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In 68 Fällen wurde im Feststellungsverfahren der ursächliche Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bestätigt. In 57 Fällen erfolgte die Anerkennung als Berufs-krankheit, in 11 Fällen wurde die berufliche Verursachung der Erkrankung festge-stellt, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung als Berufskrankheit (die Atemwegserkrankung musste zur Unterlassung aller Tätig-keiten zwingen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufle-ben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) waren jedoch nicht erfüllt (12, 13, 14).

Monate bis zum 1. Bescheid

Anzahl der Fälle Mittelwert = 22,6 Monate

Standardabweichung = 14,9 Monate

Abb. 18: Verfahrensdauer bis zum 1. Bescheid

Ein großer Teil der Ermittlungsverfahren wurde frühzeitig beendet, weil z. B. die Ver-dachtsmeldung unbegründet war. In der Mehrzahl der untersuchten Fälle wurden die Ermittlungsverfahren mit einem (ersten) rechtsgültigen Bescheid abgeschlossen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug für mehr als die Hälfte dieser Verfahren weniger als 2 Jahre; nach 2 ½ Jahren betraf dies ¾ dieser Fälle.

31,1 27,8

Monate bis 1. Bescheid

= signifikanter Unterschied

Abb. 19: Verfahrensdauer bis zum 1. Bescheid nach Meldezeitraum und Be-gründetheit der BK-Verdachtsmeldung

Unabhängig von der Erfüllung der medizinischen und arbeitstechnischen Vorausset-zungen zum Zeitpunkt der Berufskrankheiten-Verdachtsmeldung nahm die Verfah-rensdauer bis zur Erteilung des ersten rechtskräftigen Bescheides zum Ende des Beobachtungszeitraums hin - besonders in den letzten drei Jahren - ab.

435; 76%

129; 23%

135; 24%

5; 1%

1; 0%

kein Widerspruch Widerspruch ohne Erfolg Widerspruch mit teilweisen Erfolg

Widerspruch mit vollem Erfolg n=570 (mit Bescheid)

Abb. 20: Widerspruch gegen den 1. Bescheid

In einer über den Untersuchungszeitraum gleich bleibenden Zahl von ca. einem Vier-tel der Verfahren wurde gegen den ersten Bescheid Widerspruch eingelegt. In diesen 135 Fällen wurde dem Widerspruch insgesamt 6-mal stattgegeben.

Mit einer über den Untersuchungszeitraum abnehmenden Tendenz wurde insgesamt 40-mal eine Klage gegen den ersten rechtsgültigen Bescheid vor einem Sozialgericht eingereicht. Dort wurde dann in insgesamt 4 Fällen eine Abänderung des berufsge-nossenschaftlichen Bescheids beschlossen, weitere 7 Verfahren waren zum Ende der Auswertung noch nicht entschieden.

4

Diskussion

4.1 Meldeverhalten

Jeder Beschäftigte hat das Recht, beim zuständigen Unfallversicherungsträger oder beim zuständigen Landesgewerbearzt eine Meldung auf den Verdacht einer Berufs-krankheit zu stellen.

Der Verordnungsgeber hat zusätzlich alle Ärzte und Zahnärzte verpflichtet, „bei be-gründetem Verdacht“ eine Berufskrankheit unverzüglich anzuzeigen (§ 202 SGB VII).

Für die Stellung einer Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige ist die Zustimmung des Versicherten wie auch die Entbindung des meldenden Arztes von der ärztlichen Schweigepflicht nicht erforderlich.

Gleichfalls sind die Krankenkassen und Arbeitsämter verpflichtet, bei der Annahme,

„dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrankheit vorliegt“, dies den o. g. Stellen zu melden (§ 20 SGB V, §§

22,23 SGB III).

Die Sozialversicherungsträger - insbesondere die Krankenkassen - sind dieser Ver-pflichtung in großem Umfang nachgekommen.

Auch die Versicherten und ihre behandelnden Ärzte haben in großer Zahl Berufs-krankheiten-Verdachtsmeldungen gestellt.

