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H OPPEGARTEN , 'K AISERBAHNHOF '

Historische Entwicklung Hoppegartens, der Rennbahn und des Bahnhofs

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55 JAHRBUCH MSD 2010-12

H OPPEGARTEN , 'K AISERBAHNHOF '

Eine Darstellung der Methoden und Prozesse von Bauforschung und Denkmalpflege

Michael Grass – Michael Lentz, MSD 2010-12 TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR ARCHITEKTUR

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +49-30-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de

Sherlock Holmes und der verlassene Bahnhof

Wenn Bauforscher ein Gebäude untersuchen, folgen sie jedem Detail. Sie gehen jeder noch so kleinen Spur nach, entdecken Anhaltspunkte, skizzieren Tathergänge und kommen am Ende zu überraschenden Schlussfolgerungen. Es ist etwas Detektivarbeit im Spiel, will man bauhi-storische Fragen beantwortet wissen. Und es kommt auch nicht selten vor, dass Bauforscher mit der Lupe vor einem Holzbalken sitzen. Sie analysieren mikroskopisch kleine Farbreste, zählen Jahresringe oder entdecken unterschied-lich aufgetragene Putzschichten. Die einzelnen Spuren werden zu einem umfassenden Bild der Baugeschichte eines Gebäudes zusammenge-tragen. Ein bisschen Hercule Poirot oder eben Sherlock Holmes sind mit dabei, wenn am Ende der Vorhang gelüftet und Geheimnisse enträtselt werden.

Fragen und Ziele

Das Ziel jeder Bauforschung ist die Darstellung der Baugeschichte eines bestimmten Objekts.

Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Objekt ein einzelnes Gebäude, eine Siedlung oder gar eine ganze Stadt ist. Im wissenschaftlichen Kontext leistet die Bauforschung wertvolle Beiträge zur Erfassung der Geschichte, der Architektur und der Kultur. Im Fall des 'Kaiserbahnhofs' standen denkmalpflegerische Aspekte im Mittelpunkt.

Die bauforscherischen Untersuchungen lieferten hier die Grundlagen für die Analyse und die Be-wertung der vorhandenen Bausubstanz.

Bauforschung

Einem ersten Vertrautmachen mit dem Bauwerk folgte dessen genaue Vermessung. Hierbei kamen technisches Gerät und komplexe Ver-fahren genauso zum Einsatz wie der gute alte

„Zollstock”. Unter Verwendung geodätischer Daten und Koordinaten sowie mit Hilfe mo-derner Vermessungstechnik wurden einzelne Punkte am Gebäude eingemessen. Von diesen ausgehend erfolgte das verformungsgerechte Aufmaß des gesamten Objekts. Jede Wand, jedes Fenster und jeder Ziegelstein wurden per Hand in Grundriss oder Fassadenzeichnung im Maßstab 1: 25 festgehalten. Trotz des hohen Zeitaufwands hat die zeichnerische Erfassung einen entscheidenden Vorteil. Sie liefert erste Erkenntnisse über die Baugeschichte selbst. Fu-gen im Mauerwerk treten zu Tage, Anbauspuren werden sichtbar, hier wurde etwas entfernt, dort ist etwas dazugekommen. Eigentümlichkeiten in der Fachwerkkonstruktion lassen sich ebenso darstellen wie Öffnungen, die früher gar keine waren.

Bauforschung wird in erster Linie direkt am Ob-jekt durchgeführt. Neben der Untersuchung des Bauwerks kamen in Hoppegarten wissenschaft-liche Datierungsmethoden wie die Dendrochro-nologie zum Einsatz. Hierbei konnte durch die Analyse der Jahresringe im Bauholz dessen Fäll-datum rekonstruiert werden.

Gleichermaßen wichtig ist die Suche nach historischen Quellen und deren Auswertung.

Prozess und Produkt 1 – Bauforschung: Beim tachymetrisch gestützten Handaufmaß (links) wurden unter Verwendung vermes-sungstechnischer Geräte Messpunkte am Gebäude ermittelt. Sie dienen als Grundlage für die zeichnerische Erfassung in Grundriss, Längs- und Querschnitten sowie Fassadenansichten. Am Ende entstand der Bauphasenplan (rechts, Aussschnitt), in dem alle bauge-schichtlichen Erkenntnisse sichtbar gemacht wurden.

