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f. Schwierigkeiten bei der Identifikation des Halters

Gemäss Art. 64 Abs. 1 LFG ist der Halter für Schäden durch Nano-, Mikro- und Kleindrohnen ersatzpflichtig. Im Gesetzgebungsprozess wurde auf eine Definition des Halterbegriffs im LFG bewusst verzichtet .706 In kon-stanter Rechtsprechung definiert das Bundesgericht diesen Begriff nach den Kriterien der Motorfahrzeughaftpflicht (Art. 58 ff. SvG).707 Nach dieser Auslegung gilt diejenige Person als Halter, «auf dessen eigene Rechnung und Gefahr der Betrieb des Fahrzeuges erfolgt und der zugleich über dieses (…) die

701 Ziff. v.A.5.c Drei Kategorien als Grundlage neuer vorschriften, 210–219.

702 BGE 102 II 363, 366 E. 3; Urteil des BGer vom 22.12.2008, 4A_453/2008, E.  3.2 (Eisenbahnhaftpflicht); vom 23.12.2009, 4A_479/2009, E. 5; vom 11.1.2010, 4A_499/2009, E. 2–8 (beide Strassenverkehrshaftpflicht). Ebenso: BSK OR I-Kessler, Art. 41 OR N 21a.

703 Zu Betriebsvorschriften und Luftverkehrsregeln für Nano-, Mikro- und Kleindrohnen:

Ziff.  V.A.1.b.3) Betriebsvorschriften für Nano-, Mikro- und Kleindrohnen, 198–200, und Ziff.  V.A.1.b.5) Luftverkehrsregeln lassen keine autonomen Flüge ohne weitere Sicherheitsmassnahmen zu, 202 f.

704 Zum Betrieb ausserhalb des Sichtbereichs des Piloten de lege ferenda: Ziff. v.A.5.c.2) Spezifische Kategorie, 216–218.

705 Zur Haftung bei Schwarzfliegerei: Ziff. III.A.2.g Haftung des Halters bei Schwarzflügen, 96–100.

706 BBl 1945 I 341, 362.

707 BGE 129 III 410, 414 E. 4.

III. Haftung für Personen- und Sachschäden am Boden

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tatsächliche, unmittelbare verfügung besitzt.»708.709 Selbst wenn der Halter das Fahrzeug, bzw. im Fall der luftrechtlichen Haftung das Luftfahrzeug, vor-übergehend freiwillig einem Dritten überlässt, wird der Dritte dadurch nicht zum Halter.710 In der Lehre wird die bundesgerichtliche Definition kritisiert, da sie vom Halterbegriff im internationalen Luftrecht abweicht.711

Für die Halterdefinition nach internationalen Regelungen können exem-plarisch die Bestimmungen der Römer Haftungsabkommen beigezogen werden: Demnach gilt diejenige Person als Halter712, welche den Einsatz des Luftfahrzeugs kontrolliert, das Interesse an der Nutzung hat und die Kosten trägt.713

Bei autonom fliegenden Drohnen fehlt es an einer direkten menschlichen Kontrolle über den Flug.714 Es kann deshalb unklar sein, wer die «tatsächliche, unmittelbare verfügung besitzt», die gemäss Bundesgericht zur Bestimmung des Halters bei der Motorfahrzeughaftpflicht heranzuziehen ist715. Bei Motorfahrzeugen wird im Fall von Unklarheiten bei der Halterbestimmung

708 BGE 117 II 609, 612 f. E. 3.b, ursprünglich 101 II 133, 136 f. E. 3 in französischer Sprache.

709 Dieser Halterbegriff wurde bestätigt in: BGE 129 III 102, 105 f. E. 2.1. Weiterführend zum Halterbegriff bei Luftfahrzeugen auch Keller, 271.

710 Das Bundesgericht nahm im Fall von BGE 129 III 102, 105 f. E. 2.3 an, dass ab einer verfügungsdauer von vier Monaten von einem Halterwechsel ausgegangen werden kann.

711 Haftpflichtkommentar-Baumann, Art. 64 LFG N 22; Chassot, ASDA/SvLR-Bulletin, 40–50; Dettling-Ott, recht, 243.

712 In den englischen (Ursprungs-)versionen internationaler Abkommen wird der Begriff

„Operator“ verwendet. In Fällen wie dem ICAO-Übereinkommen, in denen lediglich eine amtliche Übersetzung und keine offizielle deutsche version existiert (Dettling-Ott/ Kamp, Betrieb, Fn. 8), kann dieser Begriff zu Unklarheiten führen, da er im Deutschen sowohl mit „Halter“, „Betreiber“ und „Operateur“ übersetzt werden kann.

