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Der deutsche Pathologe Rudolf Virchow beschrieb im Jahre 1846 erstmalig strukturell und funktionell von den Neuronen abgrenzbare Zellen im Nervengewebe, die er als „Nervenkitt“

bezeichnete, woher sich die Bezeichnung „Glia“ vom griechischen Wort für Leim ableitet (VIRCHOW, 1846). Es war ebenfalls Virchow, der 1858 erstmals Umhüllungen von Nervenfasern beschrieb und den Begriff „Myelin“ einführte, welcher sich vom griechischen Wort myelòs = Mark herleitet (VIRCHOW, 1858). Eine eingehende morphologische Charakterisierung der glialen Zellen mittels metallischer Imprägnierungstechniken erfolgte zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch Ramón y Cajal und Rio Hortega (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001). Hierbei beschrieb Ramón y Cajal zuerst Astrozyten und ein „drittes Element“, welches von Rio Hortega wiederum in Mikroglia und Oligodendroglia eingeteilt wurde. Erst nach der Entwicklung der Elektronenmikroskopie gelang es Bunge et al. (1961), eindeutig nachzuweisen, dass sich die Fortsätze der oligodendroglialen Zellen nahtlos in die Myelinscheiden fortsetzen (BUNGE et al., 1961).

Im Gegensatz zu den myelinisierenden Zellen des peripheren Nervensystems, den Schwannschen Zellen, kann ein einzelner Oligodendrozyt an der Myelinscheidenbildung multipler Axone beteiligt sein. Die Anzahl variiert in Abhängigkeit von der Topographie und der Spezies von 1 bis 40 Axonen pro Oligodendrozyt (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001). Die Myelinscheide dient der elektrischen Isolierung der Axone von Nervenfasern. Sie wird entlang der Axone in Abständen von ca 0,1-1 mm regelmäßig von den Ranvierschen Schnürringen unterbrochen. Nur an den Ranvierschen Schnürringen entstehen Aktionspotentiale, wodurch die schnelle saltatorische Erregungsleitung der behüllten Axone zustande kommt. Eine Demyelinisierung behindert die Weiterleitung der axonalen Aktionspotentiale. Für die chronische demyelinisierende TME konnte eindeutig eine im Krankheitsverlauf zunehmende Verzögerung der Reizleitungsgeschwindigkeit im Rückenmark nachgewiesen werden (MCGAVERN et al., 2000; RIVERA-QUINONES et al., 1998). Durch den Ausfall des hemmenden Einflusses der oberen motorischen Neuronen auf die segmentalen α– und γ-Motorneuronen des Rückenmarks kommt es zu einem Verlust der Koordinationsfähigkeit, Hyperreflexie und Spastizität mit einem gesteigerten Extensormuskeltonus in der Gliedmaßenmuskulatur. Weiterhin unterstützen die Myelinscheiden die Axone durch die Synthese von Wachstumsfaktoren und stellen eine schützende Hülle gegen schädigende Einflüsse dar. Die Myelinscheiden stellen die zellulären Fortsätze von Oligodendrozyten dar, welche die Axone der meisten Neuronen spiralförmig umgeben. Die Myelinscheide besteht aus ca. 10 bis 150 Lagen der Lipddoppelmembran (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001). Das Zytoplasma ist im Bereich der kompakten Internodien weitgehen extrudiert und die Myelinscheide zeigt im ultrastrukturellen

Querschnitt ein charakteristisches, im Abstand von ca. 12 nm alternierendes Muster von dunklen, dicken „major dense lines“, welche an der Stelle des Zusammenschlusses der zytoplasmatischen Seite von zwei Doppelmembranen entstehen, und helleren, dünneren

„intraperiod lines“, die an der Stelle des Zusammenschlusses der extrazellulären Seite von zwei benachbarten Doppelmembranen entstehen. Die Dicke der Myelinscheide hängt in einem mehr oder weniger festen Verhältnis vom Kaliber der umhüllten Axons ab, welches häufig als sogenannte „g-ratio“ bestimmt wird (NAVE und TRAPP, 2008). Im Vergleich zu normalen Myelinscheiden zeigen remyelinisierte Myelinscheiden charakteristischerweise eine deutlich reduzierte Dicke, was quantitativ z.B. durch eine erhöhte „g-ratio“ darstellbar ist (LINDNER et al., 2008). Im Vergleich zu anderen Biomembranen weist Myelin einen besonders hohen Lipidgehalt (70% in der Trockenmasse), einen relativ geringen Proteinanteil (30% in der Trockenmasse) und einen geringen Wassergehalt (40%) auf. Daher erscheinen stark myelinisierte Regionen im ZNS auch weiß und werden als „weiße Substanz“ bezeichnet.

