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Morphologische Veränderungen des Muskel- und Sehnengewebes nach einer fünfminütigen statischen Dehnung

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Academic year: 2022

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Morphologische Veränderungen des Muskel- und Sehnengewebes nach einer fünfminüti-

gen statischen Dehnung

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Marina Maren REINER

am Institut für Sportwissenschaft

Begutachter(in): Tilp, Markus, Univ.-Prof. Mag. Dr.rer.nat.

Graz, August 2018

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe ver- fasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

16.08.2018

Datum Unterschrift

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 1

2. Theoretische Grundlagen ... 2

2.1. Anatomische Merkmale des Muskel-Sehnenapparates ... 2

2.1.1. Das menschliche Sehnengewebe ... 2

2.1.2. Die Muskulatur des Menschen ... 4

2.2. Das Sprunggelenk und seine Bewegungsradien ... 11

2.3. Die Grundidee des Dehnens ... 12

2.3.1. Auswirkungen vom Dehnen ... 13

2.3.2. Einflüsse von Geschlecht, Wachstum und Alter auf die Dehnfähigkeit ... 13

2.3.3. Die Reaktion von Muskelgewebe auf Dehnreize ... 14

2.3.4. Dehnarten und ihre Auswirkungen ... 14

2.4. Aktueller Stand der Literatur ... 17

2.4.1. Einfluss der Anzahl/Dauer passiver Dehnungen ... 17

2.4.2. Dehnen und die Auswirkung auf den passiven Widerstand/ auf das passive Drehmoment ... 22

2.4.3. Unterschiedliche Auswirkungen durch Dehnen bei Mann und Frau ... 25

2.4.4. Auswirkungen unterschiedlicher Dehnarten auf Funktion und Struktur des Muskel- Sehnen-Gewebes ... 27

2.4.5 Weitere Studien mit Ergebnissen in Bezug auf strukturelle Veränderungen im Gewebe ... 31

2.4.6. Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Dehnintervention ... 37

2.4.7. Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisse ... 43

2.4.8. Ziel und Hypothesen der Dehnstudie ... 44

3. Methodik ... 45

3.1. Testpersonen ... 45

3.2. Die Messgeräte ... 47

3.3. Der Testablauf ... 52

3.3.1. Überblick über die einzelnen Messungen ... 52

3.3.2. Dehnintervention ... 53

(4)

3.3.3. Speicherung der Daten ... 53

3.4. Datenanalyse ... 53

3.4.1. Analyse der Daten des Dynamometers ... 53

3.4.2. Bearbeitung der Ultraschall- und Vicon-Videos ... 57

3.4.3. Analyse der Ultraschallvideos ... 59

3.4.4. Berechnung von RoM, Muskel- und Sehnenlänge ... 60

3.4.5. Berechnung der Muskel-/ Sehnenkraft, der passiven Muskel-/ Sehnensteifigkeit, der aktiven Sehnensteifigkeit und der Muskel-Sehnen-Steifigkeit ... 61

3.5. Statistische Analysen ... 61

4. Ergebnisse... 62

4.1. Ergebnisse der RoM und die dazugehörigen strukturellen Parameter ... 62

4.2. Ergebnisse der passiven Messung und der dazugehörigen strukturellen Parameter ... 63

4.2 Ergebnisse der aktiven Messung und der aktiven Sehnensteifigkeit ... 64

5. Diskussion ... 67

Quellenverzeichnis ... 70

Abbildungsverzeichnis ... 74

Tabellenverzeichnis ... 77

(5)

1

1. Einleitung

Beweglichkeit im Allgemeinen ist die Grundlage für eine korrekte, zielgerichtete Ausführung verschie- denster Bewegungen. Diese Flexibilität ist teils natürlich vorhanden oder kann durch regelmäßiges Training über einen längeren Zeitraum verbessert werden. Betrachtet man jedoch eine einzelne Deh- nung, ohne längerfristige Dehnintervention, kommt es zu akuten Auswirkungen. Diese sind trotz in- tensiver Forschung etwas lückenhaft und stellen die Wissenschaft immer wieder vor interessante Fra- gestellungen. Diese Arbeit befasst sich mit dem Thema „Dehnen und seine akuten Auswirkungen in den ersten zehn Minuten nach der Dehnintervention“ und soll Kenntnisse bringen, inwieweit Muskel- und Sehneneigenschaften auf einen Dehnreiz reagieren und ob akute Veränderungen für einige Minu- ten bestehen bleiben können.

Die Arbeit ist in vier Teilbereiche gegliedert. Das erste Kapitel befasst sich mit den theoretischen Grundlagen anatomischer Merkmale, Dehntechniken und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der zweite Teilbereich beschreibt die Methode der gegenwärtigen Studie. Dabei wird auf den Ablauf, die Messmethoden, die Analyse und Auswertung genauer eingegangen. Im dritten Kapitel werden die Er- gebnisse der durchgeführten Studie dargestellt und im letzter Teilbereich, der Diskussion, werden ge- genwärtige Ergebnisse mit Beispielen aus der Literatur verglichen.

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2

2. Theoretische Grundlagen

In den folgenden Kapiteln wird die Theorie, die hinter den Abläufen einer Dehnung und ihren Auswir- kungen steht, erörtert. Einerseits wird auf anatomische Merkmale, Muskeln und Sehnen betreffend, eingegangen, andererseits werden unterschiedliche Dehntechniken beschrieben und deren Wirkungs- weise erklärt. Eine Auswahl an publizierten, peer-reviewten Studien, die sich dem Thema Dehnen wid- men, wird in zusammengefasster Form präsentiert und die Ergebnisse übersichtlich dargestellt. Dieses Kapitel soll einen Überblick über die Theorie und den Forschungsstand schaffen und die komplexen Abläufe im Muskel-Sehnen-Gewebe leichter verständlich machen.

2.1. Anatomische Merkmale des Muskel-Sehnenapparates

In Bezug auf die Dehnfähigkeit sind die Muskulatur und ihre unmittelbar umliegenden Faszien am ein- fachsten zu beeinflussen. Knochen, Bänder und Gelenke sind in Bewegungen involviert und spielen bei der Beweglichkeit eine Rolle, jedoch können diese Gewebe durch Dehntraining kaum verändert wer- den. Gelenke sind die Drehachsen der Bewegung, dennoch ermöglichen Knochenformen und Gelenks- arten nur bestimmte Bewegungsrichtungen und -umfänge. Ein weiteres kaum beeinflussbares Gewebe stellen Bänder dar. Diese dienen der Fixierung und Stabilisierung beweglicher Knochenverbindungen.

