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2 Schrifttum

2.2 Möglichkeiten der Pankreasfunktions-Diagnostik

2.2.4 Messung der proteolytischen Aktivität

2.2.4.1 N-Benzoyl-L-Tyrosil-Paraaminobenzoesäure Test (NBT- PABA-Test)

Der NBT-PABA-Test (N-Benzoyl-L-Tyrosil-Paraaminobenzoesäure Test) bietet die Möglich-keit einer indirekten Überprüfung der Chymotrypsinsekretion des Pankreas.

Prinzip: Oral appliziertes NBT-PABA (N-Benzoyl-L-Tyrosil-Paraaminobenzoesäure) wird spezifisch durch Chymotrypsin gespalten, passiv resorbiert, in der Leber metabolisiert und über den Harn/Urin ausgeschieden. Der Nachweis von p-Aminobenzoesäure (PABA) und ihrer Metaboliten im Blut bzw. Harn/Urin kann daher als Maß für die Chymotrypsinsekretion und damit für die Beurteilung der Funktion des exokrinen Pankreas genutzt werden (IMONDI et al. 1972; DE BENNEVILLE et al. 1972; FREISE u. HOFMANN 1979; MÜLLER et al.

1984).

Abbildung 4: Stoffwechselweg von NBT-PABA

Spezifität der Spaltung von NBT-PABA

Eine Spaltung von NBT-PABA durch Salzsäure, Trypsin, Carboxypeptidase A und B, Enterokinase oder Elastase kann ausgeschlossen werden (IMONDI et al. 1972;

BORNSCHEIN et al. 1976a). Trotz der chymotrypsinspezifischen Spaltung von NBT-PABA konnte PABA im Serum pankreasgangligierter Tiere nachgewiesen werden (THIENHAUS u.

NBT-PABA

Chymotrypsin

NBT

Resorption - Metabolisierung in der Leber - Ausscheidung über die Nieren PABA

durch die Aktivität der Enzyme in der Dünndarmmukosa begründet sein, wobei die höchste Aktivität im Jejunum gemessen wurde (TRAUTWEIN u. NIESSEN 1981). Einige Bakterien besitzen die Fähigkeit NBT-PABA zu spalten, was jedoch zu keiner wesentlichen Beeinfluss-ung der Testergebnisse führen soll (GYR et al. 1978). Im Rattendünndarm konnte die intakte Resorption des NBT-PABAs nachgewiesen werden (CASPARY et al. 1979), ca. 10 % der oral applizierten Dosis können intakt resorbiert werden (YAMATO u. KINOSHITA 1977).

Anwendung des NBT-PABA-Tests in der Human- und Veterinärmedizin

Nach klinischen Erfahrungen und Überprüfung der Einsatzmöglichkeit zur Diagnostik der chronisch exokrinen Pankreasinsuffizienz an Tieren (IMONDI et al. 1972; GYR et al. 1974) wurde der NBT-PABA-Test von GYR erstmals 1975 beim Menschen zur Diagnostik der chronisch exokrinen Pankreasinsuffizienz eingesetzt. Sowohl beim Menschen als auch bei Hunden ist eine eindeutige Differenzierung von Kontrollgruppen und Patienten mit Pankreasinsuffizienz möglich (FREUDIGER u. BIGLER 1977; LANG et al. 1980; WOLF et al. 1981). Im Unterschied dazu, kann der NBT-PABA-Test bei der Katze aufgrund der geringen diagnostischen Aussagekraft nicht eingesetzt werden. Die großen individuellen Schwankungen bei gesunden Tieren, sowie die mangelnde Differenzierung von gesunden und pankreasinsuffizienten Katzen, rechtfertigen keinen Einsatz des NBT-PABA-Tests bei der Katze (SHERDING et al. 1982; HAWKINS et al. 1986; FISCHER u. KRAFT 1993).

Durchführung des NBT-PABA-Tests

Der NBT-PABA-Test kann als Harnsammelmethode oder als Serumtest durchgeführt werden.