Die Arbeitgeber, die den engsten Kontakt zu den Versicherten besitzen und mit den Gegebenheiten am Arbeitsplatz bestens vertraut sind, machen nur die kleinste Grup-pe der meldenden Stellen aus.

Dass aus den Reihen der Betriebsärzte, die mit den speziellen Arbeitsbedingungen in der Bauwirtschaft besonders gut vertraut sein sollten, nur eine geringe Zahl von Meldungen stammt, könnte u. a. folgende Gründe haben:

- Der Arbeitnehmer hatte noch keinen Kontakt mit seinem Betriebsarzt. Dieses dürfte bei vielen Kleinbetrieben mit einem externen Betriebsarzt der Fall sein.

- Auch die Angst um den Arbeitsplatz könnte eine rechtzeitige Kontaktaufnahme des Beschäftigten mit seinem Betriebsarzt verhindern.

- Die Betriebsärzte kennen die jeweils aktuelle Rechtsprechung und Gesetzes-lage genau und melden bevorzugt nur diejenigen ihrer Beschäftigten, bei de-nen die vorgeschriebede-nen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Zunahme der Verdachtsmeldungen auf eine beruflich bedingte obstruktive A-temwegserkrankung bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover bis 1995 sowie das kontinuierliche Absinken in den folgenden Jahren entspricht der Entwicklung der Zahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft wie auch der Baukonjunktur (23).

Der Verdacht auf das Vorliegen einer beruflichen Erkrankung durch Isocyanate wird selten und dann nur von Betriebsärzten und Krankenkassen gemeldet. Dies ist damit zu erklären, dass diese Erkrankung offiziell erst 1993, also zu Beginn des Auswerte-zeitraums, in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist und diese Tatsa-che mögliTatsa-cherweise zunächst nur in Fachkreisen bekannt war.

Bei der Betrachtung der Altersverteilung der Versicherten in den einzelnen Meldestel-len zeigt sich zum einen, dass von den Arbeitsämtern vorwiegend jüngere Versicher-te gemeldet werden. Eine bei jungen Arbeitslosen, die ihren Arbeitsplatz möglicher-weise auf Grund gesundheitlicher Probleme verloren haben, bevorstehende kosten-intensive Umschulung in ein anderes Berufsfeld mag mit ein Grund gewesen sein, diese Fälle einem anderen Sozialversicherungsträger zuzuweisen. Ähnliche Überle-gungen hinsichtlich bevorstehender langdauernder Leistungsverpflichtungen mögen die Krankenkassen dazu bewogen haben, überwiegend ältere Versicherte der Un-fallversicherung zu melden. Dies deutet darauf hin, dass relativ schnell ein Leis-tungsantrag gestellt wird, ohne zuvor den Einsatz präventiver Maßnahmen am Ar-beitsplatz mit Unterstützung des Betriebsarztes zu erwägen (1).

Auch die Altersverteilung der insgesamt gemeldeten Verdachtsfälle zeigt einen Gipfel bei den ganz jungen und den älteren Versicherten. Falls bei jungen Versicherten eine – möglicherweise vorher nicht bekannte – gesundheitliche Einschränkung hinsichtlich der körperlichen Beanspruchung am gewählten Arbeitsplatz bestand, so könnte dies zu einer frühen erkrankungsbedingten Meldung geführt haben. Gerade bei jungen weiblichen Versicherten ist diese Verteilung besonders auffällig; hier könnte ein Wechsel in ein traditionell „weibliches“ Berufsfeld oder die Hinwendung zu einer Tä-tigkeit in Haus und Familie ausschlaggebend gewesen sein.

Fast die Hälfte aller Berufskrankheiten-Verdachtsmeldungen der Listennummern 1315, 4301 und 4302 waren medizinisch nicht oder nur teilweise begründet. Beson-ders viele ganz oder teilweise unbegründete Verdachtsmeldungen betreffen die mel-denden Sozialversicherungsträger. Auch aus der Ärzteschaft stammt ein großer Teil nicht oder nur teilweise begründeter Verdachtsmeldungen, wobei sich hier die mit

den Arbeitsbedingungen und der zugrunde liegenden Erkrankung besonders gut ver-trauten Betriebs-, Lungen- und Gewerbeärzte positiv abheben.