Ein Dehnen dieser Gewebeart kann zu einem Verlust der Gelenksstabilität führen und erhöht in wei- terer Folge die Verletzungsgefahr (Walker, 2014, S.16-17).

2.1.1. Das menschliche Sehnengewebe

Das Verbindungsglied zwischen Muskulatur und Knochen stellen Sehnen dar (Abbildung 1). Diese wei- sen eine hohe Elastizität auf, obwohl sie aus festem, unelastischem Bindegewebe bestehen und reiß- fest sind (Walker, 2014, S.16-17). Wird ein Muskel-Sehnen-Komplex passiv gedehnt, übernimmt die

Sehne bis zu 53% der Längenveränderung (Morse et al., 2008, S.100). In der exzent- rischen Phase beim Laufen kommt es zu Ausdehnungen der serienelastischen Ele- mente in der Achillessehen von bis zu 5.5%

(Lichtwark et al., 2007, S.163).

Abbildung 1: Darstellung der Sehnen im Bereich des Sprunggelenks (iflebenskunde.de, 2017)

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3 2.1.1.1. Aufbau einer Sehne

Eine Sehne, eine Art von Bindegewebe, ist seriell und parallel zu den Muskelfasern positioniert (Frei- wald, 2009, S. 67,71). Die zugfesten Faserbündel aus Kollagen, die durch die umgebende Schicht „Pe- ritendineum externum“ zur Sehne geformt werden, transferieren die bei der Muskelkontraktion ent- stehenden Kräfte auf das Knochenskelett und umgekehrt (Schünke, Schulte, Schumacher, Voll & Wes- ker, 2011, S.60). In der bindegewebigen, lockeren Hülle der Sehne verlaufen Blutgefäße und Nerven- bahnen, die der Ernährung des Sehnengewebes dienen. Lange Sehnen sind in Sehnenscheiden gebet- tet, um ihnen ein Gleiten zu ermöglichen. Kommt es zu Einschränkungen dieser Gleitfunktion, kann es zu Beweglichkeitsverminderungen im jeweiligen Gelenk kommen (Freiwald, 2009, S.71).

Sehnen haben zwar einen Anteil für die Beweglichkeit eines Gelenks, aber hauptverantwortlich dafür ist jedoch die Muskulatur (Walker, 2014, S.17). Das Sehnengewebe verfügt im Vergleich zum Muskel- gewebe über einen verringerten Stoffwechsel und benötigt Monate bis Jahre, um sich an veränderte Gegebenheiten, z.B. Belastungen durch Krafttraining oder Dehnung, strukturell anzugleichen (Frei- wald, 2009, S. 60).

2.1.1.2. Verschiedene Arten von Sehnen

Man kann zwischen verschiedenen Arten von Sehnen unterscheiden. Die kurzen Sehnen sind ohne Mikroskop kaum erkennbar und bilden einen sogenannten „fleischigen Ursprung/Ansatz“. Zu den kur- zen Sehnen werden auch die sogenannten „platten Sehnen“ gezählt. Ein Beispiel für diese wären die Aponeurosen der schrägen Bauchmuskulatur oder die Ansätze der Brustmuskulatur. Die Sehnen der Hände und Füße hingegen sind lang und schmal und werden unter dem Begriff „lange Sehnen“ zusam- mengefasst (Faller & Schünke, 2008, S. 146).

Weiters unterscheidet man bei den Sehnen Zug- und Druck- bzw. Gleitsehnen (Abbildung 2). Zugseh- nen stellen die Verlängerung des Muskels dar und werden hauptsächlich durch Zugbelastung bean- sprucht. Die Anordnung der straffen Bindegewebsfasern verläuft

parallel (Schünke et al., 2011, S.60). Gleitsehnen hingegen verän- dern ihre Richtung und verlaufen rund um einen Knochen. Somit erzeugen sie Druck auf diesen (Faller & Schünke, 2008, S. 146).

Die knochenzugewandte Seite der Sehne besteht an der Kontakt- stelle aus Faserknorpel (Schünke et al., 2011, S.54-56).

Abbildung 2: Veranschaulichung Zug- und Gleit- sehne (Koethe-Rehling, 2017)

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4 2.1.1.3. Wirkungsweise einer Sehne

Bei einer Dehnung bzw. Belastung kommt es zu einer Straffung des Sehnengewebes. Im entspannten Zustand ist eine Sehne helixartig und wellenförmig. Eine Sehne hat somit eine dämpfende Funktion bei der Übertragung von Kraftspitzen bei Muskel-Sehnenübergängen und zwischen Knochen und Sehnen.

Diese Fähigkeit setzt eine geringe Verformbarkeit des Sehnengewebes voraus. Wird die Sehne inner- halb des physiologischen Dehnungsbereichs gedehnt bzw. belastet, nimmt sie nach Beendigung der

Belastung wieder ihre Ausgangsform an. Durch einen beson- deren Mechanismus im Sehnengewebe, der durch Glykosa- minoglykane entsteht, kommt es bei auftretenden Kräften zu Abstoßungen der kollagenen Fibrillen. Diese ermöglichen die Dämpfung der Kräfte und eine abgeschwächte Übertragung auf den passiven Bewegungsapparat. Kurzzeitig sind funktio- nelle und strukturelle Veränderungen der Länge zu beobach- ten, welche sich jedoch wieder zurückbilden. Beim Über- schreiten des physiologischen Dehnungsbereiches kann es zu Schädigungen des Sehnengewebes und zu anhaltenden Län- genveränderungen kommen (Freiwald, 2009, S. 71-73; Abbil- dung 3).

2.1.2. Die Muskulatur des Menschen

Etwa 220 Muskeln bilden die quergestreifte Skelettmuskulatur des Menschen. Diese wird auch als Ar- beitsmuskulatur bezeichnet. Die Skelettmuskulatur dient hauptsächlich der Erhaltung der Position des Skeletts und der Bewegungsausführung. Etwa 40 Prozent des Gesamtgewichtes des Menschen ent- steht durch die Arbeitsmuskulatur (Schünke et al., 2011, S.54-56).

2.1.2.1. Unterschiede der Muskelfasern

Die quergestreifte Muskulatur besteht hauptsächlich aus zwei verschiedenen Arten von Muskelfasern.

