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Nested enterprises

Im Dokument "Wir schützen unseren Park". (Seite 47-59)

Werte, Normen, Institutionen1.3

8. Nested enterprises

Appropriation, provision, monitoring, enforcement, conflict resoluti-on, and governance activities are organized in multiple layers of nested enterprises.

Ferner identifiziert Ostrom (2008a: 211) einige spezifische Design-Prinzipien be-züglich der Nutzer eines Allmendeguts:

1. Most appropriators share a common judgment that they will be harmed if they do not adopt an alternative rule.

2. Most appropriators will be affected in similar ways by the proposed rule changes.

3. Most appropriators highly value the continuation activities from this CPR; in other words, they have low discount rates.

4. Appropriators face relatively low information, transformation, and enforcement costs.

5. Most appropriators share generalized norms of reciprocity and trust that can be used as initial social capital.

6. The group appropriating from the CPR is relatively small and stable.

In diesem Zusammenhang liegt mein Interesse vor allem auf dem sozialen Kapi-tal (Bourdieu 1983) der Akteure und insbesondere ihrem Vertrauen zueinander.

Ostrom und andere stellen immer wieder heraus, dass gegenseitiges Vertrauen, wel-ches auf sozialem Kapital aufbaut, eine notwendige Bedingung für Kooperation und somit für die Effektivität von Institutionen ist (Agrawal 2001; Gyasi 2005;

Haller & Galvin 2008; Idrissou et al. 2013; Ostrom 2000a, 2008a; Tang 1992;

Vogt 1997).

Institutionen, Normen und Werte dienen funktionalistisch betrachtet der Re-duzierung von Unsicherheit und der Förderung von Vertrauen (Endreß 2002). Sie begünstigen dadurch die Möglichkeit zwischenmenschlicher Kooperation und eine nachhaltige Verwaltung natürlicher Ressourcen. Notwendige Grundlage für gegen-seitiges Vertrauen sind geteilte Werte.

Vertrauen zu bzw. in das Funktionieren von Institutionen heißt somit wesentlich auf die Geltung von Wertvorstellungen zu vertrauen und darauf, dass sich das Handeln auch unbekannter anderer Personen in allen denk-baren und nicht vorhersehdenk-baren Situationen ebenfalls an genau diesen Wertvorstellungen orientiert und dass Organisationen in Bezug auf diese Wertvorstellungen strukturiert und kontrolliert sind (Endreß 2002: 59).

Ähnliche Werte und Normen werden vor allem in Gruppen mit einer gemeinsa-men Identität geteilt. Individuen, die sich als Jäger identifizieren und darstellen, können mit größerer Sicherheit davon ausgehen, dass sie ihr Handeln an ähnlichen Wertvorstellungen orientieren. Dadurch wird deutlich, wie eng der Aufbau von Vertrauen, die Konstruktion von Institutionen, Normen und Werten sowie Identi-täten zusammenhängen.

Über die geteilten Werte und Normen hinaus betont Barth (2000) die Bedeu-tung einer möglichst eindeutigen Kommunikation als notwendige Bedingung für die Kooperation zwischen Akteuren. Nur wenn die Vorstellungen, die in der Kom-munikation mit Worten und Symbolen verbunden sind, weitestgehend überein-stimmen, können Missverständnisse vermieden und vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut werden. Aus diesem Grund sehe ich in einer gemeinsamen und klaren Kommunikationsbasis ein weiteres zentrales Design-Prinzip. In der Analyse meiner empirischen Daten werde ich die aufgeführten Design-Prinzipien heranziehen, um Aussagen über die Stabilität und Effektivität der lokalen Institutionen treffen und Schwachpunkte identifizieren zu können.

Die Verknüpfung von Raum und Institution

Die Konstruktion von Räumen und Institutionen kann sehr eng miteinander ver-knüpft sein (Löw 2001: 113). Ein gut nachvollziehbares Beispiel, wie sich Nor-men und Räume verbinden, ist in Kirchen zu erleben. In KirchenräuNor-men sprechen die Besucher idealtypischer Weise meist ohne Hinweisschilder leiser, bewegen sich langsam und aufmerksam. Wie selbstverständlich nehmen sie keine Speisen zu sich und vielleicht machen sie sich sogar Gedanken darum, ob sie angemessene Kleidung tragen. Der Raum, seine Strukturen, das Licht in ihm und der Geruch verweisen uns durch eine unwillkürliche und normierte Syntheseleistung auf einen Satz von Verhaltensregeln, den wir in unserer Sozialisierung verinnerlicht haben

und / oder wir passen uns dem Verhalten anderer Besucher respektvoll an. „Räume sind institutionalisiert, wenn (An)Ordnungen über individuelles Handeln hinaus wirksam bleiben und genormte Syntheseleistungen und Spacings nach sich ziehen“

(Löw 2001: 272).