Prozess und Produkt 2 – Schadensuntersuchung und Sanierungsvorplanung: Auf Grundlage der Materialkartierung wurden spezifische Schadensbilder analysiert und deren Ursache ermittelt (links). Am Ende entstand die Schadenskartierung (rechts, Aus-schnitt), die die Grundlage für eine erfolgreiche Sanierungsplanung darstellt.

Schriften, Pläne, Bauakten, sogar Briefe, Jahr-zehnte alte Zeitungsartikel und historische Fotos wurden herangezogen, um aus ihnen Hinweise auf die Baugeschichte zu erhalten. Alle Erkennt-nisse der Bauforschung wurden in den vorher erstellten Planzeichnungen kartiert. Parallel entstand ein umfangreiches Dokumentations-werk, das Raum- und Fassadenbuch, welches in Wort und Bild den derzeitigen Zustand des Gebäudes festhält. Unter Verwendung dieser Materialien und aller bauforscherischen Ergeb-nisse entstand der Bauphasenplan. Er stellt dar, aus welcher Umbauphase jedes einzelne Bauteil stammt und liefert den Überblick über den histo-rischen Zusammenhang des Bauwerks. Diesen zu bewerten und zu beschreiben war Aufgabe der denkmalpflegerischen Zielstellung und des Bindungsplans.

Sanierungsvorplanung

Die zeichnerische Erfassung des Bauwerks lie-ferte gleichzeitig die Grundlage für die Analyse

des baulichen Zustands. Zunächst musste das Gebäude auf seine verwendeten Materialien untersucht und diese dokumentiert werden.

Dies war eine wichtige Voraussetzung, bedür-fen doch unterschiedliche Materialien unter-schiedlicher Behandlungen. Der Zustand der einzelnen Baustoffe wurde geprüft, Schadens-bilder kartiert. Hier war die Unterstützung von Fachleuten nötig, die in der Lage sind, die Merkmale den verschiedenen Ursachen zuzuordnen.

Nur durch diese eingehende Beschäftigung mit dem Gebäude ist eine wirksame Sanie-rung erfolgreich planbar. Für ein Denkmal wie den 'Kaiserbahnhof' bedeutet das, erhaltens-werte Bauteile schonend auszubessern, ohne den historischen Wert zu zerstören. Unter der Maßgabe des Erhalts der Bausubstanz mussten Lösungen gefunden werden, Schäden, die aus der Vernächlässigung und aufgrund der Wit-terung entstehen, nachhaltig zu beheben.

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56 JAHRBUCH MSD 2010-12

Michael Knuth – Nora Ullrich, MSD 2010-12 TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR ARCHITEKTUR

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +49-30-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de

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Disposition und Baubeschreibung

Der 'Kaiserbahnhof' liegt in der Gemeinde Hop-pegarten unmittelbar an der Bahntrasse der Preußischen Ostbahn, die im 19. Jahrhundert von Berlin nach Küstrin gebaut wurde. Er diente vor allem als Ankunftsort für die Besucher der Galopprennbahn Hoppegarten auch für höher-gestellte Personen. Da hierzu auch der Kaiser zählte, ist wohl der heute gebräuchliche Name entstanden. Auf der Nordseite des Gebäudes befindet sich eine Gleisanlage mit gepflastertem Bahnsteig. Auf der Südseite liegt das Gebäude an einer Straße mit Bushaltestelle. Derzeit ist der 'Kaiserbahnhof' ungenutzt.

