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0   EINLEITUNG

0.2   P RÄZISIERUNG DER  F RAGESTELLUNG

In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit den gesprochensprachlichen Eigenschaf-ten im fremdsprachlichen Deutschunterricht. Vorderwülbecke (2008) hat festgestellt, dass die Lernenden einer Fremdsprache Schwierigkeiten bei der mündlichen Kommunikation haben, Lee (2008: 156) behauptet, dass beispielsweise eine „Vermittlung der Nebensätze mit proso-dischen Merkmalen“3 effektiv für das Lernen dieser Art von Sätzen ist.

Das Datenmaterial, das für diese Arbeit verwendet wurde, besteht aus Lehrwerkdialogen und den verschiedenen Lehrwerken beiliegenden Audiomaterialien. Die Kriterien für die Auswahl dieser Lehrwerke bzw. Dialoge werden in Kapitel (4.1) besprochen.

Ich befasse mich lediglich mit den Eigenschaften und Merkmalen der gesprochenen Sprache und werde untersuchen, ob

- die Modell-Dialoge der Lehrwerke über Eigenschaften und Merkmale des Mündlichen (Operator-Skopus-Struktur, Prosodie und Sprecherwechsel) verfügen und

- inwieweit sie von den Lernenden mithilfe der verschiedenen Aufgaben in den Lehrwerken geübt und erworben werden.

Es wird angenommen, dass im fremdsprachlichen Deutschunterricht realitätsnahe Dialoge, die Merkmale der gesprochenen Sprache aufweisen, sehr früh verwendet werden sollten – min-destens zur Schulung des Hörverstehens (Richter 2002). Lässt sich das System der gesproche-nen Sprache und Interaktion in den Dialogen der Lehrwerke nachweisen, so ist zu erwarten, dass sie auch Lerngegenstand im deutschen Fremdsprachenlehrwerk sind. Wenn sie nicht geübt oder erklärt werden, könnte dies der Grund für die Defizite sein, die die fremdsprachli-chen Lernenden zeigen. Ich werde deshalb untersufremdsprachli-chen, wie sie in den Dialogen und Übungen der Lehrwerke präsentiert werden und welche Arten von Übungen überhaupt realisiert wer-den.

Aufgabe dieser Arbeit ist nicht die Suche nach Lösungen für die angesprochenen Defizite, die möglicherweise in den Lehrwerkdialogen zu finden sind, sondern eine Beschreibung der Lehrwerkdialoge, ihrer Merkmale und Eigenschaften.

3 Man spricht in einem Nebensatz die Konjunktion und das Subjekt hintereinander mit einer schwebenden Into-nation. Danach kommt eine Pause. In koordinierten Sätzen spricht man dagegen das Subjekt und das Verb hintereinander und danach taucht eine Pause auf (Lee 2008: 146).

17 0.3 Strukturelle Gestaltung der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Im ersten Kapitel „Die kommunikative Wende im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht“ befasse ich mich mit der Entwicklung des fremd-sprachlichen Deutschunterrichts und seinen unterschiedlichen fremdfremd-sprachlichen Methoden.

Vor dieser kommunikativen Wende kam der gesprochenen Sprache keine besondere Bedeu-tung im Fremdsprachenunterricht zu. In diesem Kapitel werden auch die theoretischen kon-zeptuellen Grundlagen der kommunikativen Wende behandelt, die einen großen Einfluss auf den fremdsprachlichen Deutschunterricht in seiner Entwicklung hatten und immer noch ha-ben.

Das zweite Kapitel „Sprechen als Fertigkeit im Fremdsprachenunterricht“ beschäftigt sich mit der Entfaltung der Fertigkeit ‚Sprechen‘ in den unterschiedlichen Methoden des fremdsprach-lichen Deutschunterrichts. Das dritte Kapitel „Gesprochene-Sprache-Forschung und sprächsanalyse“ widmet sich den neuen Erkenntnissen in der Linguistik, die auf die Ge-sprächsforschung und Gesprochene-Sprache-Forschung zurückgehen. In diesem Kapitel arbeite ich die Merkmale der gesprochenen Sprache heraus, die im Analysekapitel der Unter-suchung der Lehrwerkdialoge zugrunde liegen. Eine Auswahl von Charakteristika der gespro-chenen Sprache werden im dritten Kapitel beschrieben: die Operator-Skopus-Struktur, der Sprecherwechsel und die Prosodie.