Die Zusammenhänge zwischen den Arbeitsbedingungen und dem Auftreten von ar-beitsbedingten Erkrankungen sind bei den meisten meldenden Stellen nur unzurei-chend bekannt.

Daher sollte die außerbetriebliche Prävention dahin gehend verbessert werden, dass die Kenntnis über die berufliche Verursachung obstruktiver Atemwegserkrankungen in der gesamten Ärzteschaft vertieft wird. Lungenfachärzte, Hausärzte und die Versi-cherten sollten über die Möglichkeit der Einschaltung des Betriebsarztes bei mit der Arbeit zusammenhängenden Beschwerden informiert werden, um frühzeitig präventiv tätig werden zu können (34).

Der im zeitlichen Verlauf zu beobachtende Rückgang qualifizierter Verdachtsmel-dungen könnte durch veränderte Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt, wie z. B.

durch den Rückgang der Baukonjunktur und eine damit verbundene gesteigerte Ar-beitsplatzunsicherheit, hervorgerufen worden sein.

Insgesamt ist jedoch die Zahl der im Auswertezeitraum jährlich gemeldeten Ver-dachtsfälle der hier untersuchten Berufskrankheiten annähernd konstant geblieben.

Hieraus kann gefolgert werden, dass der innerbetriebliche Arbeitsschutz weiterhin verbesserungsbedürftig ist. Dies betrifft u. a. die Kenntnis über die Gefährdungspo-tentiale der verwendeten Arbeitsstoffe und -verfahren, einen eventuellen Austausch gegen gesundheitlich unbedenklichere Stoffe und eine Verbesserung der Schutz-massnahmen.

Weiterhin sollte der Sachverstand des zuständigen Betriebsarztes stärker in die be-trieblichen Entscheidungsabläufe integriert werden. Dies kann aus der geringen ab-soluten Zahl betriebsärztlicher Verdachtsmeldungen (2,9%) sowie der niedrigen Zahl der gemeldeten Versicherten, die zuvor vom Betriebsarzt untersucht worden sind (max. 36,3% im letzten Drittel des Untersuchungszeitraums) gefolgert werden. Seit jeher wird von den Arbeitsmedizinern die regelmäßige Teilnahme der Arbeitnehmer an den angebotenen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sowie eine qua-lifizierte Beratung junger Menschen vor der Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ge-fordert (32, 35). Die hohe Zahl von Meldungen, die jüngere Beschäftigte betreffen, weist darauf hin, dass die momentane Beratungspraxis nicht ausreichend ist bzw.

nicht den gewünschten Erfolg bringt. Dies belegen auch andere Studien (36, 37), in denen nachgewiesen wird, dass nur ein geringer Teil der Jugendlichen mit bekannter

allergischer Rhinitis, Asthma oder atopischer Dermatitis bei der Berufswahl Rücksicht auf diese Risikofaktoren nimmt.

4.2 Tätigkeiten und Expositionen

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit der Listennummer 1315 ist der Umgang mit isocyanathaltigen Materialien eine Grundvoraussetzung. Dies trifft oft auf Kleber sowie Isolier- und Abdichtungsstoffe zu. Die im Rahmen dieser Auswertung unter-suchten Verdachtsfälle stammten überwiegend aus den Berufsgruppen der Bauwirt-schaft (Maler, Maurer, Dachdecker, Isolierer etc.), die mit diesen Materialien häufig Umgang haben.

Der Verdacht auf eine obstruktive Atemwegserkrankung durch allergisierende Stoffe betraf besonders neben den Malern die holzbearbeitenden Berufe Tischler und Zim-merer. Hier sind als mögliche Allergene besonders die dort verarbeiteten Tropenhöl-zer zu nennen (24). Auch bei Betonbauern, Steinbearbeitern und Schornsteinfegern wurden allergisierende Stoffe als überwiegende Erkrankungsgründe genannt.