Es gibt die Typ I Fasern und die Typ II Fasern. Typ I Fasern, auch „slow twitch fibers“ genannt, haben größere motorische Einheiten, sind mit einem sehr guten Blutgefäßsystem versorgt und arbeiten vor- wiegend aerob. Sie sind auf Dauerbelastungen spezialisiert und eher langsam zuckend (100 Millisekun- den pro Zuckung). Die Typ II Fasern der quergestreiften Muskulatur, „fast twitch fibers“, zucken hinge- gen eher schnell und kraftvoll (30 Millisekunden pro Zuckung), werden von kleinen motorischen Ein- heiten angesteuert und ermüden rasch. Sie bekommen die Energie aus der Glykolyse, sind weniger

Abbildung 3: Wirkungsweise des Sehnengewebes am Ansatz eines Knochens (Schünke, 2000, S. 86)

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5 durchblutet als Typ I Fasern und auf Schnellkraftleistungen spezialisiert. Auf Grund der hohen Ausdau- erleistungsfähigkeit sind Typ I Fasern hauptsächlich in Haltemuskulatur vorhanden, wohingegen Typ II Fasern vermehrt in der Bewegungsmuskulatur vorkommen (Schünke et al., 2011, S.54-56).

2.1.2.2. Unterschiedliche Aufgaben der Muskulatur

Die Körperposition, Bewegungsart und Muskelarbeit ist ausschlaggebend, ob ein Muskel eine stabili- sierende oder mobilisierende Funktion übernimmt. Stabilisatoren haben die Aufgabe, Gelenke in Po- sition zu halten. Sie bestehen zum größten Teil aus ausdauernden, langsam zuckenden Muskelfasern und werden auch als tonische Muskulatur bezeichnet. Primäre Stabilisatoren stellen die tiefliegende, gelenks- und drehachsennahe Muskulatur dar. Die sekundären Stabilisatoren sind oberflächlicher po- sitioniert und kompensieren hohe Belastungen durch Muskelkraft. Tonische Muskelstrukturen sind für die Körperhaltung verantwortlich und neigen zu Verkürzung. Mobilisatoren sind oberflächlicher posi- tioniert und oft zweigelenkig. Sie bestehen vorwiegend aus kräftigen, schnell zuckenden Fasern, die nicht ausdauernd sind. Dafür ist es ihnen möglich, große Kräfte zu erzeugen, die für schnelle, plötzliche Bewegungen notwendig sind. Schnellzuckende Fasern werden auch als phasische Muskulatur bezeich- net und sie neigen eher zur Abschwächung und Verhärtung (Abbildung 4) (Walker, 2014, S. 25; Frei- wald, 2009, S. 54).

Abbildung 4: Veranschaulichung der phasischen und tonischen Muskulatur und ihre Neigung zur Abschwächung bzw. Verkür- zung (Wengert, 2017)

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6 2.1.2.3. Krafterzeugung und Einsatzfähigkeit eines Muskels

Die Dicke der Muskelfasern ist in jedem Muskel annähernd gleich stark, jedoch variiert die Länge die- ser. Der Unterschied kann bis zu 20 Zentimeter ausmachen. Weiters gibt es Differenzen in der Anord- nung der Muskelfasern (Fiederungswinkel) und auch die Relation zwischen Faser- und Muskellänge ist nicht immer dieselbe. Diese drei Aspekte tragen zur Entwicklung von Kraft bei und bestimmen die Ein- satzfähigkeit eines Muskels.

• Längere Fasern ermöglichen eine vergrößerte Hubhöhe eines Muskels

• Eine niedrige Hubkraft entsteht, wenn die Fasern in Bezug auf die Muskelgesamtlänge länger sind und somit der physiologische Querschnitt klein ausfällt.

• Die Hubkraft vergrößert sich mit dem Fiederungswinkel der Muskelfasern und dem dadurch entstandenen vergrößerten physiologischen Querschnitt (Schünke et al., 2011, S.57; siehe Abb. 6)

Die Form eines Muskels hängt von seiner Funktion und der Anordnung der Faserbündel ab (Walker, 2014, S. 18). Parallelfaserige Muskeln (Abbildung 5) können ein oder mehrköpfig sein und sie übertra- gen fast die gesamte produzierte Kraft auf die Sehnen (z.B. M. bizeps brachii, m. quardriceps femoris).

Abbildung 5: Darstellung eines parallelfaserigen Muskels (Brainyoo, 2017)

Gefiederte Muskeln hingegen übertragen nur einen Teil der entstehenden Kraft auf die Sehne, da die Muskelfasern schräg zu dieser verlaufen. In der im Grazer Bewegungslabor durchgeführten Studie wurde der einfach gefiederte M. gastrocnemius medialis untersucht, auf den in Kapitel 3 noch weiter eingegangen wird (Abbildung 6) (Schünke et al., 2011, S.57).

Abbildung 6: Verschiedene Fiederungen der Muskulatur; Fiederung A: einfach gefiederter Muskel; B: zweifach gefiederter Muskel; C: mehrfach gefiederter Muskel; blau: anatomischer Querschnitt; grün: physiologischer Querschnitt (Gille,2017)

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7 Des Weiteren gibt es Ringmuskeln, bei denen die Fasern in Kreisen rund um eine Pforte angeordnet sind (z.B.: sphincter ani externus). Dreieckige Muskeln sind so aufgebaut, dass die Muskelfasern von einem breiten Ursprung zu einem Band zusammenlaufen, wie zum Beispiel der M. pectorialis major (Walker, 2014, S.19).

2.1.2.4. Aufbau der Skelettmuskulatur

Abbildung 7: Aufbau eines Muskels (W&B/ Szczesny, 2017)

Wie in Abbildung 7 erkennbar, ist ein Muskel aus einer Vielzahl an Muskelfaserbündeln aufgebaut.

Diese wiederum bestehen aus einzelnen Muskelfasern. Eine Muskelfaser ist die Summe vieler Myo- fibrillen, die aus einzelnen Muskelzellen bestehen und in denen die kleinsten Funktionseinheiten der Muskulatur – die Sarkomere – ihren Platz haben. Myofibrillen werden von dem „Endomysium“ umge- ben. Dies ist die innerste Bindegewebsschicht des Muskels und wichtig für dessen Reißfestigkeit. Mus- kelfaserbündel werden von einem „Perimysium“ umgeben. Dieses dient vor allem dem Transfer der Zugkräfte der Muskulatur auf die Sehne. Der gesamte Muskel wird von dem „Epimysium“ umgeben.

Die Muskelfaszie ist die äußerste Schicht des Muskels und für die Form und Lage zuständig. Weiters geben Faszien den Muskeln die Möglichkeit, beinahe reibungslos mit minimalem Kraftverlust aneinan- der vorbeigleiten zu können (Schünke et al., 2011, S.58-61).

