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Das gemeinsame Merkmal aller Subtypen der MS ist eine primäre Schädigung der Myelinscheiden bei zunächst erhaltenen Axonen (LASSMANN, 2005; REYNOLDS et al., 2002). Die Anzahl oligodendroglialer Zellen in den Plaques ist stark variabel und reicht von einem nahezu totalen Verlust bis hin zu einer deutlichen Zunahme (LUCCHINETTI et al., 1999; WOLSWIJK, 2000). In einer Studie von Lucchinetti et al. (1999) war in 70% aller Fälle nur in den Zonen mit aktiver Demyelinisierung eine reduzierte Zahl von Oligodendrozyten nachweisbar, nicht aber in den älteren, überwiegend remyelinisierten Läsionen. In den anderen 30% der Fälle wurde ein massiver Verlust von Oligodendrozyten und keine Remyelinisierung beobachtet (LUCCHINETTI et al., 1999). In aktiven Plaques, die in der Frühphase der MS entstehen, wird häufig eine umfangreiche Remyelinisierung beobachtet (PATRIKIOS et al., 2006). Eine histologische Untersuchung zeigt in einer Gruppe von etwa 20% aller MS-Patienten, in der neben Fällen mit anfallsartiger MS auch solche mit progressiver MS vertreten waren, eine sehr starke Remyelinisierung (PATRIKIOS et al., 2006). Im allgemeinen wird jedoch gezeigt, dass vor allem bei chronisch progressiver MS häufig nur eine unzureichende Remyelinisierung vorzufinden ist (LASSMANN et al., 1997;

LUCCHINETTI et al., 1999; LUDWIN, 1994; RAINE und CROSS, 1989; SUZUKI et al., 1969). Die demyelinisierten Axone in diesen chronischen Läsionen unterliegen einer sekundären Degeneration, vermutlich auf Grund des Fehlens von oligodendroglialen Wachstumsfaktoren und Schutzmechanismen (DE STEFANO et al., 1998; DUTTA et al., 2006; LAPPE-SIEFKE et al., 2003; TRAPP und NAVE, 2008). Demyelinisierung und Remyelinisierung können gleichzeitig im ZNS eines Patienten nachgewiesen werden und Rodriguez (2007) vermutet, dass letztendlich die Balance zwischen diesen Vorgängen über den Fortgang der Erkrankung entscheidet (RODRIGUEZ, 2007). Zahreiche Untersuchungen weisen OPCs sowie Prä-Oligodendrozyten in den demyelinisierten Herden von MS-Patienten nach. Die Anzahl intraläsionaler NG2 und PDGFα-R-positiver OPCs oder O4-positver / GalC-negativer Prä-Oligodendrozyten schwankt hierbei sehr stark und ist im Vergleich zur normal erscheinenden weißen Substanz eher reduziert (CHANG et al., 2000; REYNOLDS et al., 2002; SCOLDING et al., 1998; WOLSWIJK, 1998; WOLSWIJK, 2000; WOLSWIJK, 2002). Es wird vermutet, dass eine ungenügende Proliferation und / oder Differenzierung

dieser Vorläuferzellen die Ursache der häufig ungenügenden Remyelinisierung darstellt (FRANKLIN, 2002b; WOLSWIJK, 1998).

Im Gegensatz zu MS und TME wird in den meisten experimentellen Modellen der MS in Labornagern eine schnelle und spontane Remyelinisierung beobachtet (DI BELLO et al., 1999; GODFRAIND et al., 1989; LINDNER et al., 2008; WOODRUFF und FRANKLIN, 1999). Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine Remyelinisierung in Folge der Proliferation und Differenzierung von OPCs entsteht, wohingegen überlebende Oligodendrozyten keine Rolle spielen (FRANKLIN, 2002b; GENSERT und GOLDMAN, 1997).