Im vierten Kapitel „Auswahl der Datenbasis und Methoden der Analyse von Lehrmaterialien“

stelle ich die Fragestellung meiner Arbeit und das methodische Vorgehen dar. In diesem Ab-schnitt erkläre ich die Kriterien für meine Auswahl der Daten und für die Analyse. Im fünften Kapitel „Datenanalyse: Dialoge in Lernmaterialien“ untersuche ich die Dialoge und entspre-chenden Übungen im Hinblick auf die Eigenschaften, die ich im dritten Kapitel beschrieben habe. Anschließend werden im sechsten Kapitel „Zusammenfassung der Ergebnisse“ sämtli-che Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und daraus Schlussfolgerungen abgeleitet.

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1 Die kommunikative Wende im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht

Mit der kommunikativen Wende nahm die gesprochene Sprache, die vorher keine relevante Rolle im fremdsprachlichen Deutschunterricht spielte, eine Sonderstellung im Fremdspra-chenunterricht ein. Die Erforschung der Eigenheiten gesprochener Sprache bildet einen relativ jungen Forschungsstrang innerhalb der Linguistik und müsste einen Einfluss auf den fremd-sprachlichen Deutschunterricht haben. Bevor ich auf diesen Zusammenhang eingehe, soll die kommunikative Wende erläutert werden. Eine historische Betrachtung bestätigt, dass die ge-sprochene Sprache einen Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht hatte (ausführlich zur gesprochenen Sprache siehe Kapitel 3).

Im letzten Jahrhundert hat sich der Fremdsprachenunterricht in vielfältiger Weise entwickelt (Neuner/Hunfeld 1993), allein die Zahl der Abschlussprüfungen hat sich in einem kurzen Zeitraum verdreifacht (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Zahl der abgelegten Prüfungen der deutschen Sprache (Goethe-Institut 2008/09: Jahrbuch)

Auch anhand der verschiedenen Methoden des Fremdsprachenunterrichts und der technischen Entwicklungen, die diesen begleitet haben, ist festzustellen, wie groß die diesbezüglichen Fortschritte waren (dazu auch Vorderwülbecke 2008: 280ff). Vor etwa vierzig Jahren bildete

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sich eine wegweisende neue Methode heraus: die sogenannte kommunikative Methode. Sie entfaltete viele Strömungen und wurde von behavioristischen Lerntheorien und anschließend audiovisuellen Methodenkonzepten beeinflusst (vgl. Neuner/Hunfeld 1993: 84).

Das Hauptziel dieser Wende war es, die Lerner einer Fremdsprache in die Lage zu versetzen, in den verschiedenen Kommunikationssituationen angemessen zu handeln und sich gemäß der Zielsprachen-Norm zu verhalten, also bewusst in der Fremdsprache mit angemessenen verba-len und nonverbaverba-len Äußerungen zu (re-)agieren (Hasse 2007: 266). Dabei wurde und wird berücksichtigt, dass die Fremdsprache Deutsch nicht nur in Deutschland für Ausländer gelehrt wird, sondern auch in anderen Ländern, in denen die Deutschlernenden keinen direkten Zu-gang zur deutschen Kultur und Sprache haben. Deshalb brauchen diese Deutschlerner eine Methode, die sie befähigt, das Ziel der kommunikativen Wende systematisch zu erreichen.

Eine mögliche Lösung dafür besteht darin, die Lerner mit passenden Übungen in den Lehr-werken bzw. Lehrmaterialien im Deutschunterricht auf die Kommunikation mit Deutschspra-chigen vorzubereitet. In diesem Kapitel beschäftige ich mich mit der kommunikativen Me-thode, die das Ziel hat, die entsprechende kommunikative Kompetenz zu schulen.

Zunächst soll die Entwicklung des Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts von einem munikationsabgewandten zu einem kommunikationsbetonten Unterricht mit dem Ziel, kom-munikative Kompetenz (siehe Abschnitt 1.1.2) zu vermitteln, bis zum kommunikativen An-satz kurz nachgezeichnet werden.

1.1 Entwicklung des fremdsprachlichen Deutschunterrichts

Vor der kommunikativen Wende war bis in die sechziger Jahre hinein der „Frontalunterricht“

die dominante Sozialform des fremdsprachlichen Unterrichts. Dieser wurde durch die ver-schiedenen Unterrichtsmethoden weiterentwickelt, wobei sich jede Methode für eine oder mehrere Facetten des Fremdsprachenunterrichts interessierte.

