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Nachgefragt bei Michaela Wangelin

4. Projektergebnisse – Neue Modelle der Zusammenarbeit mit Eltern in der

4.2. PFIFF gGmbH, Fachdienst für Familien

4.2.5 Nachgefragt bei Michaela Wangelin

Katrin Behrens im Gespräch mit Michaela Wangelin von PFIFF gGmbH, Fachkraft in den Bereichen Anfragenkoordination, ambulante Hilfen und Vollzeitpflege, zu Motivation, Zielen und Stolpersteinen im Projektverlauf

Michaela, Du bist schon seit 20 Jahren in der Pflegekinderhilfe tätig und hast Dir schon lange die Frage gestellt, wie Ihr beim Träger PFIFF gGmbH die Kooperation zwischen Eltern und Pflegeeltern verbessern könnt. Warum?

Als ich angefangen habe, in der Pflegekinderhilfe zu arbeiten, hatte ich zunächst auch einen klaren Fokus auf die zu begleitenden Pflegeeltern. Die Kinder wurden ja aus einem bestimmten Grund in Obhut genommen und deswegen sah ich meine Aufgabe in erster Linie darin, die Pfle-geeltern zu unterstützen. Dann hat sich im Rahmen meiner Tätigkeit meine Sichtweise ziemlich schnell geändert: Die Eltern sollen keine Rolle mehr spielen, obwohl das Kind doch meist, egal was die Geschichte und die Gründe für die Inpflegegabe waren, so einen starken Bezug zu den Eltern zeigt? Das schien mir nicht richtig. Mein Fokus ist seitdem, die Eltern wieder mehr ins Boot zu holen. Natürlich hatte ich dann immer wieder auch mit Fachkräften oder auch Pflegeeltern zu tun, die eher Bedenken hatten: „Wozu diesen komplizierten Teil mit einbinden?“ Und ich habe mich oft in der Situation wiedergefunden, darauf hinzuweisen und immer wieder daran zu erin-nern, dass die Eltern auch gefragt oder zu den Gesprächen eingeladen werden müssen. Das Argument, einen Vater nicht mehr zu den Hilfeplangesprächen einzuladen, weil er sowieso nie auftaucht, zählt für mich nicht. Korrekt ist, ihn immer wieder freundlich einzuladen – wenn er es dann nicht schafft, haben wir es wenigstens versucht.

Man muss einfach die Eltern, so gut es eben geht, mit einbinden, dann können sie auch mehr Verständnis für die ganze Situation entwickeln. Und außerdem muss ein Raum aufgemacht wer-den für die Fragen und Bedarfe der Eltern.

Erscheint Euch das also eher für die Eltern wichtig – oder für die Pflegeeltern und ihre neu zu gestaltende Familiengemeinschaft mit den Kindern und Jugendlichen?

In erster Linie ist das für die beteiligten Erwachsenen wichtig. Für alle. Es geht darum, dass sie lernen, wertschätzend miteinander umzugehen und Verständnis für ihre unterschiedlichen Le-bensweisen und auch Lebenswege zu entwickeln. Denn das bringt dann auch Entspannung und Bereicherung für die Kinder.

Woran liegt es, dass es so schwierig ist, diese Kooperation zu unterstützen und die Eltern damit aktiver in das Pflegeverhältnis einzubinden?

Die Schwierigkeiten gibt es auf allen Seiten und Ebenen. Für die Eltern, in ihrem Schmerz, in ihrer Unzufriedenheit und manchmal auch Wut dominiert oft das Gefühl, die Pflegeeltern würden von Fachkräften als etwas Besseres wahrgenommen werden. Da ist ein Widerstand eine zunächst völlig verständliche Reaktion.

Bei den Pflegeeltern wiederum gibt es auch meistens große Vorbehalte und Widerstände. Sie haben oft wenig Verständnis für die Hintergründe wie Alkoholismus oder Drogenkonsum, und wie diese zur Vernachlässigung von Kindern geführt haben. Man könnte salopp sagen: In der Widerständigkeit liegt die Gemeinsamkeit. Ziel einer gut aufgestellten Elternberatung wäre, diese eingeschränkte Sicht auf beiden Seiten zu öffnen. Das heißt nicht, dass man das kritisierte Ver-halten gutheißen muss – aber man könnte es nachvollziehbar machen.

Ein dritter Problemaspekt ist dann noch die Tatsache, dass beispielsweise Vertreter*innen vom Jugendamt und auch manchmal wir von den freien Trägern nicht automatisch geeignet sind, in einen vertrauensvollen Dialog mit den Eltern einzutreten. Denn in den Augen der Eltern sind wir ja zunächst die, die maßgeblich zur aktuellen (Krisen-)Situation beigetragen haben. In vielen Punkten belegen die aktuell anstehende Reform des SGBVIII wie auch die Verbreitung von ombud-schaftlichen Einrichtungen die Notwendigkeit, hier auch neutrale Personen anbieten zu können.

Inwiefern hat das Modellprojekt hier eine Chance für Euch aufgemacht?