Der Verdacht auf eine durch irritativ-toxisch wirkende Arbeitsstoffe verursachte obst-ruktive Atemwegserkrankung wurde besonders häufig bei Malern, Reinigungskräften und Stuckateuren geäußert. Diese Berufsgruppen haben bekanntermaßen häufigen Umgang mit Arbeitsstoffen (z. B. Löse- und Verdünnungsmittel, wasserunlösliche Lacke), die ein schleimhautreizendes Potential besitzen (25, 26).

Als besondere Risikogruppe für arbeitsbezogene Beschwerden der Atemwege fallen insbesondere die jüngeren Maler/Lackierer auf, die bezogen auf den Anteil des Beru-fes an allen Beschäftigten im Baugewerbe deutlich überrepräsentiert sind. Das deckt sich mit den Ergebnissen epidemiologischer Studien (27, 28, 29).

Bei allen anderen Berufsgruppen, aus denen sich die zur Anzeige gebrachten Versi-cherten rekrutieren, überwiegt weder die allergische noch die chemisch-obstruktive Ursache.

Bei der Betrachtung, in welchem Abschnitt des Berufslebens der Versicherten die Verdachtsanzeige gestellt wurde, fällt ins Auge: Maler, Malerinnen, Installateure und Steinbearbeiter wurden mehrheitlich in ihren ersten Berufsjahren gemeldet, bei Mau-rern, Dachdeckern, Fliesenlegern und weiblichen Reinigungskräften traf dies eher auf die späteren Berufsjahre zu.

4.3 Ermittlungen der Verwaltung

Dem Sachbearbeiter in der Verwaltung ist besonders am Beginn eines Berufskrank-heiten-Feststellungsverfahrens daran gelegen, alle relevanten ärztlichen und arbeits-technischen Unterlagen zu erhalten, um die in Frage kommende Erkrankung wie auch die verursachenden Arbeitsbedingungen möglichst genau dokumentieren und beurteilen zu können.

Besonders wichtig sind hierbei ärztliche Befunde, die das Vorhandensein einer obst-ruktiven Atemwegserkrankung belegen. Neben einer ärztlichen Dokumentation des Krankheitsverlaufs ist hier eine Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie), besser noch eine Bodyplethysmographie, erforderlich (30).

Weiterhin sind Hinweise zur Arbeitsvorgeschichte, zu den Expositionsbedingungen und zu verwendeten Arbeitsstoffen von Seiten der Arbeitgeber unverzichtbar.

In dieser Auswertung hat sich gezeigt, dass sich besonders bei ganz oder teilweise begründeten Verdachtsmeldungen diese Unterlagen in den meisten Fällen beschaf-fen ließen. Möglicherweise wurde bei ofbeschaf-fensichtlich unbegründeten Verdachtsmel-dungen dieser Punkt durch den Sachbearbeiter nicht mehr nachdrücklich verfolgt oder die entsprechenden Unterlagen lagen nicht vor.

Den Informationen des Betriebsarztes kommt hier ein besonderes Gewicht zu. Auch hier waren in vielen Fällen Hinweise zu erhalten. Bei ganz oder teilweise begründe-ten Verdachtsmeldungen gelang dies bei über 40% der Fälle, bei unbegründebegründe-ten Meldungen in weniger als 20%. Die starke Zunahme betriebsärztlicher Zusatzinfor-mationen im letzten Drittel des Untersuchungszeitraums kann auf die Änderung des Ermittlungsverfahrens bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover, wo häufig ein regional zuständiger Betriebsarzt des AMD eingeschaltet wurde, zurückgeführt wer-den.

Zur genauen Ermittlung der Arbeitsvorgeschichte sowie der jeweiligen Expositionen wurde ein damals so genannter Technischer Aufsichtsbeamter der eigenen oder ei-ner anderen gesetzlichen Unfallversicherung eingesetzt. Dieser setzte sich – je nach Erfordernis – mit dem Versicherten, dessen jetzigen oder früheren Arbeitgebern und/oder Arbeitskollegen in Verbindung und nahm auch Arbeitsplatzbegehungen vor.

