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2. Theoretische Grundlagen

2.4. Aktueller Stand der Literatur

2.4.1. Einfluss der Anzahl/Dauer passiver Dehnungen

Dehnen kann zu Veränderungen der Funktionalität und Strukturen im Muskel- bzw. Sehnengewebe führen. In diesem Unterkapitel geht es darum, aufzuzeigen, wie lange oder wie oft eine Dehnung ge-macht werden muss, um eine Veränderung zu erreichen.

18 Die amerikanischen Forscher Ryan et al. (2009) setzten es sich zum Ziel, herauszufinden, wie viele Wie-derholungen von statischen Dehnungen mit gleichbleibendem Drehmoment notwendig waren, um die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates der Wadenmuskulatur zu verringern. Die Messungen wurden an zwei unterschiedlichen Messterminen, in einem Abstand von drei bis fünf Tagen, durchgeführt. Der erste Termin galt dem Bekanntwerden mit dem Testprotokoll, der zweite stellte die eigentliche Mes-sung dar. Das Testprotokoll beinhaltete die Testung der Steifigkeit vor dem Dehnen, eine Dehninter-vention von vier Mal 30 Sekunden Dehnen und der Testung der Steifigkeit nach dem Dehnen. Das ma-ximal individuell erreichbare passive Drehmoment wurde beim ersten Termin getestet und diente als Grundlage für die Berechnung der Steifigkeit und als Zielwert für die Dehnintervention. Für die Steifig-keitstestung wurde das Sprunggelenk von zwanzig Grad Plantarflexion mit einer Geschwindigkeit von fünf Grad pro Sekunde in die Dorsalflexion bewegt. Das Maximum stellte das ausgetestete maximale Drehmoment dar (in etwa 20 Grad Dorsalflexion). Die Grundlage zur Berechnung der Steifigkeit war die Winkel-Drehmoment-Kurve der 30 Sekunden Dehnungen. Die Muskel-Sehnen-Steifigkeit war bei der dritten und vierten Dehnung und dem Test nach der Dehnintervention signifikant verringert (Ab-bildung 13). Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass eine Minute Dehnen der Wadenmuskulatur bei gleichbleibendem Drehmoment die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparats heruntersetzte (Tabelle 1).

Abbildung 13: Prozentuelle Veränderung der Muskel-Sehnen-Steifigkeit im Vergleich zu den Ausgangswerten. Darstellung von Mittelwerten mit Standardabweichung; *signifikant ver-ringert als der Ausgangswert (Ryan et al. (2009))

In der beschriebenen Studie konnten Veränderungen der Gewebesteifigkeit nach nur einer Minute Dehnen festgestellt werden. Die nächste Studie befasst sich mit den Auswirkungen einer Dehnung auf den Muskel-Sehnenkomplex.

Die beiden amerikanischen Wissenschaftler Boyce & Brosky (2008) beschäftigten sich mit der Frage, wie viele passive, zyklische Wiederholungen einer Dehnung notwendig sind, um eine Vergrößerung der Beweglichkeit der Oberschenkelrückseitenmuskulatur zu erzielen. In Rückenlage wurde das linke Bein einer jeden Testperson mit einem Hüftwinkel von 90 Grad fixiert und im Zuge der Testungen mit

Tabelle 1: Durchschnittliche Werte der Muskel-Sehnen-Steifigkeit (Nm*deg-1) von jeder Messung

(Standardabweichung in Klammer); *signifikante Veränderungen im Vergleich zu den Ausgangswerten (Ryan et al. (2009))