Die Lipidkomponente des Myelins besteht vor allem aus Cholesterol, Phospholipiden und Glykolipiden in einem molaren Verhältnis von 4:3:2 bis 4:4:2. Auf Grund des hohen Cholesterol- und Lipidgehaltes der Myelinscheiden können die Prozesse der postnatalen Myelinisierung sowie der experimentellen Demyelinisierung und Remyelinisierung gut durch die Messung einiger myelinspezifischer Komponenten wie z.B. dem Glykospingolipid Galaktosylceramid (GalC, Synonym: Cerebrosid) und Cholesterol bestimmt werden (JUREVICS et al., 2002; MUSE et al., 2001). Im Gegensatz dazu stellt die Synthese von Phospholipiden keinen geeigneten Marker für die Myelinisierung dar. Auch die Expression und Aktivität der an der Synthese von GalC und Cholesterol beteiligten Enzyme wie z.B Cerebrosid-Galaktosyltrasferase (CGT) und 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym A (HMG-CoA)-Reduktase kann zur Charakterisierung der Myelinisierung verwendet werden (JUREVICS et al., 2002; MUSE et al., 2001). Versuche mit transgenen Mäuse mit einem oligodendrozytenspezifischen Verlust der Squalensynthetase (Farnesylpyrophosphat-Farnesyltransferase, FDFT1)-Expression zeigten, dass die Verfügbarkeit von Cholesterol einen limitierenden Faktor für die postnatale Myelinisierung darstellt (SAHER et al., 2005).

Die besondere Struktur der Myelinscheide wird durch spezifischen Proteine bestimmt. Das auf der zytoplasmatischen Seite der Biomembran gelegene basische Myelinprotein (MBP) stellt etwa 30 % des Gesamtmyelinproteins dar und ist an der Kompaktierung der Membranstapel beteiligt. Bei MBP „knock-out“-Mäusen fehlt deshalb die Ausbildung der typischen „major dense line“ im elektronenmikroskopishen Bild (PRIVAT et al., 1979). Das

MBP Gen besteht aus 7 Exons und wird bei Mäusen in 5 Isoformen exprimiert (14, 17, 17, 18,5, 21,5 kDa) (CAMPAGNONI et al., 1993; CAMPAGNONI et al., 1987), wobei bekannt ist, dass vor allem die Exon 2 enthaltenden 17 und 21,5 kDa-Isoformen zu Zeiten mit aktiver Myelinisierung oder Remyelinisierung vermehrt exprimiert werden (JORDAN et al., 1990;

NAGASATO et al., 1995). Auch beim Menschen wird die Expression spezifischer MBP-Isoformen (20,2, 21,5 kDa) im Zusammenhang mit der Remyelinisierung von Entmarkungsherden aufreguliert (CAPELLO et al., 1997). Das MBP-Gen ist Bestandteil einer größeren Transkriptionseinheit von 10 Exons, die als Golli-MBP-Gen bezeichnet wird (CAMPAGNONI et al., 1993). Multiple Transkripte dises Golli-MBP-Gens wurden nicht nur in oligodendroglialen Zellen sondern auch in Zellen des Immunsystems und Neuronen nachgewiesen. Die genaue funktionelle Bedeutung der Golli-MBP-Expression in den lymphatischen Organen ist unbekannt (KALWY et al., 1998). Möglicherweise spielt sie eine Rolle bei der negativen Selektion von potentiell autoreaktiven Lymphozyten.

Das Proteolipidprotein (PLP) stellt mit ca. 50 % des Gesamtmyelinproteins das häufigste Myelinprotein dar (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001). Es ist ein Lipoprotein und besteht aus 4 transmenbranösen α-Helices, zwei extrazellulären und drei zytoplasmatischen Domänen. Spontane PLP-Mangelmutanten wie auch transgene „knock-out“-Mäuse haben zwar noch Oligodendrozyten und kompaktes Myelin, dieses weist aber ultrastrukturelle Defekte im Bereich der „intraperiod line“ auf (GRIFFITHS et al., 1990). Es wird vermutet, dass dem PLP eine stabilisierende Funktion zwischen den verschiedenen Membranstapeln zukommt, ähnlich wie ein Reißverschluß (KLUGMANN et al., 1997). Auf Grund des PLP-Verlustes kommt es zu axonalen Degenerationen und neurologischen Ausfällen (GRIFFITHS et al., 1998). Eine als DM20 bezeichnete spezifische Isoform des PLP, wird bereits in frühen Phasen der Myelinisierung exprimiert.