Bei mit den häufig verwendeten TMEV-Stämmen DA und BeAn infizierten SJL/J-Mäusen beginnt die demyelinisierende Meningoleukomyelitis etwa 2 bis 6 Wochen pi. Die Demyelinisierung nimmt progressiv zu und erreicht ihre maximale Ausdehnung ca. 3 Monate pi (MCGAVERN et al., 1999a; TROTTIER et al., 2004; TSUNODA et al., 1996; ULRICH et al., 2006; ZOECKLEIN et al., 2003). Im Folgenden kommt es nur zu einer geringgradigen und unvollständigen Remyelinisierung (DALCANTO und LIPTON, 1975; MCGAVERN et al., 1999a). Bei mit dem DA-Stamm infizierten SJL/J-Mäusen beobachteten McGavern et al.

(1999) ca. 180 Tage nach der Infektion eine Läsionsfläche von 11,7 +/- 2,1% der weißen Substanz, von der 8,0 +/- 2,7% remyelinisiert waren (MCGAVERN et al., 1999a). Die besondere Bedeutung des Erreger-Wirts-Gleichgewichts bei der TME zeigen Versuche mit dem Zellkultur-adaptierten WW-Stamm in CD-1 Mäusen, bei denen es zu einem remittierenden klinischen Verlauf und einer kompletten Remyelinisierung 2 Monate pi kommt (DALCANTO und BARBANO, 1984; DALCANTO und LIPTON, 1980). Zu Beginn der hier vorgestellten Studien existierten keine Veröffentlichungen bezüglich OPCs bei der TME unter Verwendung allgemein akzeptierter spezifischer Marker wie NG2 oder PDGFα-R. Allerdings vermuteten Prayoonwiwat und Rodriguez (1993) auf Grund einer erhöhten Anzahl von mittels Aufnahme von Tritium-markiertem Thymidin markierten intraläsionalen Oligodendrozyten, dass es bei der TME zu einer Proliferation von glialen Vorläuferzellen kommt (PRAYOONWIWAT und RODRIGUEZ, 1993).

Eine Woche nach der Infektion von C57/Bl6 Mäusen mit dem A49-Stamm des MHV wurde eine deutliche Zunahme von Prä-Oligodendrozyten in den aktiv demyelinisierenden Läsionen beobachtet. Die Demyelinisierung erreicht etwa 4 Wochen pi ihren Höhepunkt und 5 Monate pi ist eine vollständige Remyelinisierung beobachtbar und die Anzahl intraläsionaler

Prä-Oligodendrozyten liegt wieder auf dem Niveau der Kontrolltiere (GODFRAIND et al., 1989;

REDWINE und ARMSTRONG, 1998a).

Bei einer monophasischen, akuten EAE, ausgelöst durch den Transfer von gegen das MBP gerichteten T-Zellen in Verbindung mit einer Injektion von Anti-MOG-Antikörpern, kommt es innerhalb von 5-6 Tagen zu einer starken entzündlichen Demyelinisierung und einer ~1,8 bis 2,8-fach erhöhten Zahl an intraläsionalen OPCs. Bereits nach 2–3 Wochen ist lichtmikroskopisch eine vollständige Remyelinisierung zu beobachten (DI BELLO et al., 1999). Durch ein alternatives Versuchsdesign mit multiplen Injektionen von autoreaktiven T-Zellen und Anti-MOG-Antikörpern ist es möglich, einen polyphasischen, anfallsartigen Verlauf zu erzeugen, bei dem es zu einer nur geringen, fokalen Vermehrung von OPCs und einer chronischen Demyelinisierung mit ungenügender Remyelinisierung kommt (LININGTON et al., 1992; REYNOLDS et al., 2002).

Bei mit Cuprizone-induzierter Entmarkung wird noch innerhalb der 6-wöchigen Toxin-Fütterungsphase, 3 Wochen nach deren Beginn und 1 Woche vor dem Maximalpunkt der Demyelinisierung im Corpus callosum eine ~8,0-fach erhöhte Zahl an OPCs in den Läsionen beobachtet (MASON et al., 2000). Spätestens nach einer 6-wöchigen Erholungsphase liegt eine vollständige Remyelinisierung vor (LINDNER et al., 2008; MASON et al., 2000). Mit einem alternativen Versuchsdesign mit verlängerter Cuprizone-Verfütterung ist es auch in diesem Modell möglich, eine effiziente Remyelinisierung zu verhindern (MASON et al., 2004b). In den chronisch demyelinisierten Läsionen kommt es zu einem Verlust der OPCs (MASON et al., 2004b). Es wurde gezeigt, dass diese chronisch demyelinisierten Läsionen nach Aussetzen der Cuprizone-Fütterung durch die Transplantation von Prä-Oligodendrozyten wieder remyelinisiert werden können (MASON et al., 2004a). In einem weiteren Experiment wurde gezeigt, dass eine zweite Welle einer Cuprizone-induzierten Entmarkung vollständig remyelinisiert werden kann, wenn zwischenzeitlich genügend Zeit für eine Regeneration zur Verfügung stand (JOHNSON und LUDWIN, 1981).

