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d. Kollisionsvermeidung mit beweglichen Objekten

2)  Nicht-kooperative Kollisionsvermeidungs-Systeme

Die Nicht-kooperative Kollisionsvermeidung mit beweglichen Objekten unterscheidet sich in aktive und passive Technologien. Optische (mittels Kamerasensoren298) und thermale (mittels Infrarotsensoren299) verfahren gelten als passive varianten.300 Die Erkennung beweglicher Objekte mittels Laser/LIDAR301, Radar302 und Ultraschall303 werden als aktive Technologien bezeichnet.304 Exemplarisch werden im Folgenden jeweils ein aktives und ein passives verfahren beschrieben:

– Mittels Radar (aktiv) können Abstand, Höhe, Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung eines beweglichen Objekts gemessen werden.305 Im verhältnis zum eigenen Flugstatus kann daraus die Gefahr einer

295 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 392 f. Lacher/ Maroney/ Zeitlin, 6.

296 Moses, 1897.

297 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 392 f.

298 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 26.

299 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 26.

300 Lacher/ Maroney/ Zeitlin, 5; Moses, 1897.

301 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 27.

302 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 26 f.

303 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 27.

304 Lacher/ Maroney/ Zeitlin, 5; Moses, 1897.

305 Glaneuski, 49; Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 49 f.; Mejias/ Lai/ Bruggemann, 389.

D. Funktionsweise autonomer Drohnen

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Kollision berechnet und ein Ausweichmanöver eingeleitet werden.306 Der vorteil eines Radars ist, dass es unabhängig von äusseren Einflüssen wie z.B. Sonnenlicht, Rauch, Nebel und Staub funktioniert.307 Als Herausforderungen bei der Integration in eine (Klein-)Drohnenarchitek-tur gelten die Grösse und das Gewicht, der hohe Energieverbrauch sowie der Preis (je nach Konfiguration über CHF 100‘000). Zurzeit befinden sich Miniatur-Radargeräte in der Entwicklung, welche diese Herausforderungen überwinden sollen.308

– Bei „sense and avoid“-Anwendungen mittels Kamerasensoren (passiv) wertet ein Algorithmus in Echtzeit die aufgenommenen Bilder aus. Dazu werden in den Aufnahmen zunächst die unbeweglichen Objekte festgelegt.

Bewegliche Objekte können dann aufgrund ihrer abweichenden Position in nacheinander aufgenommenen Bildsequenzen wahrgenommen wer-den. Mit dieser Technik lassen sich z.B. Flugrichtung, Geschwindigkeit und Distanz eines beweglichen Objekts feststellen.309 Der vorteil von Kamerasensoren ist, dass sie relativ klein und kostengünstig sind sowie wenig Energie verbrauchen. Allerdings nimmt ihre Zuverlässigkeit mit sich verschlechternden Sichtverhältnissen rapide ab.310

e. Flugplanung

Kollisionsvermeidung311 und Orientierung mittels semantischer Karte312 ermöglichen es der Drohne, autonom zu navigieren. Für eine autonome Missionserfüllung, z.B. für einen Flug von A nach B, reicht dies allerdings noch nicht aus. Dazu müssen die einzelnen Flugmanöver einer Drohne in einen Kontext gebracht werden. D.h., die Flugbewegungen müssen sich nach einem übergeordneten Plan richten, mit dem das Missionsziel erreicht wird.

Dazu bedarf es einer Flugplanung, die aus nicht geplanten Umwelteinflüssen die richtigen Schlussfolgerungen zieht und hinsichtlich des Missionsziels

306 Moses, 1928–1951.

307 Moses, 1898.

308 Moses, 1904 f.

309 Cho/ Huh/ Shim/ Choi, Journal of Intelligent & Robotic Systems, 477–487; Strydom/

Thurrowgood/ Denuelle/ Srinivasan, 258 f.

310 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 390–392.

311 Ziff. II.D.5.c Kollisionsvermeidung mit statischen Objekten, 34, und Ziff. II.D.5.d Kollisionsvermeidung mit beweglichen Objekten, 34–37.

