp-anischen8

Klassisches Lat. ī ĭ ē ĕ ā ă ŏ ō ŭ ū

Kampanisch i e E a ç o u

7 Im Hinblick auf die Dialekte der Provinz Benevento siehe Maturi (2002).

8 Da sich die Begriffe ‘arpinatisch’ und ‘neapolitanisch’ auf die Metaphonie beziehen, verwende ich sie nicht im Zusammenhang mit dem Vokalsystem.

Bei der Metaphonie kommt es zu den in (1) und (2) dargestellten Alternationen durch Anhe-bung (arpinatisch) bzw. AnheAnhe-bung und Diphthongierung (neapolitanisch).

Der Vokalismus des Randgebiets ist hingegen dadurch charakterisierbar, dass aus histori-scher Sicht ĭ, ē mit ĕ zu /E/und ŭ, ō mit ŏ zu /ç/zusammengefallen sind. Das Randgebiet um-fasst Vallo di Diano, wo ebenso das vorherrschende kampanische Vokalsystem anzutreffen ist, Teile der Basilikata, das nördliche Salento sowie weiter im Süden sich befindende Gebiete (siehe Barbato 2002: 36 [Lüdtke 1979; Stussi 1982: 157]).

Abb. 2-2 Entwicklung des Systems betonter Vokale des Randgebiets

Klassisches Lat. ī ĭ ē ĕ ā ă ŏ ō ŭ ū

Kamp. i E a ç u

Bei der Metaphonie kommt es hier zur Alternation von [E] (< ĭ, ē) und [i] bzw. von [E] (< ĕ) und [je] (siehe Tab. 2-1; vgl. Barbato 2002). Eine entsprechende Variation gilt ebenso für die hinteren Vokale, nämlich von [ç] (< ō, ŭ) und [u] bzw. von [ç] (< ŏ) und [wo].

Der sizilianische Vokalismus umfasst das südliche Cilento und reicht bis in die Basilikata hinein (siehe Barbato 2002: 35f [Franceschi 1965: 154; Rohlfs 1966: 10; Avolio 1995: 60]).

Dieser Vokalismus ist aus historischer Sicht durch den Zusammenfall von lat. ī, ĭ, ē zu /i/ und ō, ŭ, ū zu /u/ gegenüber den anderen kampanischen Dialekten gekennzeichnet.

Abb. 2-3 Entwicklung des Sizilianischen Vokalsystems

Klassisches Lat. ī ĭ ē ĕ ā ă ŏ ō ŭ ū

Kamp. i E a ç u

Bei der Metaphonie kommt es zur Alternation von /E/und [je] (siehe Tab. 2-1). Die folgende an Barbato (2002) angelehnte Tabelle gibt die Metaphonie in Abhängigkeit von der histori-schen Entwicklung der jeweiligen Vokalsysteme wieder.9

9 Barbato (2002) stellt nur die Metaphonie der vorderen Vokale dar.

Tab. 2-1 Metaphonie und Vokalismus in Kampanien (in Anlehnung an Barbato, 2002: 36) Ī (filo / fili) Ĭ (pesce / pesci) Ē (mese / mesi) Ĕ (piede / piedi) Arpinatisch [»fi˘l´] / [»fi˘l´] [»peSS´] / [»piSS´] [»me˘s´] / [»mi˘s´] [»pE˘d´] / [»pe˘d´]

Neapolitanisch [»fi˘l´] / [»fi˘l´] [»peSS´] / [»piSS´] [»me˘s´] / [»mi˘s´] [»pE˘d´] / [»pje˘d´]

Randgebiet [»fi˘l´] / [»fi˘l´] [»peSS´] / [»piSS´] [»mE˘s´] / [»mi˘s´] [»pE˘d´] / [»pje˘d´]

Sizilianisch [»fi˘lu] / [»fi˘lu] [»piSSi] / [»piSSi] [»mi˘si] / [»mi˘si] [»pE˘di] / [»pje˘di]

2.3.2 Metaphonie im Dialekt von Piedimonte Matese

In den folgenden Abschnitten spreche ich in Anlehnung an Savoia & Maiden (1997) von Pa-rametern der Variation. Gemeint sind Input, Output und der segmentale Kontext bzw. die morphologischen Bedingungen sowie die morphologischen Konsequenzen der Metaphonie.10 Dabei gehe ich vor allem auf die synchronen Zustände ein. Aus historischer Sicht gehört der Dialekt von Piedimonte Matese zu dem in Kampanien vorherrschenden Vokalismus (2.3.1, Kapitel 4).