Die vorliegende Auswertung zeigt, dass dies besonders oft bei ganz oder teilweise begründeten Verdachtsmeldungen erfolgte. Die starke Zunahme der Arbeitsplatzgehungen und persönlichen Gespräche im letzten Drittel des Auswertezeitraums

be-deutet eine wesentliche qualitative Verbesserung der Erhebung der Arbeits- und Ex-positionsanamnese. Dieses lässt sich mit der Einführung eines speziellen „Berufs-krankheiten-Ermittlers“ bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover in diesem Zeit-raum erklären. Der zeitgleiche Rückgang der allgemeinen technischen Ermittlungen ist durch die Änderung des Ermittlungsverfahrens bedingt, wonach nur noch in zuvor festgelegten Fällen diese Zusatzinformationen eingeholt werden müssen.

Besonders bei den ganz oder teilweise begründeten Verdachtsmeldungen wurde der jeweils zuständige Landesgewerbearzt um eine Stellungnahme zum weiteren Verfah-rensablauf gebeten. Weiterführende Informationen waren hierbei jedoch nur in zwei Dritteln (67%) der Fälle zu entnehmen. Ein zunehmender Personalabbau in Verbin-dung mit veränderten Arbeitsschwerpunkten in den Landesgewerbeämtern (in Nord-rhein-Westfalen beispielsweise nur noch fakultative Mitwirkung) (19) wäre eine mög-liche Erklärung.

In 64% aller Fälle und sogar bei ca. 90% der begründeten Verdachtsmeldungen wur-de auch wur-der Rat eines „Beratenwur-den Arztes wur-der Bau-Berufsgenossenschaft Hanno-ver“, ein Arbeitsmediziner mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet der obstruktiven Atemwegserkrankungen, zum weiteren Verfahrensablauf eingeholt. Dessen Empfeh-lungen bekamen im Zuge der Verfahrensänderung ab 1998 ein besonderes Gewicht, da er ab diesem Zeitpunkt der Sachbearbeitung in unklaren Fällen die weitere Ermitt-lungsrichtung vorzugeben hatte.

Dieser zusätzliche ärztliche Sachverstand wurde besonders bei ganz oder teilweise begründeten Verdachtsmeldungen eingeholt.

Um die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwir-kung und der ErkranEinwir-kung (haftungsausfüllende Kausalität) entweder zu beweisen oder zu widerlegen, wurde in vielen Fällen eine fachärztliche Zusammenhangsbegut-achtung erforderlich.

Die vorliegende Auswertung hat ergeben, dass die Häufigkeit einer Begutachtung mit der Qualität der Verdachtsmeldung positiv korreliert. Auch hier stehen die Meldungen der Betriebs- und Lungenfachärzte an erster Stelle.

Bezüglich der Verdachtsmeldungen für die Berufskrankheiten der Listennummern 4301 und 4302 korreliert die Anzahl der erhobenen Arbeitsstoffexpositionen ebenfalls positiv mit der Wahrscheinlichkeit einer Begutachtung. Für die Anerkennung einer Berufskrankheit der Listennummer 1315 genügt hingegen der Nachweis von isocya-nathaltigen Arbeitsstoffen (12, 13, 14).

Die Zusatzinformationen des Betriebsarztes sowie die Ermittlungsergebnisse der Technischen Aufsichtsbeamten, mit denen die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit untermauert werden, korre-lieren ebenfalls positiv mit der Wahrscheinlichkeit der Erstellung eines Gutachtens.

4.4 Zeitdeterminanten

Das Alter, in dem bei einem Versicherten eine möglicherweise berufsbedingte Er-krankung der hier untersuchten Listennummern erstmals auftritt, ist bei Männern und Frauen unterschiedlich. Bei Frauen begann die Erkrankung im Schnitt früher als bei Männern. Bei männlichen Versicherten kann bei Verdachtsmeldungen der Listen-nummern 4301 und 4302 je ein Erkrankungsschwerpunkt zu Beginn und zum Ende des Berufslebens nachgewiesen werden. Dieses könnte mit den je nach Gewerk un-terschiedlichen zeitlichen Expositionsschwerpunkten zusammenhängen. Anderer-seits spielen hier auch die zwischen den Geschlechtern unterschiedliche Berufswahl, Expositionsart und -dauer sowie das Anzeigeverhalten eine Rolle (22). Weiterhin könnten hier auch sich im zeitlichen Verlauf, auf Grund des technischen Fortschritts, verändernde arbeitstechnische Bedingungen eine Rolle spielen. Das relative Maxi-mum der Meldungen bei Männern im Alter von über 54 Jahren könnte auch durch ein Rentenbegehren mitbegründet sein.

