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Die wenigen klinischen Studien, in denen beim leberkranken Hund Messgrößen des oxidativen Stresses untersucht wurden, beschränkten sich vorwiegend auf die antioxidative Abwehr und kamen diesbezüglich teilweise zu unterschiedlichen Resultaten. So lagen in einer Studie die Superoxidanion neutralisierenden Eigenschaften und SOD-Konzentration im Plasma bei Hunden mit Leberkrankheiten, wie auch Tumoren und Entzündungen sonstiger Weichteile höher als bei gesunden Hunden, was mit einer Aktivierung bzw. erhöhten Produktion der antioxidativen enzymatischen Abwehr bei Erkrankungen erklärt wurde (SATO et al., 2003). In einer weiteren Studie wurden 63 Hunde mit verschiedenen Hepatopathien wie z.B. nekrotischer Hepatitis, extrahepatischer Gallengang-Obstruktion, vakuolärer Hepatopathie und portosystemischem Shunt untersucht und im Vergleich zu gesunden

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Hunden unter anderem verminderte Gewebe-Konzentrationen von Glutathion und ein verminderter Anteil an reduziertem Glutathion im Vergleich zu Glutathion-Disulfid gemessen (CENTER et al., 2002). In einer weiteren Studie wurde bei Dobermann-Hunden mit Kupfer-assoziierter subklinischer Hepatitis, chronischer Hepatitis mit hoher hepatischer Kupferkonzentration wie auch nicht-Kupfer-assoziierter subklinischer Hepatitis im Vergleich zur gesunden Kontrolle die Expression von Genen, die in die Produktion von Proteinen des Kupferstoffwechsels oder oxidativen Stress involviert sind, untersucht. Hierbei zeigte sich bei den Hunden mit Hepatitis zwar ebenfalls eine verminderte Glutathion-Konzentration, jedoch lag bei den zwei Hundegruppen mit assoziierter Hepatitis, wo eine erhöhte Kupfer-Konzentration der Leber zur vermehrten RSS-Entstehung führt, neben einer verminderten Expression von Kupfer-Bindeproteinen wie Ceruloplasmin und Metallothionein eine deutlich reduzierte Genexpression der antioxidativen Enzyme SOD und Katalase vor (SPEE et al., 2005).

Weiterhin wurden einzelne experimentelle Studien zum oxidativen Stress an der caninen Leber im Rahmen von Reperfusions-Modellen nach induzierter Ischämie unternommen (SAKATA et al., 2000; MIRANDA et al., 2007), um anhand des MDA-Spiegels und der Enzymkonzentration des Lebergewebes verschiedene Regime zu vergleichen (MIRANDA et al., 2007) oder den zytoprotektiven Einfluss von Adenosin zu überprüfen (SAKATA et al., 2000). Dabei konnte durch Adenosininfusion in die Pfortader die Bildung von Proteincarbonylen und die Verminderung von Glutathion im Lebergewebe reduziert werden, wie auch die histologisch nachweisbare Neutrophileninfiltration, Superoxidentstehung und Apoptose (SAKATA et al., 2000).

Auch aus verschiedenen klinischen Arbeiten beim Menschen wird der vermehrte oxidative Stress bei verschiedenen Lebererkrankungen deutlich. Diese Untersuchungen basierten oft auch auf der Lipidperoxidation. Eine besonders ausgeprägte Lipidperoxidation wurde im Gewebe beim hepatozellulären Karzinom gefunden, wo die MDA-Konzentration die Werte von zirrhotischen Lebern (LIU et al., 2003; CZECZOT et al., 2006) und gesundem Lebergewebe (CZECZOT et al., 2006) deutlich überstieg. Die Konzentrationen von MDA und Hydroxynonenal in den Leberbioptaten von Menschen mit Hepatitis C und assoziierter Fibrose korrelierten mit dem histopathologischen Grad der Aktivität und dem Fibrosegrad, so dass die Autoren der LPO eine Beteiligung bei der Pathogenese der Entzündungsreaktion