Konstruktion und Fassade

Das eingeschossige Gebäude hat einen recht-eckigen Grundriss (51 m x 7,5 m) und ist als Fachwerkbau mit steinsichtiger Ausfachung ausgeführt. Zwei Querbauten, die risalitartig hervortreten, unterbrechen den langgestreckten Baukörper. Ausgehend von dieser Gliederung des Baukörpers wurde das Gebäude von West nach Ost in die Gebäudeteile A - Vestibül, B - Querbau, C - Längsbau, D - Querbau, E - Längsbau eingeteilt. Sämtliche Gebäudeteile sind auf einem Ziegelsockel ausgeführt. Auf diesem liegt die durchgehende Schwelle. Die Stiele sind durchlaufend von der Schwelle bis zum Rähm geführt und durch Riegel in meist vier Gefache gegliedert. Zur Aussteifung und als Dekorationselement befinden sich in den Rand-gefachen Andreaskreuze. Als Sturz über den historischen Fenster- und Türöffnungen des Ge-bäudeteils B wiederholt sich dieses Motiv. Das umlaufende Rähm dient gleichzeitig als Fußpfet-te für die SatFußpfet-teldächer mit einer Deckung aus Bi-tumenbahnen. Sie haben einen Dachüberstand von 1,5 m, der von verzierten Sparrenköpfen getragen wird. Am Giebel des Gebäudeteils D ist reiche Schnitzornamentik angebracht, bei den anderen Giebeln finden sich schlichtere Verzierungen in Form von Sprengwerken.

Abb. 1: Das ehemalige Bahnhofsgebäude Hoppegarten von der Vorplatzseite (Südosten). Langgestreckter Baukörper mit zwei Quer-bauten. Gebäudeteil A ist verdeckt. Foto: Knuth, Ullrich

Vestibül - Gebäudeteil A

Im Westen des Gebäudes ist Gebäudeteil B mittig ein schmalerer Eingangsbereich vorgela-gert. Die ehemaligen Öffnungen (Fenster, Tür, Fenster) in der Mittelachse der Westseite wurden zugesetzt, um die letzte Nutzung des Gebäude-teils A als Sanitärräume und Flur realisieren zu können. Die Böden sind gefliest und in Teilbe-reichen mit PVC ausgelegt und die Wände sind partiell gefliest oder gestrichen. In allen Räumen des Gebäudeteils A sind die Decken mit Holz-werkstoffplatten abgehängt. Die Erschließung erfolgt über eine Tür des Gebäudeteils B.

Querbau - Gebäudeteil B

Erschlossen wird der Bereich über eine Tür des Gebäudeteils C. Ein kleiner Vorraum und ein größerer Raum mit Fenstern zum Bahnhofsvor-platz liegen im südlichen Teil. Im nördlichen Teil gibt es einen Flur sowie zwei weitere Räume mit Fenstern zu den Gleisen sowie eine Kam-mer unter der Holztreppe zum Obergeschoss.

Im Erdgeschoss sind die Wände teilweise

tape-ziert, teilweise nur gestrichen. In zwei Räumen finden sich noch Reste des historischen Parketts unter PVC, in anderen gibt es nur PVC oder Estrich. Das Obergeschoss hat Holzdielen und verputzte, gestrichene Wände. Im Raum 1.01 hat sich die Stuckdecke des ehemaligen Saals erhalten. Über den südlichen Räumen befindet sich ebenfalls ein Bodenraum, jedoch ohne Er-schließung.

Längsbau - Gebäudeteil C

Der langgestreckte Baukörper wird durch zwei Türen von der Nord- und Südseite und über eine Tür des Gebäudeteils D erschlossen. Die Böden haben entweder PVC-Belag oder Zementes-trich-Oberflächen. Die Wände sind gestrichen, in Teilbereichen tapeziert und die Decken sind mit Holzwerkstoffplatten abgehängt.

Querbau - Gebäudeteil D

Gebäudeteil D wird über eine Tür auf der Süd-seite erschlossen. Der Flur hat ein Schiebefen-ster als Durchreiche oder Schalter in den nörd-lichen großen Raum. In einem weiterem Raum ist eine Toilette. Wie in anderen Gebäudeteilen haben die Böden PVC-Belag, die Wände sind tapeziert und die Decken gestrichen.

Längsbau - Gebäudeteil E

Dieser Bereich wird teilweise über Gebäude-teil D und über eine Tür auf der Nordseite des Gebäudeteils E erschlossen. Im Vergleich zum übrigen Gebäude ist das Bodenniveau um ca.

25 cm erhöht. Einige Räume sind wie üblich mit Bodenbelägen aus PVC, tapezierten Wän-den und abgehängten, gestrichenen Decken ausgestattet. Zwei Räume sind dagegen mit Metallakustikplatten an den Wänden und De-cken bekleidet. Durch Löcher in der Decke ist das aufwändig gestaltete Dachwerk zu sehen. In einem Teilbereich auf der Südseite ist der Ge-bäudeteil E unterkellert. Über eine geradläufige Treppe auf der Südseite des Gebäudes gelangt man in den Keller.

