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E IGENSCHAFTEN DER GESPROCHENEN  S PRACHE IN DEN ANALYSIERTEN  L EHRWERK ‐D IALOGEN

6   ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION DER ANALYSEERGEBNISSE

6.1   E IGENSCHAFTEN DER GESPROCHENEN  S PRACHE IN DEN ANALYSIERTEN  L EHRWERK ‐D IALOGEN

Es ist mir in dieser Arbeit gelungen, verschiedene Eigenschaften der gesprochenen Sprache in den Lehrwerkdialogen zu finden. Dies bestätigt die Ergebnisse der Analyse von Lehrwerkdia-logen von Günthner (2000) und Vorderwülbecke (2008). Allerdings haben sie – im Gegen-satz zu meiner Arbeit – die Dialoge und Gespräche der CDs und Kassetten nicht berücksich-tigt. Die vorliegende Arbeit ist die erste Analyse, die Lehrwerkdialoge und -gespräche mit Hilfe der Gesprächsanalyse untersucht.

Die Analyse konzentriert sich auf die Operator-Skopus-Struktur, Prosodie und den Sprecher-wechsel als Merkmale der gesprochenen Sprache. All diese Eigenschaften sind in den fremd-sprachlichen Modelldialogen mehr oder minder zu finden. Zunächst stelle ich die Ergebnisse zu jedem Merkmal vor.

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6.1.1 Die Ergebnisse der Analyse hinsichtlich der Operator-Skopus-Struktur Die Dialoge der Lehrwerke enthalten Formen der Operator-Skopus-Struktur. In 48 Lehrwerk-dialogen (38 %) befindet sich mindestens eine Operator-Skopus-Struktur. Die am häufigsten vorhandenen Verstehensanweisungen der Operatoren sind die, die die Relationen zu den an-deren Äußerungen im Diskurs erläutern. Diese Gruppe ist mit etwa 56 % dominant (siehe Tab. 22). Die zweite Gruppe bilden die Operatoren, die den mentalen Status der Äußerung im Skopus verdeutlichen. Sie ist mit etwa 25 % in den Lehrwerkdialogen vertreten. Die letzte Gruppe, die den Handlungstyp verdeutlicht, bildet etwa 18 % aller Operatoren in den ausge-wählten Dialogen. Die Gruppe von Operatoren, die den kommunikativen Status der Äußerung im Skopus expliziert, ist in meinem Korpus nicht vertreten. Die folgende Tabelle fasst die Verstehensanweisungen zusammen, die im Korpus dieser Arbeit gefunden wurden.

Klassifikation der Ver-stehensanweisungen

Verstehensanweisung Zahl der

Operatoren

Relationen Gegensatz 2

Relationen Folgerung 1

Relationen Verdeutlichung, Präzisierung oder Erklä-rung

3

Relationen Wiederholung 1

Relationen Fortführung 1

Relationen Gegenüberstellung 1

Gesamtzahl der Operatoren hinsichtlich der Verdeutlichung von

Rela-tionen 9

Mentaler Status Glauben oder Vermutung 1

Mentaler Status Meinung 1

Mentaler Status Hoffnung 1

Mentaler Status Einfall und Einführung neuer Themen 1 Gesamtzahl der Operatoren hinsichtlich der Verdeutlichung des

men-talen Status 4

Handlungstyp Frage 2

Handlungstyp Bitte oder Aufforderung 1

Gesamtzahl der Operatoren hinsichtlich der Handlungstypen 3

Tab. 22: Verstehensanweisungen der Operatoren in Lehrwerkdialogen

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Die oben dargestellte Tabelle 22 ist eine Übersicht aller Tabellen in Anhang A, B, D und G.

Sie und Anhang A verdeutlichen, dass die Verstehensanweisungen, die die Aufgabe haben, die vorhergehende Äußerung (vor dem Operator) zu erläutern (den Gegensatz verdeutlichen oder eine Erklärung/Präzisierung liefern), den größten Teil der Verstehensanweisungen aus-machen. Der Grund dafür mag sein, dass die Lernenden diese Verstehensanweisungen beson-ders beim Argumentieren und bei Diskussionen brauchen, die einen wichtigen Teil der Übun-gen im fremdsprachlichen Deutschunterricht ausmachen. Auf der anderen Seite ist der Opera-tor „also“ der am meisten verwendete mit 27 %. Dieser OperaOpera-tor hat die Funktion der Ver-deutlichung von Folgerungen. An zweiter und dritter Stelle folgen die Operatoren „aber“ und

„und“ mit 20 % und 13 %, wobei „aber“ einen Gegensatz aufzeigt, während „und“ die Erläu-terung einer Fortführung darstellt. In meinem Korpus habe ich auch einen komplexen Opera-tor gefunden, der aus mehr als einem OperaOpera-tor besteht.

Soweit zur Lage der Operator-Skopus-Strukturen in den Modelldialogen der Lehrwerke. Im Übungsteil zeigt sich ein anderes Bild: Hier werden die gefundenen Operator-Skopus-Strukturen und ihre Funktionen in keiner Übung berücksichtigt (vgl. Kapitel 5.2.1). Dies weist auf große Mängel in der Didaktisierung der Lehrwerksübungen hin: Einige Merkmale der gesprochenen Sprache, die den Rezipienten helfen, das Gesagte zu erschließen, werden in den Lehrwerken nicht ausreichend präsentiert. Dabei verlieren die Lerner der fremden Spra-che ein wichtiges Instrument für die Kommunikation mit Muttersprachlern, das ihnen hilft, die Äußerungen besser zu verstehen und darauf zu reagieren.

