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2 Stand der Forschung

2.3 Experimentelle Methoden in der Flüssigkeits-NMR

2.3.3 Der Nuclear Overhauser Effekt (NOE)

von1H,1H-RDCs mit dem PSYCHEDELIC-Experiment[109] anhand von1H,1H-RDC-Sätzen undone-bond

1H,13C-RDC-Sätzen des Analyten β-Pinen gemacht. Zu diesem Kooperationsprojekt befindet sich in Kapitel 8 eine Zusammenfassung.

Die NOE-Analyse verlangt im Vergleich zu RDCs keinen orientierten Analyten und kann daher in isotroper Lösung durchgeführt werden. Allerdings wird dabei die dipolare Kopplung nicht direkt detektiert, sondern lediglich der Effekt der dipolaren Kopplung über Kreuzrelaxationspfade ausgenutzt, um räumliche Informationen zu bekommen.

Herausforderungen für alle hier diskutierten Techniken entstehen durch molekulare Flexibilitäten, deren Geschwindigkeiten im Vergleich zu den Zeitskalen der NMR-Spektroskopie schnell sind, was zu einem über alle Konformere gemittelten Parameter als experimentell messbarer Wert führt[110–114]. Wie und ob diese gemittelten Werte für jedes Konformer separiert werden können, hängt wiederum davon ab, ob die intramolekulare Bewegung schneller oder langsamer als die Korrelationszeit des Moleküls ist.

Der Fokus des folgenden Abschnitts soll auf der Nutzung desNuclear OverhauserEffekts (NOE) in Kreuzre-laxationsexperimenten zur Gewinnung qualitativer und quantitativer räumlicher Strukturinformationen liegen. Dieser ist zentraler Bestandteil von Projekt B, kommt aber auch im Rahmen der Charakterisierung von Cyclobuten-Pd-Komplexen in Projekt D zum Einsatz. In den folgenden Abschnitten wird ein Abriss über den Ursprung des NOE gegeben, gefolgt von der experimentellen Realisierung zur Bestimmung des longitudinalen und transversalen NOE. Anschließend werden die Methoden zur Quantifizierung der Kreuzrelaxation in NOE-Experimenten zur Gewinnung von Abständen diskutiert.

W 1 (j,α) W 1 (k,α)

W 1 (j,β) W 1 (k,β)

W 2 W 0

αα αβ

ββ

βα

1

3 4

2

Abbildung 2.3.1: Energieniveau-Diagramm für ein Zwei-Spin-12-System, deren Kernspin-Zustand zur Ver-einfachung entwederαoderβsein kann. Zusätzlich sind die möglichen Übergänge für Relaxation zwischen den Niveaus inklusive deren RatenkonstantenW eingezeichnet.

indem jeweils nur einer der beiden Spins seinen Zustand ändert (SQ, blau), die mit den Ratenkonstanten W1j,α,W1k,α,W1j,β und W1j,β erfolgen. Andererseits können auch beide Spins simultan ihren Zustand ändern, was mit den Übergangswahrscheinblichkeiten W0 und W2 erfolgt. Hierbei kann zusätzlich zwischen dem Null-Quantenübergang (ZQ, rot) mit einer totalen Änderung der Spinquantenzahlen∆m =

±0und dem Doppel-Quantenübergang (DQ, grün) mit einer totalen Änderung der Spinquantenzahlen

∆m = ±2unterschieden werden. Die Veränderungen der Populationen der vier Energieniveaus lassen sich mit entsprechenden Ratengleichungen abhängig von den Ratenkonstanten formulieren. Das ist exemplarisch für die zwei Energieniveaus 1 und 2 in den Gleichungen 2.3.2 dargestellt, wobein1bisn4 die Populationen der Niveaus 1 bis 4 undn01bisn04die Gleichgewichts-Populationen sind.

dn1

dt = −W1k,α(︁

n1−n01)︁

− W1j,α(︁

n1−n01)︁

− W2(︁

n1−n01)︁

+ W1k,α(︁

n2−n02)︁

+ W1j,α(︁

n3−n03)︁

+ W2(︁

n4−n04)︁

dn2

dt = −W1j,β(︁

n2−n02)︁

− W1k,α(︁

n2−n02)︁

− W0(︁

n2−n02)︁

+ W1j,β(︁

n4−n04)︁

+ W1k,α(︁

n1−n01)︁

+ W0(︁

n3−n03)︁

(2.3.2)

In analoger Weise ergeben sich die Ratengleichungen für die Energieniveaus 3 und 4. Durch Kombination dieser vier Ratengleichungen lassen sich Ausdrücke für die Veränderungen derz−MagnetisierungenIj,z

undIk,z der beiden Spins im Ensemble in Abhängigkeit von den Ratenkonstanten ableiten, die auch als