Abb. 2: Grundrisse des Gebäudes. Die Gebäudeteile A bis E werden von Westen nach Osten benannt. Der Obergeschossbereich über Gebäudeteil B und der Keller unter Gebäudeteil E sind über dem Erdgeschoss dargestellt (Plangrundlage Bahnstadt 2001-08).

OG KG

C D E

A B

EG

0 5m 10m

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57 JAHRBUCH MSD 2010-12

Ayşe Dalyancı – Corinna Tell, MSD 2010-12 TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR ARCHITEKTUR

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +49-30-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de

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Ergebnisse der Bauforschung I: Kartierungen und Beobachtungen

Bis zur Festlegung von Bauphasenplänen und im nächsten Schritt der Rekonstruktion einer Bauphase sind viele kleine Schritte nötig, die Erkenntnisse über ein Bauwerk liefern. Die Bau-forschergruppe in Hoppegarten ist mit verschie-denen Methoden an das Bauwerk herangegan-gen, um es zum Sprechen zu bringen.

Kartierungen

Grundlage für die Rekonstruktion der Fassaden und Bauphasen waren die Kartierungen der Abbundzeichen, der Holzverbindungen und der Treppenstufen im Außenbereich.

Abbundzeichen sind Buchstaben, Ziffern, Sym-bole oder Muster der Zimmerleute, die durch den Herstellungsprozess des Fach- oder Dach-werks auf dem Abbundplatz entstehen (Abb.

1). Sie dienen der schnellen und sicheren Zu-ordnung der Bauteile und dem Zusammenset-zen der Gebinde beim späteren Aufbau. Die Abbundzeichen am 'Kaiserbahnhof' bestehen aus verschiedenen Elementen: Zunächst stehen römische Ziffern für die einzelnen Hölzer, dann folgen Stiche (dreieckige Einkerbungen) oder Ruten (schrägstrichartige Markierungen), die die Wände des Gebäudes kennzeichnen und als Drittes folgen sog. Hohlschläge (halbkreis-förmige Kerben), die den Gebäudeteil bezeich-nen. Durch die Untersuchungen haben sich drei verschiedene Abbundsysteme herauskristallisiert (Abb. 2). Das erste System sind gestemmte Ab-bundzeichen mit Hohlschlägen, die sich an Ge-bäudeteil B, C (Ost) und D finden. Ein zweites System mit geritzten Abbundzeichen findet sich an den Südfassaden derselben Gebäudeteile, so dass sich die Systeme teilweise überlagern und die entsprechenden Bauteile ein zweites Mal verwendet worden sein müssen. Ein drittes System mit gestemmten Abbundzeichen ohne Hohlschläge findet sich schließlich an den Ge-bäudeteilen A, C (West) und E. Diese Gebäu-deteile sind demzufolge den zweitverwendeten Teilen als Erweiterung hinzugefügt worden. Der Befund lässt sich mit einem Bauantragsplan von 1868 (Quelle: Sammlung Lothar Meyer) ver-binden, der das Bahnhofsgebäude noch ohne die Teile A, C (West) und E und gegenüber der heutigen Ausrichtung um 180° gedreht auf der Nordseite der Gleise zeigt. Das Bauwerk ist also transloziert und dabei erweitert worden.

Holzverbindungen sind konstruktive Anschlüsse, mit denen die einzelnen Holzbauteile wie Stiele und Riegel, aber auch Kreuze und Schwellen verbunden werden. Stiele sind die Stützen der Fachwerkkonstruktion, welche unten von der Schwelle und oben vom Rähm abgeschlossen werden. Die horizontalen Verbindungen

zwi-Sprossen (Abb. 4).

An der Ostfassade des Bahnhofsgebäudes gibt es Spuren eines abgebrochenen Anbaus, wie z. B. die abgesägten Sparren der Dachkonstruk-tion und Bitumenreste der Dachdeckung.

Für die erste Bauphase sind auch im Inneren des Gebäudes Fachwerkwände nachgewiesen. Da aber im Innenraum diverse Umbauten stattge-funden haben, sind diese nur teilweise erhalten und eine ursprüngliche Raumdisposition kann nicht nachgewiesen werden.

