5.2 Haar–Wavelets
5.3.3 Weitere notwendige Bedingungen an Skalierungsfolge und –funktion . 156
Jβm(ω)−em+1(−ω2)sinc(ω)m+1δ0
2
`2
≤2(2ω)2m+2
∑
∞n=1
1
(2n−1)2m+2 .
Da die darin vorkommende Reihe konvergiert, gilt Jβm(ω)−sinc(ω)δ0 = O`2(ωm+1). Der B–Spline der Ordnungmerfüllt somit eine Approximationsbedingung der Ordnungm(s. De-finition 4.2.5). Insbesondere ist die Prä–Gramsche Faser nach oben beschränkt.
Die Norm der Prä–Gramschen Faser ist periodisch mit Periode 1, sie ist auf dem Intervall [−12,12]durch sinc(12)m+1nach unten beschränkt, somit also auch überall.
Nach Satz 5.3.4 erzeugt alsoβmeine Multiskalenanalyse. 2
5.3.3 Weitere notwendige Bedingungen an Skalierungsfolge und –funktion
Wir können nach Lemma 4.2.4 zu jeder Ordnungm∈ Neines B–Splines eine endliche Folge gm ∈`fin(C)finden, mit welcher für die Fourier–Transformierte vonβmdie Entwicklung
ˆ
gmβˆm = gˆm e1(−ω2)sinc(ω)m+1=1+oC(ωr)
5.3. Multiskalenanalyse 157
gilt. Damit gilt aber auch für die Prä–Gramsche Faser ˆgmJβm−δ0 = o`2(ωr). Für Funktionen, welche eine Approximationsbedingung der Ordnungrnach Definition 4.2.5 erfüllen, erhalten wir somit folgende Charakterisierung.
Satz 5.3.8 ϕ∈ L2(C)erfüllt genau dann eine Approximationsbedingung der Ordnung r∈N, wenn es für jedes m∈Nmit m≥r eine endliche Folge c∈`fin(C)gibt, so dass
Jϕ(ω)−cˆ(ω)Jβm(ω) =o`2(ωr) gilt.
Beweis: Erfüllt ϕ ∈ L2(C) eine Approximationsbedingung der Ordnung r, so gibt es nach Definition eine endliche Folge c0 ∈ `fin(C) mit Jϕ = cˆ0δ0+o`2(ωr). Da es nach den eben angestellten Überlegungen für jedes m ∈ N eine endliche Folge gm ∈ `fin(C)mit ˆgmJβm = δ0+o`2(ωm)gibt, gilt gleichfalls
Jϕ= cˆ0gˆrJβr+o`2(ωr).
Das Faltungsproduktc:=c0∗gr∈`fin(C)erfüllt also die Behauptung.
Gilt andererseits Jϕ = cJˆ βm +o`2(ωr)für eine endliche Folge c ∈ `fin(C)und ein m ≥ r, so auch
Jϕ =c eˆ 1(−ω2)sinc(ω)m+1δ0+o`2(ωr)
Analog zu Lemma 4.2.4 findet man eine endliche Folgec0 ∈ `fin(C), für welche ˆc0die gleiche Taylorentwicklung bis zum Gradrwie ˆcem+1(−ω2)sinc(ω)m+1hat. Mitc0ist dann die
Defini-tion der ApproximaDefini-tionsbedingung der Ordnungrerfüllt. 2
Korollar 5.3.9 Seien m,r ∈ Nmit m ≥ r, c ∈ `fin(C)eine endlichen Folge undη ∈ L2(R) eine Funktion mit beschränkter Prä–Gramscher Faser. Dann hat die Funktionϕ= c(T)βm+ (1− T)r+1η die Approximationsordnung r.
In umgekehrter Richtung kann von einer Funktion ϕmit Approximationsordnungr nur auf die Gestalt ϕ = c(T)βm+ (1− T)rηmit einer endlichen Folge cund einem η ∈ L2(R)mit Prä–Gramschen Fasern der Ordnungo`2(ω0)geschlossen werden. Im Folgenden werden wir aber immer Abschätzungen antreffen, in denen das Landau–Symbol o`2(ωr) aus einer Ab-schätzungO`2(ωr+1)folgt. Eine Funktion ϕmit dieser Form der Approximationsbedingung der Ordnungrhat immer die Gestalt
ϕ= c(T)βm+ (1− T)r+1η (5.6) Lemma 5.3.10 Seien s ∈ N>1ein Skalenfaktor, a∈ `1(C)eine Skalierungsfolge und ϕ ∈ L2(R)∩ L1(R)eine zulässige Skalierungsfunktion der Approximationsordnung r ∈ N, welche die Verfeine-rungsgleichungϕ=Dsa(T)ϕerfüllt. Ferner sei das verschiebungsinvariante System zuϕein Riesz–
System, d.h.ϕerzeuge eine Multiskalenanalyse.