a) Input und Output

Im kampanischen Dialekt von Piedimonte Matese kommt es bei der Metaphonie zur Anhe-bung der mittleren Vokale /E/, /e/ zu [e], [i] bzw. von /ç/, /o/ zu [o], [u] in betonter Stellung (siehe Kapitel 1, Beispiele in (1) und (2)). Dementsprechend handelt es sich um die Metapho-nie des arpinatischen Typs. Die Diphthongierung ist hier, anders als bei der MetaphoMetapho-nie des neapolitanischen Typs und in den meisten kampanischen Dialekten (vgl. u. a. Radtke 1997:

56-59, Savoia & Maiden 1997: 18; Russo 2001, 2002b; Maturi 2002; Moro 2003), nicht anzu-treffen. Das Phänomen tritt innerhalb des Konjugationssystems sowie bei Nomina, Adjektiven und Pronomina auf. Dabei geht die Metaphonie einher mit einer Alternation grammatischer Kategorien (Numerus, Person, Genus) (siehe Beispiele in (1)).

10 Den Begriff ‘Parameter’ verwende ich auch dann, wenn beispielsweise aufgrund des segmentalen Kontextes eine Variation zu erwarten wäre, diese jedoch ausbleibt.

b) Segmentaler Kontext und Morphologisierung

Wie in Abschnitt 2.2.1 erwähnt, können die Auslöser der Metaphonie historisch auf /i/ und /u/

zurückgeführt werden. Im Dialekt von Piedimonte Matese fallen am Wortende alle Vokale unter bestimmten prosodischen Bedingungen zusammen oder werden getilgt (siehe Kapitel 7).

Eine phonologische Begründung der Metaphonie ist meiner Auffassung nach nicht möglich, auch wenn das Phänomen im Hinblick auf Nomina und Adjektive phonologisch transparent ist und ausschließlich vor hohen Vokalen auftritt (siehe Kapitel 10). Die Begründung liegt im Konjugationssystem dieses Dialekts. Hier ist die Metaphonie auch dann anzutreffen, wenn auf synchroner Ebene kein hoher Vokal als Auslöser zugrunde liegt. Dies ist beispielsweise beim Themavokal der 2. Pers. Pl. Präsens Indikativ der Fall. Aus diachroner Sicht kam es hier, wie auch im Italienischen, zum Schwund von auslautendem -s der Endung lat. -ētis, was wieder-um zur Längung von nachtonigem -i führte. Auslautendes -ī ist ebenfalls für die Formen der 2. Pers. Sg. als historischer Auslöser anzunehmen. Die Endung -ī der 2. Pers. Pl. wurde zu einem späteren Zeitpunkt zu [e] abgesenkt, weshalb ich synchron die lexikalische Repräsenta-tion /e/ im Auslaut in dieser Zelle annehme, die kein Metaphonieauslöser ist.11

(4) /e/ → [i] /ve»rete/ → [vE»ri˘t´]12 sehen\PRES. IND.2PL-´ ‘ihr seht’

Ein weiterer Grund ist die Suffigierung mittels -one sowie einige Ausnahmen des Phänomens, die einen morphologischen Kontrast herbeiführen (Kapitel 10).

Jedoch ist hier auch die Metaphonie in Form von Stammselektion eine mögliche Alternati-ve, da das Phänomen zum Teil lexikalisiert worden ist (siehe Kapitel 10). Um dies zu belegen, ist aus meiner Sicht ein Instrumentarium notwendig, das ich in Abschnitt 10.3.2.1 mit der Derivation als Verfahren der Wortbildung einführe. Die Verwendung eines derartigen Instru-mentariums ist bislang in der Metaphonieforschung nicht anzutreffen und fehlt damit auch in Bezug auf die im Folgenden darzustellende Variation der Metaphonie in der Romania.

11 Eine ausführliche Darstellung und Diskussion dieses Sachverhaltes findet sich in Abschnitt 10.3.1.1.

12 Lat. vidētis.