In erster Linie konnten wir in die Kooperation mit den anderen, am Projekt beteiligten Trägern gehen. Diesen Austausch fand ich fruchtbar und hilfreich. Wir haben beispielsweise die Kollegin aus Bremen dafür gewinnen können, eine Informationsveranstaltung für die Kolleg*innen von PFIFF zu geben, um aus der praktischen Arbeit mit den Eltern zu berichten.

Dies war hilfreich, um das Nachdenken über und das Agieren im Sinne einer besseren Elternein-bindung auch im Kollegium anzustoßen. Viele haben da auch Einwände und Bedenken, nicht zuletzt natürlich immer wieder die Frage danach, wie dieser zusätzliche Aufwand geleistet wer-den soll, der ja doch über das übliche Maß der Pflegeelternbegleitung hinausgeht. Ein anderes Argument ist manchmal auch: Ich bin für die Pflegeeltern zuständig. Ich sehe das aber so: Wir sind Berater*innen des Kindes! Und diese Beratung und Begleitung machen wir durch eine Kom-munikation mit den Pflegeeltern, aber auch mit den Eltern! Und natürlich ist es für den Vertrau-ensaufbau wichtig, dass das gegebenenfalls auch eine für die Eltern neutrale Person macht. Das ist ein Argument, warum wir die Elternbegleitung eher beim Team für die Ambulanten Hilfen verorten wollen. Es braucht hier aus meiner Sicht eine klare Rollentrennung und Neutralität, die weder der ASD noch die Pflegefamilienberatung hat. Wo ein Bedarf der Einbindung der Eltern gesehen wird, kann dieser dann über Fachleistungsstunden gedeckt werden.

Welches waren Eure konkreten Vorhaben im Laufe des Projekts?

Das ist eben genau der Aufbau eines Systems, welches die Begleitung und den Einbezug der El-tern in den regulären Aufgabenkatalog und auch in die reguläre Arbeit mit einschreibt. Hier ha-ben wir zunächst eine ganze Reihe an Informationspapieren erarbeitet. Da gibt es zum einen die Wegweiser-Broschüre, die zu Beginn den Eltern von uns an die Hand gegeben wird. Darin sind alle wichtigen Kontaktdaten und auch die Funktionen der Personen im Rahmen der jeweiligen Pflegschaft aufgeführt. Weiter wird es einen Elternbrief zu Beginn geben, worin wir die Eltern dazu einladen, mit uns ins Gespräch zu kommen und im Gespräch und Austausch zu bleiben.

PROJEKTERGEBNISSE – NEUE MODELLE DER ZUSAMMENARBEIT MIT ELTERN IN DER PFLEGEKINDERHILFE

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Und wir haben eine Präambel erarbeitet, die wiederum im PFIFF- Konzept ihren Platz finden soll.

Wichtig ist uns, die Arbeit mit Eltern als einen Teil unserer Arbeit in der Pflegekinderhilfe zu be-greifen.

Man muss das so sehen: Die Pflegeeltern bekommen ganz viele Infopapiere und Hinweise, wie alles gehen wird. Die Eltern aber oft fast nichts – dabei haben sie auch viele Fragen! Ziel dieser Infopapiere ist erstens, den Eltern auch etwas in die Hand zu geben und ihnen somit zu zeigen, dass sie weiterhin dazu gehören. Zum anderen kann man mit solchen Briefen vermitteln, dass und wie es sich hier um geregelte Vorgänge handelt – und dass es kein unerklärliches Durchei-nander hinter zugezogenen Vorhängen gibt.

Nun ist PFIFF als Träger während der Projektlaufzeit durch eine institutionelle Krise ge-gangen und musste sich kurz nacheinander zweimal auf einen neuen Geschäftsführer einstellen. Das hat die kontinuierliche Projektarbeit natürlich erschwert und die Unter-stützung des Praxis-Teams für die Vorhaben war geschwächt und kam vielleicht nicht im gewünschten Umfang voran. Aber gab es jenseits davon auch fachliche Stolpersteine bei der Umsetzung der Vorhaben?

Ich glaube, das Offensichtlichste ist, dass wir mit einer Fragebogenaktion unheimlich viele Pfle-geeltern, aber fast keine Eltern erreicht haben. Bei vielen stimmten Handy- und Mailkontakte nicht mehr und wenn sie doch erreicht wurden, schienen sie wenig Interesse daran zu haben, sich an dem Austausch zu beteiligen. Hier ist der Stolperstein das Symptom der bisher ungenü-genden Elterneinbindung. Wenn wir aber mehr Eltern von Anfang an im Gespräch mit uns be-halten und auch deren Wünsche und Sorgen kennen, dann erreichen wir sie künftig auch besser mit Fragen von unserer Seite und können darauf hoffen, dass sie für ein System, an dem sie sich beteiligt fühlen, auch etwas beizutragen bereit sind.

Was sind die Ergebnisse, mit denen Ihr Euch nun weiter auf den Weg machen werdet?