Dann gilt für die Fourier–Reiheaˆ =∑n∈Zane−nzum einenaˆ(0) =s und zum anderen hata an denˆ Stellenω = js, j=1, . . . ,s−1, Nullstellen einer Ordnung größer r, d.h.aˆ(sj +ω) =0C(ωr).
Beweis: Nach Definition 4.2.5 gibt es einc∈`fin(C), mit welchem für die Prä–Gramsche Faser Jϕ =cˆδ0+o`2(ωr)gilt.
Die Fourier–Transformierte vonϕerfüllt für jedesω∈Rdie aus der Verfeinerungsgleichung abgeleitete Identität
ϕˆ(ω) = 1 s(D1
s(aˆϕˆ))(ω) = 1
saˆ(ωs)ϕˆ(ωs). Nach Voraussetzung sind sowohl ˆaals auch ˆϕstetig, und es gilt
s2kJϕ(ω)−cˆ(ω)δ0k2`2 =s2
∑
Auf der linken Seite dieser Gleichung steht ein Ausdruck, welcher in Landau–Symbolik die GrößeoC(ω2r)hat. Da die Summanden auf der rechten Seite sämtlich nichtnegativ sind, müs-sen auch sie diese Größe haben. Dies ist wegen der Riesz–Bedingung anϕnur möglich, wennˆ
Wird a ∈ `fin(Z)als endliche Folge angenommen, so muss ˆaals trigonometrisches Polynom in den Punkten 1s, . . . ,s−s1 jeweils eine Nullstelle vom Grad r+1 haben. Für das Laurent– Dies ist aber gerade, bis auf einen Faktor 1s, dasHaar–Polynom Hs.
Wegen ˆa(0) = s muss es eine Faktorisierung a(Z) = sHs(Z)r+1p(Z)des Laurent–Polynoms zur Folgeageben, wobeipwieder ein Laurent–Polynom ist undp(1) =1 gilt. Dies entspricht der Forderung, dass der(s, 1)–periodische Operator a(T) ↑s : `fin(C) → `fin(C)eine poly-nomiale Approximationsordnung Abesitzt.
Wir wollen im weiteren auch bei unendlichen Skalierungsfolgen die Struktur a(Z) = sHs(Z)Ap(Z) mit A ∈ N>0 und p ∈ `1(C)voraussetzen. Für a(Z) = sHs(Z)A kennen wir schon die B–SplinesβA−1als Lösung der zugehörigen Verfeinerungsgleichung.
5.3.4 Biorthogonale und orthogonale Skalierungsfunktionen
In Satz 5.3.4 zur Konstruktion einer Multiskalenanalyse aus einer zulässigen Skalierungsfunk-tionϕ∈ L2(R)musste vorausgesetzt werden, dass diese ein verschiebungsinvariantes Riesz–
5.3. Multiskalenanalyse 159
System erzeugt. Diesen Nachweis für eine Skalierungsfunktion zu führen bzw. diese Eigen-schaft aus EigenEigen-schaften der Skalierungsfolge abzuleiten ist im allgemeinen schwierig.
Nimmt man jedoch eine zweite Skalierungsfunktion ˜ϕ ∈ L2(R) hinzu, die die Funktion ϕ im Sinne von Satz 4.2.9 zur Überabtastung ergänzt, so kann dieser Nachweis unter gewissen weiteren Komplementaritätsbedingungen sich als trivial erweisen. Diese Komplementarität ist gesichert, wennϕund ˜ϕein biorthogonales Paar bilden.
Definition 5.3.11 Seien ϕ, ˜ϕ ∈ L2(R)zulässige Skalierungsfunktionen zum Skalenfaktor s∈ N>1. Das Paar(ϕ, ˜ϕ)wirdbiorthogonales Paargenannt, wenn
Jϕ(ω), Jϕ˜(ω)`2 =1 fast überall gilt.
Ist das Paar(ϕ,ϕ)biorthogonal, so nennt man ϕeineorthogonaleSkalierungsfunktion.