Zwei Tage nach der Injektion von Ethidiumbromid in den caudalen Kleinhirnstiel sind alle intraläsionalen Zellen inklusive Oligodendrozyten, OPCs und Astrozyten nekrotisch (SIM et al., 2002; WOODRUFF und FRANKLIN, 1999). Im Anschluss kommt es bei jungen Mäusen innerhalb von 5 Tagen durch die Einwanderung von OPCs aus dem periläsionalen ZNS zu einer maximal 2-3-fach erhöhten Anzahl an OPCs und nach 4 Wochen zu einer vollständigen Remyelinisierung. Weitere Experimente haben gezeigt, dass es bei alten Mäusen zu einer drastischen Verzögerung der Remyelinisierung kommt (SHIELDS et al., 1999; SIM et al.,

2002). Diese Verzögerung wird durch eine reduzierte Fähigkeit der Makrophagen zur Phagozytose der Myelintrümmern ausgelöst (FRANKLIN und KOTTER, 2008; KOTTER et al., 2006).

3 Hypothesen und Ziele

Bei der Auswertung vorausgegangener Untersuchungen über die Rolle von Matrix-Metalloproteinasen und deren Inhibitoren bei der TME (ULRICH, 2006; ULRICH et al., 2006; ULRICH et al., 2005) fiel auf, dass es bei einem systematischen Vergleich der verschiedenen experimentellen Modelle der MS deutliche Unterschiede im Verlauf der Demyelinisierung und Remyelinisierung gibt. Mehrere Arbeiten bei chronisch progressiver MS und verschiedenen experimentellen Modellen deuten darauf hin, dass vor allem eine ungenügende Differenzierung der OPCs zu einer unvollständigen Remyelinisierung führt (BLAKEMORE und IRVINE, 2008; FRANKLIN und KOTTER, 2008; WOLSWIJK, 2002).

Mögliche Ursachen einer Fehlsteuerung der oligodendroglialen Differenzierung bei demyelinisierenden Erkrankungen werden in der Literatur kontrovers diskutiert (BLAKEMORE und IRVINE, 2008; FRANKLIN und KOTTER, 2008; FRANKLIN, 2002a;

JOHN et al., 2002; KOTTER et al., 2006; MASON et al., 2004b; MI et al., 2005;

STIDWORTHY et al., 2004).

Deshalb wurde die Hypothese aufgestellt, dass es bei der TME in Folge einer Störung der Proliferation und / oder Differenzierung der OPCs zu einer unvollständigen Remyelinisierung und einer damit einhergehenden chronischen Demyelinisierung kommt.

Zu Beginn der hier vorgestellten Studien existierten keine Veröffentlichungen bezüglich der Rolle der OPCs bei der TME unter Verwendung allgemein akzeptierter, spezifischer Marker wie NG2 oder PDGFα-R. Deshalb war es das Ziel des ersten Teils dieser Arbeit, die Rolle der OPCs im Verlauf der TME mittels licht- und elektronenmikroskopischer, immunhistologischer, immunfluoreszenzmikroskopischer und molekularbiologischer Untersuchungen genauer zu charakterisieren.

Basierend auf den Ergebnissen des ersten Teils war es das Ziel der zweiten Untersuchungsreihe dieser Arbeit, mit einem auf der Technik der Mikroarray-Genexpressionsanalyse beruhenden primär hypothesenfreien Ansatz nach grundlegenden Signal- und Stoffwechselwegen zu suchen, die an der Entwicklung der chronisch progressiven Demyelinisierung und der Inhibierung der oligodendroglialen Remyelinisierung bei der TME beteiligt sind.

4 Limited remyelination in Theiler’s murine encephalomyelitis