In Gebäudeteil B sind zwei bauzeitliche Türen er-halten. Eine davon befindet sich an der ursprüng-lichen Stelle im Osten des Vorraums des Fürsten-zimmers, die zweite hingegen ist innerhalb des Raumes von der West- an die Nordseite versetzt worden.

Die Ausstattung der Innenräume ist aufgrund der geringen Zahl der Befunde schwer nachvollzieh-bar. Reste von Feinsteinzeugfliesen und Holzfuß-böden zeugen von einer qualitätvollen Ausge-staltung. Über den heute abgehängten Decken finden sich alte Farbfassungen an den Wän-den. Auf frühere Gestaltungsphasen weisen in Gebäudeteil D eine Stuckrosette an der Decke und in Gebäudeteil E ornamental ausgebildete Sparrenköpfe hin. Die abgehängten Decken sind demzufolge eine spätere Zutat.

Eine Schadstelle an der Putzdecke des Fürsten-zimmers legt eine ältere Kassettendecke frei, de-ren Wangen mit farbigen Strichen verziert sind (Abb. 5).

Auf diesen vielfältigen Untersuchungen basiert die Erstellung des Bauphasenplans. Darüber hinaus helfen die Beobachtungen bei der histo-rischen Bewertung der Bausubstanz und mün-den in die Empfehlungen des Bindungsplans.

schen den Stielen werden Riegel genannt und die diagonalen Verstrebungen der Fachwerk-felder Andreaskreuze.

Als Regel für die Holzverbindungen konnten am 'Kaiserbahnhof' in Hoppegarten Verbindungen mit Zapfen und Holznagel ausgemacht wer-den. Die Sturzriegel und Stiele sind mit Versatz verzapft. Die Andreaskreuze und die Schwellen sind miteinander verblattet (Abb. 3). Bei der Er-fassung der Holzverbindungen ist aufgefallen, dass auch die Fasen, d. h. die abgeschrägten Kanten der Holzbauteile, unterschiedlich aus-gebildet sind. Die Stiele und Riegel haben eine durchgehende Fase mit Anlauf. Im Bereich einer Verzapfung sind die Fasen unterbrochen. Als in einer weiteren Bauphase zusätzliche Sturzriegel eingefügt wurden, sind die ursprünglich durch-gehenden Fasen im Bereich der neuen Verzap-fung mit einer Leiste abgedeckt worden, um das bauzeitliche Erscheinungsbild zu imitieren. Bei den noch späteren Bauteilen wurde auf Fasen gänzlich verzichtet. (Die Pfeile in Abb. 3 zeigen die verschiedenen Fasenlösungen).

Die Untersuchung der Außentreppen bezog sich vor allem auf die Kartierung der Standorte, die Anzahl der Stufen, das Material und die Aus-sparung in der Rollschicht, woraus Rückschlüsse auf die Datierung der Treppenstufen gezogen werden konnten. Demnach banden die ur-sprünglichen Granitstufen in die Rollschicht ein, während spätere Stufen nur davor gesetzt wur-den. Daraus kann geschlossen werden, welche Türöffnungen in welcher Bauphase hinzukamen.

Beobachtungen / Befunde

Zwei bauzeitliche Fenster am Gebäudeteil B geben Aufschluss über die ursprüngliche Anord-nung der Kämpfer und die Verteilung der

Abb. 5: Decke Fürstensaal, Wange der Kassettendecke Abb. 4: Bauzeitliches Oberlicht im Gebäudeteil A

Abb. 2: Schematischer Grundriss mit Bezeichnung der Gebäudeteile und Systematik der Abbundzeichen

Abb. 3: Holzverbindungen a) mit Zapfen und Nagel sowie Fasen mit Anlauf (im Bereich der Verzapfung unterbrochen), b) mit Zapfen und Nagel sowie aufgesetzter Leiste, c) Sturzverbindung mit Versatz ohne Fase, d) verblattetes Andreaskreuz, e) verblattete Schwelle

Abb. 1: Abbundzeichen am Gebäudeteil B

e

a b c d

A B C D E

West Ost

gestemmt mit Hohlschlag geritzt gestemmt ohne Hohlschlag

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58 JAHRBUCH MSD 2010-12

Ayşe Dalyancı – Melanie Thiele – Nora Ullrich, MSD 2010-12 TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR ARCHITEKTUR

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +49-30-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de

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Ergebnisse der Bauforschung II: Bauphasenplan

Durch die intensive Bauforschung konnten die einzelnen Bauphasen für den 'Kaiserbahnhof' Hoppegarten identifiziert werden. Die vor Ort durchgeführten Kartierungen der Abbundzei-chen, Holzverbindungen und Treppenstufen sowie Archivrecherchen förderten wichtige An-haltspunkte für die Unterscheidung der Baupha-sen zutage. Die Datierung konnte in vielen Fäl-len nur relativ und nicht absolut erfolgen (Abb.