Diese Bedingung ist nicht so einschränkend, wie es scheinen mag; nach Satz 6.3.3 im An-schluss an die Lösungstheorie der Verfeinerungsgleichung werden solche Paare von Skalie-rungsfunktionen von biorthogonalen Paaren von Skalierungsfolgen erzeugt, sofern diese Ska-lierungsfolgen auf die im weiteren definierte Art nicht zu groß sind.
Lemma 5.3.12 Seien ϕ, ˜ϕ ∈ L2(R)Funktionen, deren Prä–Gramsche Fasern Jϕ,Jϕ˜ : R → `2(C) essentiell beschränkt sind. Dann gilt
Jϕ(ω), Jϕ˜(ω)`2 =1 fast überall genau dann, wenn
h Tnϕ, ˜ϕi=δ0,n(Kronecker–Delta) für alle n ∈Zgilt.
Beweis: Die erste Aussage ist äquivalent dazu, dass für beliebige c ∈ `2(C) und deren Fourier–Reihe ˆc= ∑n∈Zcne−n
cˆϕ, ˆ˜ˆ ϕ
L2 =Z 1
0
cˆ(ω)Jϕ(ω), Jϕ˜(ω)`2 dω=Z 1
0 cˆ(ω)dω =c0
gilt. Nach den Rechenregeln der Fourier–Transformation und dem Satz von Plancherel gilt weiter
c0= cˆϕ, ˆ˜ˆ ϕ
L2 = hc(T)ϕ, ˜ϕiL2 .
Dass dies für beliebigec∈`2(C)gilt, ist äquivalent zur zweiten Aussage. 2
Eine andere Formulierung dieser Eigenschaft ist, dass die Kombination des Synthese–Operators Eϕmit dem Analyse–OperatorEϕ∗˜ die Identität auf`2(C)ergibt, denn
Eϕ∗˜Eϕ(c) =Eϕ∗˜(
∑
n∈Z
cnTnϕ) ={
∑
n∈Z
cnD
Tnϕ,Tkϕ˜E
}k∈Z=c.
Satz 5.3.13 Seien ϕ, ˜ϕ ∈ L1(R)∩L2(R) zulässige Skalierungsfunktionen zu einem gemeinsamen Skalenfaktor s∈N>1, die ein biorthogonales Paar(ϕ, ˜ϕ)bilden. Dann erzeugen sowohl ϕals auchϕ˜ eine Multiskalenanalyse.
Beweis: Da sowohl ϕ als auch ˜ϕeine Approximationsbedingung erfüllen, erzeugen beide je ein verschiebungsinvariantes Bessel–System. Um die Voraussetzungen des Satzes 5.3.4 zu erfüllen, müssen diese auch Riesz–Systeme sein. Sei c ∈ `2(C) beliebig. Dann gilt für das Skalarprodukt der mitcgebildeten Funktionenreihen
Eϕ(c),Eϕ˜(c)L2 =DEϕ∗˜Eϕ(c),cE
L2 = kck2`2 .
Andererseits gilt für das Skalarprodukt die Cauchy–Schwarzsche Ungleichung, und mit der Schranke√
B˜ für die AbbildungEϕfolgt
Eϕ(c), Eϕ˜(c)L2 ≤ kEϕ(c)kL2kEϕ˜(c)kL2 ≤ kEϕ(c)kL2pB˜kck`2 . Zusammengefasst gilt also für beliebigesc∈`2(C)
1
B˜kck2`2 ≤ kEϕ(c)k2L2 .
Somit ist {Tnϕ : n ∈ Z}ein Riesz–System und ϕerzeugt eine Multiskalenanalyse. Analog
argumentiert man für ˜ϕ. 2
Die Funktionenϕ, ˜ϕ∈ L2(R)bilden nach Lemma 5.3.12 genau dann ein biorthogonales Paar, wennEϕ∗˜Eϕ =id`2(C)gilt. Für den Synthese–Operator zu ϕerhalten wir unter Benutzung der
Weiter ista(T) ↑sein(s, 1)–periodischer linearer Operator und hat die Polyphasendarstel-lung Skalierungsfolgen eines biorthogonalen Paares auch in die Form
s id`2(C)= ↓s
5.3. Multiskalenanalyse 161
gebracht werden. Dass aus dieser Identität unter bestimmten Umständen wiederum auf die Biorthogonalität von(ϕ, ˜ϕ)geschlossen werden kann, wird im Anschluss an die Lösungstheo-rie der Skalierungsgleichung in Abschnitt 6.3 gezeigt.