Der Ort selbst wird durch Syntheseleistung und Spacing zu einem Träger der Institution. Dass es nicht unbedingt die sakrale Nutzung und Funktion der Kir-chenräume ist, die uns die Normen respektieren lässt, sieht man beispielsweise an Kirchengebäuden, deren Verwendungszweck umgedeutet wurde. Als Beispiel ziehe ich die Göttinger Paulinerkirche heran, deren Bau im Jahr 1304 als Klosterkirche des Dominikanerordens vollendet wurde. Zwölf Jahre nach der Reformation wurde 1529 in der Paulinerkirche der erste evangelische Gottesdienst gehalten. Wenig spä-ter wurde das Klosspä-ter aufgelöst und als Schulgebäude genutzt. Schon darin lässt sich erkennen, dass Orte ihre Funktion ändern können. 1737 wurde die Klosteranlage zur Keimzelle der neu gegründeten Universität und bis 1803 fanden in der Kirche die akademischen Gottesdienste statt. Bereits wenig später wurden die Räumlichkei-ten der Kirche zur Bibliothek umfunktioniert und 1812 wurde eine Zwischendecke in das Kirchenschiff eingezogen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die zerstörte Kirche wieder aufgebaut und zunächst als großer Vorlesungsraum genutzt. Anschließend wurde dort der zentrale niedersächsische Bibliothekskatalog untergebracht (Mittler 1994). Heute wird der obere Teil des Kirchenschiffs auf seiner ganzen Länge als Ausstellungs- und Vortragsraum genutzt. Seine monumentale Bauweise, die typisch gotische Decken- und Fensterform und die Säulen erzeugen bis heute eine andächti-ge, würdevolle Stimmung, die die Besucher dieser Halle zu einem ruhigeren und be-dächtigeren Verhalten animiert als die großen Vortragssäle des Zentralen Hörsaalge-bäudes. Obwohl die Halle längst keine kirchlich sakrale Funktion mehr erfüllt, sind die Normen, auf die die Architektur verweist, bis heute wirkungsvoll. Das Beispiel zeigt ebenfalls, wie sehr sich ein Raum einerseits verändern kann, und andererseits, einige mit ihm verbundene Institutionen fortgeführt werden. Löw unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass derartige Veränderungen kollektiv und an relevanten Regel orientiert erfolgen müssen (Löw 2001: 272).

Der Pendjari-Nationalpark hat sich im Laufe der Geschichte (siehe Kapitel 3) stark verändert. Die prägendste Veränderung war dabei die Ausrufung des Schutzge-bietes durch die Kolonialmacht im Jahr 1954. Diese Veränderung war weder kollektiv, noch bezog sie lokale Regeln und Ressourcen ein. Bereits bestehende Institutionen wurden beibehalten und dadurch kam es zu einem institutionellen Nebeneinander unterschiedlicher Regel-Systeme. An einem Ort, nämlich dem Parkgebiet, konn-ten so unterschiedliche Räume mit unterschiedlichen Normen und Werkonn-ten entste-hen, die teilweise in Konkurrenz zueinander standen. Diese Konkurrenz verläuft häufig entlang identitärer Linien, zwischen strategischen Gruppen oder Gruppen unterschiedlicher Hierarchien (Löw 2001: 272 f.). Die Übereinanderschichtung mehrerer Räume und Institutionen an einem Ort kann dazu führen, dass mehrere Institutionen, die sich nicht ergänzen, sondern widersprechen, gleichzeitig auf die

Nutzung einer Ressource angewandt werden. Der Institutionenpluralismus kann dann destabilisierend wirken.15

Akteure konstituieren Räume und Institutionen häufig durch die gleichen (All-tags-)Praktiken. Der regelmäßige Besuch von Jägern einer Opferstelle verbindet die-sen Ort und seine Strukturen mit den dort vermuteten Geistern und den Regeln, die im Zusammenhang mit der Jagd einzuhalten sind (dazu mehr im Kapitel 4).