Solomon-Gleichungen[93]bekannt sind:

dIj,z

dt = −(︂

W1j,α + W1j,β + W2 + W0)︂ (︁

Ij,z−Ij,z0 )︁

− (W2 − W0)(︁

Ik,z−Ik,z0 )︁

dIk,z

dt = −(︂

W1k,α + W1k,β + W2 + W0)︂ (︁

Ik,z−Ik,z0 )︁

− (W2 − W0)(︁

Ij,z−Ij,z0 )︁ (2.3.3)

Gilt W1i,α = W1i,β = W1,i für i = j, k, so lassen sich die AusdrückeW1i,α + W1i,β + W2 + W0 zu 2W1,i + W2 + W0vereinfachen, die der longitudinalen Relaxationsrateρz entsprechen. Der Ausdruck W2 −W0 wird Kreuzrelaxationsrateσj,k genannt. An den Solomon-Gleichungen lässt sich erkennen, dass die Veränderungen derz−Magnetisierung der zwei Spinsjundknicht mehr unabhängig voneinander sind. Die Störung des Gleichgewichtszustands des einen Spins hat Auswirkungen auf den des anderen Spins.

Die Übergänge zwischen den Energieniveaus werden durch fluktuierende magnetische Felder mit der passenden Frequenz des Übergangs (ωSQ = ω0DQ = 2ω0ZQ = 0) initiiert. Folglich hängen die RatenkonstantenW1,W2 undW0von der jeweiligen Frequenz der fluktuierenden Felder ab. Verursacht werden diese durch die schnelle Rotationsbewegung der Moleküle (molecular tumbling) in Lösung in Verbindung mit dipolarer Kopplung, chemischer Verschiebungsanisotropie oder der Quadrupolwech-selwirkung, deren Stärke jeweils eine Orientierungsabhängigkeit relativ zum statischen Magnetfeld aufweist.

Werden Protonen von Molekülen in Lösung betrachtet, liefert üblicherweise die dipolare Kopplung den dominierenden Beitrag zu den Magnetfeldfluktuationen und folglich auch der Ratenkonstanten. Unter dieser Annahme ergibt sich für die RatenkonstantenW1,j,W1,k,W2undW0[29]:

W1,j = 3

40b2J(ω0,j) W1,k = 3

40b2J(ω0,k) W2 = 3

10b2J(ω0,j + ω0,k) ≈ 3

10b2J(2ω0) W0 = 1

20b2J(ω0,j − ω0,k) ≈ 1

20b2J(0)

(2.3.4)

Für den Fall zweier dipolar gekoppelter Protonenj und k wird angenommen, dass der Frequenzun-terschied durch chemische Verschiebung für den Relaxationsprozess unerheblich ist (ω0,j ≈ ω0,k). Die konstanten Vorfaktoren resultieren aus dem Hamilton-Operator, welcher die für die Relaxation verant-wortliche dipolare Interaktion beschreibt. Die GrößeJ(ω)ist die spektrale Dichte, welche ein Maß für

die Molekularbewegung bei der Frequenzωist. Die dipolare Kopplungskonstante wird mitbbezeichnet.

Für ein starres Molekül in isotroper Lösung sindbundJ(ω)wie folgt definiert:

b = µ0γjγkℏ 4πr3j,k J(ω) = 2τc

1 + ω2τc2

(2.3.5)

Hierbei sindrj,k der Abstand zwischen den beiden dipolar gekoppelten Protonen und τcdie Korrela-tionszeit, welche die Geschwindigkeit der Rotationsbewegung der Moleküle in Lösung charakterisiert.

Diese hängt insbesondere von der Temperatur, der Viskosität des Lösungsmittels und der Molekülgröße ab. Werden die entsprechenden Ausdrücke fürW1,W2undW0 eingesetzt, ergibt sich die longitudinale Relaxationsrateρz = R1 = (T1)1 und die Kreuzrelaxationsrateσj,k jeweils zu[29]:

ρ(j)z ≈ ρ(k)z = R1 = b2 [︃3

20J(ω0) + 3

10J(2ω0) + 1 20J(0)

]︃

σj,k = b2 [︃3

10J(2ω0) − 1 20J(0)

]︃ (2.3.6)

Entsprechend der Größenordnung vonτclassen sich zwei Bewegungsregimes unterscheiden. Im Bereich schneller Molekularbewegung (fast-motion-regime, kleineτc) dominiert die mit dem Doppelquantenüber-gang assoziierte RatenkonstanteW2 beziehungsweise dominiert der BeitragJ(2ω0)und ein positiver NOE resultiert. Im Bereich langsamer Molekularbewegung (slow-motion-regime, großeτc) ist die mit dem Nullquantenübergang assoziierte RatenkonstanteW0 wahrscheinlicher (größerer Beitrag durchJ(0)) und der NOE ist negativ. Zwischen den beiden Regimen befindet sich ein Nulldurchgang, an dem kein longitudinaler NOE auftritt. Analoge Solomon-Gleichungen sowie Verknüpfungen der Relaxationsraten mit dem Abstand und dem Bewegungsregime der Molekularbewegung lassen sich für die Kreuzrelaxation in der Transversalebene für die x−beziehungsweise y−Magnetisierung formulieren[120,121]. Für die Kreuzrelaxationsrate in der Transversalebene ergibt sich hierbei[29]:

σxy;j,k = b2 [︃ 1

10J(0) + 3 20J(ω0)

]︃

(2.3.7)

Als Summe besitzt die transversale Kreuzrelaxationsrateσxy keinen Nulldurchgang und liefert in allen molekularen Bewegungsregimen einen positiven NOE.

