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5   DATENANALYSE: DIALOGE IN LERNMATERIALIEN

5.2   A NALYSE AUSGEWÄHLTER  G ESPRÄCHE IN  L EHRWERKEN

5.2.3   Analyse der Lehrwerkdialoge hinsichtlich der Prosodie

In diesem Abschnitt betrachte ich die Dialoge der Lehrwerke im Hinblick auf die prosodi-schen Phänomene, die im Ausschnitt 3.1.3.1 dargestellt wurden. Eine der wichtigsten Funk-tionen der Prosodie besteht darin, sprachliche Einheiten abzugrenzen und zu markieren (Birk-ner 2008: 89 ff; Selting 1995: 39ff.). Diese Funktion dient auch dem Fremdsprachenler(Birk-ner in interkulturellen Situationen – sie lässt Sprecher und Hörer ahnen, wann eine Äußerung be-ginnt und endet und erleichtert deshalb die Kommunikation.

Tabelle E (siehe Anhang) liefert die Gesamtdarstellung der prosodischen Phänomene nach folgenden Kategorien: Haltepausen, gefüllte Pausen, lautes und leises Sprechen sowie schnel-les und langsames Sprechen (Schwitalla 2003: 56). In meinem Korpus finden sich 102 Lehr-werkdialoge, in denen ein oder mehrere Phänomene der Prosodie auftreten (vgl. Tabelle E).

Tabelle E zeigt jedoch auch, dass manche prosodische Erscheinungen, wie z.B. schnelles Sprechen, im Korpus gar nicht auftauchen und andere, wie z.B. langsames Sprechen nur an einer einzigen Stelle. Die Dialoge in den Lehrwerken werden prinzipiell deutlicher und lang-samer artikuliert, als die natürliche gesprochene Sprache. Ich habe nur fünf Stellen im Korpus identifiziert, in denen laut und zwei Stellen, in denen leise gesprochen wird. Häufiger treten Halte- und gefüllte Pausen auf.

Als allgemeines Merkmal für die Dialoge der Lehrwerke gelten die vielen Akzentuierungen und das langsamere Sprechen im Vergleich zur natürlichen gesprochenen Sprache. Charakte-ristisch für einige Lehrwerkdialoge, besonders in der Grundstufe, ist auch das rhythmische Sprechen. In Beispiel 23 befindet sich ein Beispiel dafür.

132 Beispiel 23 (Dialog Nr. 84, Zeilen 01–06)

01 A: GRÜß dich BERND; wie GEHt es dir?

02 B: DANke rolf. (.) und wie gehts DIR?

03 A: AUCH gut. (.) hast du heute ZEIT.

04 B: heute NICHt. (.) ES tut mir leid.

05 ich RUF dich AN. (.) so um VIER?

06 A: JA;(.) um VIER. (.) da PASST es mir.

Dialog Nr. 84 behandelt Begrüßung und Verabredung. Bernd (Person B) und Rolf (Person A) treffen und begrüßen sich. Dieser Dialog ist wie ein Gedicht gereimt.

GRÜß dich BERNd; wie GEHt es dir?

DANke rolf. (.) und wie gehts DIR?

75 630

Pitch (Hz)

Time (s)

10.75 15.87

14.7685998 15.85224

Abb. 14: Dialog 84 (Zeilen 1 und 2)

In Zeile 1 beginnt Rolf das Gespräch mit der Äußerung „GRÜß dich BERND; wie GEHT es dir?“. Bernd bedankt sich bei Rolf für seine Frage und stellt ihm eine Gegenfrage: „DANke rolf. (.) und wie gehts DIR?“ (Zeile 2). Beide Sprecher äußern viele kleine Intonationsphra-sen, weshalb viele Akzente vorkommen: „GRÜß, BERNd, GEHT, DANKE und DIR“. Be-trachten wir die Abbildungen 14, 15 und 16, so fällt auf, dass viele Mikropausen zwischen allen Äußerungseinheiten von Bernd und Rolf stehen.

133 AUCH gut. hast du heute ZEIT.

heute NICHt. ES tut mir leid.

75 630

Pitch (Hz)

Time (s)

16.68 21.73

19.5327742 20.3067183

Abb. 15: Dialog 84 (Zeilen 3 und 4)

Deutlich wird auch, dass der Intonationsverlauf am Ende jeder Äußerung klar hervorgehoben wird. Wenn die Äußerungseinheit die Form eines Aussagesatzes hat, fällt am Ende der Äuße-rung der Ton klar nach unten wie z. B. „DANke rolf“ und „heute NICHT“. Ist die ÄußeÄuße-rung ein Fragesatz, dann hebt sich der Ton am Ende der Einheit klar nach oben, wie beispielsweise bei „und wie gehts DIR?“ und „so um VIER?“.