6.1.2 Die Ergebnisse der Analyse hinsichtlich des Sprecherwechsels

Die Kategorie „glatter Sprecherwechsel“ ist mit 98 % die dominante Form des Sprecherwech-sels im Hinblick auf die Art seines Verlaufs. Nach der Art des Entstehens ist die Sprecher-wechselart „Selbstwahl“ mit 62,5 % die dominanteste Form. Die Prozentzahlen zeigen, dass beide Formen des Sprecherwechsels als bedeutende Charakteristika der fremdsprachlichen Lehrwerkdialoge gelten können. Der Grund dafür könnte seine, dass diese meist aus Paarse-quenzen wie Begrüßungen oder Fragen und Antworten bestehen. Gleichzeitig verlaufen die Lehrwerkdialoge langsamer als die natürlichen Gesprächen. Das erklärt auch, warum die an-deren Sprecherwechselformen so wenig in den fremdsprachlichen Lehrwerken vertreten sind.

Die Sprecherwechselformen „Sprecherwechsel mit Überlappungen“, „Sprecherwechsel mit längerer Pausen“ und „Sprecherwechsel durch Unterbrechung“ machen zusammen nur zwei Prozent aus. Sie tauchen dort auf, wo sich mehr als zwei Interagierende an einem Gespräch beteiligen oder wo typischerweise Konfliktsituationen in den Lehrwerksgesprächen in Er-scheinung treten. Das spärliche Auftauchen der verschiedenen Sprecherwechselformen in den Lehrwerkdialogen spiegelt sich auch in den zu den Dialogen gehörenden Übungen, in denen

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die Formen des Sprecherwechsels keine Berücksichtigung finden. Daraus resultiert, dass die fremdsprachlichen Lernenden keine Möglichkeit haben, die Funktionen dieser Formen ken-nenzulernen und sie in die Entwicklung ihrer Interaktionskompetenz zu integrieren.

6.1.3 Die Ergebnisse der Analyse hinsichtlich der prosodischen Phänomene Die prosodischen Phänomene in den Lehrwerkdialogen unterscheiden sich von denen in na-türlichen Gesprächen. 102 von 126 Lehrwerkdialogen enthalten die ausgewählten Eigenschaf-ten des natürlichen Sprechens. Die gefüllte Pause tritt häufig in den Modelldialogen der fremdsprachlichen Lehrwerke auf und kommt in etwa 58% aller Modelldialoge meines Kor-pus vor. Die Haltepause taucht in 64% aller Modelldialoge auf. Weniger häufig treten andere prosodische Phänomene wie das leise und laute Sprechen und das langsame Sprechen auf.

Andere kommen gar nicht vor, wie das schnelle Sprechen.

Im Gegensatz zu den anderen gesprochensprachlichen Eigenschaften, die ich in meiner Arbeit untersucht habe, werden einige Phänomene der Prosodie wie Intonation durchaus geübt – m.

E. aber nicht ausreichend. In vielen Lehrwerken wird die richtige Artikulation von Lauten, besonders langer und kurzer Vokale und Diphthonge, mehr als die anderen prosodischen Phä-nomene berücksichtigt. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Aussprache-Übungen ein wich-tiger Bestandteil des fremdsprachlichen Lernprozesses sind, aber sie genügen nicht, um aktiv an einer Interaktion mit Muttersprachlern teilzunehmen. Darüber hinaus wäre es wichtig für die Fremdsprachenlernenden, beispielsweise die Funktionen der Intonation zu verstehen und zu üben, was leider nicht häufig passiert. Ein weiteres Phänomen der Prosodie, das auch teil-weise in den Übungen aufgegriffen wird, ist der Intonationsverlauf am Ende des Fragesatzes oder des Aussagesatzes.

Aus dem Beispiel 25 wird erkennbar, dass die transkribierten Dialoge nicht für den fremd-sprachlichen Deutschunterricht geeignet sind. Die Transkripte erfordern gute Kenntnisse beim Lesen, die die fremdsprachlichen Lernenden in der Tat (noch) nicht haben. Diese Art von Text hilft den Lernenden nicht in ihrem Lernprozess bzw. würde ihn erschweren, da u. a. die deutsche Rechtschreibung ignoriert wird. Ein weiterer Punkt ist, dass Lernenden solche Tran-skripte im alltäglichen Leben nicht begegnen.

Aus der Analyse der Lehrwerkmodelldialoge resultiert, dass diese Dialoge wenige Erschei-nungen der gesprochenen Sprache enthalten, besonders in den drei ausgewählten Kategorien.

Die Fremdsprachenlerner werden wenig mit authentischen Gesprächen konfrontiert, was zur Folge hat, dass sie in der fremden Sprache nicht in der Lage sein werden, reale Gespräche zu verstehen. Dies führt zu Kommunikationsproblemen, was auch durch die verschiedenen Er-fahrungen der fremdsprachlichen Lerner bestätigt wurde, die die fremde Sprache in ihrer

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Heimat und nicht im Land der Zielsprache gelernt haben (vgl. auch dazu Vorderwülbecke 2008; Günthner 2000). Somit wird das Lernziel der kommunikativen Lehrwerke nicht er-reicht.