Da die Orte und die mit ihnen verbundenen Regeln häufig nur den Jägern bekannt sind, werden der Besuch und die regelkonforme Darbietung der Opfergaben auch zu einem konstitutiven Teil der Jäger-Identität.

Identität 1.4.

In den von mir beobachteten Aushandlungsprozessen werden häufig gleichzeitig mit dem Raum, den Ressourcen und den Institutionen auch die Identitäten der anwesenden Akteure und Gruppen verhandelt. Wenn im Rahmen der Parkver-waltung beispielsweise eine neue Maßnahme gemeinsam mit den lokalen Jägern durchgeführt wird, so stellt sich die Frage, wer überhaupt als lokaler Jäger ange-sehen werden und als solcher agieren kann (siehe Kapitel 5). Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann den Zugang zu Räumen und den damit verbundenen Ressour-cen stark beeinflussen. Nur als Jäger konnten bestimmte Gebiete des Buschs frei betreten werden. Dies ist durch die Einrichtung des Nationalparks illegal gewor-den. Dadurch wurden „Jäger“ zu „Wilderern“. Im Folgenden beschreibe ich meine Verwendungsweise des Begriffes der Identität, wie sie konstruiert wird und wie sie im Zusammenhang mit Raum steht.

Die Konstruktion von Identität

Im Kontext dieser Arbeit verstehe ich Identität nicht in einem essentialistischen Sinne. Sie ist weder angeboren, noch wird sie erworben oder bleibt stabil. Schon Mead unterstrich in seinen Überlegungen zur Identität in den 1930er Jahren, dass Identitäten konstruiert werden (1962). Aus dieser konstruktivistischen Perspektive sind Identitäten Produkte, die in der Selbstpräsentation und den Reaktionen auf diese konstruiert und permanent gewandelt werden (Hall 1992). Dabei ist grundle-gend wichtig, dass die Interaktion auch mit Dritten geschieht, die ein Individuum oder eine Gruppe in ihrer Identität, beispielsweise als Jäger, identifizieren. Würde es ausschließlich Jäger geben oder würden diese nur von Ihresgleichen als solche erkannt werden, hätte ihre Identität keine soziale Bedeutung. Identitäten werden erst durch die Abgrenzung einer Gruppe von einer anderen sowie kollektiver Selbst- und Fremdzuschreibung bedeutend (Barth 2000). Barth (ebd.: 28 f.) macht darauf

15 Zum Institutionenpluralismus siehe auch Bierschenk & Olivier de Sardan (1999) und Le Meur (1999).

aufmerksam, dass die scharfe Abgrenzung von Akteursgruppen allerdings nicht unbedingt ein Hemmnis ihrer Interaktion bedeutet, sondern auch neue Möglich-keiten eröffnen kann. Im Fall des Pendjari-Nationalparks wurden beispielsweise die lokalen Jäger von der Parkverwaltung zunächst als „Wilderer“ identifiziert und als solche „bekämpft“. Erst im Laufe einer partizipativen Maßnahme wurden sie wie-der als lokale Jäger klassifiziert und Kooperationsmöglichkeiten mit ihnen gesucht.

Dies war nur durch die neue Konstruktion der Identität der lokalen Jäger möglich (dazu mehr im Kapitel 5).

Identität wird zwischen Menschen in ihren alltäglichen Interaktionen konstru-iert. Dabei können die Identitäten in der Interaktion situativ angepasst werden und somit, insbesondere auf individueller Ebene, stark fluktuieren (Krappmann 2000).

Das bedeutet, dass eine Person sich in einer Situation als Anrainer des Parks iden-tifizieren kann, während sie sich in einer anderen Situation beispielsweise als Jäger darstellt. Interaktionen, durch die Identitäten konstruiert werden, können explizit in Bezug zur Identität stehen, wie beispielsweise, wenn sich Jäger auf einer Parade als solche darstellen oder Eltern ihren Kindern erklären, was es bedeutet, ein Mitglied einer bestimmten ethnischen Gruppe zu sein. Meist jedoch zielen die Konstruk-tionen nicht explizit auf die Identitäten ab. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Jäger im Alltag (unbewusst) so handeln, dass sie als solche erkennbar sind. Dies kann durch ihre Aussagen, bestimmte Gesten oder sichtbare Symbole geschehen, wie durch das Tragen von Waffen, die allgemein den Jägern zugeschrieben werden.