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8 2.1.2.5. Sarkomere und ihre Wirkungsweise

Wie in Abbildung 8 ersichtlich, bestehen Sarkomere aus dünnen Aktin-, dicken Myosinfilamenten und dem elastischen Protein Titin. Betrachtet man einen Skelettmuskel unter dem Lichtmikroskop, ist eine Querstreifung zu erkennen. Diese entsteht durch die abwechselnde Reihenfolge der zarten Aktin- und dicken Myosinfilamente. Muskelkontraktionen entstehen, indem die Myosinköpfchen an das Aktin an- docken, mit dem Köpfchen eine „Kippbewegung“ zur Mitte des Sarkomers ausführen und das Sarko- mer verkürzen. Dieser Vorgang benötigt eine erhöhte Kalziumkonzentration und die Zerlegung von Adenosintriphosphat (ATP) durch die Myosinkopf-ATPase. Je öfter die Wechselwirkungen zwischen den Filamenten ablaufen, desto stärker wird die Kontraktion. Das Titin hat vor allem im passiven Zu- stand eine fixierende und stabilisierende Rolle für das Myosinfilament (Schünke et al., 2011, S.58-59).

Ein einzelnes Sarkomer kann sich auf höchstens 70 Prozent der Ruhelänge verkürzen. Die Filamente an sich bleiben unverändert, weil sie sich bei einer Kontraktion überlappen (Schünke et al., 2011, S.58- 59).

Wird ein Muskel gedehnt, kann er sich auf bis zu 160 Prozent seiner Ruhelänge (100 Prozent) verlän- gern. Für ein Sarkomer bedeutet dies, dass eine Längenveränderung von ausgehend 2.25 Mikrometern bis zu ungefähr 3.8 Mikrometern möglich ist. Diese maximal erreichbare Länge wird auch physiologi- sche Dehnungsgrenze genannt. Bei Längen über 3.8 Mikrometern verlieren die Myosin- und Aktinfila- mente den Kontakt zueinander und eine Überlappung ist nicht mehr möglich. Es kommt zu Schädigun- gen von Strukturen der Muskulatur und zu Luxationen in Gelenken. Titinfilamente wirken einerseits stabilisierend und fixierend bei Kontraktionen, können andererseits aber auch gedehnt werden und wirken bei Dehnungen wie eine Feder, die sich wieder zusammenzieht. Innerhalb des physiologischen Dehnungsbereiches wird der Dehnungswiderstand durch die Titinfilamente hervorgerufen, nicht durch

Abbildung 8: Modell eines Sarkomers (memorang, 2017)

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9 das Bindegewebe, das den Muskel umgibt (Freiwald, 2009, S. 41). Ausnahmen sind Veränderungen im Gewebe (Muskulatur oder Bindegewebe), die durch Erkrankungen hervorgerufen werden (Freiwald, 2009, S. 68). Grundsätzlich wird auch bei einer Dehnung die Länge der Aktin- und Myosinfilamente nicht verändert. Das Titinfilament hat die Fähigkeit, potentielle Energie speichern zu können und diese wieder abzugeben. Die Titinfilamente sind größtenteils für die Ruhespannung der Muskulatur verant- wortlich (Freiwald, 2009, S. 41-44).

Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich Titinfilamente durch einen Dehnungsreiz nicht verändern oder anpassen. Diese bleiben mechanisch in derselben Form und sind ermüdungsre- sistent. Dies ist möglich, da elektrostatische und hydrophobe Kräfte wirken, die sich ähnlich wie sich abstoßende Magneten verhalten (Freiwald, 2009, S. 44-45).

2.1.2.6. Motorische Einheiten der Muskulatur

Motorische Endplatten stellen die Verbindungsstellen zwischen motorischen Nervenfasern (Motoneu- ronen) und Muskelfasern dar (Abbildung 9). Eine motorische Einheit wird als klein bezeichnet, wenn sie maximal 100, meist schnellzuckende, Muskelfasern erreicht. Eine große motorische Einheit hinge- gen innerviert mehrere tausend, meist langsam zuckende, Muskelfasern. Je geringer die Anzahl der innervierten Muskelfasern pro motorischer Einheit, desto feinere Bewegungen werden möglich (Schünke et al., 2011, S.59). Wird eine Muskelfaser stimuliert, kontrahiert diese in ihrem vollen Aus- maß. Wird nicht die ganze Muskelkraft benötigt, werden nur Teile eines Muskels stimuliert, während die anderen Muskelfasern unverändert bleiben (Walker, 2014, S. 20).

An den motorischen Endplatten (Synapsen) kommt es zur Reizübertragung zwischen Muskulatur und Nerven. In den Synapsen wird beim Eintreffen eines Reizes ein Neurotransmitter (Acetylcholin, ACh) freigesetzt. Der Botenstoff erwirkt das Öffnen von Kanälen, die es Natriumionen (Na+) ermöglichen, in die Muskelzelle zu gelangen. Das Ruhepotential von -95 Millivolt in der Zelle wird heruntergesetzt und es kommt zu einem Endplattenpotential. Bei dem Schwellenwert von -50 Millivolt strömen vermehrt Natriumionen in die Zelle und es kommt zur Bildung eines Aktionspotentials. In der Phase während des Wirkens des Aktionspotentials wird das freie Acetylcholin von der Acetylcholinesterase aufgespalten,

Abbildung 9:Darstellung Motorischer Endplatten unter einem Lichtmikroskop (Spectrum.de, 2017)

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10 die Kanäle geschlossen und die Ausführung eines neuen Reizes vorbereitet. Kaliumionen stellen das Ruhepotential in der Muskelzelle erneut her (Walker, 2014, S.21).

2.1.2.7. Arbeitsweise der Muskulatur

Betrachtet man einen Muskel im Allgemeinen, gibt es meist ein ruhendes, körpernahes und ein sich bewegendes, körperfernes Ende. Diese werden auch mit den Begriffen Ursprung (körpernahe) und Ansatz (körperfern) bezeichnet. Um eine Bewegung durchführen zu können, wird Muskelkraft erzeugt.

Es müssen mindestens zwei Muskeln zusammenarbeiten, um eine gezielte Bewegung ausführen zu können. Dabei sind die Agonisten die Muskeln, die den größten Kraftanteil einer Bewegung erzeugen und Antagonisten ihre Gegenspieler, die sich verlängern müssen und eine Schutzfunktion innehaben.

Zusätzlich gibt es Synergisten, welche als Stabilisatoren fungieren und den Agonisten unterstützen. Sie machen gezielte Bewegungen möglich (Walker, 2014, S. 23).