Eine dieser Methoden ist die Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM). Ihre Anfänge gehen auf die Zeit der Renaissance zurück und sie bildet in der Zeit von 1840 bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts (Fotos 2005: 661) die Hauptmethode im Fremdsprachenunter-richt. Die Hauptfertigkeiten, die mittels dieser Methode trainiert werden, sind Lesen und Übersetzen. Hier lernen die Fremdsprachenlerner die Sprache, indem sie mit Hilfe verschie-dener Übungen zum Übersetzen die Vokabeln (also den fremdsprachlichen Wortschatz) und die Grammatik beherrschen lernen (Neuner/Hunfeld 1993). Die Haupttexte in der GÜM sind literarische Texte. Heutzutage werden hauptsächlich sogenannte „tote Sprachen“ wie Latein oder Altgriechisch anhand der Grammatik-Übersetzungs-Methode gelernt, da der

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ne (alte) Text die wichtigste Rolle spielt und nicht die gesprochene Sprache oder das Spre-chen (Neuner/Hunfeld 1993).

Die nächste Entwicklung im Fremdsprachenunterricht vollzog sich zu Beginn des 20. Jahr-hunderts. Die neue Methode damals war die „Direkte Methode“, bei der im Gegensatz zur Grammatik-Übersetzungs-Methode Audio-Texte eine wichtige Stellung einnahmen. Bei die-ser Methode wird auf die korrekte Aussprache Wert gelegt. Die Muttersprache wird nun vom fremdsprachlichen Unterricht ausgeschlossen, da sie als Störfaktor beim Erwerb der fremden Sprache empfunden wird (Neuner/Hunfeld 1993). Die Darstellung der Grammatik erfolgt anhand von Tabellen und visuellen Hilfsmitteln.

Im Anschluss an die Direkte Methode kam nach dem Zweiten Weltkrieg die audiolinguale Methode auf. Dies ist auf dem Hintergrund der Erkenntnis zu betrachten, wie wichtig es ist, dass Soldaten eine Fremdsprache schnell und gut beherrschen, da sie in fremden Gebieten lebenswichtig ist. Diese Methode wurde von den behavioristischen und strukturalistischen Theorien beeinflusst, die besagen, dass eine Sprache ein System von sprachlichen Gewohn-heiten ist, die man durch das Imitieren und Nachahmen erwerben kann (Neuner/Hunfeld 1993). Die wichtigsten Merkmale dieser Methode sind die Dialogform und die Konzentration auf die Aussprache und das Sprechen. Die alltäglichen Modelldialoge werden bei dieser Me-thode auswendig gelernt und dann von den Lernenden selbst nachgespielt. Dadurch werden die Lerner in fremdsprachige Alltagssituationen versetzt (Neuner 2002).

Aufgrund der grenzüberschreitenden Entwicklungen im Transportbereich und im Hinblick z.B. auf den zunehmenden Massentourismus und den wachsenden Austausch von Studieren-den (Abb. 1; Tab. 1) erhöht sich die Wichtigkeit, die fremde Alltagssprache zu lernen. Mit den neunen Methoden des Fremdsprachenunterrichtes haben die Fremdsprachenlerner ent-sprechend die Möglichkeit, mit den Muttersprachlern Kontakt aufzunehmen, was vorher nicht in diesem Maße der Fall war. Auf diese Entwicklung des zunehmenden persönlichen Kontak-tes mit der fremdsprachigen Welt galt es für die Fremdsprachendidaktiker nun im Unterricht zu reagieren. Dazu wurden neue Übungsformen erdacht und Lehrwerkdialoge entsprechend dieses neuen Ziels gestaltet. Im Anschluss an diesen audio-lingualen/audio-visuellen4 Metho-denschritt trat der Fremdsprachenunterricht in die kommunikative Wende. So fand ein neuer Begriff seinen Weg in die Wissenschaft, der sich auf das Lernen der Kommunikation im Fremdsprachenunterricht bezieht: die kommunikative Kompetenz. Darauf gehe ich in Ab-schnitt 1.1.2 ein.

4 Die Audio-linguale Methode hat sich in Amerika entwickelt. Ihre Prinzipien besagen, dass man hört und mündlich wiederholt oder imitiert. Die Audio-visuelle Methode hat sich in Frankreich entwickelt und wendet Bilder oder Zeichnungen als Hilfe für das Gehörte an (Neuner/Hunfeld 1993).

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Anfang der siebziger Jahre gab die Pragmatik der linguistischen Forschung neue Impulse, aus der u.a. die Sprechakttheorie entstanden ist und die einen großen Einfluss auf den Fremdspra-chenunterricht ausgeübt hat.