1 und 2).

Bauphase 1: Neu errichtet und erweitert Das Gebäude wurde am heutigen Ort in den 1890er Jahren – ein genaues Datum ist nicht bekannt – erbaut. Die meisten Fachwerkhölzer der Gebäudeteile B, C (Ost) und D sind zweit-verwendet, was sich über die Abbundzeichen und Holzverbindungen belegen ließ. Dieser Befund stimmt mit den Zeichnungen eines Bau-antrags überein, der für einen kleineren Vor-gängerbau auf der Nordseite der Gleise 1868 eingereicht wurde (Sammlung Lothar Meyer, 1869). Die älteren Gebäudeteile sind demnach an ihren heutigen Standort transloziert und da-bei um die neuen Gebäudeteile A, C (West) und E ergänzt worden. Die Fachwerkfassade war mit ziegelsichtigen Gefachen und farblich gefassten Holzteilen ausgeführt. Über den heutigen Öff-nungen waren die Fachwerkfelder mit Oberlich-tern versehen. Der Zugang zum Fürstentrakt in Gebäudeteil A erfolgte durch Türen, die mit dreieckigem Oberlicht besonders hervorgeho-ben waren. Es gab mehrere Ausgänge auf der Gleisseite und einen Zugang mittig im Süden vom Vorplatz. Das Raumprogramm bestand aus einem Fahrkartenverkauf, Warteräumen für die erste bis dritte Klasse sowie dem Empfangsbe-reich für höhergestellte Personen mit dem Empfangsbe-reich dekorierten Fürstenzimmer. Der östliche Ge-bäudeteil E war als offene Halle mit verziertem Dachwerk ausgeführt. Ein hölzernes Vordach überspannte den Bahnsteig.

Bauphase 2: Umnutzung nach der Kaiserzeit Mit dem Ende des Kaiserreichs wurde das Fürs-tenzimmer nicht mehr benötigt und nach 1922

für eine Büronutzung unterteilt (I. HA Rep. 93 E Nr. 5860; Staatsarchiv). Dabei wurden drei Räume im Erdgeschoss und ein über eine neue Treppe erschlossener Raum im Obergeschoss geschaffen. In diesem Obergeschoss hat sich bis heute die stuckierte und bemalte Decke des Fürstenzimmers erhalten. Vermutlich wurden zu dieser Zeit im gesamten Gebäude die Decken abgehängt, da kein Repräsentationsanspruch mehr bestand. Eine bauzeitliche Tür wurde ver-setzt und wieder verwendet. Auch wurden zu dieser Zeit wahrscheinlich zusätzliche Heizmög-lichkeiten benötigt, wovon ein weiterer Schorn-stein zeugt. In den 1940er Jahren wurde die offene Halle (Gebäudeteil E) teilweise zugesetzt, um einen Kücheneinbau zu realisieren (A Rep.

080 Eisenbahndirektion- 4147; Landesarchiv Berlin). Von diesem existieren zwar Pläne, es kann aber bisher nicht genau rekonstruiert wer-den, inwieweit diese Planung ausgeführt wurde.

Bauphase 3: Bahnhof ohne Reisende Ab 1947 wurde Hoppegarten an das S-Bahn Netz angeschlossen. Die Abfertigung der Fahr-gäste erfolgte nun auf dem gegenüberliegenden S-Bahnsteig. Im Gebäude wurde eine größere Güterabfertigung eingerichtet, und die Nutzung als Empfangsgebäude und Personenbahnhof entfiel (Braun 2010). Nach dem Zweiten Welt-krieg nutzte die Reichsbahn der DDR weiterhin die Büroräume. Während im Gebäudeinneren die Umbauten dieser Zeit eher funktionalen Gesichtspunkten folgten, wurden bei den Ge

bäu-deteilen B, C und D in dieser Bauphase qua-litätvolle Holzfenster eingebaut. Die Sturzriegel wurden nach dem Vorbild der ursprünglichen Hölzer mit anlaufender Fase gestaltet.

