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Orientierung im Forschungsdiskurs

Im Dokument Edition Politik (Seite 46-50)

zur UN-Medienberichterstattung

3.1.1. Orientierung im Forschungsdiskurs

Die akademischen Auseinandersetzungen mit der stetig wachsenden Literatur zum Forschungskomplex der Globalisierung lassen sich mit Holton (2005) und McGrew (2007) in zeitlicher Perspektive nunmehr überlappenden, wenngleich distinkten Wel-len mit entsprechenden Forschungsfoki zuordnen. Während Holton zwischen Hyper-Globalisierern, Skeptikern und Post-Skeptikern unterscheidet, differenziert McGrew darauf aufbauend entlang der unterschiedlichen Forschungsagenden modifiziert zwi-schen den zeitlich aufeinander folgenden Phasen bzw. Wellen der Theoretiker, His-toriker, Institutionalisten und Dekonstruktivisten. Während sich somit die erste Pha-se mit der theoretischen Konzeption, den Dynamiken sowie mit den strukturellen und systemischen Implikationen von Globalisierung auseinandersetzte, wendete sich

das Interesse in der historisch-vergleichenden Forschungsphase Fragen zur zeitge-schichtlichen Einzigartigkeit und zum epochalen oder transformatorischen Charakter gegenwärtiger gesellschaftlicher Globalität zu. Die Institutionalisten fokussierten vor allem Fragestellungen des institutionellen Wandels bzw. der jeweiligen Widerstands-fähigkeit vor dem Hintergrund globaler Konvergenz- bzw. Divergenzvermutungen, dies vor allem in den Bereichen nationaler Kapitalismusmodelle, Staatsrestrukturie-rung und Kultur. Die aktuelle Phase der Dekonstruktivisten ist demnach vor allem durch die theoretischen Einflüsse von Poststrukturalismus und Konstruktivismus ge-prägt und betont die konzeptionelle Bedeutung von Ideen, Kommunikation und der grundsätzlichen Kontingenz für die analytische Beurteilung der (Re-)Produktion von (De-)Globalisierung als historischen Prozess oder aber hegemonialen Diskurs. Debat-ten bestimmend sind somit normative bzw. empirisch gestützte Überlegungen eines post-globalen Zeitalters oder konkurrierender bzw. alternativer Globalisierungen.70

Um, über diese periodische Einordnung hinaus, eine Übersimplifizierung vorlie-gender Globalisierungskonzepte auf dichotome Pro-Kontra-Positionierungen zu ver-meiden, soll nachfolgend kurz auf die von McGrew (2007) vorgeschlagene Systema-tisierung möglicher Analysemodi innerhalb der gegenwärtigen Globalisierungskon-troverse eingegangen werden. Diese bietet eine erste Orientierung im Forschungsdis-kurs (vgl. Abb. 3.1).

McGrew unterscheidet entlang einer mittels zweier Dimensionen (D1: Normative Theorie; D2: Skalierung des Theoriemodells) aufgespannten Matrix mit dem Defen-siv Globalism,Critical Globalism,Glocalism,Post-Globalism und hier ergänzend hinzugefügtenNon-Globalismzwischen vier (fünf) im akademischen Diskurs auftre-tenden Analysemodi, die sich den entsprechenden Polen (D1: ideologisch vs. post-ideologisch; D2: methodologischer Nationalismus vs. Globalismus) zuordnen lassen.

Die unter diesen Schlagworten gefassten Ansätze verweisen dabei auf einen hohen Grad an theoretischer und methodischer Heterogenität und auf ein breites Spektrum der eigentlichen Argumentationslinien (orthodox bis radikal).71Verfechter der Glo-balisierungsthese lassen sich somit vor allem unter Vertretern der markt-liberalen

70 |Vgl. Holton 2005, S. 5; vgl. McGrew 2007, S. 33.

