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Die Unterscheidung der verschiedenen Nutzlasten dient vor allem der veranschaulichung. Häufig ist es so, dass Daten von Sensoren zur Aufgaben-erfüllung auch für die Flugplanung des Missionskontroll-Systems verwendet werden. Ebenso können Sensoren, die primär der Navigationsfunktion zuge-teilt werden, zur Erfüllung der Aufgabe der Drohne genutzt werden. Z.B. kön-nen LIDAR-Geräte zur Infrastruktur-Inspektion eingesetzt werden.247 Auch Kameras für das sichtbare Lichtspektrum können, neben der Navigation, z.B.

für Überwachungsaufgaben verwendet werden.248 Dasselbe gilt für Infrarot- oder Wärmebildkameras.249

4. Flugkontroll-System

Das Flugkontroll-System führt mittels Autopilot, Bordelektronik und Steue-rungs-Hardware die unmittelbare Flugsteuerung aus.250 Die Flugkontrolle

241 https://www.efe.com/efe/english/life/brazilian-lifeguards-operate-drones-for-quicker-safer-rescues/50000263-2800201 .

242 http:// www.outsideonline.com / 2027266/ idea-bomb-ski-hills-drones-not-crazy-it-sounds.

243 https://newatlas.com/drone-spray-hornet-drone-volt-france-asian-hornet/43642/. 244 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 387.

245 Bestaoui Sebbane, 27.

246 Leroux/ Labruto/ Boscarato/ Caroleo et al., 16.

247 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 386.

248 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 387.

249 Mejias/ Lai/ Bruggemann, 388.

250 Pippin, 1727.

II. Eigenschaften autonomer Drohnen

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ist dabei in zwei Schleifen (engl. „loops“) gegliedert. Die Innenschleife (engl.

„inner loop“) steuert die Fluglage und Flugrichtung. Die dafür notwendigen Impulse übermittelt die Aussenschleife (engl. „outer loop“) aufgrund von Positionsdaten, Flugziel und Geschwindigkeit.251 Dabei ist das System so konstruiert, dass es unabhängig vom Missionskontroll-System funktioniert.

D.h., selbst wenn letzteres ausfallen würde, könnte die Drohne weiterfliegen – sofern sie z.B. Kontrollsignale per Datenverbindung von einer Bodenstation übermittelt erhält.252

In der dargestellten System-Architektur übernimmt der Autopilot nur Funktionen von geringer Komplexität. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung kann die Komplexität seiner Aufgaben steigen. Denkbar ist zum Beispiel, dass er Entscheidungen zur Kollisionsvermeidung trifft oder bei geringer Akkuleistung selbständig eine Notlandung einleitet.253

Für die haftpflichtrechtliche Beurteilung wird vorliegend davon ausgegan-gen, dass Flugkontroll-Systeme keine eigenständigen Entscheidungen fäl-len und somit strikt den einprogrammierten vorgaben254 folgen. Führt ein Fehler im Flugkontroll-System zu einem Schaden, kann das deshalb zu einer Haftpflicht des Herstellers255 führen. Dabei sehen sich Geschädigte auch hier erheblichen Beweisproblemen256 und Problemen aufgrund der Komplexität des Drohnensystems257 gegenüber.

Daneben eignet sich das Flugkontroll-System als Instrument, um im Rahmen einer künftigen Regelung für Zulassung und Betrieb softwareseitige Flugbeschränkungen festzulegen.258

251 Bestaoui Sebbane, 103.

252 Pippin, 1727 f.

253 Bucheli/ Kroening/ Martins/ Natraj, 70 f.

254 Zur Unterscheidung zwischen Fehlern und Fehlentscheidungen: Ziff. Iv.A.1 Fehler oder Fehlentscheidung?, 149–152.

255 Ziff. III.B Haftung für Produkte, 117–145.

256 Ziff. III.B.1.d Beweislast, 128 f.

257 Ziff. IV.A.3 Komplexität des Systems, 154–156.

258 Ziff. v.A.5.c.1)ii) Softwareseitige Flugbeschränkungen, 211 f.

D. Funktionsweise autonomer Drohnen

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5. Missionskontroll-System

Das Missionskontroll-System übernimmt die Flugplanung.259 Bei der Flugplanung legt die Software eine Abfolge von Aktionen fest, welche vom Ausgangszustand (z.B. Startposition) zum Zielstatus (z.B. Landeposition) führen sollen. Dabei sind die physischen voraussetzungen der Drohne (z.B.

