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Fokus auf die Eltern

Eltern, deren Kinder in Pflegefamilien aufwachsen, haben einen Anspruch auf eine fachlich fun-dierte Zusammenarbeit mit Fachdiensten der öffentlichen oder freien Jugendhilfe. Die aktuellen Angebote der Pflegekinderhilfe zur Beratung und Unterstützung von Eltern werden innerhalb der Fachszene als unzureichend beschrieben und gelten als entwicklungsbedürftig (vgl. Ditt-mann/Schäfer 2019). Der Gesetzgeber betont und konkretisiert durch die Reform des SGB VIII mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) u.a. die Ansprüche von Eltern im Vergleich zum bisher gültigen Gesetz deutlich. Neben der so gestiegenen Notwendigkeit zur Verbesse-rung und KonkretisieVerbesse-rung der Zusammenarbeit mit Eltern in der Pflegekinderhilfe besteht bei diesem Thema ein sozialpädagogisch begründeter Entwicklungsbedarf. Für die konkrete Um-setzung der aktualisierten Gesetzeslage können innovative Praxismodelle genutzt werden, um vorhandene sozialpädagogische Handlungsoptionen auszuschöpfen. Die Weiterentwicklung von professionellen Praxiskonzepten lässt sich auf der Grundlage empirisch abgesicherter Er-kenntnisse aufbauen, verstärkt adressat*innenorientiert ausrichten und gegenüber Entschei-dungsträgern legitimieren. Neben einer Verbesserung der Entwicklungsbedingungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können und sollen Eltern von Pflegekindern künftig stärker auch selbst von der Maßnahme profitieren.

Warum ist das notwendig?

Es ist bekannt, dass die systematische Anerkennung und Berücksichtigung der Bedürfnisse möglichst aller am Pflegeverhältnis beteiligten Akteur*innen als wichtige Grundlage für das Ge-lingen einer tragfähigen Kooperationsbeziehung zwischen Eltern, Pflegeeltern und Fachkräften zum Wohl und im Sinn der Kinder und Jugendlichen gilt (vgl. Wolf 2015a; Schäfer/Petri/Pierlings 2015). Damit eng verbunden ist die Abmilderung und Vermeidung von Loyalitätskonflikten für Pflegekinder, die durch eine zielführende Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Eltern sowie eine konstruktive Kooperationsbeziehung zwischen Eltern und Pflegeeltern ermöglicht werden kann (vgl. Helming 2017). Im Hinblick auf einen biografischen Fokus ist nicht zu unter-schätzen, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft ein wichtiges und dauerhaftes Element der Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung ist (vgl. Sievers/Thomas/Zeller 2015; vgl. Gehres 2016).

Neben den strukturell erforderlichen personellen und finanziellen Rahmenbedingungen für die freien und öffentlichen Träger der Pflegekinderhilfe fehlen zudem konkret aktivierende, bera-tend-unterstützende, Erziehungskompetenzen erweiternde sowie lebenspraktische Angebote für Eltern, deren Kinder in einer Pflegefamilie aufwachsen. Die Umsetzung der erweiterten ge-setzlichen Ansprüche von Eltern und der sozialpädagogisch begründeten Entwicklungsnotwen-digkeiten erfordert eine veränderte Praxis im Hinblick auf die professionelle Haltung, das Angebotsrepertoire und die konzeptionelle Rahmung in den zuständigen Fachdiensten.

EINLEITUNG

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Das diesem Bericht zugrundeliegende Praxismodellprojekt verfolgte in den letzten beiden Jah-ren das Ziel einer empirisch abgesicherten WeiteJah-rentwicklung von Qualitätskriterien für die Zu-sammenarbeit mit Eltern in der Pflegekinderhilfe. Für die qualitative Ausgestaltung dieses Bausteins können nun konkrete Orientierungshilfen, Anregungen in Bezug auf geeignete me-thodische Ansätze sowie Empfehlungen vorgelegt werden. Diese können interessierten Fach-kräften nun Orientierung und Sicherheit bei ihrer alltäglichen Beratung, Begleitung und Unterstützung bieten. Wir hoffen auf konstruktive Fachdebatten innerhalb der Pflegekinderhil-feszene sowie zwischen jugendhilfepolitischen Entscheidungsträgern, um so der Zusammenar-beit mit Eltern den Stellenwert beizumessen, den sie innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe verdient.