2.1.2.8. Kontraktionsarten in der Muskulatur

Man unterscheidet zwischen konzentrischer, exzentrischer und isometrischer Kontraktion in der Ske- lettmuskulatur (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Bei einer konzentrischen Kontraktion zieht sich ein Muskel während des Kraftaufbaus zusammen, das bedeutet, die Aktin- und Myosinfilamente geleiten ineinander, sie überlappen sich (siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.a.). Bei einer exzentrischen Kontraktion wird der Muskel während der Kraftaus- übung in die Länge gezogen. In diesem Fall werden die Aktin- und Myosinfilamente während der Kon- traktion auseinandergezogen (siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.b.). So- wohl eine konzentrische als auch eine exzentrische Kontraktion werden auch als dynamische Kon- traktion bezeichnet. Eine isometrische (statische) Kontraktion passiert ohne Positionsveränderung

der Körperteile. Es wird Kraft

aufgebaut, ohne dass die Länge

des Muskels verändert wird

(siehe Fehler! Verweisquelle

konnte nicht gefunden

werden.c; Walker, 2014,

S.24-25).

Abbildung 10: Darstellung der verschiedenen Kontraktionsformen (Bewect- Weiderer, 2017)

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11 2.1.2.9. Muskulus gastrocnemius medialis als Teil des Muskulus triceps surae

Der Muskulus gastrocnemius medialis ist der Zielmuskel in der gegenwärti- gen Studie. Dieser Muskel ist Teil des Muskulus triceps surae, zu dem auch der Muskulus gastrocnemius lateralis und der Muskulus soleus zählen. Die Muskelköpfe dieser Muskeln sind unter der Haut gut sichtbar, da sie ober- flächlich positioniert sind (siehe Abbildung 11). Alle drei Muskeln haben die Achillessehne als gemeinsame Verbindung zum Ansatzpunkt. Bei den mus- kuli gastrocnemii handelt es sich um gefiederte Muskeln. Die Aufgabe dieser Muskeln ist es, im oberen Sprunggelenk eine Plantarflexion hervorzurufen.

Im unteren Sprunggelenk sind sie für die Supination bzw. Inversion verant- wortlich. Die Ursprünge der beiden muskuli gastrocnemii sind am medialen und lateralen Epicondylus femoris. Aus diesem Grund beeinflussen diese Muskeln die Bewegung im Kniegelenk und sind für eine Flexion in diesem zuständig (Schünke et al., 2011, S. 488-489). Der Muskulus triceps surae ist daher bei einer gestreckten Knieposition am kräftigsten. Auch wird beim Stehen bzw. Gehen ersichtlich, wie kräftig dieser Muskel ist. Ihm ist es mög- lich, durch eine Kontraktion und daraus folgenden Plantarflexion das ge- samte Körpergewicht zu bewegen (Platzer, 2009, 262-263).

Abbildung 11: Darstellung des zweiköpfigen Wadenmuskels gastrocnemius (medialis und lateralis). Der Muskulus soleus liegt direkt unter den muskuli gastrocnemii (Sportordination, 2017)

2.2. Das Sprunggelenk und seine Bewegungsradien

Diese Arbeit behandelt unter anderem die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks, daher wird dieses auch genauer beschrieben. Grundsätzlich handelt es sich um ein Gelenk, das sich aus mehreren Ge- lenksteilen zusammensetzt. Das obere Sprunggelenk besteht aus den distalen Enden des Schien- und Wadenbeins und der Trochlea tali des Sprungbeins und ist ein Scharniergelenk. Die Gelenksachse ver- läuft leicht schräg vom außengelegenen Knöchel zum inneren. Das untere Sprunggelenk besteht aus Gelenksflächen des Os Naviculare, dem Os Talus und dem Os Calcaneus. Die Gelenksachse liegt zwi- schen dem äußeren Ende des Os Calcaneus und der Mitte des Os Naviculare, kurz gesagt verläuft sie von außen-hinten-unten nach innen-vorne-oben (Abbildung 12). Die „neutrale Null-Stellung“ im Sprunggelenk ist erreicht, wenn die Unterschenkelknochen beinahe einen 90 Grad Winkel zum Fuß- skelett aufweisen. Diese Position ist auch als „Funktionsstellung“ bekannt und ist die Basis für eine gute Haltung im Stehen und eine runde Gehbewegung. Der Bewegungsradius eines frei hängenden, unbelasteten Sprunggelenks reicht von 40-50 Grad Plantarflexion bis hin zu 20-30 Grad Dorsalflexion.

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12 Wenn der Fuß auf dem Boden aufgesetzt ist, ist es möglich, den Unterschenkel für rund 30 Grad nach vorne und rund 50 Grad nach hinten zu kippen (Schünke et al., 2011, S. 458-463).

Abbildung 12: Die Bewegungsachsen im oberen und unteren Sprunggelenk (Thieme, 2017)

2.3. Die Grundidee des Dehnens

Dehnungen werden erzeugt, indem einzelne Körperpartien in eine bestimmte Haltung gebracht wer- den und somit Zugkräfte auf das betroffene Muskelgewebe, auf Sehnen und Bänder, einwirken. Die Auswirkungen des Dehnens sind bis heute umstritten. Es wurde behauptet, durch Dehnen sei eine Leistungssteigerung und eine verbesserte Durchblutung und Regeneration der Muskulatur herbeizu- führen. Auch sei von einer Reduktion des Muskeltonus die Rede (Walker, 2014, S.29-30). Diese Thesen werden jedoch durch neuere Erkenntnisse der Wissenschaft widerlegt. Der Einfluss einer Dehnung auf die Muskulatur ist gering. Durch Dehnen lässt sich hauptsächlich der Bewegungsradius einzelner Ge- lenke vergrößern. Durch einen verbesserten Bewegungsradius wird das Verletzungsrisiko für Muskeln und Sehnen verringert. Eine verbesserte Durchblutung kann aufgrund der Verengung der Gefäße wäh- rend der Dehnung nicht stattfinden. Somit ist auch der Stoffwechsel in der Muskulatur vermindert (Freiwald, 2009, S.120-123). In Bezug auf den Muskeltonus lässt sich keine allgemeine Aussage tätigen, da die Ursache der erhöhten Muskelspannung in Betracht gezogen werden muss. Eine verspannte Muskulatur kann die Folge einer Erkrankung der Gelenke oder inneren Organe sein. Tritt dies auf, stellt sich durch Dehnen keine Verbesserung ein. Handelt es sich jedoch um Stressverspannungen, so ist es möglich, durch gezieltes Dehntraining den kontraktilen oder auch den viskoelastischen Muskeltonus zu vermindern (Freiwald, 2009, S. 136/142). Generell gilt: Funktionelle Anpassungen, zum Beispiel die

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13 Vergrößerung des Bewegungsradius, erzielt man schneller, wohingegen strukturelle Veränderungen, also die Anpassung des Muskelgewebes, einen längeren Zeitraum benötigen (Freiwald, 2009, S. 128).