Fluggeschwindigkeit oder Drohnenbreite), Hindernisse sowie Umweltein-flüsse (z.B. Windrichtung) einzubeziehen.260

Bildlich gesprochen bildet das Missionskontroll-System das Gefäss für die aus haftungs-, betriebs- und zulassungsrechtlicher Sicht bedeutsa-men Entscheidungen261 einer autonomen Nano-, Mikro- oder Kleindrohne.

Kenntnisse über die Funktionsweise des Missionskontroll-Systems sind unabdingbar, um die notwendigen Anpassungen bei der Regulierung für Zulassung und Betrieb abzuschätzen262 sowie die haftpflichtrechtlichen Konsequenzen im Schadenfall festzustellen263. Im Folgenden werden deshalb die wichtigsten Prozesse beschrieben, die ein Missionskontroll-System bei einem autonomen Flug übernimmt.

a. Sensordatenverarbeitung

Zunächst muss der Datenstrom der Sensoren verarbeitet werden. Im Kern kommen dazu drei verfahren zur Anwendung: Mittels Datenfiltern können Daten gezielt ausgesondert werden (z.B. zur Beseitigung von Messfehlern).

Zudem ist eine Extraktion von Daten nach bestimmten Merkmalen möglich, womit Daten zu neuartigen Informationen aggregiert werden. Schliesslich können weiterführende Berechnungen neue Informationen aus den Daten erzeugen.264 Daneben wird mittels Umgebungsdateninterpretation versucht, aus den Daten von Ereignissen in der Umgebung Fakten abzulesen.265 Ein Algorithmus generiert aus den verarbeiteten Daten ein sog. „Welt-Modell“.

259 Pippin, 1727.

260 Bestaoui Sebbane, 199.

261 Ziff. II.E Autonome Entscheidungsprozesse, 42–67.

262 Ziff. v.A Neue Zulassungs- und Betriebsvorschriften, 190–229.

263 Ziff. III. Haftung für Personen- und Sachschäden am Boden, 75–145, und Ziff. Iv.

Haftung bei Luftkollisionen und reinen vermögensschäden, 147–188.

264 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 67–102.

265 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 261.

II. Eigenschaften autonomer Drohnen

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Darauf stützen sich die Entscheidungen266 des Systems für die weiteren Aktionen (z.B. Änderung der Flugrichtung).267

b. Orientierung

Für die Navigation ist es entscheidend, dass das Missionskontroll-System die Drohne in einem vorgegebenen Referenzsystem, z.B. auf einer Karte, lokali-sieren kann.268 In Situationen, in denen die Orientierung mittels GPS nicht möglich ist oder zu wenig präzise Ergebnisse liefert, sind alternative Techniken gefragt.269 Zum Einsatz kommen kann z.B. ein Triangulationsverfahren. Dabei wird eine Gerade von der Drohne zu jedem bekannten Objekt (Landmarke) gezogen. Die Position der Drohne ergibt sich dann aus dem Schnittpunkt der Geraden.270

In unbekannten Umgebungen funktioniert dieses verfahren allerdings nicht.

Um unter solchen Bedingungen zu operieren, muss das Missionskontroll-System in der Lage sein, die eigene Position im verhältnis zur Umgebung zu bestimmen sowie eine Karte der Umgebung zu erstellen. Diese Fähigkeit wird in der Robotik als SLAM (engl. „simultaneous mapping and localisa-tion“) bezeichnet.271 Bei diesem verfahren definiert die Ausgangsposition der Drohne den Nullpunkt (Koordinatenursprung) eines Koordinatensystems.

