• Keine Ergebnisse gefunden

e.  Kausalzusammenhang und beschränkte Entlastungsmöglichkeiten des Halters

verursacht eine Nano-, Mikro- oder Kleindrohne einen Schaden, muss für eine Ersatzpflicht des Halters zwischen dem Schaden und dem Tatbestand von Art. 64 ff. LFG ein Kausalzusammenhang bestehen.678 vorausgesetzt wird sowohl eine natürliche679 als auch adäquate680 Kausalität zwischen dem Betrieb681 der Nano-, Mikro- oder Kleindrohne und dem Schaden.682

Bei Gefährdungshaftungen, wie diejenige von Art.  64  ff. LFG,683 werden strenge Anforderungen an eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

678 Zum Kausalzusammenhang im Allgemeinen: BK-Brehm, Art. 41 OR N 103; Fellmann/

Kottmann, Band I, Rz.  401; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 10 Rz. 64–114; BSK OR I-Kessler, Art. 41 OR N 14; CHK OR-Müller, Art. 41 OR N 35–41; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 2–3; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 517; Roberto, Rz. 02.34–02.35;

KUKO OR-Schönenberger, Art. 41 OR N 13; Werro, responsabilité, Rz. 174.

679 Zur conditio sine qua non als voraussetzung für die natürliche Kausalität: BGE 128 III 174, 177 E. 2.a). Zur überwiegenden Wahrscheinlichkeit: BGE 133 III 462, 470 E. 4.4.2

= Pra 97 (2008) 27, 206 und BGE 132 III 715, 720 E. 3.1 f. Weiterführend zum natürli-chen Kausalzusammenhang: BK-Brehm, Art. 41 OR N 105–119; Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 406–414; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 10 Rz. 68–74; Honsell/ Isenring/

Kessler, § 3 Rz. 1–5; BSK OR I-Kessler, Art. 41 OR N 15; CHK OR-Müller, Art. 41 OR N 36; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 10–13; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 518–

521; Roberto, Rz. 06.03–06.08; KUKO OR-Schönenberger, Art. 41 OR N 14; Werro, responsabilité, Rz. 101–231.

680 Zur Formel der haftungsbegründenden Ursache: BGE 135 Iv 56, 64 E. 2.2 und Urteil des BGer vom 23.4.2010, 6B_183/2010, E. 3. Zur objektiven Voraussehbarkeit des Schadensereignisses: BGE 131 IV 145, 147 E. 5.1. Zur objektiven Zurechnung:

Urteil des BGer vom 1.6.2005, 4C.103/2005, E. 5.1. Weiterführend zum adäquaten Kausalzusammenhang: BK-Brehm, Art. 41 OR N 120–144b; Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 421–452; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 10 Rz. 75–100; BSK OR I-Kessler, Art. 41 OR N 16–21e; CHK OR-Müller, Art. 41 OR N 37; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 14–30; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 522–550; Roberto, Rz. 06.36–06.59; KUKO OR-Schönenberger, Art. 41 OR N 15; Werro, responsabilité, Rz. 232–250.

681 Art. 64 Abs. 1 LFG spricht von «im Flug befindlich», vorliegend werden die luftrecht-lichen Haftungsnormen auf im Betrieb befindliche unbemannte Luftfahrzeuge angewendet: Ziff. III.A.2.c Wann befindet sich ein unbemanntes Luftfahrzeug im Flug?, 82–85.

682 Zur zweistufigen Prüfung des Kausalzusammenhangs: BK-Brehm, Art. 41 OR N 104;

Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 406; Honsell/ Isenring/ Kessler, § 3 Rz. 1–5;

KUKO OR-Schönenberger, Art. 41 OR N 13.

