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60 Orte der Integration zeigen Menschen mit Migrationshintergrund, wie sehr ihnen Baden-Württemberg zur Heimat geworden ist

Im Dokument ZUKUNFT – HEIMAT (Seite 179-182)

K O m PA K T

Bereichernd für ankommende und daheimgeBlieBene

Wer in einem fremden Land ein neues Leben beginnt, hat mehr im Gepäck als nur einen Koffer. Andenken und Erinnerungen, Musik und Religion, Rezepte für Speisen, die nach Heimat schmecken, kurzum: Ein Stück persönliche Geschichte und ein Stück Kulturgeschichte reisen immer mit. Sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen, das alte mit dem neuen Leben zu vergleichen und über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Kulturen zu sprechen, erleichtert die Ankunft im neuen Leben und kann für Neubürger und Alteingesessene gleichermaßen bereichernd sein. Dennoch kommt es vielerorts nur zu selten zu solchen Begegnungen und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bleiben unter sich, sie leben neben-, aber nicht miteinander. In vielen Städten und Gemeinden ändert sich dies zurzeit.

Hintergrund ist das Programm Vielfalt gefällt! 60 Orte der Integration der Baden-Württemberg Stiftung.

In Kooperation mit dem Ministerium für Integration Baden-Württemberg wurde es 2012 anlässlich des Landesjubiläums ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Das Ehrenamt als Brücke zwischen Menschen und Kulturen nutzen.

integration mit SpaSS

Bundesweit sind heute rund 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund ehren-amtlich tätig. Häufig engagieren sie sich jedoch in Migrantenvereinen und ähnlichen Institutionen, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Dadurch bleibt ihr Einsatz meist weitgehend unbeachtet.

Eines der Ziele von Vielfalt gefällt! ist es, sie ins Rampenlicht zu rücken, um die Leistungen der Ehrenamt-lichen mit Migrationshintergrund stärker zu würdigen. Ebenso wichtig sind Initiativen, die sich der speziellen Situation und den Bedürfnissen von Migrantinnen und Migranten widmen und aktiv dazu beitragen, in ihren Gemeinden und Landkreisen eine Willkommenskultur zu etablieren. Und nicht zuletzt sollen noch mehr Menschen dafür begeistert werden, sich in ihrer Freizeit für andere einzusetzen und dabei auch den kulturellen Austausch zu suchen. Insgesamt 60 Projekte mit Vorbildcharakter wurden dafür ausgewählt. Besonders wichtig: Über den Projektzeitraum von maximal drei Jahren erfahren die Initiativen neben der finanziellen Förderung auch kompetente fachliche Unterstützung, etwa durch einen Integrationscoach, der bei kulturellen und organisatorischen Fragen weiterhilft, bei Problemen vermittelt und die Projektverantwortlichen nicht zuletzt bei einer gelungenen Öffentlichkeitsarbeit unterstützt.

Damit die Erfahrungen nicht verloren gehen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowohl in der konzeptionellen Phase als auch bei der Umsetzung sammeln, werden alle Projekte wissenschaftlich begleitet. Nach der Auswertung entsteht auf diese Weise ein Leitfaden für erfolgreiches Projektmanage-ment, von dem zukünftige Initiativen profitieren können.

mit geSundem SelBStvertrauen

Die Nachhaltigkeit des Programms ist aber nicht nur durch dessen Evaluation gewährleistet, wie ein Blick auf die bereits angelaufenen Projekte zeigt. Denn so unterschiedlich ihre Ansätze sind, so unmittelbar ist oft schon nach kurzer Zeit ihre Auswirkung vor Ort. Ein gutes Beispiel dafür sind die Transkulturellen

Vielfalt gefällt! bringt ehrenamtlich engagierte verschiedener Kulturen, religionen und Gesellschaftsschichten zusammen, Menschen mit und ohne Behinderungen, Jung und alt.

▶ Wer anderen hilft, erfährt Dankbarkeit, wer andere respektvoll behandelt, wird selbst respektiert: Die teilnehmer von Vielfalt gefällt! leben integration und toleranz, tag für tag.

Gesundheitsmediatoren in Aalen. Auf Initiative der Caritas Ost-Württemberg entstand dort ein breit-gefächertes Netzwerk aus Kultur-, Sport- und Migrantenvereinen, Ämtern, Krankenkassen sowie Gemeinde zentren verschiedener Religionsgemeinschaften. Das Ziel der Initiative: ehrenamtliche Gesundheits mediatoren ausbilden, die Menschen mit Migrationshintergrund die Grundzüge des deut-schen Gesundheitssystems näherbringen, sie über ihre Rechte und Pflichten aufklären und ihr Wissen sowie ihr Verantwortungsbewusstsein im Hinblick auf die eigene Gesundheit stärken. Um sowohl sprachliche als auch kulturelle Hürden zu umgehen und eine gute Vertrauensbasis zu schaffen, sollten die Mediatoren selbst einen Migrationshintergrund besitzen. Da das Projektteam seine Idee auf Stadtfesten, Veranstaltungen und durch den direkten Kontakt zu verschiedenen Einrichtungen und Kooperations-partnern intensiv bewarb, konnte schon in der ersten Jahreshälfte 2013 die erste Schulungsrunde beginnen:

Acht Frauen und Männer aus so unterschiedlichen Staaten wie Russland, Pakistan, Italien, Tunesien, der Türkei und den USA kamen in insgesamt fünf Schulungsblöcken zusammen, um sich über grundlegende Themen wie Ernährungslehre und Diätetik, Kinder- und Jugendgesundheit, Zahngesundheit, die psycho-somatische Grundversorgung und die gesetzliche Krankenversicherung zu informieren.

poSitiver SchneeBalleffekt

Der Erfolg des Projekts war unmittelbar spürbar. Ausgestattet mit umfangreichen Materialien organi-sierten die frischgebackenen Gesundheitsmediatoren zeitnah ihre ersten Veranstaltungen für andere Migrantinnen und Migranten. Ein Infotag zum Thema Zahngesundheit samt gesundem Frühstück in einer Moschee beispielsweise war ein voller Erfolg und zog zudem gleich die nächste Bewerbung als Gesundheitsmediator nach sich. Die Mediatoren selbst sind jetzt gefragte Ansprechpartner für ihre Mitbürger und zu Recht sichtlich stolz auf ihren Beitrag zum Gemeinwesen.

erSteS regionalforum von vielfalt gefällt!

Noch weitere Kreise zieht ein Projekt aus dem Schwarzwaldstädtchen St. Georgen, wo im Oktober 2013 das erste Regionalforum von Vielfalt gefällt! stattfand. Neben einem »Markt der Möglichkeiten«, bei dem sich verschiedene Projekte präsentierten und die Teilnehmer des Programms sich über ihre Ideen und Erfahrungen austauschen konnten, stand eine Initiative der WIRkstatt St. Georgen als herausragendes Beispiel im Mittelpunkt. Mitarbeiter dieses bereits seit 15 Jahren etablierten Bürger- und Familienzentrums waren im Jahr 2012 auf die zunehmende Zahl von Asylbewerbern aufmerksam geworden. Sie wollten sich einen ersten Eindruck von den durch Arbeitsverbot und andere Auflagen eingeschränkten Lebensbedin-gungen der Flüchtlinge verschaffen und suchten das Gespräch mit ihnen. »Die Menschen waren sehr dankbar dafür, hier aufgenommen worden zu sein. Gleichzeitig sahen sie sich durch ihren unsicheren Status jedoch eher am Rande Gesellschaft, der sie so gerne etwas zurückgegeben hätten«, erinnert sich die Projektleiterin der WIRkstatt Antonia Musacchio Torzilli.

vom wert eineS lächelnS

Auf dem Austausch mit den Familien und Einzelpersonen, die vorwiegend aus Sri Lanka stammen und im Bürgerkrieg teils grauenvolle Erlebnisse machen mussten, entstand schließlich eine Idee, von der nun alle im Ort profitieren. Zunächst lud die Stadt alle Asylbewerber zu einer Begrüßung ins Rathaus ein und hieß sie offiziell herzlich willkommen. Dann setzten sich die Vereine und sozialen Einrichtungen der Stadt zusammen und überlegten, welche Möglichkeiten es für die Flüchtlinge geben könnte, um sich aktiv ins Gemeindeleben zu integrieren. Sie organisierten Sprachkurse und die kostenlose Teilnahme an kulturellen und sportlichen Angeboten. Vor allem aber können die Asylbewerber mittlerweile gemeinnützige Arbeiten übernehmen: Sie helfen bei der Renovierung von Klassenzimmern oder in der Schulmensa, packen auf dem städtischen Bauhof mit an oder arbeiten im Laden der »Tafel« – alles für den symbolischen Stunden-lohn von 1,05 Euro. Wie wichtig all diese Maßnahmen sind, bekräftigten junge Asylbewerber auf dem Regionalforum: Einen geregelten Tagesablauf zu haben, anstatt sich im Heim tagaus, tagein mit schlimmen Erinnerungen zu quälen, Anerkennung für die freiwillig geleistete Arbeit zu bekommen, in der Stadt bekannte Gesichter zu sehen, angelächelt zu werden und sich in der Sprache der neuen Heimat verstän-digen zu können – all dies stärkt das Selbstwertgefühl und macht die Frauen, Männer und Kinder zu vollwertigen Mitgliedern der Gesellschaft.

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/ . Baden-WürttemBerg Stiftung Jahresbericht 2013

–> –> V I e L F A L t G e F ä L L t !

G e s e L L s c h a F t & K U L t U r

Wer anderen hilft, erfährt Dankbarkeit, wer andere respektvoll behandelt, wird selbst respektiert:

ein gelebter Grundsatz von Vielfalt gefällt!

60 Orte der Integration.

Im Dokument ZUKUNFT – HEIMAT (Seite 179-182)