Eine weitere Gruppe quantitativ weniger bedeutender Proteine, denen ihre Unlöslichkeit in einem Chloroform-Methanol-Gemisch gemeinsam ist, sind die nach ihrem Erstbeschreiber benannten Wolfgram-Proteine, zu denen unter anderem die zyklische Nukleotid-Phosphodiesterase (CNPase) gehört (WOLFGRAM, 1966). Die CNPase stellt etwa 4% des Gesamtmyelinproteins dar. Im Gegensatz zu MBP und PLP ist sie nicht in den kompakten Membranstapeln der reifen Myelinscheiden lokalisiert, sondern findet sich vor allem in den paranodalen und periaxonalen Bereichen (TRAPP et al., 1988). Die eigentliche Funktion der CNPase ist weitgehend unbekannt und ihr Fehlen führt auch zu keinen ultrastrukturellen Veränderungen des Myelins. Wie mit CNPase „knock-out“-Mäusen gezeigt wurde, scheint

die CNPase Expression aber eine überlebenswichtige Funktion für die myelinisierten Axone auszuüben (LAPPE-SIEFKE et al., 2003).

Weiterhin sind mehrere Glykoproteine an der Bildung der Myelinscheiden beteiligt, von denen das myelinassoziierte Glykoprotein (MAG) und das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) am besten charakterisiert sind (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001).

MAG ist ein Transmembranprotein, welches in den zwei Isoformen L(„large“)-MAG mit 72 kDa und S(„small“)-MAG mit 67 kDa vorkommt. Es findet sich ausschließlich in der periaxonalen Membran und nicht im kompakten Teil der Myelinscheide (STERNBERGER et al., 1979). Hier fungiert es als Rezeptor für neuronale Oberflächenmoleküle. Vermutlich signalisiert MAG nach Herstellung des glio-axonalen Kontaktes durch die Aktivierung der Fyn-Tyrosinkinase die Aktivierung und Regulation der Myelinisierung (OSTERHOUT et al., 1999; UMEMORI et al., 1994).

MOG ist ein Transmembranprotein, welches vor allem auf der Zelloberfläche von myelinisierenden Oligodendrozyten sowie auf der äußersten Lamelle der Myelinscheide nachweisbar ist (BRUNNER et al., 1989). Die Expression von MOG ist auf bereits myelinisierte Oligodendrozyten beschränkt und seine Reexpression korreliert in Demyelinisierungsstudien besonders gut mit dem Wiedererscheinen von ultrastrukturell nachweisbaren, kompakten, remyelinisierten Myelinscheiden (LINDNER et al., 2008).

Obwohl MOG nur einen sehr geringen Teil des Gesamtmyelinproteins ausmacht, stellt es vermutlich einen wichtigen Angriffspunkt im Rahmen von Autoimmunreaktionen dar. Es ist das einzige Myelinprotein, welches bei Ratten nach aktiver Sensibilisierung eine Entzündungsreaktion einschließlich Demyelinisierung hervorruft (STORCH et al., 1998). Da auch eine zusätzlich zum passiven Transfer von gegen andere Myelinepitope gerichteten T-Zellen durchgeführte Injektion von Anti-MOG-Antikörpern in der Lage ist, eine Demyelinisierung hervorzurufen, wird vermutet, dass vor allem eine humorale Reaktion gegen MOG an der Ausbildung der Demyelinisierung beteiligt ist (IGLESIAS et al., 2001;

LININGTON et al., 1992).

Oligodendrozyten sind neuroektodermaler Herkunft und entstehen sowohl embryonal als auch im adulten zentralen Nervensystem durch die Proliferation und Differenzierung teils pluripotenter früher, als auch monopotenter später Vorläuferzellen (LIU und RAO, 2004). Die Entscheidung, in welche Richtung sich die neuroektodermalen Vorläuferzellen differenzieren, wird im Verlauf der Embryogenese ganz entscheidend durch zeitliche und topographische