Ein Teil der Lehre will diese Begriffe als Synonyme verwenden (Dettling-Ott, Luftfahrzeughalter, Rz. 223; Meili, 59). vorliegend wird die Auffassung vertreten, dass für die Begriffsdeutung auf den jeweiligen Kontext abzustellen ist (ausführlich dazu im europäischen Recht: Altrogge/ Kip/ Ploss/ Terbeck, Rz. 14–19).

713 vgl. Art. 4 Abs. 2 und 3 des 1. Römer Haftungsabkommens sowie Art. 2 Abs. 2 des 2.

Römer Haftungsabkommen (beide in der Schweiz nicht ratifiziert). Weiterführend:

Chassot, ASDA/SvLR-Bulletin, 46. Zu den Römer Haftungsabkommen: Ziff. III.A.1.c Römer Haftungsabkommen in der Schweiz nicht ratifiziert, 77 f.

714 Ziff. II.E.5 Grad der Autonomie, 56–60, und Ziff. II.D Funktionsweise autonomer Drohnen, 20–41.

715 BGE 117 II 609, 612 f. E. 3.b.

A. Luftfahrthaftpflicht

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auf die Gesamtheit der Umstände im Einzelfall abgestellt.716 Es erscheint fraglich, ob die dabei für Motorfahrzeuge entwickelten Kriterien auf die Halterbestimmung bei autonomen Nano-, Mikro- und Kleindrohnen ange-wendet werden sollten. Naheliegender ist es, zur Halterbestimmung auf Normen des Luftrechts zurückzugreifen. Dazu eignet sich insb. die vor-genannte Definition der Römer Haftungsabkommen. Demnach gilt grund-sätzlich der Eigentümer als Operateur des Luftfahrzeuges, es sei denn, der Eigentümer könne widerlegen, dass er der Operateur ist (Art.  2 Abs.  3 des 2.  Römer Haftungsabkommens). Für diesen Ansatz sprechen auch die Harmonisierungsbestrebungen in der internationalen unbemannten Luftfahrt.717 Im Zuge dieser vereinheitlichung wird künftig kaum Raum für eine nationale Halterdefinition bleiben.718 Gleichzeitig empfiehlt die

„European RPAS Steering Group“719 in ihrer Roadmap aus dem Jahr 2013 die Bestimmungen der Römer Haftungsabkommen auf Drohnen auszuweiten.720 Damit würde sich in der Schweiz zudem der Kreis zum Ursprung des LFGs schliessen, der in den Römer Haftungsabkommen liegt.721 Demzufolge werden in diesem Zusammenhang die Bezeichnungen Halter, Operateur und Betreiber als Synonyme verwendet für diejenige Person, welche den Einsatz der Drohne kontrolliert, das Interesse an der Nutzung hat und die Kosten trägt.

Bevor ein Halter haftbar gemacht werden kann, muss dieser identifiziert werden. Das kann Geschädigte vor grosse Herausforderungen stellen, weil für Nano-, Mikro- und Kleindrohnen zurzeit keine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht besteht.722 Das schliesst die Möglichkeit aus, den Halter analog bemannter Luftfahrzeuge oder entsprechend der Motorfahrzeughaftpflicht zu bestimmen, wo der Eigentümer bzw. Halter i.d.R. aufgrund des Eintrages im Luftfahrzeugregister (Art. 3 ff. LFv723) bzw.

716 Haftpflichtkommentar-Giger, Art. 58 SvG N 27–28; Giger, OFK-SvG, Art. 58 SvG N 25;

Oftinger/ Stark, Gefährdungshaftungen, § 25 Rz. 93.

717 EASA, 2015a, 12–14.

718 Hänsenberger, AJP, 167 f.

719 Die „European RPAS Steering Group“ ist eine durch die Europäische Kommission einge-setzte Expertengruppe, die sich aus vertretern der wichtigsten Luftfahrtbehörden in Europa zusammensetzt, vgl. dazu European RPAS Steering Group, 2013a, 4.

720 European RPAS Steering Group, 2013b, 5. Siehe auch: Ziff. v.A.4.b European RPAS Steering Group, 207 f.

721 Ziff. III.A.1.d Nachfolgeabkommen für die Römer Haftungsabkommen, 79.

722 Ziff. v.A.5.g Einführung einer Registrierungs-, Kennzeichnungs- und Meldepflicht, 226 f.

723 verordnung über die Luftfahrt (Luftfahrtverordnung, LFv), SR 748.01.

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im Motorfahrzeugregister724 eruiert werden kann. Ist es nicht möglich, eine Drohne zuzuordnen, fehlt es Geschädigten an einem Haftpflichtigen.

Zur Lösung dieses Problems könnte die geplante Registrierungs- und Kennzeichnungspflicht für Mikro- und Kleindrohnen beitragen.725