JA;(.) um VIER. da PASST es mir.

ich RUF dich AN. so um VIER?

75 500

200 300 400

Pitch (Hz)

Time (s)

22.36 27.53

26.7004346 27.5224653

Abb. 16: Dialog 84 (Zeilen 5 und 6)

134

Dieses Gespräch wird von den beiden Sprechern Bernd und Rolf rhythmisch, in der Melodie eines Gedichts geäußert, was in der deutschen gesprochenen Sprache unüblich ist. Wenn rhythmisches Sprechen auftritt, dann hat es eine rhetorische Funktion (vgl. Schwitalla 2003:

63). Solche Modelldialoge sind für den Erwerb der gesprochensprachlichen Phänomene nicht nützlich, denn, wie erwähnt, werden die prosodischen Phänomene als Abgrenzung der sprach-lichen Einheiten verstanden. Solche Dialoge, wie es in Beispiel 23 der Fall ist, erschweren beispielsweise das Erkennen der richtigen Intonation der Äußerung.

Halte- und gefüllte Pausen finden sich an vielen Stellen des Korpus. Etwa zwei Drittel der Dialoge enthalten eine oder mehrere Haltepause und ca. die Hälfte der Dialoge enthalten ge-füllte Pausen. Das folgende Transkript zeigt ein Beispiel dazu. Es handelt sich um eine junge Frau, die ihre Fahrkarte nicht entwerten konnte.

Beispiel 24 (Dialog Nr. 13, Zeile 13–21)

13 C: GU:ten TA:g (.) die FAHrscheine bitte, 14 B: DA HAben wirs; (-) EIN kontrolleur;

15 C: die FAHRscheine bitte,

16 A: einen moMENt (.) eh HIEr; BItte sehr;

17 C: sie haben ihren fahrschein nicht entWERtet.

18 A: eh; (-) JA, ich ehm; .hh (-)ich HAbe nicht gewusst 19 !WO!

20 C: SO: sie haben nicht gewusst wo: (.) tut mir 21 LEID sie müssen DREIßig EUro bezahlen;

Im Dialog 13 kommt der Kontrolleur und fragt nach den Fahrkarten (Zeile 15). Die junge Frau bittet um Zeitaufschub mit „einen moMENt (.) eh HIEr; BItte sehr;“ und gibt ihm die unentwertete Fahrkarte (Zeile 16). In ihrer Äußerung macht sie eine Mikropause und direkt danach eine mit „eh“ gefüllte Pause. Der Kontrolleur macht ihr klar, dass die Fahrtkarte nicht entwertet ist (Zeile 17). In den Zeilen 18 und 19 macht die junge Frau eine mit „ehm“ gefüllte Pause.

135

eh; (-) JA, ich ehm; .hh (-) ich HAbe nicht gewusst !WO!

75 500

200 300 400

Pitch (Hz)

Time (s)

58.87 62.98

61.683128 13

Abb. 17: Dialog 13, Zeilen 18 und 19

Zu Beginn der Äußerung kombiniert die Sprecherin eine gefüllte Pause mit einer kleinen Pau-se, bevor sie die Äußerung des Kontrolleurs bestätigt „eh; (-) JA,“ (Abb. 17). Anschließend beginnt sie eine neue Einheit („ich ehm; (-) .hh ich HAbe nicht gewusst !WO!“), unterbricht diese jedoch und realisiert eine mit „ehm;“ gefüllte Pause und eine Mikropause. Danach atmet sie ein, wiederholt ihre Äußerung und bringt sie zu Ende. Die beiden Pausen in dieser Äuße-rung sind als Haltepause zu betrachten, da sie den Redebeitrag der Sprecherin unterbrechen.

Die Funktion solcher gefüllten Pausen besteht darin, dem Sprecher zu helfen, das Rederecht zu behalten oder zu ergreifen und hilft bei Wortfindungsschwierigkeiten.

Der Analyse der prosodischen Phänomene ist die Feststellung zu entnehmen, dass diese zum Teil in den Modelldialogen der Lehrwerke zu finden sind, jedoch nicht genug präsentiert wer-den. Einige prosodische Phänomene werden überhaupt nicht dargestellt (vgl. Anhang E).

Im kommenden Abschnitt durchleuchte ich die Lehrwerksübungen im Hinblick darauf, ob sie den Lernenden die Merkmale der gesprochenen Sprache und ihre Funktionen beibringen.