Seit der Einführung von IMONDI (1972) und GYR (1975) in die praktische Diagnostik erfolgte die Durchführung immer nach dem gleichen Schema, jedoch ohne Standardisierung des Verfahrens. Diese unterschiedlichen Durchführungen erschweren den Vergleich der Ergebnisse (NIEDERAU u. GRENDELL 1985). Die Patienten werden nach einer 12-stündigen Nahrungskarenz getestet. Um eine korrekte Auswertung des Tests zu ermöglichen, werden Medikamente und Pankreasenzyme zuvor über die Dauer von ein bis drei Tagen abgesetzt (FREISE u. HOFMANN 1979; DOCKTER u. SITZMANN 1980; KIMURA et al.

1981; DELCHIER u. SOULE 1983). Von den Patienten wird vor Beginn des Tests eine Blut- bzw. Urinprobe gewonnen, um diese als Leerwert nutzen zu können. Danach erfolgt die Aufnahme der Testsubstanz mit einer Testmahlzeit.

Eine unterschiedliche Dosierung von NBT-PABA ist bis heute üblich. Dabei schwanken die Dosierungen in einem Bereich von 150 mg bis 2 g pro Proband, wobei Kontrollpersonen unabhängig von der Dosierung, prozentual die gleiche Menge an PABA ausscheiden. Durch die Dosierung von 1 g NBT-PABA konnte die deutlichste Differenzierung zwischen einer Kontrollgruppe und einer pankreas-insuffizienten Gruppe erzielt werden (THIENHAUS u.

NIEDERAU 1979).

Die Sammlung des Urins wird über 6 bis 9 Stunden durchgeführt, wobei die Patienten ein festes Trinkschema einhalten müssen, um die Diurese anzuregen (FREISE u. HOFMANN 1979; LANKISCH et al. 1980; KAY et al. 1983). Die Angaben in der Literatur über die PABA-Wiederfindung im Urin differieren stark, bei Kontrollpersonen sind Wiederfindungs-raten von 60-70 % beschrieben (FETTES et al. 1978; FREISE u. HOFMANN 1979; LANG et. al. 1980; STROMBECK u. HARROLD 1982), während GYR (1975) von einem Kontrollbereich zwischen 47 % bis 72 % ausgeht. Bei Patienten mit einer Pankreasin-suffizienz werden Wiederfindungsraten von nur 20 % bis 40 % genannt (GYR et al. 1975;

STROMBECK u. HARROLD 1982), während in anderen Untersuchungen (FREISE u.

HOFMANN 1979; LANG et al. 1980) bei Patienten mit EPI auch eine Wiederfindungsrate von 40 % bis 50 % beobachtet wurde. In Einzelstuhlproben wurden maximal 3 % der verabreichten Dosis gefunden (BORNSCHEIN et al. 1976b).

Der Test wurde erstmalig von FREUDIGER und BIGLER (1977) so modifiziert, dass ein Anstieg der PABA-Konzentration im Serum nachgewiesen werden konnte. Die Gewinnung der Blutproben erfolgt im Abstand von 30 bis 60 Minuten und wird bis zu sechs Stunden durchgeführt (DELCHIER u. SOULE 1983; CAVALLINI et al. 1985; WEIZMANN et al.

1985). Die Abgrenzung einer Kontrollgruppe von einer Patientengruppe ist auch hier, wie bei der Urinsammlung möglich. Dabei ist die Bestimmung der PABA-Konzentration im Serum einfacher und angenehmer als im Urin (IMONDI et al.1972; FETTES et al. 1978; FREISE u.

HOFMANN 1979; BATT et al. 1979; LANG et al. 1980; WOLF et al. 1981; STROMBECK u. HARROLD 1982; WEIZMANN et al. 1985; TANNER u. ROBINSON 1988). Die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse ist gut, unabhängig ob eine Urinsammlung oder ein Bluttest durchgeführt wurde (BORNSCHEIN et al. 1978; LANG et al. 1980). Die Vorteile des Serumtests liegen in der kürzeren Dauer, der geringeren Störungsempfindlichkeit