2.3.1. Auswirkungen vom Dehnen

Nach einer Dehnung erwartet man, dass sich unter anderem eine verbesserte Gelenksbeweglichkeit einstellt. Auftretende Veränderungen können in kurz-, mittel- und langfristig einteilt werden. Kurzfris- tig bedeutet, dass Veränderungen unmittelbar nach dem Dehnen erkennbar sind. Mittelfristige Verän- derungen sind bis zu zwölf Wochen nach dem Dehnen messbar und langfristige Effekte wirken noch mehrere Monate danach (Freiwald, 2009, S. 193).

Unmittelbar nach einer Dehnung ist der Bewegungsradius des jeweiligen Gelenks größer. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich die persönliche Toleranz gegenüber Dehnungsspannungen bzw. dem Dehnungsschmerz verändert (Freiwald, 2009, S. 193-195). Es kann auch zu kurzfristigen Ver- änderung der Gewebestruktur kommen (Konrad et al, 2017). Bei mittel- und langfristigen Veränderun- gen kommt es zu Anpassungen des Gewebes, indem dieses stärker wird. Einerseits wird dadurch der Dehnungswiderstand erhöht, andererseits kommt es zu Beweglichkeitszunahmen durch erhöhte Ge- webestabilität (Freiwald, 2009, S. 193-195).

2.3.2. Einflüsse von Geschlecht, Wachstum und Alter auf die Dehnfähigkeit

Es gibt verschiedene Einflüsse, die die Dehnbarkeit von Gewebe beeinflussen. Es ist erwiesen, dass Frauen eine höhere Dehnbarkeit aufweisen als Männer. Dies ist auf die geschlechtsspezifischen ana- tomischen und physiologischen Merkmale, verschiedene Muskelausprägungen und andere Eigen- schaften des Muskel- und Bindegewebes zurückzuführen. Weiters spielen die geschlechtsspezifischen Hormone eine Rolle bei der Dehnfähigkeit von Gewebe. Während einer Schwangerschaft werden Frauen noch beweglicher. Dies ist vor allem in den Wirbelsäulengelenken, aber auch bei der Hüfte und im Iliosakralbereich beobachtbar (Freiwald, 2009, S. 144).

Kleinkinder sind auf Grund ihres Längenverhältnisses des Körpers (langer Rumpf und kurze Beine) be- weglicher als Jugendliche, die durch ein vermehrtes Längenwachstum veränderte Proportionen auf- weisen. Weiters spielt das zeitversetzte Wachstum von Knochen und Muskeln eine Rolle bei der Dehn- barkeit von Jugendlichen. Die Knochen wachsen zuerst und die Muskulatur passt sich erst etwas ver- zögert an (Freiwald, 2009, S. 145).

Mit fortschreitendem Alter verliert das Gewebe an Dehnfähigkeit. Regelmäßiges Dehnen kann diesem Abbau entgegenwirken. Einerseits kommt es zu altersbedingten Veränderungen im Gewebe, anderer- seits verändern sich die Aktivitätsgewohnheiten. Im fortgeschrittenen Alter kommt es häufig zu Binde- gewebseinlagerungen in der Muskulatur, da sich diese umbaut. Dazu werden Wassereinlagerungen

(18)

14 vermindert und somit geht Elastizität verloren. Altersbedingte Deformierungen der Gelenke sind ein weiterer Grund für eingeschränkte Beweglichkeit im Alter (Freiwald, 2009, S. 146).

2.3.3. Die Reaktion von Muskelgewebe auf Dehnreize

Wissenschaftler haben noch keine genaue Erklärung, ob und wie sich ein Muskel durch Dehnreize ver- längert. Vermutet werden Einflüsse der DNA und Messenger RNA (mRNA). Auch wird über mögliche Wachstumsfaktoren spekuliert, aber diese können noch nicht benannt werden. Derzeitiger Stand der Literatur ist, dass die mechanischen Einwirkungen einer Dehnung Auswirkungen auf den Zellkern ha- ben und diesen stimulieren. Somit kommt es zu Anpassungen struktureller Art. Dabei werden Sarko- mere hinzugefügt oder, bei ausbleibendem mechanischem Reiz, wieder abgebaut. Diese Veränderun- gen passieren am Ansatz bzw. Ursprung eines Muskels bei Sehnen- oder Muskelübergängen. Nach Be- endigung des Reizes (Ruhestellung in gedehnter oder verkürzter Position) sind diese Veränderungen sehr schnell umkehrbar. Wurden Muskelfasern vor diesen Experimenten von den Nervenbahnen ge- trennt, kam es dennoch zu den erwarteten und zuvor beobachteten Veränderungen. Daher kann die die Aussage getätigt werden, dass mechanische Reize die Anpassungen hervorrufen (Freiwald, 2009, S.47-49).

2.3.4. Dehnarten und ihre Auswirkungen

Es gibt verschiedene Arten, die Muskulatur zu dehnen. Grundsätzlich teilt man in zwei Überkategorien ein: statisches Dehnen und dynamisches Dehnen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Art des Dehnes der Erfahrung angepasst werden sollte, um positive Ergebnisse zu erreichen (Walker, 2014, S. 32).

2.3.4.1. Statische Dehn-Formen

Statisches Dehnen bedeutet, dass eine Dehnposition eingenommen und für eine bestimme Zeitspanne beibehalten wird. Nachfolgend werden unterschiedliche statische Dehnmethoden genauer beschrie- ben (Walker, 2014, S. 32).

Statisches Dehnen: Bei dieser Art des Dehnens sind alle beteiligten Muskeln und Muskelgruppen, die gedehnt werden, aber auch der oder die Gegenspieler, passiv. Es findet keine Aktivierung der Muskel- fasern statt. Das zu dehnende Muskelgewebe wird durch das Einnehmen der passenden Körperposi- tion unter Spannung versetzt. Durch Verlagerung des Körpergewichtes kann die Intensität der Deh- nung kontrolliert und angepasst werden. Um sich längenmäßig anpassen und entspannen zu können, benötigt die Muskulatur mindestens 20 Sekunden Dehnbelastung. Die Dauer von 45-60 Sekunden sollte nicht überschritten werden. Das Verletzungsrisiko dieser Dehnmethode ist sehr gering und daher ist diese Methode für Anfänger oder Menschen mit einem geringen Bewegungspensum passend. Die Methode wird als sicher und zielführend bewertet (Walker, 2014, S. 32). Laut Freiwald (2009) unter- scheidet man beim statischen Dehnen Methoden mit unterschiedlichen Durchführungszeiten. Die

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15 erste Methode hat eine Dehndauer von zehn bis fünfzehn Sekunden und wird eingesetzt, um eine neurophysiologische Veränderung zu erzielen. Die zweite Methode sieht eine Dehndauer von bis zu sechzig Sekunden vor und ruft neurophysiologische und strukturelle Veränderungen hervor. Methode drei sieht Dehnungen von über einer Minute Länge bis hin zu mehreren Wochen (Einsatz von Orthesen, Quengelgips, spezielle Schienen) vor und wird nur für therapeutische Zwecke empfohlen (Freiwald, 2009, S. 278-279).