Einflussfaktoren determiniert (LEVISON und GOLDMAN, 1993; LUSKIN et al., 1988). In einer ersten Differenzierungswelle entstehen im Gehirn von Säugetieren während der ersten Hälfte der Trächtigkeit sämtliche kortikale Neurone und etwa zeitgleich als Stützgerüst die Radialglia, aus der sich im weiteren Verlauf die Astrozyten entwickeln. In einer zweiten Welle, die tierartspezifisch im perinatalen Zeitraum beginnt, differenzieren sich die Oligodendrozyten. Ihre Differenzierung und nachfolgend die Myelinisierung setzt erst ein, nachdem der größte Teil der Neuronen gebildet und die Axone die Verbindung zum Zielort hergestellt haben. Die Myelinisierung beginnt im Rückenmark, gefolgt von Hirnstamm, Kleinhirn und Großhirn (BANIK und SMITH, 1977; ULRICH et al., 2005). Die physiologische Myelinisierung beginnt bei Mäusen um den Geburtstermin herum, die ersten kompakten Myelinscheiden sind etwa 10 Tage post natum nachweisbar und die initiale Myelinisierung ist etwa am 30 Tag post natum abgeschlossen (CARSON et al., 1983;

ULRICH et al., 2005).

Die frühesten bekannten pluripotenten glialen „precursor“-Zellen sind monopolar, besitzen Proliferationskapazität und exprimieren unter anderem die polysialylierte Form des neuronalen Zelladhäsionsmoleküls (PSA-NCAM).

Diese „precursor“-Zellen entwickeln sich weiter zu einer ebenfalls proliferierenden, bipolaren und hochmotilen oligodendroglialen Vorläuferzelle („olgodendroglial progenitor cell“, OPC). Diese OPCs können in vivo anhand ihrer Nerv / Glia-Antigen 2 (NG2) und „platelet derived growth factor α”-Rezeptor (PDGFα-R)-Expression nachgewiesen werden (DAWSON et al., 2000; HORNER et al., 2002; LIU und RAO, 2004). OPCs stellen im ZNS adulter Säugetiere eine ubiquitär vorkommende und ständig proliferierende Zellpopulation dar. Bei adulten Ratten exprimieren in der weißen Substanz etwa 8-9 % aller Zellen und in der grauen Substanz etwa 2-3 % aller Zellen NG2 (DAWSON et al., 2003). OPCs sind zumindest in vitro bipotent und können in Abhängigkeit von den Kulturbedingugen in astrozytäre (Typ 2-Astrozyt) oder oligodendrogliale Richtung differenzieren (LEVINE et al., 1993;

PRINGPROA et al., 2008). Ob eine astrozytäre Differenzierung der OPCs auch in vivo vorkommt ist bis heute umstritten. Im Verlauf der Differenzierung der OPCs zu reifen myelinisierenden Oligodendrozyten verlieren die OPCs die Expression von NG2 und PDGFα-R und beginnen in einer festgelegten PDGFα-Reihenfolge spezifische antigenetische Marker zu exprimieren (Tabelle 1-3).

Tabelle 1-3: Entwicklungsstufenspezifische Marker für oligodendrogliale Zellen Entwicklungsstufe Marker Pluripotente neurogliale Vorläufer PSA-NCAM, Nestin, PDGFα-R Oligodendrogliale Vorläuferzelle PDGFα-R, NG2

Prä-Oligodendrozyt NG2, O4

Unreifer Oligodendrozyt O4, O1, GalC, CNPase, DM20 Reifer nicht-myelinisierender

Oligodendrozyt

O4, O1, GalC, CNPase, DM20, MBP, PLP, MAG

Reifer myelinisierender Oligodendrozyt O4, O1, GalC, CNPase, DM20, MBP, PLP, MAG, MOG

CNPase = zyklische Nukleotid-Phosphodiesterase; DM20 = Isoform des Proteolipidproteins;

GalC = Galaktosylceramid; MAG = Myelin-assoziiertes Glykoprotein; MBP = basisches Myelinprotein; MOG = Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein; NG2 = Nerv / Glia-Antigen 2; PDGFα-R = „platelet derived growth factor α”-Rezeptor; PLP = Proteolipidprotein; PSA-NCAM = polysialylierte Form des neuronalen Zelladhäsionsmoleküls.

Als nächstes entsteht ein multipolares als Prä-Oligodendrozyt bezeichnetes Stadium, das noch proliferativ aber nicht mehr migratorisch aktiv ist. Prä-Oligodendrozyten können immer noch NG2 exprimieren und sind darüber hinaus mit einem monoklonalen Antikörper, welcher das sulfatierte Zelloberflächen-Antigen O4 erkennt, nachweisbar (BACK et al., 2001;

REYNOLDS und HARDY, 1997; WARRINGTON und PFEIFFER, 1992).