19 Hilfe eines Seilzuges das Kniegelenk so weit wie möglich gestreckt. Das andere Bein wurde in gestreck-ter Position auf der Ungestreck-terlage abgelegt. Bei einer Ausgangsmessung wurde der Bewegungsumfang im Kniegelenk und der passive Widerstand der Oberschenkelrückseitenmuskulatur in der maximal mögli-chen Streckung getestet. Die Dehnintensität wurde mit Hilfe des Bewegungsradius und dem Wider-stand im Gewebe berechnet. Die Dehnintervention, folgend auf die Ausgangsmessung, beWider-stand aus zehn Wiederholungen mit einer Dauer von je 15 Sekunden Dehnen und fünf Sekunden Pause. Das zu testende Bein wurde dazu mit Hilfe des Seilzugs soweit gestreckt, bis die errechnete Dehnintensität erreicht war. Nach den 15 Sekunden Halten der Dehnung wurde der erreichte Winkelwert im Kniege-lenk notiert. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass es einen signifikanten Unterschied zwi-schen den Wiederholungen der Dehnung gab. Ein signifikanter Anstieg des Bewegungsradius wurde bis zur fünften Wiederholung gemessen. Die größte Zunahme des Bewegungsradius wurde bei der zweiten Wiederholung gemessen. Ab der fünften Dehnung, bis zur zehnten, kam es zu keinen Verän-derungen des Bewegungsumfangs der Muskulatur der Oberschenkelrückseite. Im Mittel steigerte sich der Bewegungsradius um fünfzehn Grad, zwischen Dehnung eins und zwei wurden 53 Prozent dieser fünfzehn Grad erreicht. Die Ergebnisse zeigten, dass bei zehn durchgeführten Dehnwiederholungen die Werte einer jeden Dehnung vom Ausgangswert signifikant unterschiedlich waren, wobei zwischen den Wiederholungen fünf bis zehn kein Unterschied bestand. Mehr als fünf Wiederholungen führen zu keinen signifikanten Verbesserungen. Der größte Anstieg der Beweglichkeit wurde nach der ersten Wiederholung festgestellt (Abbildung 14Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.)Feh-ler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Beide Studien zeigen, dass es eine sehr kurze Zeitspanne benötigt, um erste kurzfriste funktionelle Veränderungen durch Dehnen in einem menschlichen Gewebe hervorzurufen. Es wird angenommen, dass auch strukturelle Veränderungen auftreten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2Tabelle 2Fehler! Ver-weisquelle konnte nicht gefunden werden. zusammengefasst.

Abbildung 14:Entwicklung des RoM in der Oberschenkelrückseitenmuskulatur bei wie-derholten 15-Sekunden Dehnungen (Boyce & Brosky, 2008)

20 Im Hinblick auf die folgenden zusammengefassten Studien im Literaturüberblick wird in diesem Exkurs auf die Verwendung des Ultraschalls als Messmethode aufmerksam gemacht. Bereits 1995 wurde eine Arbeit zu dieser Messmethode publiziert.

Fukashiro et al. (1995) beschäftigten sich mit Ultraschallmessungen, um die Verschiebung des Muskel-sehnenüberganges im Zuge einer Dehnung zu untersuchen. Mittels eines Dynamometers wurde das Sprunggelenk der Probanden/Probandinnen in eine Dorsalflexion mit den Winkeln 90, 105 und 120 Grad gebracht. Die Bewegungen im Bereich des Muskulus tibialis anterior wurden mit einem UItra-schallgerät visualisiert und aufgezeichnet. Der Sprunggelenkwinkel wurde von 120 Grad auf 105 Grad und 90 Grad verkleinert. Die Ergebnisse zeigten eine proximale Verschiebung des Gewebes. In dieser Studie wurde erstmals mittels Ultraschall die elastischen Charakteristiken einer menschlichen Sehne direkt und nichtinvasiv gemessen.

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Tabelle 2: Überblick der Ergebnisse der Studien mit dem Schwerpunkt "Wiederholungszahl

Autoren Dehndauer Gewebesteifigkeit RoM Gewebeveränderungen

Ryan et al. (2009)

Tabelle 3: Überblick über die Ergebnisse der Studien mit dem Schwerpunkt Steifigkeit und passiver Widerstand/passives Drehmoment

Autoren Dehndauer RoM Gewebesteifigkeit Passiver

Wider-stand/ Drehmoment MVC Kubo et al.