In jedem Fall sprechen die bei beiden Geschlechtern nachgewiesenen erheblichen Erkrankungszahlen am Beginn des Berufslebens dafür, dass weitere Verbesserun-gen der medizinischen Beratung von Berufsanfängern hinsichtlich der Konsequenzen aus individueller gesundheitlicher Disposition und den Belastungen des angestrebten Berufes dringend erforderlich sind. Dies zeigt auch eine Studie, die eine Verbesse-rung der Zusammenarbeit und der Beratungskompetenz der beteiligten Akteure, eine Verbesserung der Früherkennung von Atopien und allergischen Erkrankungen der medizinischen und berufsbezogenen Beratung von atopischen Jugendlichen zum Ziel hat (32, 33).

Nur die vermutete berufsbedingte Erkrankung durch Isocyanate tritt bei den Männern besonders häufig in den späteren Berufsjahren auf. Eine längere Dauer zwischen Expositions- und Erkrankungsbeginn wäre hier eine Erklärung.

Die vorliegende Auswertung zeigt, dass zwischen dem Beginn der Erkrankung und der nachfolgenden Berufskrankheiten-Verdachtsmeldung sehr variable Zeiträume liegen. Bei 18% der Versicherten (17,4% der Männer und 25,5% der Frauen) vergin-gen höchstens 6 Monate. Bei der Mehrzahl der weiblichen Versicherten (63,6%) be-trägt dieser Zeitraum höchstens 2 Jahre, bei der Mehrzahl der männlichen Versicher-ten (61,1%) vergehen hierfür bis zu 5 Jahre. Zeitspannen bis zu 10 Jahren und dar-über hinaus sind – dar-überwiegend bei Männern (38,9%) – keine Seltenheit. Diese Zu-sammenhänge sind ebenfalls in der Literatur belegt (22, 31) und deuten auf ein gro-ßes Verbesserungspotential der arbeitsmedizinischen Vorsorge hin. Weiterhin lässt sich hier beobachten, dass bei Männern im „rentennahen“ Alter Erkrankungsdauern von 10 und mehr Jahren zur Anzeige kommen. Bei weiblichen Versicherten ist die Dauer zwischen Erkrankung und Verdachtsmeldung in keiner Altersgruppe beson-ders lang. Dies könnte auf ein sensibleres Verhalten von Frauen beim Umgang mit eigenen Gesundheitsstörungen hindeuten.

4.5 Ausgang des Verfahrens

Nicht in jedem Feststellungsverfahren wurde ein rechtskräftiger Bescheid an den Versicherten erlassen. Dies traf besonders auf die große Zahl unbegründeter Ver-dachtsmeldungen zu. Hatte sich im Lauf des Verfahrens auf Grund der ermittelten Erkenntnisse herausgestellt, dass ein oder mehrere Bausteine der erforderlichen Beweiskette fehlten oder der betroffene Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkam, so wurde das Verfahren an diesem Punkt beendet und hierüber dem Erstatter der Verdachtsmeldung eine schriftliche oder telefonische Mitteilung ge-macht. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums betraf dies etwa ein Drittel der Fälle.

Zum Ende hin stieg die Zahl der vorzeitig beendeten Verfahren auf etwas weniger als die Hälfte an. Dies könnte auf der Tatsache zunehmend unbegründeter Verdachts-meldungen im Zusammenwirken mit einer gesteigerten Effizienz der berufsgenos-senschaftlichen Ermittlungsarbeit beruhen.