ambulanten Bereich (WOLF et al. 1981; WEIZMANN et al. 1985; TANNER u. ROBINSON 1988). Durch einen Vergleich des NBT-PABA-Tests mit dem Stuhlchymotrypsin-Test ermöglichte der PABA-Serumtest vergleichbare diagnostische Aussagen, während die Sammlung des Urins aufgrund der Fehlermöglichkeiten (langes Urinsammeln, medikamentöse Verfälschung und durch die entstehenden Kosten) unterlegen war (WOLF et al. 1979). Eine Steigerung der Sensitivität und Spezifität gegenüber dem Urintest gelang durch den Serumtest jedoch nicht (BORNSCHEIN 1985; LANKISCH et al. 1986). Obwohl in einer Untersuchung (WOLF et al. 1981) für eine ausreichende Diagnostik der EPI der Zeitpunkt 60 Min. ppr. favorisiert wird, zeigten spätere Untersuchungen (DELCHIER u.

SOULE 1983; BORNSCHEIN 1985; CAVALLINI et al. 1985), dass eine Testdauer von zwei bis drei Stunden nötig ist, um eine eindeutige Diagnose anhand der PABA-Konzentration im Serum zu ermöglichen. Bei Hunden war mit dem NBT-PABA-Test eine Unterscheidung nach zwei Stunden möglich (BATT et al. 1979), auch hier war eine Testdauer von 60 Min. zu kurz (STROMBECK u. HARROLD 1982).

Mögliche Beeinflussung des NBT-PABA-Tests

Der mögliche Einfluss einer Testmahlzeit auf den NBT-PABA-Test wird diskutiert. Während BORNSCHEIN et al. (1978) das Lundh Mahl6 durch ein Aminosäurengemisch ersetzte, untersuchte LANG et al. (1980) den Einfluss eines Standardfrühstücks7, sowie den Einfluss einer weiteren Mahlzeit nach sechs Stunden auf den Test. Beide konnten keinen signifikanten Einfluss der Testmahlzeit feststellen. Obwohl GYR (1975) keine signifikante Beziehung zwischen der Magenentleerung und der PABA-Ausscheidung beobachten konnte, schließt er, wie auch WEIZMANN et al. (1985), eine Beeinflussung des NBT-PABA-Tests nicht aus und gibt die Empfehlung, dass keine fetthaltigen oder hochosmolare Testmahlzeiten verwendet werden sollten.

Beeinflussung des NBT-PABA-Tests durch verschiedene Erkrankungen

Durch Störungen in der Resorption, Konjugation und Exkretion, welche durch Darm-, Leber- oder Nierenerkrankungen bedingt sein können, kann es zu falsch positiven bzw. negativen Werten kommen. Eine eindeutige Abgrenzung dieser Erkrankungen von der chronisch

6 18 g Sojaöl, 15 g Milchpulver, 40 g Glucose, 15 g Himbeersirup in 300 ml Wasser

7 2 Brötchen, 10 g Butter, Marmelade und 200 ml Tee

exokrinen Pankreasinsuffizienz ist durch diesen Test nicht möglich (MITCHELL et al. 1978).

Weitere Beeinflussungen sind durch Veränderungen der Darmmotilität, der Darmflora und durch die Anwendung von Antibiotika möglich (WEIZMANN et al. 1985). Aus einer Schädigung der Darmzotten oder einer verkürzten Darmpassagezeit kann ebenfalls eine Beeinflussung der Testergebnisse resultieren, da das sezernierte Chymotrypsin nach Bindung an die Mukosa eine im Vergleich zum freien Chymotrypsin höhere proteolytische Effektivität aufweist (TRAUTWEIN u. NIESSEN 1981).

Während durch entzündliche Darmerkrankungen, einer unspezifische Enteritis und andere Erkrankungen vereinzelt erniedrigte Werte bedingt wurden, waren die PABA-Konzentrationen unbeeinflusst durch einige gastrointestinale Störungen (Ulcus duodeni, chronische Hepatitis, Morbus Crohn oder nach überstandener akuter Pankreatitis; FREISE u.

HOFMANN 1979). Auch beim Hund konnte eine Beeinflussung des Tests durch Darm-erkrankungen ausgeschlossen werden (BATT u. MANN 1981; ZIMMER u. TODD 1985).