(2000) 10 min Sehnensteifigkeit verringert Verringert

Morse et al.

Muskelsteifigkeit sinkt nach 5 min Deh-nung; Gesamtsteifigkeit sinkt aufgrund der

geringeren Muskelsteifigkeit;

(2007) 75 sek Gewebesteifigkeit des

Muskel-Sehnen-Ap-parats nach Dehnung verringert

al. (2003) 6 min Muskelsteifigkeit nach Dehnung verringert Verringert nach Deh-nung

22 2.4.2. Dehnen und die Auswirkung auf den passiven Widerstand/ auf das passive Dreh-moment

Die Steifigkeit eines Gewebes gibt Auskunft über die Elastizität bzw. den Dehnungswiderstand. Man würde erwarten, dass die Steifigkeit nach einer Dehnung abnimmt, da die einzelnen Elemente ausei-nandergezogen werden. Des Weiteren geht man auch davon aus, dass der passive Widerstand mit der Elastizität eines Gewebes zusammenhängt.

Der japanische Forscher Kubo (2000) und sein Team beschäftigten sich mit der Frage, wie sich stati-sches Dehnen auf die viskoelastischen Eigenschaften der lebendigen, menschlichen Sehnenstruktur auswirkt. Das Team untersuchte das Drehmoment während der Dehnung und einer MVC. Zusätzlich wurde die Dehnungsfähigkeit der Sehnenstruktur, die Steifigkeit und Hysterese mittels Ultraschall ge-testet. Weiters wurde das EMG-Signal während der Dehnung aufgezeichnet. Gedehnt wurde bei einem Winkel von 35 Grad Dorsalflexion. Das Dynamometer bewegte sich mit einer konstanten Geschwindig-keit von 5 Grad pro Sekunde in diese Position und verweilte in dieser für zehn Minuten. Beim Betrach-ten der Auswertung wurde ersichtlich, dass es nach dem Dehnen zu signifikant größeren Längenver-änderungen der Sehne kam (Abbildung 15). Weiters wurden signifikante Verminderungen der Seh-nensteifigkeit und Hysteresis nach dem Dehnen gemessen (Abbildung 16). Zusätzlich wurde der pas-sive Widerstand reduziert.

Die Studie von Kubo (2000) zeigt, dass es möglich ist, die Sehnenlänge und -steifigkeit durch statisches Dehnen zu verändern. Die Dehndauer mit zehn Mi-nuten war etwas länger als bei einigen anderen Stu-dien, dennoch gab es ähnliche Ergebnisse. Ein paar Jahre später beschäftigten sich britische Forscher mit einer ähnlichen Fragestellung.

Abbildung 16: Daten von 7 Personen; Fm-L Kurve während auf-steigender und abauf-steigender Phase vollzieht einen Kreis (Hyste-rese). Hysterese war signifikant geringer nach dem Dehnen (A;

13.5+/-7.6%) als davor (B; 20.6+/-8.8%) Kubo et al. (2000)) Abbildung 15: Daten von 7 Personen; L tendiert dazu, nach dem

Dehnen größer zu werden als vor dem Dehnen. L über 300 N war sig-nifikant größer nach dem Dehnen als davor; *sigsig-nifikanter Unter-schied zu den Ausgangswerten (Kubo et al. (2000))