1.1.1 Sprechakttheorie

Die Sprechakttheorie wurde zuerst von John Austin in seinem Werk „How to do things with words“ dargestellt, bevor sich John Searle dieser Theorie in seinem Buch „Speech acts“ wid-mete. Sie beschäftigt sich mit menschlichen Äußerungen als kommunikative Handlungen.

Daraus ergibt sich ihre Bedeutung für die Gesprächsanalyse und die Gesprochene-Sprache-Forschung (siehe Abschnitt 1.1.1.2) und letztlich auch für die vorliegende Arbeit.

In der Sprechakttheorie spielen die Sprechabsichten bzw. -intentionen eine große Rolle. Ihr zufolge ist jede Äußerung nicht nur konstativ,5 sondern kann auch performativ sein, wie z. B.

„Kommen Sie mit!“. Diese Äußerung kann nicht als falsch oder wahr betrachtet werden, son-dern als gelungen oder misslungen. Mit solchen ‚performativen‘ Äußerungen wird die Hand-lungsqualität erklärt, also „was man tut, indem man sagt, dass man es tut“ (Staffeldt 2008:

37). Dabei spielen die Verben die Hauptrolle bei Handlungsvermittlungen wie z. B. bitten, versprechen.

Die performative Handlung besteht bei Austin aus drei Akten: dem lokutionären, dem illoku-tionären und dem perlokuilloku-tionären. Unter dem Begriff lokutionärer Akt sind alle geäußerten sprachlichen Einheiten zusammengefasst. Der illokutionäre Akt bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Lokution einer Äußerung ausgesprochen wird bzw. auf „die Handlung, die man vollzieht, indem man etwas sagt“ (Bergmann/Eckard 2001: 886). Der perlokutionäre Akt beschreibt die Wirkung des illokutionären Aktes beim Adressaten (Bergmann/Eckard 2001:

886).

1.1.1.1 Die Klassifikationen der Sprechakte

Die Sprechakttheorie geht, wie bereits erwähnt, von verschiedenen Akten aus. Im Folgenden sollen die Kriterien für den illokutionären Akt vorgestellt werden. Searle hat zwölf Unter-scheidungskriterien eingeführt (vgl. auch Staffeldt 2008: 71), wovon die drei wichtigsten hier vorgestellt werden:

1. Der illokutionäre Witz: Der Zweck einer Handlung wird mit dem illokutionären Witz be-zeichnet. Es geht um den Kern einer Sprachhandlung.

5 Konstativ bedeutet, dass eine Äußerung als falsch oder wahr betrachten werden kann.

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2. Ausrichtung: Dieses Kriterium bezieht sich auf die Beziehung zwischen Wort und realer Welt. Es wird auch Anpassungsrichtung genannt. Wenn sich die Worte des Sprechers der Welt anpassen, dann nennt man diese Ausrichtung Wort-auf-Welt. Passt sich die Welt den Worten an, nennt man sie Welt-auf-Wort.

Bei expressiven Sprechakten spielen die Beziehungen von Wort und realer Welt keine Rol-le. Denn es geht hier um die Gefühle von Sprecher und Hörer. Bei Deklarativa passt das Gesagte zur Welt, wenn es ausgesprochen wird, und gleichzeitig ändert sich die Welt ent-sprechend des Gesprochenen.

3. Zum Ausdruck gebrachter psychischer Zustand: Hier geht es um den inneren Zustand des Sprechers. Bei Assertiva beruht er beispielsweise darauf, dass der Sprecher daran glaubt, was er sagt.

Jeder Sprechakt hat seine eigene Aufrichtigkeitsbedingung. Wenn Sie nun einen Sprechakt vollziehen, drücken Sie damit auch aus, dass Sie sich in einem ent-sprechenden Zustand befinden. Dem Zustand nämlich, der die Aufrichtigkeits-bedingung für diesen Sprechakt ist. (Staffeldt 2008: 78)

Die Illokution wird nach diesen Kriterien in fünf Kategorien geteilt, die wir in Tab. 2 sehen können (vgl. Staffeldt 2008: 81).