71 |Vgl. McGrew 2007, S. 31, 34; für einen ähnlich systematisierenden Klassifizierungsver-such vgl. Held und McGrew 2002, S. 99. Vergleiche auch Held und McGrew 2003, S. 38, wobei eine Strukturierung entlang der Diskussionspunkte konzeptionelle Ausgestaltung, Machtvertei-lung, Kultur, Wirtschaft, globale Ungleichheit und Weltordnung erfolgt. Dass das Globalisie-rungsparadigma per se keine eindeutigen kausalen Beziehungen zwischen theoretischem Ent-wurf und sozialen bzw. politischen Handlungsoptionen impliziert, darauf verweist auch Sparks 2007, S. 155f. Diese erwachsen vielmehr auf Basis der jeweiligen normativen

Wertvorstellun-Abbildung 3.1.: Globalisierungstheoretische Analysemodi

Quelle: Modifizierte Darstellung in Anlehnung an McGrew (2007, S. 34) Ökonomie72und innerhalb der transformationsorientierten Schule73finden. Letzte-re konstatiert eine fundamentale Metamorphose nunmehr weltweiter ökonomischer, politischer, kultureller und gesellschaftlicher Beziehungen, die in ihrer Komplexität, Reichweite und Intensität einen historisch ungekannten Globalisierungseffekt bzw.

-prozess initiieren. Mit diesen Überlegungen ist als politisch Idee das Projekt einer ethischen Globalisierung bzw. einer globalen Demokratie assoziiert, welches auf ei-ne verstärkte Verteilungsgerechtigkeit und (Re-)Demokratisierung existierender Glo-bal Governance Strukturen abzielt. Die kritische GloGlo-balisierungsforschung (Critical Globalism) erkennt gleichfalls den integralen und einzigartigen Charakter von Glo-balisierung für die gegenwärtigen Gesellschaftskonstellationen an, analysiert diese globalen Strukturen jedoch aus der Perspektive transnationaler Herrschaftsverhält-nisse bzw. einer hegemonialen global-kapitalistischen Weltordnung sowie

entspre-gen und können damit in einem Spektrum von markt-liberalen bis hin zu alter-mundialistischen Vorstellungen angesiedelt werden.

72 |Beispielhaft werden hier die Arbeiten von Bhagwati (2004) und Wolf (2004) genannt.

73 |Exemplarisch sind hier die aus der »theoretischen« bzw. »historischen« Phase resultieren-den Arbeiten von Gidresultieren-dens, Castells, Rosenau oder Held einzuordnen.

chender Prozesse des Widerstandes. Gleichzeitig werden alternative Formierungen von Globalisierung gefordert, dies bei einem betont pluralistischen Verständnis nor-mativer Visionen ethischer Globalisierung.74Die synkretistische Perspektive (Gloca-lism) hebt ihrerseits den gegenseitig konstitutiven Charakter des Globalen und Loka-len hervor und distanziert sich damit von einem exkludierenden Verständnis der an sich von Hybridität und Überlappungen gekennzeichneten gesellschaftlichen Struk-turen und Prozesse.75Trotz der Differenzen zwischen einer grundsätzlichen Globa-lisierungsskepsis (Non-Globalism) und einer post-globalistischen Perspektive (Post-Globalism), welche eine normative oder empirische Kritik unter impliziter oder ex-pliziter Annahme der zumindest temporären Existenz von Globalisierungsprozessen vornimmt, fallen die jeweiligen Schlussfolgerungen der beiden Argumentationslini-en in ihrer Kritik der deskriptivArgumentationslini-en und explikativArgumentationslini-en Qualität von Globalisierungs-phänomenen jedoch zusammen. Bei der normativen Neuformulierung gesellschaft-licher Verhältnisse wird dem Nationalstaat eine maßgebliche Funktion zugedacht, wenngleich er nicht als alleiniger und autark agierender Akteur das sozio-politische Definitionsprimat auf sich vereinen kann bzw. soll. Mögliche Argumentationslinien erstrecken sich aus Perspektive des post-globalistischen Modus demnach über Ideen einer post-kapitalistischen Gesellschaft oder eines progressiven Internationalismus bis hin zu liberalen Entwürfen der internationalen Ordnung.76

Nachfolgend soll nun vor dem Hintergrund der dargestellten Analysemodi ei-ne Reduktion zugunsten der grundlegenden Fragestellung nach der Gültigkeit von Globalisierungsannahmen vorgenommen werden. Dazu sollen zunächst Definitions-ansätze von Globalisierung vorgestellt (Kap. 3.1.2) und anschließend mit skeptischen bzw. post-skeptischen Überlegungen kontrastiert werden (Kap. 3.1.3).

74 |Als Vertreter des kritischen Globalismus können u.a. Hardt und Negri (2000), Mittelman (2000) sowie Gill (2003) genannt werden.

75 |Genannt werden hier u.a. die Arbeiten von Appadurai (1996).

76 |Vgl. für diesen Abschnitt McGrew 2007, S. 35-42.

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