Nachfolgende Umbaumaßnahmen sollten die-se Qualität nicht mehr erreichen. Auf das Er-scheinungsbild und die Substanz des Gebäudes wurde keine Rücksicht mehr genommen. Sie sind durch die Verwendung anderer Materi-alien gekennzeichnet wie z.B. Kunststofffenster, Gasbetonsteine und Metallakustikplatten. Viele dieser Bauteile befinden sich in Gebäudeteil E, außerdem wurden Toiletten in Gebäudeteil A eingebaut. Dadurch könnte hier eine relative Datierung in eine frühe bzw. eine späte Phase der DDR (Bauphase 3a und 3b) vorgenommen werden.

Bauphase 4: Leerstand nach der Wende Bald nach der Wende verlor das Gebäude seine Funktion als Güterbahnhof. Temporäre Nach-nutzungen kamen ohne Umbauten aus. Verän-derungen dieser Bauphase (Zusetzen von Türen, Ändern der Außenanlagen) entstanden erst mit der kompletten Aufgabe der Nutzung vermutlich ab den späten 1990er Jahren bis heute.

Literatur

Michael Braun: Bahnhof Hoppegarten. Das Tor zur Rennbahn im Grünen, Dahlwitz-Hoppegarten 2010, 32-41.

Quellen

Bauantragszeichnungen, Sammlung Lothar Meyer, 1869.

Plan und Prüfungsbericht, A Rep. 080 Nr. 4147; Landesarchiv Berlin.

Text, I. HA Rep. 93 E Nr. 5860; Staatsarchiv.

Westansicht Querschnitt

Abb. 1: Darstellung der Bauphasen, Westfassade und Querschnitt durch Gebäudeteil B mit dem Fürstenzimmer

Abb. 2: Darstellung der Bauphasen, Grundriss Erdgeschoss mit Bezeichnung der Gebäudeteile

1m 2m

1m 2m

A B

West

C

Ost

D E

Bauphase 1

1890 –1918 Bauphase 2

1918 –1945 Bauphase 3

1945 –1990 Bauphase 4

ab 1990 Bauphase 3a

Frühe DDR Bauphase 3b

Späte DDR

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Frauke Gallinat – Björn Schmidt – Corinna Tell, MSD 2010-12 TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTITUTFÜR ARCHITEKTUR

UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERSTUDIUM DENKMALPFLEGE, STRASSEDES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. +49-30-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de

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Ergebnisse der Bauforschung III: Rekonstruktion der 1. Bauphase und Farbfassungsuntersuchung

Die Rekonstruktion der Bauphase 1 Ein abschließendes Ergebnis der Bauforschung ist die zeichnerische Rekonstruktion der ersten Bauphase des 'Kaiserbahnhofs'.

Grundlagen dieser Rekonstruktion sind die Kar-tierungen der Holzverbindungen, Zugänge und Abbundzeichen sowie die Sichtung von histo-rischen Fotos und Archivmaterial.

An der zur Gleisseite gelegenen Nordfassade öffneten sich die Warteräume durch große drei-teilige Fenstertüren zum Bahnsteig. Im Osten schloss das Gebäude mit einer zum Bahnsteig offenen Wartehalle (Gebäudeteil E) ab.

Dem westlichen Querbau (Gebäudeteil B) war auf dieser Seite, wie aus historischen Fotos her-vorgeht, eine baldachinartige Überdachung vorgelagert.

Im Gegensatz zur Gleisseite war die nach Süden orientierte Platzseite geschlossener gehalten und besaß dort lediglich zwei Zugänge. Nach Stillle-gung der Gleise übernahm diese Fassade die Funktion des Hauptzugangs. Einfache Rechteck-fenster gliederten die Fassade.

Der ehemalige fürstliche Bereich (Gebäudeteile A und B) setzt sich u.a. durch Tür- und Fenster-elemente mit dreieckigem Abschluss vom Rest des Gebäudes ab (Abb. 2).