Tab. 2: Taxonomie der Illokutionen nach den Searleschen Kriterien

Zweck Ausrichtung psychischer Zustand Beispiele

Repräsentati-va/Assertiva sagen, wie es sich

verhält Wort-auf-Welt Glaube behaupten, mitteilen Direktiva jemanden zu einer

Hand-lung/Unterlassung bewegen

Welt-auf-Wort Wunsch bitten, befehlen, raten

Kommissiva sich selbst auf eine

Hand-lung/Unterlassung festlegen

Welt-auf-Wort Absicht versprechen, anbie-ten, drohen

Expressiva Ausdruck der eige-nen Gefühlslage

keine Zustand grüßen,

beglück-wünschen Deklarativa mit dem Sagen die

Welt entsprechend dem Gesagten ver-ändern

beide (Glaube) entlassen, taufen

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Die Begriffe der Tabelle 2 erläutere ich im Folgenden genauer:

- Repräsentativa/Assertiva: Ein Gedanke ist durch eine propositionale Struktur6 gekenn-zeichnet, die den Inhalt des Gedankens bezeichnet (vgl. auch Staffeldt 2008: 73). Bei einer Äußerung wie „Peter kommt heute nicht“ kann man dies entweder vermuten, annehmen, glauben, wissen oder befürchten. Dies sind die sogenannten „intentionalen Zustände“.

Werden die intentionalen Zustände mit der propositionalen Struktur kombiniert, so entsteht der Zweck, der mit dem Gedanken zusammenhängt. Die folgenden Verben sind Beispiele für diese Repräsentation: feststellen, behaupten, berichten, aussagen, schließen usw.

- Direktiva: Ein anderer Teil dieser intentionalen Zustände sind Motivationen. Sie treiben den anderen an, die Handlung durchzuführen. Das heißt, wenn jemand die Absicht hat, et-was in der Zukunft zu tun, es aber andere machen lässt, dann fordert er andere auf, es zu tun. Das ist einer von zwei Zwecken, die mit dem Handeln zusammenhängen. Verben, mit denen der Sprecher dies durchführen kann, sind bitten, befehlen (alle Verben dann jedoch im Imperativ).

- Kommissiva: Wenn der Sprecher jedoch die Absicht hat, diese zukünftigen Handlungen selbst durchzuführen, dann kündigt er sie an. Dabei werden Verben wie z. B. verspre-chen, geloben, schwören, drohen usw. verwendet.

- Expressiva: Zu den intentionalen Zuständen gehören auch Gefühle, wobei einige proposi-tionale Strukturen unvollständig sind, da das Prädikat keine Erwähnung findet. Wenn bei-spielsweise Person X sich freut, dass ihr Sohn nicht raucht, dann ist die propositionale Struktur hier vollständig. Aber wenn Person X ihren Sohn liebt, dann ist die Struktur un-vollständig. Es handelt sich hierbei um bestimmte Verben, die Emotionen ausdrücken. Der Ausdruck der Interagierenden bleibt jedoch unvollständig, wenn die emotionale Beziehung nicht entsprechend kommuniziert werden kann. Das drückt den mit dem Fühlen zusam-menhängenden Zweck aus. Hier wird versucht, die Emotionen eines anderen zu beeinflus-sen. Wenn man jemandem zu etwas gratuliert, dann wäre es überraschend, wenn dieser sich darüber nicht freut. Die Verben, die man hier verwendet, sind beispielsweise danken, gratulieren, entschuldigen, kondolieren.

- Deklarativa: Hier versucht man durch das Gesagte die Welt in Entsprechung zu dem Ge-sagten zu ändern. Dabei wird z. B. der soziale Zustand einer Sache verändert: „Hiermit taufe ich dieses Schiff auf den Namen …“. Typische Beispiele für die Verben, die man in diesem Fall benutzen kann, sind: taufen, ernennen, nominieren, enterben.

6 Eine propositionale Struktur besteht aus Referenz (Thema) und Prädikat (die Information über die Referenz).

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1.1.1.2 Die Relevanz der Sprechakttheorie für die Gesprächsforschung

Die Sprechakttheorie hat eine große Bedeutung für die linguistische Gesprächsanalyse, da sie die Struktur und den Charakter der Gesprächshandlungen präzise beschreibt (Berg-mann/Eckard 2001: 887). Jede Ausrichtung in der Gesprächsforschung übernimmt eine Reihe von Grundannahmen der Sprechakttheorie. Ich werde im Folgenden zeigen, warum die Sprechakttheorie für die Gesprächsforschung eine wichtige Rolle spielt:

- Die Sprechakttheorie beschäftigt sich mit den Bedingungen des sprachlichen Handelns und mit den Bedingungen, die den Sprechakt gelingen lassen. Diese Theorie hilft demnach zu verstehen, was Interagierende tun, wenn sie miteinander sprechen.

- Für die Sprechakttheorie ist sprachliches Handeln eine Form intentionalen Verhaltens.