Der Gesamtbericht gliedert sich wie folgt:

Im zweiten Kapitel werden empirisch abgesicherte Wissensbestände und rechtliche Rahmen-bedingungen zum Thema zusammengefasst. Ziel ist eine differenzierte Betrachtung der Situa-tion von Eltern und ihrer Bedeutung innerhalb der Pflegekinderhilfe sowie der konkreten Anforderungen für die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Fachkräften.

Kapitel drei bietet einen Überblick über die Ziele, den Ansatz und den Verlauf des Modell- projekts.

Im vierten Kapitel werden die Projektergebnisse als neue Modelle der Zusammenarbeit mit El-tern für die Pflegekinderhilfe vorgestellt und ausführliche Einblicke in trägerinEl-terne Prozesse der drei beteiligten Jugendhilfeträger – PiB Pflegekinder in Bremen gemeinnützige GmbH, PFIFF gGmbH in Hamburg und Wellenbrecher e.V. Pflegekinderhilfe Die Option in Herne – gegeben.

Flankiert wird dies durch Originalzitate von befragten Eltern, Pflegeeltern, Kindern und Jugend-lichen, die einen Einblick in deren subjektives Erleben ermöglichen. Die daraus abgeleiteten fachlichen Konsequenzen und Arbeitsmaterialien werden abschließend zur Verfügung gestellt.

Zusammenfassend erfolgt im fünften Kapitel als kleiner Service für diejenigen, die wenig Zeit zum Lesen haben, eine reflexive Zusammenschau der Projektempfehlungen mit Anregungen zum Transfer sowie ein resümierender Blick durch die beteiligten Trägervertreterinnen.

Kapitel sechs schließt den Bericht mit einem Fazit und einem Ausblick ab.

Wir möchten uns noch bei denjenigen bedanken, die die inhaltliche Durchführung und Finan-zierung des Projekts sowie die in besonderer Weise notwendigen Anpassungen an die Corona-Pandemie ermöglicht haben: Aktion Mensch e.V. als unbürokratischem Förderer sowie den Fach- und Leitungskräften der beteiligten Fachdienste von PiB gGmbH, PFIFF gGmbH und Wel-lenbrecher e.V. sowie dem Kompetenzzentrum Pflegekinder e.V. als verantwortlichem Projektträger. Es war ein anspruchsvolles und vielseitiges Projekt, bei dem es uns viel Freude gemacht hat, gemeinsam zu arbeiten, zu erproben, zu grübeln und Konsequenzen abzuleiten.

Die aufgrund der Corona-Einschränkungen fehlenden persönlichen Treffen können nun

hoffentlich im Rahmen der Weiterführung des Projekts nachgeholt werden – wir würden uns jedenfalls sehr darüber freuen.

Inhaltliche, reflexive, redaktionelle und allerlei weitere handfeste Unterstützung gab es von un-seren geschätzten Kolleginnen Andrea Dittmann, Jenna Vietig, Kathrin Weygandt und Sousan Arbab – auch euch ein herzlicher Dank!

Zum Abschluss gilt unsere besondere Anerkennung und unser Dank all denjenigen Eltern, Pfle-geeltern, Kindern und Jugendlichen, die bereit waren, uns von ihren Erfahrungen zu berichten:

Der Wert ihrer Bereitschaft, mit uns zu sprechen und sich uns gegenüber zu öffnen, um so dazu beizutragen, dass die Pflegekinderhilfe sich zukünftig weiterentwickeln kann, ist aus unserer Sicht nicht hoch genug einzuschätzen. Sie haben uns berührt und herausgefordert. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, ihre Positionen zu transportieren und im Rahmen unserer Lesarten und Interpretationen angemessen in den Gesamtkontext der Debatte einzubinden.

Wir haben uns innerhalb des Perspektive-Instituts einiges vorgenommen, um sinnvolle und für die Praxis nützliche Beiträge für die Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe zu leisten. Für die Zusammenarbeit mit Eltern in der Pflegekinderhilfe liegt dieser Beitrag nun vor – wir werden daran weiterarbeiten und freuen uns sehr über Resonanzen aus der Leser*innenschaft.