23 Das britische Forscherteam Morse et al. (2008) hatte das Ziel, das Verhalten des Muskel-Sehnen-Über-gangs während der Dehnung genauer zu beschreiben, die Auswirkungen von kurzen, wiederholten Dehnungen aufzuzeigen und die Muskelausdehnung zu definieren, bei dem es zu verändertem Verhal-ten der Gewebe kam. Ein Dehn-Test führte die Fußschaufel in eine 25 Grad weite Dorsalflexion. Dieser Test wurde drei Mal vor und nach schnellen Dehnungen durchgeführt. Ein weiteres Protokoll beinhal-tet zehn sich wiederholende Dehnungen von Null bis zehn Grad Dorsalflexion mit einer Winkelge-schwindigkeit von 60 Grad pro Sekunde. Daraus wurde das Verhältnis zwischen Drehmoment und Win-kel berechnet. An einem anderen Tag wurde ein weiteres Protokoll durchgeführt. Dabei handelte es sich um fünf wiederholte Dehnungen, die am maximalen, individuell festgelegten RoM für die Dauer von je einer Minute ausgeführt wurden. Für jede der fünf Dehnungen wurde der RoM neu angepasst.

Die Forscher fanden heraus, dass das maximale Drehmoment stark zunahm, je größer der Winkel ge-gen Ende wurde. Das Drehmoment bei selbem Winkel während und nach der Dehnung war jedoch signifikant niedriger. Bei den Standard-Dehnungen verlängerte sich der gesamte Muskel-Sehnen-Ap-parat um 2.19 Zentimeter. Der Muskel-Sehnen-Übergang hingegen verschob sich um 1.04 Zentimeter, was bedeutet, dass der Muskel um 1.04 Zentimeter (47 % der gesamten Verlängerung) und die Sehne um 1.15 Zentimeter (53 %) verlängert wurden. Die Verlängerung des Gewebes passierte linear zur Ver-größerung des Winkels. Der Bewegungsradius des Sprunggelenks wurde nach den fünf wiederholten einminütigen Dehnungen signifikant vergrößert. Weiters kam es in der Ruheposition zu einer Verkür-zung der Sehne und einer Verschiebung des Muskel-Sehnen-Überganges nach distal. Der Grund dafür liegt darin, dass die Steifigkeit der Muskulatur stärker verringert war als die der Sehne. Die Steifigkeit der Muskulatur sank nach den fünf Dehnungen signifikant im Vergleich zu den Messungen vor den Dehnungen. Bei der Sehne kam es zu keinen signifikanten Veränderungen. Betrachtete man die Mus-kelfaserlänge während einer Standard-Dehnungen, so gab es keine signifikanten Längenveränderun-gen. Der Fiederungswinkel der Muskelfasern verringerte sich während der Dehnung, die relative Mus-kelfaserlänge in Bezug auf die Muskellänge stieg. Dennoch wurden keine signifikanten Veränderungen des Muskel-Sehnen-Überganges nach den zehn wiederholten Dehnungen gemessen. Ein Teil der pas-siven Dehnung wurde den Ergebnissen nach von der Sehne übernommen. Auch wenn die Gesamtstei-figkeit des Muskel-Sehnen-Apparates nach der Dehnung sank, ging dies von der signifikant verringer-ten Steifigkeit des Muskelgewebes aus und nicht von der Sehnensteifigkeit. Diese blieb statistisch ge-sehen unverändert.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigten, dass sich die Sehnensteifigkeit nicht veränderte, wohingegen das Muskelgewebe nach den Dehnungen elastischer wurde. Auch die Vergrößerung des Bewegungsradius im Sprunggelenk wird auf die verminderte Muskelgewebesteifigkeit zurückgeführt. Weiters spielt die Art der Dehnung bzw. Gewebebelastung eine entscheidende Rolle dabei, ob es zu funktionellen und/o-der strukturellen Veränund/o-derungen kommt ound/o-der nicht.