Das sich nun entwickelnde Stadium unnreifer Oligodendrozyten ist wiederum NG2-negativ und exprimiert sowohl O4, O1 als auch CNPase (BACK et al., 2001; STANGEL und HARTUNG, 2002; WARRINGTON und PFEIFFER, 1992). Die drei zuletzt beschriebenen Stadien der OPCs, Prä-Oligodendrozyten und unreifen Oligodendrozyten werden teilweise zusammenfassend als O-2A-„progenitor“ bezeichnet, unterscheiden sich aber in ihrer Proliferations- und Migrationsfähigkeit und auch in ihrer Reaktionsfähigkeit auf äußere Einflüsse (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001; GARD und PFEIFFER, 1993; TRAPP et al., 1997).

Reife nicht-myelinisierende Oligodendrozyten sind postmitotische Zellen mit zahlreichen baumartig-verzweigten Zellfortsätzen, die im Vergleich zu unreifen Oligodendrozyten durch

die zusätzliche Expression zahlreicher Myelinbestandteile wie MBP, PLP und MAG gekennzeichnet sind (LINDNER et al., 2008; STANGEL und HARTUNG, 2002;

STERNBERGER et al., 1978).

Vollständig ausgereifte myelinisierende Oligodendrozyten, die für die Bildung und Erhaltung der Myelinscheiden im ZNS verantwortlich sind, lassen sich durch die gleichen Marker nachweisen wie die noch nicht myelinisierenden Oligodendrozyten. Darüber hinaus lässt sich zusätzlich das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) detektieren (LINDNER et al., 2008).

Die Signalkaskaden und Transkriptionsfaktoren, welche die oligodendrogliale Differenzierung pluripotenter neuroglialer Vorläuferzellen vermitteln, sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Insbesondere das Signalprotein „sonic hedgehog“ (Shh), welches unter anderem die dorsoventrale Organisation des sich entwickelnden Neuralrohres steuert, begünstigt die Oligodendrogliogenese (BAUMANN und PHAM-DINH, 2001). Die Wirkung von Shh wird vor allem über eine Aufregulation der basischen „helix-loop-helix“-Transkriptionsfaktoren Olig1 und Olig2 vermittelt (ARNETT et al., 2004; LU et al., 2000;

ZHOU et al., 2000). Weitere Wachstumsfaktoren, Hormone und Zytokine, die zumindest in vitro einen Einfluss auf die Proliferation und Differenzierung oligodendroglialer Zellen ausüben, sind in Tabelle 1-4 dargestellt.

Sowohl die Proliferation von OPCs als auch die Differenzierung zu reifen myelinisierenden Oligodendrozyten wird weiterhin auch durch das Vorhandensein von elektrisch aktiven Axonen gesteuert (BARRES und RAFF, 1993; DEMERENS et al., 1996; KIDD et al., 1990;

TRAPP et al., 1997). Die Versuche von Burne et al. (1996) zeigen, dass die Anzahl von Axonen und Gliazellen miteinander verkoppelt ist (BURNE et al., 1996).

Tabelle 1-4: Einfluß von verschiedenen Wachstumsfaktoren, Hormonen und Zytokinen auf oligodendrogliale Vorläuferzellen (nach: BAUMANN und PHAM-DINH, 2001 und STANGEL und HARTUNG, 2002).

Wachstumsfaktor / Hormon / Zytokin Effekt auf oligodendrogliale Vorläuferzellen

PDGFα Proliferation, Migration, Überleben

FGF-1 Proliferation, Überleben

FGF-2 Proliferation, Überleben

IGF-1 Proliferation, Differenzierung, Überleben

NT-3 Proliferation, Überleben

GGF Proliferation, Überleben

EGF Differenzierung

CNTF Proliferation, Überleben

BDNF Proliferation, Differenzierung

IL-2 Proliferation IL-6 Überleben

TGFß1 Differenzierung, Inhibiert Proliferation

LIF Überleben

PSA-NCAM Inhibiert Differenzierung

Schilddrüsenhormon (T3) Differenzierung

Wachstumshormon Proliferation, Differenzierung

BDNF = „bone derived neurotrophic factor“; CNTF = „ciliary neurotrophic factor“; EGF = Epidermaler Wachstumsfaktor; FGF = Fibroblasten-Wachstumsfaktor; GGF = Glialer Wachstumsfaktor; IGF = Insulinartiger Wachstumsfaktor; IL = Interleukin; LIF = „leukemia inhibitory factor“; NT-3 = Neurotrophin 3; PDGFα = „platelet derived growth factor α”; PSA-NCAM = polysialylierte Form des neuronalen Zelladhäsionsmoleküls; TGF = Transformierender Wachstumsfaktor.

2.4 Oligodendrogliale Zellen bei demyelinisierenden Erkrankungen von