Auch während Aushandlungsprozessen, bei denen verschiedene Gruppen miteinan-der interagieren, wird oft auch miteinan-der Gruppenzusammenhalt über die implizite Kons-truktion einer gemeinsamen Identität gestärkt. Dies betrifft besonders Konfliktsitu-ationen, in denen die Konfliktlinien zwischen Gleichgesinnten und Kontrahenten über die Identifikation gezogen werden (Schlee 2004). Bei diesem Prozess spielen normative Zuschreibungen oft eine wichtige Rolle: So z. B., wenn man sich als Mitglied einer Gruppe (z. B. lokale Jäger, eine ethnische Gruppe oder ein Dorf) an-deren Mitgliedern dieser Gruppe gegenüber loyal verhalten muss. Außerdem spielt geteiltes Wissen eine entscheidende Rolle im Prozess der Identitätskonstruktion.

Nur wer Normen und Werte einer Gruppe kennt und sich daran orientiert (selbst, wenn man sie bricht), der kann ein vollwertiges Mitglied dieser Gruppe sein. Auch Kenntnisse über gruppenspezifisches Wissen, wie beispielsweise Begrüßungsformen oder auch Geheimnisse, sind essentiell, um Mitglied in einer Gruppe sein zu kön-nen.In Verhandlungen geht es auch immer wieder um Identitätspolitik, also um Inklusion in bzw. Exklusion aus einer Gruppe. In Situationen von Unsicherheit (beispielsweise wenn keine Rechtssicherheit gegeben ist und die Entscheidungen einer Schiedsperson oder die Kosten für Bestechungen und Sanktionen nicht vor-hersehbar sind) kann es eine adäquate Strategie sein, die Unsicherheitsfaktoren (Po-lizei, Richter oder ähnliche) auszuschließen und sich zu einer Gruppe von Men-schen zusammenzuschließen, die von diesen unabhängig ist. In Situationen von Unsicherheit kann eine starke Gruppenkohärenz, die nicht durch interne Konflikte

geschwächt ist, ein entscheidender Faktor zur Durchsetzung von Interessen sein.

Dies kann so weit gehen, dass interne Konflikte zugunsten der Gruppenkohäsion beigelegt oder aufgeschoben werden (vgl. dazu auch Schareika 2010). Eine häufig angewendete Strategie, mit der die Kohäsion einer Gruppe gestärkt werden kann, ist der Verweis auf einen gemeinsamen externen „Feind“ („ennemi“). Wenn die ei-gene Stärke nur durch einen Zusammenschluss ausreicht, um mit dem Feind fertig zu werden, ist es wahrscheinlicher, dass (selbst zerstrittene) Parteien sich vereinen (Barth 1959). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Jäger große Gruppen bilden, um sich gemeinsam gegen die Parkverwaltung zu stellen.

Die Verknüpfung von Identität und Raum

Die Konstruktion einer Landschaft, einer Region oder eines Landes kann in en-gem Zusammenhang mit der Entwicklung lokaler Identitäten stehen (Carter 1993;

Stewart & Strathern 2003b). Regionale Identitäten werden häufig zu landschaftli-chen Merkmalen in Bezug gesetzt. So werden z. B. andere fremde Gruppen oft als Hinterwäldler identifiziert, weil sie metaphorisch oder tatsächlich jenseits eines sie abgrenzenden Waldes leben. Im Rahmen meiner Forschung zeigt beispielsweise der Bezug der ethnischen Gruppe der Gulmanceba16 auf ihre Herkunftsregion, das sogenannte Gulma, eine solche enge Verknüpfung zwischen Region und Identität.