683 Ziff. III.A.2.b Gefährdungshaftung nach Art. 64 LFG, 81 f.

A. Luftfahrthaftpflicht

91

gestellt.684 I.d.R. reicht auch ein Selbstverschulden685 des Geschädigten oder das verschulden eines Dritten686 nicht aus, um die Kausalität zu unterbrechen.687

Im LFG fehlen Entlastungsgründe für den Haftpflichtigen, wie sie zum Teil andere Gefährdungshaftungen vorsehen, so z.B. das SVG in Art. 59 Abs. 1 oder das EBG688 in Art. 40c sowie das BSG689 (Art. 30a) und das SebG690 (Art. 20), welche u.a. auf Art. 40c EBG verweisen.

Einige Autoren betrachten aufgrund des hohen Betriebsrisikos von Luftfahrzeugen grobes Drittverschulden in jedem Fall als Unterbrechungs-grund ausgeschlossen.691 Dasselbe soll nach einer weiteren Auffassung auch für den Fall von höherer Gewalt692 gelten.693 Letzteres wird damit begrün-det, dass dem Flugbetrieb der Umgang mit Naturgewalten wesenseigen sei.

Demgemäss existiere in seiner Intensität kein äusserer Einfluss, der dieses Risiko als unbeachtlich erscheinen lassen könne.694

684 Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz.  459; BSK OR  I-Kessler, Art. 41 OR N 21a; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 559.

685 Weiterführend zur Entlastung durch grobes Selbstverschulden der geschädigten Person: Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 462–466; Honsell/ Isenring/ Kessler,

§ 3 Rz. 41–43; Keller, 97–99; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 560–568; Roberto, Rz. 06.44–

06.46; Werro, responsabilité, Rz. 245–247.

686 Weiterführend zur Entlastung durch grobes Drittverschulden: Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 467–470; Honsell/ Isenring/ Kessler, § 3 Rz. 44–49; Keller, 96 f.; Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 569–573; Roberto, Rz. 06.43; Werro, responsabilité, Rz. 248–250.

687 Urteil des BGer vom 11.1.2010, 4A_499/2009, E. 2–8 und vom 23.12.2009, 4A_479/2009, E. 5; (beide Strassenverkehrshaftpflicht). Urteil des BGer vom 22.12.2008, 4A_453/2008, E. 3 (Eisenbahnhaftpflicht).

688 Eisenbahngesetz (EBG), SR 742.101.

689 Bundesgesetz über die Binnenschifffahrt (BSG), SR 747.201.

690 Bundesgesetz über Seilbahnen zur Personenbeförderung (Seilbahngesetz, SebG), SR 743.01.

691 Haftpflichtkommentar-Baumann, Art. 64 LFG N 16; Fellmann, Band II, Rz. 1587;

Keller, 274; von der Mühll, 176–178. Im Allgemeinen eine Entlastungsmöglichkeit ablehnend: Schwenzer, Rz. 54.11.

692 Weiterführend zur Entlastung durch höhere Gewalt: Honsell/ Isenring/ Kessler,

§ 3 Rz. 39–40; Keller, 94–96; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 142–150;

Rey, Haftpflichtrecht, Rz. 574–577; Roberto, Rz. 06.41–06.42; Werro, responsabilité, Rz. 245–247.

693 Haftpflichtkommentar-Baumann, Art. 64 LFG N 16; Keller, 273; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 149; von der Mühll, 181–183.

694 Keller, 273 f.

III. Haftung für Personen- und Sachschäden am Boden

92

Im Gegensatz dazu anerkennt eine andere Lehrmeinung ausnahmsweise intensives Drittverschulden als Entlastungsgrund für den Halter.695 Ebenfalls betrachten einige Autoren höhere Gewalt von besonderer Intensität als Unterbrechungsgrund für den Kausalzusammenhang zwischen Tatbestand und Schaden.696