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beigemessen haben (PARADIS et al., 1997). Glutathion lag im karzinomatös veränderten Lebergewebe niedriger als bei der unveränderten, jedoch höher als bei der zirrhotisch veränderten Leber (CZECZOT et al., 2006), während die Glutathion-Transferase höher als bei der unveränderten (CZECZOT et al., 2006), jedoch niedriger als bei der zirrhotisch veränderten Leber war (LIU et al., 2003; CZECZOT et al., 2006). Weitere Messgrößen des Glutathion-Antioxidans-Systems wie Glutathion-Peroxidase (Selen-abhängig und -unabhängig) und Glutathion-Reduktase wiesen im Gewebe des hepatozellulären Karzinoms die niedrigsten Werte auf (CZECZOT et al., 2006). Auch die von LIU et al. (2003) im Karzinomgewebe gemessene totale AOK lag niedriger als im zirrhotisch veränderten Gewebe.

Daher wird auf eine Relevanz des Ungleichgewichtes des Glutathion-Antioxidans-Systems bei der Ausbildung von Leberkrankheiten geschlossen (CZECZOT et al., 2006), wobei aber nicht sicher festzustellen ist, ob diese Ursache oder Folge der Lebererkrankung ist.

Im Blutplasma wird bei Lebererkrankungen übereinstimmend ein erhöhter MDA-Spiegel gemessen, z.B. bei Kindern mit Wilson-Krankheit, wo durch vermehrte Kupferspeicherung eine erhöhte RSS-Bildung zu erwarten ist, und sonstigen chronischen Lebererkrankungen (DALGIC et al., 2005), Kindern mit Hepatitis A (CEMEK et al., 2006), bei Menschen mit Zirrhose (ABOUTWERAT et al., 2003; OSMAN et al., 2007; BHANDARI et al., 2008), chronischer Hepatitis und hepatozellulärem Karzinom (OSMAN et al., 2007). 8-Isoprostan, als weiteres Produkt der Lipidperoxidation wurde in verminderter Konzentration im Blut und Urin von Patienten mit primärer biliärer Zirrhose nachgewiesen (ABOUTWERAT et al., 2003). Auch Stickstoffmonoxid als freies Radikal wurde in erhöhter Konzentration im Blut von Menschen mit chronischer Hepatitis, Zirrhose und hepatozellulärem Karzinom (OSMAN et al., 2007) wie auch Kindern mit Wilson-Krankheit und sonstigen chronischen Lebererkrankungen gemessen (DALGIC et al., 2005). Bei Menschen mit chronischen Leberentzündungen (Hepatitis B und C mit und ohne Zirrhose) ließen sich erhöhte oxidative DNA-Schäden an Blutlymphozyten feststellen, die eine positive Korrelation (r=0,710) mit dem histopathologischen Schweregrad zeigten, so dass auch hier eine direkte Assoziation zwischen der Leberkrankheit und dem oxidativen Stress sichtbar wurde (BÖLÜKBAS et al., 2006).

Interessanterweise zeigten sich für die Antioxidantien auch beim Menschen mit Lebererkrankungen unterschiedliche Ergebnisse. Allerdings fanden nur DALGIC et al. (2005)