Passives Dehnen: Diese Dehnform wird ähnlich ausgeführt wie das statische Dehnen, jedoch kommen Hilfsmittel oder ein Partner zum Einsatz. Die erreichte Dehnintensität ist höher als beim statischen Dehnen. Es entsteht eine größere Einwirkung auf das Gewebe, da die zugeführten Kräfte höher sind.

Wichtig ist, dass die eingesetzten Materialien stabil sind und die Zusammenarbeit mit dem Partner funktioniert. Ruckartige oder federnde Bewegungen sollten unterlassen werden, da es bei dieser Me- thode leicht zu Gewebeschäden kommen kann. Das Ergebnis dieser Dehnmethode ist ein vergrößerter Bewegungsradius. Die Verletzungsgefahr ist bei dieser Art des Dehnens erhöht. Es eignet sich für Re- habilitationszwecke oder ein Abwärmprogramm nach einer Belastung (Walker, 2014, S. 32-33). Wie beim statischen Dehnen sollten beim passiven Dehnen die Zeitvorgaben von zehn bis fünfzehn Sekun- den (Methode eins), bis zu sechzig Sekunden (Methode zwei) und für therapeutische Zwecke (Me- thode drei) angewandt werden (Freiwald, 2009, S. 278-279).

Aktives Dehnen: Diese Dehnmethode wird ohne Einwirkungen von außen angewandt. Die Dehnung wird durch das Anspannen der Gegenspieler der zu dehnenden Muskulatur hervorgerufen. Die zu deh- nende Muskulatur ist dadurch entspannt und flexibel. Die Position kann auf Grund der geleisteten Muskelarbeit des Gegenspielers nur über eine kurze Dauer von zehn bis fünfzehn Sekunden gehalten werden. Dennoch ist es eine effektive Art, um die Muskulatur für dynamische Dehnformen vorzube- reiten. Auch für Rehabilitationszwecke ist diese Form des Dehnens gut geeignet (Walker, 2014, S. 33).

Anspannen-Entspannen-Antagonistische Kontraktion und Dehnen: Der englische Begriff dieser Dehn- form ist „CRAC“ (Contract-Relax-Antagonist-Contract). Diese Dehnmethode wird nach demselben Prin- zip wie das Aktive Dehnen ausgeführt, jedoch wird der zu dehnende Muskel zuvor kontrahiert. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kontraktion mit einer hohen Intensität für zwei bis zehn Sekunden durch- geführt wird. Nachdem die Muskulatur entspannt wurde, wird die zu dehnende Muskulatur durch An- spannen des Gegenspielers in Dehnung gebracht (Freiwald, 2009, S. 285-286).

PNF-Dehnen: „Propriozeptives neuromuskuläre Fazilitation“ ist die vollständige Bezeichnung von PNF.

Diese Art des Dehnens ist für Fortgeschrittene und kombiniert Kontraktion und gleichzeitige Dehnung in der ausgewählten Muskulatur. Als Rehabilitationsmethode entwickelt, dient sie der Vergrößerung

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16 des Bewegungsradius und der Verbesserung der Muskelkraft. Die Methode wird als sehr effektiv ein- gestuft. Die Auswahl an PNF-Dehn-Methoden ist groß. Ein Beispiel wäre die „Post-Isometric Relaxa- tion“ (kurz: PIR). Bei dieser Methode wird die bereits gedehnte Muskulatur fünf bis sechs Sekunden angespannt. Die Unterstützung eines Partners ist hilfreich, damit keine Bewegungen in der Anspan- nungsphase möglich sind. Die wieder entspannte Muskulatur wird für weitere dreißig Sekunden in der Dehnposition gehalten. Dieser Vorgang sollte mit Unterbrechungen von bis maximal einer halben Mi- nute zwei bis vier Mal wiederholt werden (Walker, 2014, S. 33-34).

Isometrisches Dehnen: Diese Dehnmethode verfolgt denselben Ansatz wie das PNF-Dehnen. Es geht darum, einen Muskel im gedehnten Zustand zu kontrahieren, jedoch ist die Anspannungszeit mit zehn bis fünfzehn Sekunden um einiges länger als bei einer PNF-Dehnung. Der Vorgang sollte zwei bis fünf Mal wiederholt und durch mindestens zwanzig Sekunden Pause getrennt werden. In der kontrahierten Position sollte die gedehnte Muskulatur keine Bewegungsmöglichkeiten haben. Eine Erholungszeit von 48 Stunden zwischen Dehntrainings nach dieser Methode wird empfohlen und pro Einheit sollte pro Muskelgruppe nur eine Übung angewendet werden. Weiters sollten Kinder und Jugendliche im Wachs- tum diese Methode meiden (Walker, 2014, S. 34-35).

2.3.4.2. Dynamische Dehn-Formen

Im Gegensatz zu statischen Dehnmethoden werden bei dynamische Dehnformen Beweglichkeitsver- besserungen mit Hilfe von Bewegung erzielt. Schwingende und federnde Bewegungselemente führen zu einem größeren Bewegungsradius (Walker, 2014, S. 35-36). Im Folgenden werden unterschiedliche dynamische Dehnmethoden genauer erörtert.

Ballistisches Dehnen: Bei dieser Dehntechnik geht es darum, Dreh- und Federbewegungen für die Be- schleunigung der zu dehnenden Muskelpartien zu nützen und durch den entstehenden Schwung den Bewegungsradius zu vergrößern. Das Verletzungsrisiko ist sehr hoch und die Zeitspanne der Dehnung zu kurz, als dass die Faserlänge angepasst werden könnte. Das Risiko für Verkrampfungen auf Grund des Dehnreflexes steigt. Diese Dehntechnik ist schon älter und entspricht nicht mehr den Standards der Wissenschaft (Walker, 2014, S. 35-36).