Experimentelle Realisierung

Die Beobachtung eines NOE verlangt gemäß den Solomon-Gleichungen[93] (Gleichungen 2.3.3) den Nicht-Gleichgewichtszustand eines Kernspins.

In den ersten experimentellen Demonstrationen an Protonen[115,116,118,119,122]ist dies durch die Sättigung einer Protonenresonanz für eine Zeitτm und die anschließende Beobachtung von Intensitätsveränderun-gen an anderen Protonen in der räumlichen Umgebung erfolgt. Dieses experimentelle Vorgehen wird Steady state-NOE-Experiment genannt, wobei für die Solomon-Gleichungen entsprechend dIdtk,z = 0gilt.

Dieses Verfahren liefert jedoch nicht die Kreuzrelaxationsrateσj,k, sondern ihr Verhältnis zur longitudi-nalen Relaxationsrate σRj,kj .

Dastransiente-NOE-Experiment[123,124] erzeugt den Nicht-Gleichgewichtszustand durch selektive Inver-sion eines Spins in einer Sequenz 180selm- 90-t2 . In den Solomon-Gleichungen gilt hier entspre-chendIk,zm= 0) = −Ik,z0 . Dieses Verfahren ist mittlerweile durch ein NOE-Experiment mit einem einfachen[125,126] oder doppelten (Double-pulsed-field-gradient-selected-echo, DPFGSE)[127] selektiven Echo ersetzt worden, wobei einer Breitbandanregung die selektive Refokussierung mit einem oder zwei selektiven 180-Pulsen flankiert von Gradienten folgt. Anschließend folgt die Mischzeitτm, eingerahmt in zwei breitbandige 90-Pulse und die Signalakquisition. Zur Beobachtung des NOE ist in beiden Verfahren eine Differenzmethode anzuwenden, wobei von dem NOE-Experiment ein Referenzexperi-ment ohne Sättigung beziehungsweise ohne selektive Inversion abgezogen wird. In der Regel wird diese Differenzbildung durch einen Phasenzyklus ausgeführt. Im Fall des GOESY-Experiments ( Gradient-Enhanced-Nuclear-Overhauser-Effect-Spectroscopy)[128]erfolgt die Differenzbildung intrinsisch mit Hilfe von Gradienten. Nachteilig ist hier allerdings der Sensitivitätsverlust um den Faktor zwei und zusätzlich der durch Diffusion[129].

Die Anzahl der NOE-Kontakte mit steigender Komplexität der Analyten sowie Signalüberlagerung li-mitieren die Anwendung derSteady-state-und dertransiente-NOE Methode. In solchen Fällen hat sich das 2D NOESY-Experiment nach Jeener[130], Meier[131] und Kumar[132] durchgesetzt. In der zwei-dimensionalen Variante wird der Nicht-Gleichgewichtszustand durch ein Frequenzlabel während der t1-Entwicklungszeit für alle Protonen gleichzeitig erreicht. Im resultierenden 2D NOESY-Spektrum ergibt sich dadurch eine komplette Kreuzrelaxationskarte des untersuchten Analyten. In der 2D Variante treten jedoch zusätzlich COSY-Artefakte durch Nullquantenkohärenzen auf. Deren Unterdrückung ist durch Phasenzyklen und Gradienten nicht möglich, da sie die gleiche Kohärenzordnung wie die longitudinale Magnetisierung besitzen. Das Problem ließ sich durch die Einführung von Nullquantenfiltern durch Thrippleton und Keeler[133,134]beseitigen. Als Alternative bieten sichPure ShiftTechniken[13–17]an, welche die Effekte der skalaren Kopplung als Ursache der Nullquantenkohärenzen unterdrücken.

Weiterentwicklungen in NOESY- und ROESY-Experimenten betreffen die Unterdrückung von mehrstufigen Kreuzrelaxationsprozessen[135–141], bekannt auch als Spin-Diffusion, die sich bei längeren Mischzeiten nicht ausschließen lässt. Gemeinsam ist den publizierten Experimenten die Unterdrückung der Spin-Diffusion durch Inversion zusätzlicher Kreuzrelaxationspartner innerhalb der Mischzeit.

Rotating-Frame Nuclear Overhauser Effect Spectroscopy(ROESY)

D

GZ

RF

Φ1 Φ2

t

2

G1 G2

Φ3

high-field SL low-field SL

τ2

τ2 Φrec

t

1

C

RF

Φ1 Φ2

t

2

Φ3

high-field SL low-field SL

τ2 Φrec

t

1

π

x

π

-x

A