24 Das Team Maisetti et al. (2007) arbeitete an der Fragestellung, ob der passive Widerstand in der Wa-denmuskulatur durch eine Dehnung von realitätsnaher Dauer beeinflusst wurde. Die Dehnintervention beinhaltete fünf zyklische Dehnungen, die bei 40 Grad Plantarflexion begannen und bei 80 Prozent des zuvor ausgetesteten maximalen Bewegungsradius in der Dorsalflexion endeten. Beim Wendepunkt bei 80 Prozent wurde die Dehnung für 15 Sekunden gehalten, bevor das Dynamometer das Gelenk wieder in die Plantarflexion bewegte. Während der Dehnungen wurde der passive Widerstand, der Winkel und die Winkelgeschwindigkeit aufgezeichnet. Der maximale Bewegungsradius wurde vor der Dehnin-tervention gemessen. Nach standardisierten submaximalen Kontraktionen wurden drei MVC-Tests für die Plantar- und Dorsalflexoren bei 90 Grad Sprunggelenkswinkel durchgeführt. Die Krafttests sollten so schnell wie möglich ausgeführt werden, um eine maximale Kraftentwicklungsrate zu erreichen. Im Anschluss an die Dehnintervention und nach weiteren 30 Minuten Pause wurden diese Tests wieder-holt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass unmittelbar nach der Dehnung die passive Steifigkeit, das höchste passive Drehmoment und das finale Drehmoment verringert waren. Weiters kam es zu einer signifikanten Abnahme der maximal willkürlich erzeugten Kraft, die auch nach 30 Minuten noch verringert war. Die Kraftentwicklungsrate wurde durch die Dehnung nicht verändert. Zusammenfas-send lässt sich sagen, dass wiederholte Dehnungen keine Auswirkung auf die Kraftentwicklungsrate haben. Die maximale isometrische willkürliche Kraft und auch die passiven Charakteristiken der Wa-denmuskulatur sinken signifikant auf Grund der durchgeführten Dehnungen.

Die Ergebnisse der Studie von Maisetti et al. (2007) zeigen, dass das passive Drehmoment nach einer Dehnung verringert wird. Dies könnte wiederum mit der verringerten Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparats zusammenhängen.

Das Forscherteam Evetovich et al. (2003) untersuchte die Auswirkungen bzw. Veränderungen einer statischen Dehnung in Bezug auf Drehmoment, Muskelaktivierung (EMG) und Mechanomyographie (MMG) während einer isokinetischen, konzentrischen Muskelaktivität. An zwei Terminen, mit mindes-tens 48 Stunden Abstand, wurden drei maximale isokinetische Vorarmflexionskrafttests am nichtdo-minanten Arm durchgeführt. Je ein Termin wurde mit Dehnintervention und einer ohne Dehnen ab-solviert. Es wurde ein EMG und ein Mechanomyogramm aufgezeichnet. Das isokinetische Drehmo-ment während der Kontraktion wurde mit dem verwendeten Dynamometer gemessen. Zwei unter-schiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten (fünf Grad pro Sekunde und 270 Grad pro Sekunde) wurden getestet und je drei Versuche aufgezeichnet. Für die Dehnintervention wurden drei verschiedenen Übungen gewählt, die vier Mal für 30 Sekunden wiederholt wurden. Aus den Ergebnissen konnte man herauslesen, dass das Drehmoment ohne Dehnung signifikant höher war. Die EMG-Auswertung ließ auf keine Unterschiede zwischen dehnen und nicht dehnen schließen. Die MMG-Amplitude war nach der Dehnintervention signifikant höher als ohne dehnen, gemessen bei beiden Geschwindigkeiten. Die

25 Ergebnisse repräsentierten 34.3 % (bei 270 Grad pro Sekunde) bzw. 32.5 % (bei 30 Grad pro Sekunde) höhere Werte der MMG-Amplitude ohne Dehnintervention im Vergleich zur Messung mit Dehninter-vention. Die Ergebnisse zeigen, dass Dehnen die Muskulatur bzw. Sehnen soweit beeinflusst, dass das Drehmoment eines Gelenks verringert wird. Die Gründe dürften die herabgesetzte Muskelsteifigkeit und die verringerte Fähigkeit der Endplattenrekrutierung sein.

Laut Evetovich et al. (2003) treten funktionelle Veränderungen nach einer Dehnintervention auf, wel-che auch mit strukturellen Veränderungen einhergehen können. Abschließend lässt sich zusammen-fassen, dass die Muskelsteifigkeit das passive Drehmoment und auch den Bewegungsradius im jewei-ligen Gelenk beeinflussen kann.