Betreffend grobes Selbstverschulden der geschädigten Person besteht in der Lehre weitgehend Einigkeit darüber, dass dieses die Haftpflicht des Luftfahrzeughalters reduzieren oder ganz aufheben kann. Nach einhel-liger Auffassung geht dieser Entlastunggrund aus dem verweis von Art. 79 LFG auf Art. 44 OR hervor, wonach «der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden» kann.697 Parallel dazu existiert eine weitere Ansicht, die von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs ausgeht, wenn ein Selbstverschulden des Geschädigten von sehr hoher Intensität vor-liegt. Im Ergebnis resultiert daraus ebenfalls eine Entlastung des Halters.698 Im vergleich zu bemannten Luftfahrzeugen sind Nano-, Mikro- und Kleindrohnen deutlich kleiner, leichter und bewegen sich langsamer fort.699 Dementsprechend bedeutend geringer ist das Risiko ihres Betriebs einzu-schätzen.700 Folglich kann nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass dieses Betriebsrisiko die Wirkung von anderen äusseren Einflüssen, die einen Schaden (mit)bewirkt haben, verdrängt. Das bedeutet, dass im Fall von Schäden durch Nano-, Mikro- und Kleindrohnen neben dem gro-ben Selbstverschulden des Geschädigten auch intensives Drittverschulden

695 Archinard, ASDA/SvLR-Bulletin, 5; Binswanger, 139; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 152; Reichenbach, 58; von der Mühll, 172; Werro, Zusammenstoss, 135, der bei Drittverschulden eine Reduktion der Haftung auf den Sicherstellungsbetrag postuliert.

696 Werro, Zusammenstoss, 134; Reichenbach, 58, der höhere Gewalt in der Luftfahrt allerdings für sehr unwahrscheinlich hält.

697 Haftpflichtkommentar-Baumann, Art. 64 LFG N 17; Fellmann, Band II, Rz. 1590;

Fellmann/ Kottmann, Band I, Rz. 462 und Rz. 2444; Keller, 275; Oftinger/ Stark, Allgemeiner Teil, § 3 Rz. 152; von der Mühll, 171–173.

698 BGE 121 III 358, 363 E. 5 zur Haftung für einen Skiunfall; 116 II 519, 524 E. 4b zur Arzthaftpflicht. Deschenaux/ Tercier, § 4 Rz. 63  f.; Fellmann, Band II, Rz. 1591;

Reichenbach, 58. A.M. BGE 86 Iv 153, 156 E. 1; Schwenzer, Rz. 20.03; Honsell/

Isenring/ Kessler, § 3 Rz. 37; Roberto, Rz. 06.40.

699 Siehe dazu: Ziff. II.B.1 Gewicht, 11–13, insb. Tabelle 1 – Kategorisierung unbemannter Luftfahrzeuge in der Schweiz und den USA, 12.

700 Zur Risikoeinteilung von Drohnen: Ziff. v.A.5.a Risiko statt Gewicht als Anknüpfungskriterium, 208 f.

A. Luftfahrthaftpflicht

93

oder ausserordentliche höhere Gewalt als Entlastungsgründe infrage kom-men. Je kleiner die Risikokategorie701 einer Drohne, desto eher ist ein solcher Entlastungsgrund zuzulassen.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst eine Erhöhung der normalen Betriebsgefahr durch den Gefährdungshaftpflichtigen grund-sätzlich ein grobes Selbst- bzw. Drittverschulden oder höhere Gewalt als Entlastungsgründe aus.702 Bei Nano-, Mikro- und Kleindrohnen kann eine Missachtung von Betriebsvorschriften oder Luftverkehrsregeln durch den Halter als eine Erhöhung der Betriebsgefahr qualifiziert werden.703 Zu diesen Bestimmungen zählt zurzeit704 z.B., dass es dem Piloten jederzeit möglich sein muss, die Kontrolle über den Flug zu übernehmen. Zudem dürfen Nano-, Mikro- und Kleindrohnen nur in Sichtdistanz des Piloten betrieben wer-den (visual Line of Sight, vLOS, Art. 17 Abs. 1 vLK). Werwer-den diese vorgaben verletzt, verliert der Halter die Möglichkeit, sich zur Entlastung auf grobes Selbst- bzw. Drittverschulden705 oder höhere Gewalt zu berufen.