Wir haben in der letzten Zeit bereits verstärkt Eltern begleitet – gerade auch bei neuen Pflegever-hältnissen. Dabei sehen wir schon erste Erfolge auch in der Austauschbereitschaft zwischen Pfle-geeltern und Eltern. Diese punktuellen Begleitungsleistungen müssen zur Regel werden und auch als Standards festgeschrieben werden. Dafür müssen die übergeordneten Behörden von der Notwendigkeit überzeugt werden, dass Elternberatung zu den Regelaufgaben innerhalb der Pfle-gefamilienbegleitung dazu gehört und dass es hierfür auch mindestens eine Modell-, später aber auch eine Regelfinanzierung geben muss. Denkbar wäre ja zum Beispiel, dass man Pauschalbe-träge für die Begleitung der Eltern bei Pflegeverhältnissen vereinbart – die dann bei uns durch die Mitarbeiter*innen der Ambulanten Hilfe regelhaft umgesetzt werden könnte.

Außerdem sehen wir, dass die Informationspapiere und Elternbriefe, die wir verfasst haben, auch für andere Bereiche (beispielsweise die Bereitschaftspflege, aber auch bei den Ambulanten Hilfen) nutzbar gemacht werden können.

Gibt es eine motivierende Geschichte, die zeigt, dass Ihr schon etwas bei Eltern oder Pflegeeltern erreicht habt?

Bei einer Vorbereitung zum Hilfeplangespräch gab es kürzlich die Situation, dass über die Corona-Zeit die Umgangskontakte über lange Zeit nicht stattgefunden haben. Von Seiten des Jugendamtes gab es die Sorge, ob die Eltern darüber ärgerlich sein und dann auch wütend ins Gespräch kommen würden. Ich habe dann beschlossen, mit den Eltern ein Vorgespräch zu ma-chen, um herauszufinden, wie die Stimmung wirklich ist.

In der Tat gab es große Missstimmung, aber vor allem wegen der Krankenkassenkarte des Kin-des. Diese war noch immer auf die Adresse des Vaters ausgestellt, was bei Arztbesuchen immer zu Komplikationen geführt hatte. Dennoch wollten die Eltern hier die Adresse partout nicht um-schreiben lassen – wie sich zeigte, war dies für sie ein wichtiger „Beleg“ dafür, dass das Kind doch weiterhin zu ihnen gehörte. Nach einem ruhigen Gespräch darüber, welche Nachteile das leider immer wieder für das Kind erbringt, aber auch darüber, dass man diesen „Beleg“ oder die „Si-cherheit der Verbindung“ doch auch auf anderen Wegen finden kann, war das mit der Karte im anschließenden Hilfeplangespräch dann leicht zu besprechen und zu lösen.

Die Eltern hatten im Vorfeld Gelegenheit bekommen, ihre Fragen und Sorgen zu besprechen, und fühlten sich durch meinen Besuch sehr wertgeschätzt. Ich hatte Wichtiges über das Pflegever-hältnis erfahren. Und für das Kind waren Spannungen gelöst worden, die dann im Hilfeplange-spräch schon nicht mehr im Streit ausgefochten werden mussten.

Über die ausgebliebenen Umgangskontakte haben sich die Eltern zuvor sehr geärgert, aber auch gemerkt, dass eine gewisse Ruhe eingekehrt ist, die auch dem Kind gutgetan habe. Es habe sich so anscheinend weniger im Loyalitätskonflikt befunden. Das würden sie sehr begrüßen.

Eine andere interessante Begebenheit hatte ich, als ich im Rahmen der Coronabeschränkungen ein Hilfeplangespräch per Telefon geführt habe. Die Eltern waren dazu eingeladen, schienen aber nicht teilzunehmen, da es keine Rückmeldung gab. Im Anschluss an das Gespräch sah ich eine Nachricht auf meinem Handy, dass die Eltern sehr wohl zugeschaltet waren, sie aber nicht gehört werden konnten. Jetzt hatten wir Sorge, dass die Eltern verärgert über die eine oder an-dere Äußerung sein könnten, die wir mit der Unwissenheit über die Beteiligung getätigt haben.

Das Gegenteil war der Fall. Im anschließenden Telefonat mit ihnen fühlten sie sich wertgeschätzt und hatten das Gefühl, endlich einmal umfassend ins Bild gesetzt worden zu sein. Gleichzeitig konnten sie jetzt auch besser nachvollziehen, warum es beispielsweise in diesem Fall zu einer Entzerrung der Umgangskontakte kam.

Das war für mich eine sehr bedeutende Erfahrung und bestätigt mich noch einmal darin, wie gut es ist, die Eltern mit ihm Boot zu haben.

Das alles ist doch ein toller Schritt im gegenseitigen Verständnis!

Michaela Wangelin, ich danke Dir für dieses Gespräch.

PROJEKTERGEBNISSE – NEUE MODELLE DER ZUSAMMENARBEIT MIT ELTERN IN DER PFLE GEKINDERHILFE

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