In diesen beschriebenen Studien wurden unterschiedliche Muskelgruppen getestet und dennoch wa-ren die Ergebnisse sehr ähnlich. Es ist auffallend, dass sich die Sehnensteifigkeit nur in der Studie von Kubo et al. (2000) veränderte, wohingegen Veränderungen in der Muskelsteifigkeit bei mehreren Pro-tokollen (Morse et al. (2008), Maisettti et al. (2007), Evetovich et al. (2003)) auftraten. Ein genauer Überblick über die Studien ist in Tabelle 3Tabelle 3 gegeben.

2.4.3. Unterschiedliche Auswirkungen durch Dehnen bei Mann und Frau

Wie in Kapitel 2.2.2. bereits erwähnt, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Be-weglichkeit.

In England beschäftigte sich das Team Burgess, Graham-Smith & Pearson (2009) mit dem Vergleich von Effekten nachfolgend einer Dehnung zwischen Männern und Frauen. Das Ziel war es, mögliche Unter-schiede der mechanischen und strukturellen Auswirkungen des Dehnens auf Sehnenstrukturen zwi-schen den Geschlechtern aufzuzeigen. Getestet wurde die Wadenmuskulatur. Das Drehmoment wurde während einer MVC und die Sehnenlängenveränderung während einer isometrischen Plant-arflexion gemessen. Die Dehnintervention umfasste eine fünfminütige Dehnphase bei 35-40 Newton-meter passiven Widerstandes. Der Winkel im Sprunggelenk wurde während der Dehnung an den forderlichen Widerstand angepasst. Dieselben Messungen wurden im Abstand von einer Woche er-neut durchgeführt, jedoch wurde die Dehnintervention verändert. Die Intensität wurde so gewählt, dass 730 Newton auf die Achillessehne einwirkten. Die Ergebnisse ließen keine signifikanten Verände-rungen der Steifigkeit zwischen den unterschiedlichen Dehninterventionen erkennen. Die Steifigkeit der Achilles-Sehne vor der Dehnung war bei Frauen um 35 Prozent signifikant niedriger als bei Män-nern. Die Hysterese vor der Dehnung war bei Frauen um 33 Prozent erheblich geringer. Auch die Seh-nenlänge war bei Frauen um 16 Prozent erkennbar kürzer als bei Männer. Nach dem Dehnen sank bei

26 beiden Geschlechtern die Steifigkeit der Sehne

und des Elastizitätsmoduls signifikant - bei Frauen um 20.5 Prozent, bei Männern um 8.4 Prozent. Die Hysterese verringerte sich wesent-lich bei beiden Geschlechtern, bei den Frauen je-doch mehr. Die Sehnenlänge veränderte sich nicht erheblich nach dem Dehnen. Zusammen-fassend bedeutet dies, dass bei Frauen, vergli-chen mit den Männern, signifikante Verringerun-gen der Steifigkeit, Hysterese und Elastizitätsmo-duls der Achillessehne zu beobachten waren (Abbildung 17).

Diese Studie zeigt, dass weibliche Probandinnen geringere passive Widerstände und verringerte Steifigkeiten aufweisen als Männer.