Das Missionskontroll-System berechnet an dieser Stelle seine Position (in der Robotik als „Pose“ bezeichnet) im Verhältnis zu markanten Objekten (Landmarken) im vermessenen Raum und speichert diese zusammen mit den Koordinaten in einer Karte. Bewegt sich die Drohne, finden weitere Messungen statt. Dadurch wird die Karte laufend erweitert. Dabei ist es wich-tig, dass ein neu vermessener Bereich einen bereits gespeicherten Messbereich überlappt und die Drohne bereits vermessene Objekte wiedererkennt. Denn dadurch können Messfehler korrigiert werden.272

266 Ziff. II.E Autonome Entscheidungsprozesse, 42–67.

267 Leroux/ Labruto/ Boscarato/ Caroleo et al., 16.

268 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 17; Leroux/ Labruto/ Boscarato/ Caroleo et al., 17.

269 Weiterführend: http:// robohub.org / no-gps-no-problem-next-generation-navigation/ . 270 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 170–176.

271 Bryson/ Sukkarieh, Localization and Mapping, 402  f.; Hertzberg/ Lingemann/

Nüchter, 221.

272 Bryson/ Sukkarieh, Localization and Mapping, 402  f.; Hertzberg/ Lingemann/

Nüchter, 221–260. Weiterführend: https://techcrunch.com/2017/02/21/exyn-unveils- ai-to-help-drones-fly-autonomously-even-indoors-or-off-the-grid/.

D. Funktionsweise autonomer Drohnen

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Die Fähigkeit, die Umwelt wahrzunehmen und Objekte (wieder) zu erkennen, ist für eine selbständig fliegende Drohne von entscheidender Bedeutung.273 Umgebungsdateninterpretation ermöglicht es dem Missionskontroll-System, Objekte in der Flut von Sensordaten zu erkennen.274 Dafür einge-setzte Software stützt sich auf den Umstand, dass Objekte in unserer Umwelt gewissen Regelmässigkeiten folgen und spezifische Strukturen aufweisen.

Zum Beispiel sind 3D-Oberflächen oftmals glatt und Grenzen zwischen zwei Objekten lassen sich häufig durch Farb- und Grauwertübergänge unter-scheiden. Ein weiterer Anhaltspunkt sind physikalische Gesetze. Demnach durchdringen sich zwei Objekte selten gegenseitig und Objekte unterliegen der Erdanziehung. Ein weiteres Beispiel von strukturiertem Wissen sind Zusammenhänge zwischen Objekten. So stehen z.B. Stühle oftmals bei einem Tisch und ein Schrank häufig an der Wand.275 Daneben unterliegt die Form von Objekten meist geometrischen Regelmässigkeiten. Dadurch können sie anhand ihrer dreidimensionalen Form spezifischen semantischen Kategorien (z.B. Gebäude, Brücken, Autos) zugeteilt werden.276

Die Software des Missionskontroll-Systems erstellt aus Umgebungsinforma-tionen, wie Resultate aus der Objekterkennung, sowie aus metrischen und geo-metrischen Informationen eine Karte. Zudem werden statische Informationen mit zusätzlichem Wissen verknüpft.277 Kartiert die Software z.B. die Position von Eisenbahnschienen (statische Information), dann ist es (zumindest in der Schweiz) sehr wahrscheinlich, dass sich unmittelbar darüber eine Fahrleitung befindet und die Eisenbahnschienen von Fahrleitungsmasten gesäumt sind (zusätzliches Wissen). Weiter ist unterhalb der Position eines Zauns (statische Information) mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Boden (zusätzliches Wissen) zu erwarten.278 Die Kombination von statischen Informationen auf einer Karte und zusätzlichem Wissen wird als semantische Karte bezeichnet.279 Solche semantische Karten sind eine grundlegende voraussetzung, damit sich Drohnen in einer unbekannten Umgebung orientieren können.280

273 Zum aktuellen Stand der Forschung im Bereich „Robotersehen“: Geiger, passim.

274 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 301.

275 Geiger, passim.

276 Guney/ Geiger, passim; Babahajiani/ Fan/ Gabbouj, 177; Fu/ Kämäräinen/ Glent Buch/ Krüger, 270–285.

277 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 310.

278 Eigene Beispiele nach Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 311.

279 Hertzberg/ Lingemann/ Nüchter, 310.

280 Shahbandi/ Astrand, 2 f.

II. Eigenschaften autonomer Drohnen

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