Die Verknüpfungen zwischen Raum und Identität kommen, Löw (2001: 158) zufolge, durch Syntheseleistungen zustande, mit denen nicht nur Orte zu Einheiten verbunden, sondern auch Menschen und ihre identitätsbildenden Eigenschaften an die Orte gebunden werden. Beim Verknüpfen von Orten und Dingen zu Räumen werden also auch Menschen in Zusammenhänge gebracht und so Gruppenidenti-täten (re-)konstruiert. Dabei sind auch die Verknüpfungen zwischen räumlichen Merkmalen und Identitäten keine festen Zuschreibungen, sondern werden situativ hervorgebracht. Bei den räumlichen Bezugspunkten muss es sich nicht unbedingt um physisch vorhandene oder weiterhin besuchte Orte handeln. Im Kontext der glo-balisierten Welt können auch „imaginierte Orte“, wie Gupta und Ferguson (1992:

10) sie nennen, eine identitätskonstruierende Rolle für Gemeinschaften spielen.

The irony of these times, however, is that as actual places and localities become ever more blurred and indeterminate, ideas of culturally and eth-nically distinct places become perhaps even more salient. It is here that it becomes most visible how imagined communities (Anderson 1983) come to

16 In vielen Texten wird bis heute die französische Schreibweise „gourmantché“ verwendet. In meiner Arbeit verwende ich die heute als Eigenbezeichnung etablierte Form Gulmanceba (im Plural) und Gulmance (im Singular). Ihre Sprache wird von ihnen selbst Gulmancema genannt. Für die Groß-Region der Gulmanceba (siehe Karte 2) benutze ich die Bezeichnung Gulma oder Gulmu entsprechend der Orthographie im Gulmancema, während in vielen Tex-ten die französische Schreibweise Gourma verwendet wird.

be attached to imagined places, as displaced peoples cluster around re-membered or imagined homelands, places, or communities in a world that seems increasingly to deny such firm territorialized anchors in their actuali-ty (Gupta & Ferguson 1992: 10 f.).

Die Bedeutung imaginierter Orte wird im Kontext des Nationalparks beispielswei-se darin deutlich, dass Dörfer auf dem Parkgebiet, aus denen die Siedler vertrieben wurden, auch heute zum Teil noch eine Rolle in der Gesellschaft spielen – und das sogar für jüngere Menschen, die nie an diesen Orten waren (dazu mehr im Kapitel 3). Verknüpfungen zwischen Raum und Identität werden beispielsweise durch My-then, Geschichten und Traditionen, in denen die Landschaft oder eine Region eine Rolle spielt, konstruiert (Bamberg 2004; Schama 1996: 24). Als Beispiele nennt Schama unter anderem den Deutschen Wald, als Ort der Selbstbehauptung gegen das Römische Reich. Außerdem macht er auf die Verbindung von Nationalpark und nationaler Identität aufmerksam, die an den ersten Nationalparks der Vereinigten Staaten von Amerika besonders gut zu sehen ist (ebd.). Diese Parks sind bis heute ein zentrales Element der Konstruktion der US-Amerikanischen Identität. Ferner kann die Verbindung von Identität und Raum auf geteiltem Wissen oder identitäts-konstruierenden Handlungen basieren, wenn diese in Bezug zu Raum stehen. Dies ist beispielsweise bei den Feldbauern im Umland des Nationalparks der Fall, die durch ihre Handlungen auf den Feldern als solche identifiziert werden können. Ein weiteres sehr gutes Beispiel sind die lokalen Jäger der Pendjari. Ihre Identität ist eng an den Raum gebunden, weil die grundlegendste Handlung, die einen Menschen als Jäger auszeichnet, die Jagd ist und diese im Kontext des Pendjari-Nationalparks in eben diesem Raum durchgeführt wird. Ein zentraler Teil ihrer Identität wird durch die Darstellung von Wissen über die Räume, in denen gejagt wird, konstruiert. In Gesprächen, Versammlungen oder auch auf den Jagdzügen machen die Individu-en darauf aufmerksam, dass sie bestimmte Gebiete hervorragIndividu-end kIndividu-ennIndividu-en, indem sie beispielsweise bestimmte Landschaftsmerkmale erwähnen oder eine Jagdgruppe zielstrebig führen und dabei stets ankündigen, an welchen Ort sie nun kommen werden. Das Wissen über den Raum beinhaltet dabei nicht ausschließlich physische Eigenschaften und Objekte im Raum, sondern auch Regeln, die beim Handeln in diesem beachtet werden müssen. Beispielsweise sollten Jäger an bestimmten Or-ten nicht nächtigen, weil sie von wenig gastfreundlichen Geistern bewohnt seien.