Inwieweit es nach einer statischen Dehnung in der Wadenmuskulatur einen geschlechtsspezifischen Unterschied bei Veränderungen der Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates und der Bewegungs-amplitude im Sprunggelenk gibt, untersuchten Hoge et al. (2010). Die Testungen wurden mit gestreck-tem Knie und einer Neunzig-Grad-Stellung im Sprunggelenk durchgeführt. Das genutzte Dynamometer bewegte die Fußschaufel mit einer Geschwindigkeit von fünf Grad pro Sekunde bis zum Schmerzpunk (point of discomfort). Insgesamt wurden neun Wiederholungen mit je 135 Sekunden Dehndauer und zehn Sekunden Pause durchgeführt. Die maximal mögliche Dorsalflexion im Sprunggelenk wurde vor und nach der Dehnintervention gemessen. Es wurde auch das passive Drehmoment aufgezeichnet. Die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates wurde mit Hilfe des Gelenkswinkels und dem Drehmoment errechnet. Die Steifigkeit nimmt bei Frauen um 36.7 Prozent und bei Männern um 15.4 Prozent in Bezug auf die Werte vor der Dehnung ab. Nach dem Dehnen vergrößert sich der Bewegungsumfang im Sprunggelenk bei Männern um 3.1 Prozent und bei Frauen um 7.3 Prozent. Zusammenfassend zeigte sich, dass zwanzigminütiges passives Dehnen mit gleichbleibendem Drehmoment die passive Beweglichkeit im Sprunggelenk erhöht und die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates senkt. Dies ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten, wobei die Veränderungen bei Frauen höher ausfallen. Dies

Abbildung 17: Durchschnittliche Kraft-Verlängerungs-Kurve (a) und durchschnittliche Stress-Belastungs-Kurve (b) für Frauen und Männervor und nach der Dehnintervention (Burgess, Gra-ham-Smith & Pearson (2009))

27 kann auf geschlechterspezifische Differenzen bei den viskoelastischen Elementen im Gewebe zurück-zuführen sein.

Sowohl die Studie von Burgess, Graham-Smith & Pearson (2009) als auch Hoge et al. (2010) zeigen größere funktionelle und strukturelle Veränderungen bei Frauen. Der genaue Grund für diese Ergeb-nisse ist nicht bekannt, jedoch könnte es laut Hoge et al. (2010) mit unterschiedlichen viskoelastischen Gegebenheiten im Gewebe zusammenhängen. Tabelle 4Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse im Überblick.

2.4.4. Auswirkungen unterschiedlicher Dehnarten auf Funktion und Struktur des Muskel-Sehnen-Gewebes

Die unterschiedliche Wirkung von statischem und dynamischem Dehnen untersuchte ein amerikani-sches Forscherteam rund um Herda et al. (2008). Analysiert wurden das maximale Drehmoment, die EMG- und Mechanomyographie (MMG)- Amplitude des Muskulus bizeps femoris während einer MVC der Beinbeugemuskulatur. Das maximal erreichbare Drehmoment wurde in vier verschiedenen Win-kelpositionen vor und nach dem Dehnen gemessen. Weiters wurden in jeder Winkelposition zwei MVC-Testungen mit 30 Sekunden Pause zwischen den Wiederholungen und einer neuen Winkelein-stellung durchgeführt. Nach der ersten Testserie wurde je nach Gruppenzuteilung statisch oder dyna-misch gedehnt. Die statischen Dehninterventionen umfassten drei Dehnübungen mit vier Dehnungen von je 30 Sekunden. Die Dehnung wurde am Schmerzpunkt gehalten. Bei der dynamischen Dehninter-vention wurde der Muskel in drei verschiedenen Übungen vier Mal mit einer langsamen Geschwindig-keit 30 Sekunden gedehnt. Zwischen zwölf und fünfzehn Dehnungen wurden in dieser Zeit durchge-führt. Zwischen allen Dehnungen wurde 15 Sekunden pausiert. In einem Kniewinkel von 101 und 81 Grad sank das Drehmoment bei statischen Dehnungen, während dynamisches Dehnen keine Auswir-kungen hatte. Nach dem statischen Dehnen war die Kraftentwicklung in der getesteten Muskulatur verringert, wohingegen beim dynamischen Dehnen keine Veränderung auftrat.

Zusammenfassend kann die Aussage getroffen werden, dass es Unterschiede zwischen statischen und dynamischen Dehnungen gibt.

Zusammenfassend kann die Aussage getroffen werden, dass es Unterschiede zwischen statischen und dynamischen Dehnungen gibt.