Alle Gebäudeöffnungen wurden durch verzierte Verdachungen betont (Abb. 1).

Über die bauzeitliche Deckung des Daches und die Aufteilung der Fenster mit Kämpfer und Sprossen können trotz erhaltener Originalsub-stanz und historischen Ansichten keine eindeu-tigen Aussagen getroffen werden. Daher kann die Rekonstruktion nur eine Annäherung an den bauzeitlichen Zustand des Bahnhofs darstellen.

Abb. 3: Anschliff einer Farbfassungsprobe mit übereinanderlie-genden Farbschichten

Abb. 2: Rekonstruktionszeichnung Südfassade, Bauphase 1

Die erste Farbfassung der Fassaden Mit Hilfe von Skalpell und Lupenbrille wurden vor Ort sog. Farbtreppen am Fachwerk des Hoppegartener Bahnhofs angelegt (Abb.4).

Die dadurch freigelegten Farbschichten doku-mentieren exemplarisch die Farbgestaltungs-geschichte des Bahnhofs. Anschließend wurden die Farbtöne der freigelegten Schichten mittels eines standardisierten NCS-Farbton-Fächers (Natural Color System) bestimmt.

In der ersten Gestaltungsphase des 'Kaiser-bahnhofs' in Hoppegarten waren die Bauteile aus Fachwerk flächig in einem ockerfarbenen Grundton (Fondton) gestrichen. Die Fasen waren auf diesem Ockerton in dunklem Rot gefasst. Ein besonderes Gestaltungsmerkmal waren die roten Begleitstriche, die in einem Ab-stand von rund 1,5 cm parallel zur Fase und zur Außenkante des jeweiligen Holzbauteils ver-liefen. Die gelblichen Ziegel der Gefache wa-ren ohne jegliche Bearbeitung sichtbar. Fenster und Türen setzten sich durch einen einheitlichen blauen Farbton ab (Abb.1).

Neben der repräsentativen Erstfassung konnten noch weitere Fassungen festgelegt werden: In der zweiten Gestaltungsphase waren z.B. das Fachwerk und die Fasen komplett in grün gestal-tet. In der 3. Fassung wiederum stand das Fach-werk in einem Braunton mit weißen Fasen (Abb.

3). Die Gefache waren jeweils ziegelsichtig.

Die Farbgestaltung im Fürstenzimmer Das Fürstenzimmer im westlichen Gebäudeteil ist innerhalb der Deckenzone mit einem um-laufenden, teils vergoldeten Stuckgesims sowie einer maltechnisch sehr feinen floralen Schablo-nenmalerei mit vereinzelten Freihandpartien und vergoldeten Bändern verziert (Abb. 5).

Der Übergang von Deckenspiegel und Stuck wird durch einen umlaufenden Akanthusstab klar gegliedert. Innerhalb der Deckenmale-rei flankiert geschwungenes Rankenwerk die zentralen Akanthuskelche. Diese Partien sind in Hellgrau ausschabloniert. Bei der Scha-blonierung entsteht ein typischer Malgrat, der sich durch die Ansammlung von Pigment und dickflüssigem Bindemittel an den Rändern der Schablone bildet. Bei der Freihandmalerei wird am Anfang der Pinselführung viel Farbe aufge-bracht, und im Verlauf nimmt die Pigmentdichte ab – der Pinselstrich verblasst. Sowohl der Kelch als auch der Stab werden durch ein Goldband flankiert. Die Abgrenzung der Malerei zum weiß gefassten Deckenspiegel erfolgt über einen roten, fein geschwungenen Freihandstrich.

Die Vergoldung der Bänder wurde mit Blattmes-sing, dem sog. Schlagmetall vorgenommen. Auf eine klebrige Grundfläche wird das Schlagme-tall aufgebracht und nach der Trocknung die überschüssigen Reste abgekehrt. Dabei verblei-ben kleine Überstände am Rand, die charakte-ristisch für diese Vergoldertechnik sind (Abb. 6).

Abb. 4: Farbtreppe (Stratigrafie) am Fachwerk

Abb. 5: Deckenausschnitt Fürstensaal: Akanthusornament

Abb. 6: Detail Decke Fürstensaal: Überstand Schlagmetall Abb. 1: Farbfassungsstudie Bauphase 1, Aquarell

A B C D E

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