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bei Kindern mit Wilson-Krankheit und sonstigen chronischen Lebererkrankungen im Vergleich zur gesunden Vergleichsgruppe keine deutlichen Unterschiede für ß-Karotin, Vitamin C und E und die totale AOK. Ansonsten wurden in der zugänglichen Literatur verminderte Blutkonzentrationen der Substanzen der antioxidativen Abwehr gefunden. Dies betraf zum Beispiel verschiedene Antioxidantien wie Katalase- und SOD-Konzentrationen der Erythrozyten und Glutathion-Konzentration sowie die AOK bei der Zirrhose (ABOUTWERAT et al., 2003; BHANDARI et al., 2008). Die Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen von OSMAN et al. (2007), die bei der Zirrhose als auch bei chronischer Hepatitis und hepatozellulärem Karzinom im Vergleich zur gesunden Kontrolle deutlich verminderte Blutspiegel von SOD, Glutathion-Peroxidase, reduziertem Glutathion und Glutathion sowie Albumin fanden. Auch bei Kindern mit Hepatitis A zeigten sich verminderte Konzentrationen aller gemessenen Antioxidantien (Glutathion, ß-Karotin, Vitamine A, C und E) (CEMEK et al., 2006). Schließlich zeigte sich bei Patienten mit Fettleber verminderte SOD-, Katalase- und Glutathion-Konzentrationen (SARICAM et al., 2005).

Zahlreiche Studien befassten sich mit oxidativem Stress in der Leber basierend auf Rattenmodellen und Zellkulturen. Nach experimentell induzierter Cholestase zeigten sich erhöhte Konzentrationen von Lipidperoxiden, TBARS und Dien-Konjugaten im Leber- und Nierengewebe, während im Herz nur die Lipidperoxide und TBARS und im Gehirn ausschließlich die TBARS erhöht waren (LJUBUNCIC et al., 2000). Analog zeigten sich die Konzentration an reduziertem Glutathion und Glutathion bei cholestatischem Lebergewebe vermindert. Auch in Ischämie/Reperfusions-Modellen der Leber zeigte sich anhand vielfältiger Messgrößen im Lebergewebe wie erhöhter Xanthinoxidase-Aktivität (AJAMIEH et al., 2002; MUN et al., 2003), vermehrten Hydroxyalkenalen (AJAMIEH et al., 2002) sowie erhöhten Konzentrationen von Hydrogen-Peroxid und Superoxid (MUN et al., 2003) ein vermehrter oxidativer Stress, allerdings war die MDA-Konzentration nur bei AJAMIEH et al.

(2002) erhöht, während sie in der Untersuchung von MUN et al. (2003) unverändert war.

Schließlich zeigten sich am 3. und 7. Tag nach CCl4-induzierten akuten Leber-Schäden im Vergleich zur Kontrolle erhöhte Plasma- und Leber-MDA-Konzentrationen und eine verminderte Glutathion-Konzentration im Lebergewebe, wobei die Effekte durch die Substanz Genistein gemildert werden konnten (KUZU et al., 2007).

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Die Rolle des oxidativen Stresses und der mitochondrialen Dysfunktion der Leberzellen bei der nicht-alkoholischen Fettleber der Ratten wurde von OLIVEIRA et al. (2006) untersucht.

Signifikant erhöhte TBARS-Konzentrationen und verminderte Glutathion-Konzentrationen im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten sich bei der durch Cholindiätfütterung induzierten Fettleber, nicht jedoch unter einer Fettdiät. Die Rolle verschiedener reaktiver Substanzen (Hydroperoxid, BrCCl3 und Eisen) im Hinblick auf die Induktion von oxidativem Stress wurde durch deren Zugabe zu kultivierten Rattenleberzellen untersucht (FRAGA und TAPPEL, 1988). Hydroperoxid induzierte die höchsten TBARS-Konzentrationen und DNA-Schäden im Ethidiumbromid-Fluoreszenztest, auch Eisen erhöhte die DNA-Schäden an DNA und Lipiden, während BrCCl3 eine geringere TBARS-Produktion induzierte, ohne signifikante DNA-Schäden auszulösen.