Da Individuen, durch die Beherrschung von gruppeninternen Normen und Regeln auch ihre Gruppenzugehörigkeit demonstrieren können, wird an diesem Beispiel besonders deutlich, wie eng Räume, Identitäten und Normen in Zusammenhänge gebracht werden.

Auch im Bodenrecht bzw. bei der Kontrolle über die Nutzung von bestimmten Räumen wird die enge Verknüpfung von Räumen, Identitäten sowie Normen und Institutionen deutlich (Hann 1998; Juul & Lund 2002; Kuba & Lentz 2006). Wer die entscheidende Autorität über die Nutzung von bestimmten Gebieten

beispiels-weise zur Feldwirtschaft hat, kontrolliert die notwendige Ressource, um als Feld-bauer zu leben. Die beeinflusst die Identifikationsmöglichkeiten als FeldFeld-bauer, denn nur wer Felder bewirtschaftet, kann sich als Feldbauer identifizieren und als solcher gesehen werden. Wenn die Parkverwaltung den Anrainern das Recht entzieht, Fel-der auf dem Parkgebiet zu bestellen und keine Alternativ-Flächen zur Verfügung ste-hen, kann niemand als Feldbauer tätig sein. Abgesehen von der Identität die dabei geschwächt wird, wird den Anrainer damit ihre Lebensgrundlage entzogen.

Zusammenfassung 1.5.

In diesem Kapitel habe ich die theoretischen Grundlagen gelegt, um aus einer pra-xis- und verhandlungstheoretischen Perspektive die alltägliche Hervorbringung des Pendjari-Nationalparks in sozialen Aushandlungsprozessen besser analysieren zu können. Ich habe dabei vorgeschlagen, soziale Aushandlungsprozesse mit der Ver-knüpfung der drei analytischen Konzepte Raum, Identität sowie Normen, Werte und Institutionen zu erforschen, da ich diese durch meine empirischen Daten als zentrale Dimensionen alltäglicher Interaktion identifiziert habe. Räume, Identitä-ten sowie Werte, Normen und Institutionen sind keine gegebenen Objekte, sondern werden als Teil der sozialen Realität der Akteure durch ihre Interaktionen und ihr Handeln hervorgebracht. Die Konstruktionsprozesse sind meist Teil von Verhand-lungen und als solche eingebettet in Machtverhältnisse, die in den VerhandVerhand-lungen selbst (re-)produziert werden. Das zentrale Argument des theoretischen Kapitels ist, dass die sozialen Phänomene Räume, Identitäten sowie Werte, Normen und Insti-tutionen in einem engen Zusammenhang miteinander stehen (siehe Abbildung 1).

In der Literatur finden sich viele Ansätze, die Verbindungspunkte zwischen zweien dieser Elemente beschreiben, aber bisher wurden diese drei Elemente nicht in einen gemeinsamen Zusammenhang gesetzt. Hier fasse ich noch einmal kurz zusammen, wodurch die Verknüpfungen entstehen. In den empirischen Kapiteln dieser Arbeit werde ich später die Verbindungen auch mit Daten belegen.

Die Verknüpfungen entstehen im Wesentlichen durch drei Punkte, die allen konstitutiven Prozessen von Räumen, Identitäten, Normen, Werten und Instituti-onen gemein sind: 1. sie werden durch Akteurspraktiken in ähnlichen und wieder-kehrenden Situationen und Kontexten des Alltags (re-)produziert, 2. die Verknüp-fungen entstehen unter Beteiligung stets widerkehrender Objekte oder Artefakte, die als materialisierte Körper Teil der konstruierenden Prozesse sind17, 3. durch alle drei Eckpunkte des Modells kann der Zugang zu Ressourcen beeinflusst werden.

Löw beschreibt zwei grundlegende Prozesse der Raumkonstitution: Syntheseleis-tung und Spacing. Durch die SyntheseleisSyntheseleis-tung werden Güter und Menschen durch

Löw beschreibt zwei grundlegende Prozesse der Raumkonstitution: Syntheseleis-tung und Spacing. Durch die SyntheseleisSyntheseleis-tung werden Güter und Menschen durch

Im Dokument "Wir schützen unseren Park". (Seite 47-59)