312 Ziff. II.D.5.b Orientierung, 32 f.

II. Eigenschaften autonomer Drohnen

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antizipiert.313 Der dazu notwendige Planungsalgorithmus kann in mehrere Subalgorithmen unterteilt werden:314

– Bei der Routenplanung wählt ein Algorithmus diejenige Flugroute aus, mit welcher die höchste Wahrscheinlichkeit besteht, die Missionszielvorgaben zu erreichen. Dazu sind die physischen Eigenschaften der Drohne, Hindernisse, die Kollisionsgefahr mit anderen beweglichen Objekten und andere Umwelteinflüsse zu berücksichtigen. Nicht planbare Ereignisse, wie das Auftreten einer fremden Drohne auf Kollisionskurs, können die ursprüngliche Planung durchkreuzen. In diesem Fall muss die Software in der Lage sein, eine alternative Flugroute zu wählen. Diese muss konsistent mit der Missionsplanung und dem Missionsziel sein.315

– Die Missionsplanung hat sicherzustellen, dass die Drohne die Missionsziele effizient erfüllt, ohne die Umwelt oder sich selbst zu gefährden. Diese Aufgabe wird in zwei Prozesse gegliedert: Die strategi-sche vorflug-Planung (engl. „strategic pre-flight planning“) und die tak-tische In-Flug-Neuplanung (engl. „in-flight tactical re-planning“):316

l Die strategische Planung wird vor dem Start vorgenommen. Sie beruht auf vorabinformationen über Flugverhältnisse sowie Flugumgebung und legt im Rahmen der Routenplanung eine vorläufige Flugroute fest, mit der das Missionsziel erreicht werden kann.

l Die taktische Planung beinhaltet die Neubewertung und Er- neuerung der geplanten Flugroute während des Fluges, basierend auf aktualisierten Daten über Umwelteinflüsse, Systemzustand und Missionsziel.317

Für die Missionsplanung wird das Missionsziel in einzelne Teilziele herunter-gebrochen (z.B. um spezifische Wegpunkte zu erreichen). Für jedes Teilziel muss zwischen verschiedenen Alternativen im Sinne des Missionsziels entschieden werden. Dabei muss der Algorithmus in der Lage sein, die Risiken einzelner Flugmanöver und die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser

313 vgl. Bestaoui Sebbane, 199; Shahbandi/ Astrand, 2.

314 Bestaoui Sebbane, 201 f.

315 Bestaoui Sebbane, 199–202; Jasim/ Gu, 72–84.

316 Bestaoui Sebbane, 202.

317 Bestaoui Sebbane, 263.

D. Funktionsweise autonomer Drohnen

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Risiken miteinzubeziehen.318 Für vorhersehbare Situationen und spezifische Gefahren können einzelne Wahrscheinlichkeitswerte durch den Entwickler der Drohne vorgegeben werden. Aufgrund von Umwelteinflüssen sind die Entscheidungsparameter in vielen Situationen allerdings nicht (vollstän-dig) vorhersehbar. In diesen Fällen muss der Algorithmus aufgrund von Erfahrungswerten, Informationen von verbundenen Drohnen319 oder ande-ren Entscheidungsgrundlagen320 eine Flugroute berechnen.321

Das Missionsziel und die Teilziele müssen in mathematische Parameter übersetzt werden, damit sie in den verschiedenen Prozessen verwendet wer-den können. Anhand dieser Parameter kann der Grad der Zielerfüllung bei geplanten und vollzogenen Aktionen gemessen werden. Die Steuerung der für den Flug und die Sicherheit relevanten Funktionen wird getrennt von der Steuerung der Nutzlast geführt.322

f. Kontrollarchitektur

Sowohl die Planung der Flugroute als auch der Missionsplanungsprozess müssen auf neue Gegebenheiten reagieren können und neue Aufträge, die während der Missionsausführung dazu kommen, bewältigen können. Dabei darf das übergeordnete Missionsziel nicht ausser Acht gelassen werden. Im Hintergrund wird deshalb ein System benötigt, das die unterschiedlichen Prozesse zusammenführt und überwacht. Diese Aufgabe übernimmt die Kontrollarchitektur.323

Zunächst muss die Kontrollarchitektur Fehler bei einzelnen Komponenten oder Systemen erkennen, um das Ausfallrisiko zu minimieren. Zu denken ist z.B. an einen Antriebsfehler, eine Beeinträchtigung der Orientierungssensoren (z.B. verschmutzung der Kameralinse) oder den verlust des Navigationssignals (z.B. GPS).324 Die Systemzustandsüberwachung (engl. „health monitoring“) misst, ob Prozesse, Komponenten und Systeme innerhalb der vorgegebenen

318 Bestaoui Sebbane, 202.

319 Ziff. II.D.5.d.1) Kooperative Kollisionsvermeidungs-Systeme, 35 f., und Ziff. II.G Formationen und Schwärme, 68 f.

320 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 26 f.