Die Mechanismen der Entstehung des oxidativen Stresses im Lebergewebe und der Leberschädigung sind vielfälltig (JAESCHKE et al., 2002). Als ein wichtiger Mechanismus wird angeführt, dass im mikrosomalen Oxidationssystem Zytochrom P450 bei der Metabolisierung von Medikamenten, Narkosemitteln oder der Entgiftung von endogenen und exogenen Toxinen RSS-Bildung induziert wird (BAST et al., 1983; McCORD, 1993;

LEMASTER et al., 1998; KNIGHT et al., 2001; JAESCHKE et al., 2002; KUZU et al., 2007;

DANG et al., 2008; IWATA et al., 2008).

Eine weitere wichtige Quelle für RSS einschließlich reaktiver Stickstoff-Spezies sind körpereigene Entzündungszellen wie Kupfferzellen und Neutrophile, die durch chemotaktische Faktoren der Kupfferzellen angelockt werden (LIU et al., 1995: KNIGHT et al., 2001; JAESCHKE et al., 2002; SENTÜRK, 2004; BÖLÜKBAS et al., 2006). Dies ist ein sich selbst unterhaltender und verstärkender Prozess, da die erhöhte RSS-Bildung die Kupfferzelle zur Produktion von Tumornekrosefaktor-α anregt, wodurch wiederum vermehrt RSS gebildet werden (LEMASTER et al., 1998; JAESCHKE et al., 2002; SENTÜRK, 2004).

Begünstigend für die Einwanderung von Neutrophilen wirkt sich aus, dass das u.a. nach Einwirkung von Tumornekrosefaktor-α durch die Endothelzellen der Lebersinusoide vermehrt exprimierte interzelluläre Adhäsionsmolekül zur verstärkten Anheftung von Neutrophilen und schließlich deren Transmigration ins Gewebe führt (JAESCHKE et al., 2002; SENTÜRK, 2004; YOKOMORI et al., 2005). Die Entzündungzellen produzieren unter dem oxidativen Stress neben Tumornekrosefaktor-α auch vermehrt toxisches Stickstoffmonoxid zur

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Eliminierung von Bakterien, wobei eine weitere wichtige Quelle für Stickstoffmonoxid, das vasodilatatorisch wirkt, auch die Endothelzelle darstellt (KNIGHT et al., 2001). Die dadurch vermehrt anfallenden Peroxinitrite können nicht mehr entgiftet werden, so dass „nitrosativer Stress“ entsteht und weitläufigere LPO verursacht (Di STASI et al., 1999; DALGIC et al., 2005; OSMAN et al., 2007). Die während der β-Oxidation in den Mitochondrien der Hepatozyten entstehenden RSS werden bei Permeabilitätserhöhungen der Mitochondrien in das fettsäurereiche Zytosol frei, wodurch im Rahmen einer Kettenreaktion reaktive und langlebige Lipidperoxide entstehen (SENTÜRK, 2004), die verschiedene Zellkomponenten angreifen. Membranpermeabilitäts-Erhöhungen der Mitochondrien (Permeabilitätstransition) werden ihrerseits neben Ischämie u.a. durch oxidativen Stress und Bindung des Tumornekrosefaktors-α an seinen Rezeptor auf der Hepatozytenoberfläche ausgelöst (LEMASTER et al., 1998; PESSAYRE et al., 1999). Letzteres aktiviert das Kaspasesystem, wodurch es schließlich zur Apoptose der Hepatozyten kommt (PESSAYRE et al., 1999).

Wenn RSS eine hohe Reaktivität aufweisen und starke Schäden induzieren, kommt es direkt zur Zellnekrose, wobei das Kaspasesystem des Apoptose-Weges übersprungen wird (JAESCHKE et al., 2002; SENTÜRK, 2004). Eine mitochondriale Dysfunktion besitzt auch erhebliche Relevanz bei der Entstehung der Fettleber (FROMENTY und PESSAYRE, 1995;

SENTÜRK, 2004; OLIVEIRA et al., 2006). Ein weiterer pathogenetischer Aspekt ist, dass RSS und Lipidperoxidationsprodukte Stellatzellen aktivieren, die in der Leber Fibrose auslösen (FROMENTY et al., 2004).