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1.3.1 Allgemeine Definition nach § 9 Abs. 1 SGB VII

Der Begriff „Berufskrankheit“ ist rechtlich im Sozialgesetzbuch VII wie folgt definiert:

„Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverord-nung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII be-gründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts-verordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen ver-ursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Ver-schlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.“(10)

Die Berufskrankheiten sind in der Anlage 1 zur BK-Verordnung (Berufskrankheiten-liste) aufgeführt (11).

1.3.2 Nomenklatur der beruflich bedingten obstruktiven Atemwegserkrankun-gen

Beruflich bedingte obstruktive Atemwegserkrankungen wurden zunächst im Jahr 1961 als Bronchialasthma unter der Nr. 41 der BK-Liste zusammengefasst. Mit der Änderung der 7. BKV werden sie seit 1976 unter den Nummern 4301 (allergisierende Stoffe) und 4302 (chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe) geführt. Bei der Nr. 4301 wurde 1988 zusätzlich das Krankheitsbild einer Rhinopathie in den Verord-nungstext aufgenommen.

Erkrankungen durch Isocyanate wurden 1993 durch Verordnung in die Berufskrank-heitenliste aufgenommen; sie konnten allerdings schon vorher im Rahmen der Num-mern 4301 oder 4302 entschädigt werden.

Am 1.12.1997 wurde zusätzlich die Berufskrankheit Nr. 4111 (Chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaub-jahren [(mg/m³) x Jahre]) in die Berufskrankheitenliste aufgenommen.

Da diese Berufskrankheit erst zum Ende des hier behandelten Auswertezeitraums in Kraft trat und die ihr zugrunde liegende Tätigkeit in der Bauwirtschaft nicht vorkommt, werden in dieser Studie nur die Berufskrankheiten Nr. 1315, 4301 und 4302 behan-delt.

Diese beruflich bedingten obstruktiven Atemwegserkrankungen können laut gesetzli-cher Vorgabe nur anerkannt werden, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten ge-zwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufle-ben der Krankheit verantwortlich waren oder sein können.

Diese Einschränkungen können eine erhebliche Bedeutung für die grundsätzliche Anerkennung einer beruflich bedingten obstruktiven Atemwegserkrankung haben und dann auch den Zeitpunkt einer anzuerkennenden Erwerbsminderung beeinflus-sen.

1.3.3 Die Berufskrankheit Nr. 4301 (BKV)

Die Berufskrankheit Nummer 4301 der Berufskrankheitenverordnung wird als eine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung (ein-schließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ur-sächlich waren oder sein können, definiert (11).

Als Auslöser wirken einatembare berufliche Allergene überwiegend pflanzlicher (Ge-treidemehl, Futtermittelstäube, Holzstäube, Schimmelpilzsporen u. a.), tierischer (Tierhaare, Federnstaub, Naturlatexstaub, Insektenstäube u. a.) oder chemischer (Medikamentenstäube, Enzyme u. a.) Herkunft. Sie bewirken an der Haupteintritts-pforte, dem Atemorgan, in den meisten Fällen eine IgE-vermittelte Allergie vom So-forttyp (Typ 1 nach Coombs und Gell), seltener eine vom verzögerten Typ 3. Man unterscheidet ein Anfangsstadium sowie ein Stadium ohne und mit Sekundärkompli-kationen. Im Anfangsstadium treten bevorzugt Reizerscheinungen an den Augenbin-dehäuten (Augenbrennen) und an den Atemwegen als allergische Rhinopathie (Niessalven, Fließschnupfen) auf. Im Stadium ohne Sekundärkomplikationen können anfallsweise Luftnot, Husten und Auswurf auftreten. Im Stadium mit Sekundärkompli-kationen tritt häufig eine UBH mit Atembeschwerden bei unspezifischen Noxen (z. B.

Kaltluft, Küchendünste, Rauch, Stäube) auf.

Im weiteren Verlauf können sich vorhandene IgE-Antikörper mit dem erneut inhalier-ten Antigen zu einem Immunkomplex verbinden und im Bereich der Atemwege eine allergische Reaktion mit Sekretion und Obstruktion bewirken (12).

1.3.4 Die Berufskrankheit Nr. 4302 (BKV)

Die Berufskrankheit Nummer 4302 der Berufskrankheitenverordnung wird als eine durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atem-wegserkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, definiert (11).

Die auslösenden Noxen kommen als Gase, Dämpfe, Stäube oder Rauche an vielen Arbeitsplätzen vor. Es werden leicht flüchtige organische Stoffe (Acrolein, Formalde-hyd u. a.), schwer flüchtige organische Stoffe (Isocyanate, Härter für Epoxidharze,

p-Phenylendiamin u. a.), leicht flüchtige anorganische Stoffe (Nitrosegase, Schwefel-dioxid u. a.) und schwer flüchtige anorganische Stoffe (Persulfat, Zinkchlorid u. a.) unterschieden. Die Aufnahme erfolgt fast ausschließlich über das Atemorgan. In Ab-hängigkeit von Intensität und Dauer der beruflichen Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen kommt es lokal zur Irritation sensorischer Re-zeptoren und/oder zur primär-toxischen Schleimhautschädigung vorwiegend im Be-reich der mittleren und tieferen Atemwege. Diese Wirkungen können reversibel sein.

Der Übergang in einen chronisch-obstruktiven Zustand ist aber möglich. Im Mittel-punkt des Krankheitsbildes steht die Atemwegsobstruktion, häufig in Verbindung mit einer Lungenüberblähung. Eine UBH kann ausgelöst oder verstärkt werden (13).

1.3.5 Die Berufskrankheit Nr. 1315 (BKV)

Die Berufskrankheit Nummer 1315 der Berufskrankheitenverordnung wird als eine Erkrankung durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, definiert.

Isocyanate – sie stellen die Grundlage der Polyurethan-Chemie dar - sind reaktions-freudige Ester der Isocyansäure. Folgende Diisocyanate werden unterschieden:

HDI: Hexamethylendiisocyanat MDI: Diphenylmethandiisocyanat TDI: Toluylendiisocyanat

HDI können in Lackvorprodukten (Prepolymere) und 2-Komponenten-Lacken enthal-ten sein, MDI werden bei der Herstellung von Schaumstoffen, Spezialkunststoffen oder Klebern verwendet, TDI können ebenfalls in Schaumstoffen, aber auch Elasto-meren und Spritzlacken enthalten sein.

Isocyanate reagieren vor allem mit NH2- und OH-Gruppen und können dabei Zell-membranen im menschlichen Körper verändern oder zerstören. Als akute Wirkung werden Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen, der Haut und den Augen beobachtet. Im weiteren Verlauf kann das allergische so genannte Isocyanat-Asthma entstehen. Dies kann an der Haupteintrittspforte, dem Atemorgan, zu einer Bronchi-alobstruktion mit asthmaähnlicher Symptomatik, in leichteren Fällen zu einer Steige-rung der bronchialen Reagibilität führen. Seltener kann es zu einer Alveolitis oder

einem toxischen Lungenödem kommen. Hautveränderungen (die im Rahmen der BK 5101 behandelt werden) oder Leberschäden sind ebenfalls möglich (14, 15).