321 Ziff. II.E Autonome Entscheidungsprozesse, 42–67.

322 Bestaoui Sebbane, 202.

323 Bestaoui Sebbane, 8; Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 261.

324 Perrit/ Sprague, Vanderbilt Journal of Entertainment and Technology Law, 729 f.

II. Eigenschaften autonomer Drohnen

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Parameter bzw. Fehlertoleranzen operieren.325 Mögliche Reaktionen auf Komponenten- oder System-Fehler können das Einleiten einer Notlandung326, die Rückkehr an den Startpunkt oder die Fortsetzung der Mission unter Anwendung zusätzlicher Sicherheitsmargen, z.B. eine Reduktion der Geschwindigkeit, sein.327

Zudem muss die Kontrollarchitektur die Prioritäten unterschiedlicher Ziele bewerten und die Reihenfolge von Aktionen festlegen. Es können Reflexe, Reaktionen, Aufträge und Pläne unterschieden werden.328 Diese unterschei-den sich zum einen nach unterschei-den verwendeten Daten, auf die sich der zugrunde-liegende Algorithmus hauptsächlich abstützt (primäre Kontrolldaten). Zum anderen kann nach der Häufigkeit der Überprüfungsintervalle durch den Algorithmus der Kontrollarchitektur (Frequenz der Kontrollzyklen) differen-ziert werden.

Abbildung 2 – Funktionen der Kontrollarchitektur329

325 Pippin, 1731; Valavanis/ Vachtsevanos, Health Management, 995.

326 Dalamagkidis, Definitions, 47.

327 Dalamagkidis, Definitions, 47; Perrit/ Sprague, vanderbilt Journal of Entertainment and Technology Law, 730.

328 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 261.

329 Eigene Darstellung nach Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 262.

D. Funktionsweise autonomer Drohnen

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Reflexe verwandeln Sensorsignale direkt in Steuersignale. Häufig ist ihre Programmierung direkt in die Hardware implementiert. Reflexe müssen andere Steuersignale übersteuern können. Nimmt z.B. ein Ultraschall-Entfernungsmess-Sensor330 ein Objekt in der unmittelbaren Umgebung des Rotors wahr, wird der Antrieb direkt gestoppt.331

Reaktionen beruhen ebenfalls direkt auf Sensordaten, jedoch werden diese zuvor bearbeitet. Z.B. kann die Fusion von Positionsdaten des Radar-Gerätes332 eines beweglichen Objektes und von Geschwindigkeitsdaten des Trägheitsnavigationssystems333 eine Kollisionswarnung ergeben, worauf ein Ausweichmanöver334 als Reaktion erfolgt. Solche Reaktionen bilden die Grundlage für die verhaltensbasierte Robotik (engl. „behavior-based robotics“). Dabei ist jeweils ein Software-Modul für eine Reaktion verant-wortlich. Das Software-Modul scannt die gelieferten Daten permanent auf Signale, welche die vorgegebene Aktion auslösen. Dadurch sind sehr schnelle Reaktionen auf ungeplante Ereignisse möglich – ohne Umweg über eine Planungseinheit.335

Aufträge bezeichnen einzelne Etappen der Missionszielerfüllung. Das kann z.B. der Flug von einem Wegpunkt zum nächsten sein.336 Die Flugplanung legt die Aufträge bzw. Etappen fest. Grundlagen für die Berechnungen bil-det dabei die jeweilige gegenwärtige Situation, welche sich aus Flugsituation, Umwelteinflüssen oder neuen externen vorgaben (z.B. dem Anfliegen eines neuen Zwischenziels) ergibt.337

Reflexe, Reaktionen und Aufträge müssen darauf ausgerichtet sein, das Missionsziel zu erreichen. Dabei stellt die Kontrollarchitektur sicher, dass sämtliche Aktionen, die aufgrund ungeplanter Ereignisse notwendig werden, dem Erreichen des Missionsziels dienen.338

330 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 27.

331 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 263.

332 Ziff. II.D.3.a Nutzlast für Navigation, 26 f.

333 Ziff. II.D.1 Zustandsvektor, 23 f.

334 Ziff. II.D.5.d Kollisionsvermeidung mit beweglichen Objekten, 34–37.

335 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 322–324.

336 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 263.

337 Ziff. II.D.5.e Flugplanung, 37–39.

338 vgl. Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 262.

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