Wie schon bei der Qualität der Verdachtsanzeigen und dem Umfang der Ermittlungs-arbeit zeigt sich auch hier, dass bei Verdachtsmeldungen durch Ärzte, Versicherte und Betriebsärzte besonders häufig ein rechtskräftiger Bescheid erlassen wurde.

Wurde in einem Feststellungsverfahren ein rechtskräftiger Bescheid erlassen, so ge-schah dies in 50% der Fälle nach max. 19 Monaten und in 75% der Fälle nach max.

30 Monaten. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sich im letzten Drittel des Beo-bachtungszeitraums die hierzu erforderliche Verfahrensdauer – unabhängig von der Qualität der Verdachtsmeldung – erheblich verkürzt hat. In den Jahren 1992 bis 1997 betrug die Verfahrensdauer bis zum ersten Bescheid zwischen 20 und 30 Monate, in den Jahren 1998 bis 2000 sank dieser Zeitraum auf ca. 15 Monate.

Damit ist ein wichtiger positiver Effekt der im Jahr 1998 eingeführten Änderung des Verwaltungsverfahrens bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover nachgewiesen.

In der Summe aller rechtskräftig beschiedenen Berufskrankheiten-Ermittlungs-verfahren wurde in der überwiegenden Zahl (91% der Fälle) kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer beruflichen Verursachung festgestellt.

Die meisten anerkannten Berufskrankheiten-Verfahren entfallen auf die Listennum-mer 4302, gefolgt von der Nr. 4301 und dann der Nr. 1315. In Relation zu den Be-rufskrankheiten-Verdachtsmeldungen war die Anerkennungsquote bei den Verfahren bezüglich der Nr. 1315 am höchsten, gefolgt von der Nr. 4302 und der Nr. 4301.

Während des Beobachtungszeitraums ist bei gleich bleibender oder leicht steigender Meldefrequenz die absolute Zahl anerkannter Berufskrankheiten bezüglich obstrukti-ver Atemwegserkrankungen kontinuierlich gesunken. Dies entspricht dem bundes-weiten Trend in den Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft (23).

Weiterhin konnte in dieser Untersuchung nachgewiesen werden, dass die 1998 ein-geführte Änderung des Verwaltungsverfahrens, die eine qualitative Verbesserung (Abb.: 15 – Halbierung der Zahl der erforderlichen Gutachten) sowie eine zeitliche Beschleunigung der Verfahrensabläufe (Abb.: 19 – durchschnittliche Halbierung der Verfahrensdauer bis zum Bescheid) bewirken sollte, nicht zu einer Zunahme der Wi-dersprüche oder Klagen gegen die von der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover erlassenen Bescheide geführt hat.

Dieses kann ebenfalls als eine weitere wichtige positive Auswirkung dieser Verfah-rensänderung gewertet werden.

5

Zusammenfassung

Mit der dieser Untersuchung zugrunde liegenden Auswertung von insgesamt 950 Berufskrankheiten-Verfahrensakten aus den Jahren 1992 bis 2000 zu beruflich be-dingten obstruktiven Atemwegserkrankungen im Zuständigkeitsbereich der ehemali-gen Bau-Berufsehemali-genossenschaft Hannover sollten alle mit dem Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren im Zusammenhang stehenden relevanten Tatbestände quan-titativ und qualitativ ermittelt werden.

Während des Beobachtungszeitraums war eine annähernd gleiche Zahl der jährli-chen Verdachtsmeldungen auf die hier untersuchten Berufskrankheiten zu verzeich-nen. Ein großer Teil dieser Verdachtsmeldungen stammt von den Sozialversiche-rungsträgern (Krankenkassen, Arbeitsämter, Rentenversicherungen), ein ebenso großer Teil von den Versicherten und ihren behandelnden Ärzten, von den

Während des Beobachtungszeitraums war eine annähernd gleiche Zahl der jährli-chen Verdachtsmeldungen auf die hier untersuchten Berufskrankheiten zu verzeich-nen. Ein großer Teil dieser Verdachtsmeldungen stammt von den Sozialversiche-rungsträgern (Krankenkassen, Arbeitsämter, Rentenversicherungen), ein ebenso großer Teil von den Versicherten und ihren behandelnden Ärzten, von den