PABA-Resorptionstest

Um eine Beeinflussung des Tests durch eine eingeschränkte Resorptionskapazität zu erkennen, kann ein PABA-Resorptionstest durchgeführt werden. Durch die Applikation von PABA (freie Testsubstanz) in der äquivalenten Menge zum NBT-PABA, ist es möglich, bei der Harnsammlung einen PABA-Exkretionsindex zu berechnen (MITCHELL et al. 1979).

Eine individuelle Resorptionsrate kann bei Blutprobenpatienten ermittelt werden. Die Resorption von PABA unterschied sich nicht zwischen einer Kontrollgruppe, einer Patientengruppe mit unterschiedlichen Darmerkrankungen oder pankreasinsuffizienten Patienten (WEIZMANN et al. 1985). Bei Hunden wurden ähnliche PABA-Konzentrationen nachgewiesen, das zeitliche Maximum war bei pankreasinsuffizienten Tieren im Unterschied zur Kontrollgruppe verschoben (BATT et al. 1979). Durch diesen PABA-Resorptionstest ist bewiesen, dass eine nur geringe PABA-Konzentration im Serum oder Harn/Urin auf eine mangelnde Spaltung des NBT-PABAs und nicht auf eine mangelnde Resorption zurückzuführen ist (BATT et al. 1979). Ein Einfluss des pH-Wertes auf die Spaltung von NBT-PABA konnte in vitro wie auch in vivo nachgewiesen werden (HOEK et al. 1980, 1984), während KAY et al. (1983) dies nicht bestätigen konnten.

Analytik

Der Nachweis der Testsubstanz erfolgt nach der BRATTON-MARSHALL-Methode (1939) in der Modifikation von SMITH et al. (1945) und BORNSCHEIN (1977). Einige Medikamente (Sulfonamide), sowie PABA-haltige Lebensmittel können die photometrische PABA-Bestimmung stören, da ein positiver Nachweis bei allen Derivaten des 4-Amino-phenols mit freier Aminogruppe zu erwarten ist (ARVANITAKIS u. COOKE 1978;

MÜLLER et al. 1984). Die BRATTON-MARSCHALL-Methode stellt mit 100 % Wiederfindung im Urin/Harn und Serum die geeignetste Methode zur Bestimmung der PABA-Konzentration im Serum oder Harn/Urin dar (MÜLLER et al. 1984). Als weitere Nachweismethoden kommen die Bestimmung mit 4-Dimethylaminozimtaldehyd (YAMAMOTO et al. 1979), die Analyse mit Flurescamin (UDENFRIED et al. 1972) sowie der chromatographische Nachweis (ITO et al. 1982) in Betracht, die hier aber nicht weiter erläutert werden sollen.

Einsatzmöglichkeiten des NBT-PABA-Tests

Der Pankreasfunktionstest kann zur Verlaufs- oder Therapiekontrolle genutzt werden (LANG et al. 1980; DOCKTER u. SITZMANN 1980; KIMURA et al. 1981; SCHARPE u. ILIANO 1987). CAVALLINI et al. (1985) gehen hingegen davon aus, dass eine Unterscheidung zwischen einer leichten und moderaten Pankreasinsuffizienz nicht möglich ist. Bei Patienten mit einer verbleibenden Enzymsekretion von 5-10 % kann keine zuverlässige Diagnose mit Hilfe des NBT-PABA-Tests gestellt werden (WEIZMANN et al. 1985). Der geringe therapeutische Nutzen und der enorme Aufwand, den der Test mit sich bringt, rechtfertigen keinen Einsatz in der Praxis (CAVALLINI et al. 1985). Eine Differenzierung von normaler und gestörter Pankreasfunktion gelingt mit dem Stuhlchymotrypsin-Test besser als mit dem NBT-PABA-Test (BÜHLER u. AMMANN 1979). Der PABA-Test kann nicht nur für die Pankreasfunktionsdiagnostik verwendet werden, sondern auch für die Bestimmung der Veränderung der proteolytischen Aktivität durch antinutritive Substanzen in der Nahrung (KASTEL et al. 1996).