Deshalb wird eine Äußerung als der Vollzug einer bestimmten sprachlichen Handlung trachtet. Für die Gesprächsforschung ist die Frage wichtig, ob dialogisches Handeln be-stimmte Regeln hat, die, wenn sie befolgt werden, dafür sorgen, dass Äußerungen aller Interagierenden eine Realisierung bestimmter sprachlicher Handlungsmuster sind.

- Die Annahme der Zerlegung eines Sprechaktes in Teilakte ist für die Gesprächsforschung von großer Bedeutung.

Die analytische Unterscheidung eines Sprechakts in den Äußerungsakt, den propositionalen Akt und den illokutionären Akt […] führt hinsichtlich der Er-forschung von Gesprächen zur Unterscheidung zwischen der grammatischen (syntaktischen) Ebene, auf der die Verknüpfungsbeziehungen aufeinanderfol-gender Gesprächsbeiträge untersucht werden, der semantisch-thematischen Ebene, auf der Relationen von Teilinhalten eines Gesprächs in den Blick ge-nommen werden, und der kommunikativ-pragmatischen Ebene, auf der die Handlungsstruktur von Gesprächen, der jeweils spezifische Handlungscharakter bzw. -zusammenhang einzelner Äußerungen, einzelner Sequenzen oder größe-rer Phasen analysiert wird. (Bergmann/Eckard 2001: 887)

- Gespräche bestehen in einfachster Form aus Sprecher 1 und Sprecher 2, die abwechselnd miteinander sprechen und dabei bestimmte Sprechakte vollziehen. Der Sprechakt gilt als die kleinste und grundlegendste Einheit der Kommunikation.

- Die Unterscheidung zwischen dem illokutionären Akt und der illokutionären Kraft7 in der Sprechakttheorie dient dazu, durch die illokutionäre Kraft die einzelnen realisierten Äuße-rungen in einem Gespräch schrittweise zu beschreiben. Dabei kann festgestellt werden, welche illokutionären Akte vollzogen werden, um bestimmte Zwecke zu erreichen.

7 Die illokutionäre Kraft wird als Eigenschaft einer Äußerung verstanden. Anders als der illokutionäre Akt, den der Sprecher durch das Äußern eines Satzes vollzieht.

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- Die Sprechakttheorie analysiert die Bedingungen für sprachliches Handeln, die den Zweck eines illokutionären Aktes bestimmen. Daher gibt sie der Gesprächsforschung eine Grund-lage für die Realisierung sprachlicher Handlungsmuster (Bergmann/Eckard 2001: 889). Sie hilft uns auch, die Beziehung zwischen dem illokutionären Akt eines Gesprächsteilneh-mers und den illokutionären Akten anderer Gesprächsteilnehmer zu verdeutlichen.

Zwar beschäftigen sich die Sprechakttheorie sowie die Gesprächsforschung und die Gespro-chene-Sprache-Forschung mit menschlichen Äußerungen, jedoch betrachtet die Sprechakt-theorie diese Äußerungen isoliert vom Kontext des Gesprächs (vgl. Martinez-Flor/Uso-Juan 2010: 8). Die Geprächsanalyse untersucht im Gegensatz dazu nicht nur isolierte Äußerungen, sondern den ganzen Kontext mit seinen Pausen und prosodischen Phänomenen. Eine solche den Kontext einzelner Äußerungen berücksichtigende Analyse kann dem fremdsprachlichen Unterricht dahingehend von Nutzen sein, dass damit die kommunikative Kompetenz bei den Lernenden geschult wird.

Die Realisierung der illokutionären Kraft bei Searle erfolgt in Form eines Satzes – dies ist jedoch nicht immer der Fall (vgl. Martinez-Flor/Uso-Juan 2010: 8). Die Sprechakte haben kommunikative Funktionen, welche auch durch nonverbale Elemente, wie z. B. Pausen, Mi-mik und Gestik, erfüllt werden können. So kann z. B. mit einer schwenkenden Hand, wie es in manchen Kulturkreisen der Fall ist, jemand aufgefordert werden, zu ihm zu kommen. Die Handbewegung erfüllt in diesem Beispiel eine kommunikative Funktion. In der Gesprächs-analyse werden solche nonverbalen Elemente berücksichtigt.

Die Vernachlässigung der kontextuellen Analyse der einzelnen Äußerungen führte dazu, dass

Die Vernachlässigung der kontextuellen Analyse der einzelnen Äußerungen führte dazu, dass