Dynamisches Dehnen: Die dynamische Dehnmethode arbeitet mit Dreh- und Federbewegungen, je- doch werden diese kontrolliert, langsam und gezielt ausgeführt, um die maximale Dehnfähigkeit der Muskulatur zu erreichen und zu verbessern. Es kommt zu einer vorsichtigen Erhöhung der Intensität während der Ausführung. Ruckartige, unkontrollierte Bewegungen finden nicht statt (Walker, 2014, S.

36). Es werden fünf bis fünfzehn Wiederholungen in maximal möglicher Dehnposition ausgeführt. Bei einer dynamischen Dehnungsübung entstehen größere Spannungen als bei einer statisch ausgeführten Übung. Das Bindegewebe wird verstärkt gereizt und dies führt bei gesunden Menschen zu positiven

(21)

17 Veränderungen. Viele Sportarten werden dynamisch ausgeführt und somit eignet sich dynamisches Dehnen zur Vorbereitung bzw. zum Aufwärmen. Statisches Dehnen wird als unpassende Vorberei- tungsmaßnahme eingestuft und führt zu keiner Leistungsverbesserung im Wettkampf (Freiwald, 2009, S. 281-282).

Resistance Stretching und Loaded Stretching: Diese zwei Dehntechniken dehnen den Muskel während er kontrahiert ist. In der kontrahierten, gedehnten Position wird der gesamte Bewegungsradius der ausgewählten Muskelgruppe ausgenutzt. Das Ziel dieser Methoden ist das zeitgleiche Kräftigen und Dehnen der Muskulatur. Die Anforderungen an den Bewegungsapparat, diese Übungen richtig auszu- führen, sind hoch und benötigen ein gutes Körpergefühl (Walker, 2014, S. 37).

2.4. Aktueller Stand der Literatur

In den letzten Jahren wurden zum Thema Dehnen und dessen Auswirkungen auf den Muskel-Sehnen- apparat einige Studien veröffentlicht. Im folgenden Kapitel werden wissenschaftliche Erkenntnisse mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum Thema präsentiert.

Die Eigenschaften eines Muskel-Sehnen-Gewebes sind unter zwei Aspekten zu betrachten. Einerseits zählen der Bewegungsradius, der passive Widerstand und die maximale willentliche Kontraktion zu den funktionellen Eigenschaften. Andererseits gibt es strukturelle Parameter wie die Gewebesteifig- keit, Muskel- und Sehnenlänge. Diese Parameter, funktionell wie strukturell, können durch Dehnen beeinflusst werden.

Zum leichteren Verständnis werden folgende Bezeichnungen verwendet:

• Maximale willentliche Kontraktion = MVC (Maximum Voluntary Contraction)

• Elektromyographie = EMG

• Beweglichkeitsradius = RoM (Range of Motion)

Die Gewebesteifigkeit der Muskulatur/Sehne oder des gesamten Muskel-Sehnen-Apparates wurde aus dem Verhältnis Winkel und passiver Widerstand berechnet. Genauere Beschreibungen der einzelnen Parameter werden in Kapitel „3.4.4. Berechnung von RoM, Muskel- und Sehnenlänge“ und „3.4.5. Be- rechnung der Muskel-/ Sehnenkraft, der passiven Muskel-/ Sehnensteifigkeit, der aktiven Sehnenstei- figkeit und der Muskel-Sehnen-Steifigkeit“ vorgenommen.

2.4.1. Einfluss der Anzahl/Dauer passiver Dehnungen

Dehnen kann zu Veränderungen der Funktionalität und Strukturen im Muskel- bzw. Sehnengewebe führen. In diesem Unterkapitel geht es darum, aufzuzeigen, wie lange oder wie oft eine Dehnung ge- macht werden muss, um eine Veränderung zu erreichen.

(22)

18 Die amerikanischen Forscher Ryan et al. (2009) setzten es sich zum Ziel, herauszufinden, wie viele Wie- derholungen von statischen Dehnungen mit gleichbleibendem Drehmoment notwendig waren, um die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates der Wadenmuskulatur zu verringern. Die Messungen wurden an zwei unterschiedlichen Messterminen, in einem Abstand von drei bis fünf Tagen, durchgeführt. Der erste Termin galt dem Bekanntwerden mit dem Testprotokoll, der zweite stellte die eigentliche Mes- sung dar. Das Testprotokoll beinhaltete die Testung der Steifigkeit vor dem Dehnen, eine Dehninter- vention von vier Mal 30 Sekunden Dehnen und der Testung der Steifigkeit nach dem Dehnen. Das ma- ximal individuell erreichbare passive Drehmoment wurde beim ersten Termin getestet und diente als Grundlage für die Berechnung der Steifigkeit und als Zielwert für die Dehnintervention. Für die Steifig- keitstestung wurde das Sprunggelenk von zwanzig Grad Plantarflexion mit einer Geschwindigkeit von fünf Grad pro Sekunde in die Dorsalflexion bewegt. Das Maximum stellte das ausgetestete maximale Drehmoment dar (in etwa 20 Grad Dorsalflexion). Die Grundlage zur Berechnung der Steifigkeit war die Winkel-Drehmoment-Kurve der 30 Sekunden Dehnungen. Die Muskel-Sehnen-Steifigkeit war bei der dritten und vierten Dehnung und dem Test nach der Dehnintervention signifikant verringert (Ab- bildung 13). Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass eine Minute Dehnen der Wadenmuskulatur bei gleichbleibendem Drehmoment die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparats heruntersetzte (Tabelle 1).

Abbildung 13: Prozentuelle Veränderung der Muskel-Sehnen- Steifigkeit im Vergleich zu den Ausgangswerten. Darstellung von Mittelwerten mit Standardabweichung; *signifikant ver- ringert als der Ausgangswert (Ryan et al. (2009))

In der beschriebenen Studie konnten Veränderungen der Gewebesteifigkeit nach nur einer Minute Dehnen festgestellt werden. Die nächste Studie befasst sich mit den Auswirkungen einer Dehnung auf den Muskel-Sehnenkomplex.

Die beiden amerikanischen Wissenschaftler Boyce & Brosky (2008) beschäftigten sich mit der Frage, wie viele passive, zyklische Wiederholungen einer Dehnung notwendig sind, um eine Vergrößerung der Beweglichkeit der Oberschenkelrückseitenmuskulatur zu erzielen. In Rückenlage wurde das linke Bein einer jeden Testperson mit einem Hüftwinkel von 90 Grad fixiert und im Zuge der Testungen mit

Tabelle 1: Durchschnittliche Werte der Muskel-Sehnen- Steifigkeit (Nm*deg-1) von jeder Messung

(Standardabweichung in Klammer); *signifikante Veränderungen im Vergleich zu den Ausgangswerten (Ryan et al. (2009))

(23)

19 Hilfe eines Seilzuges das Kniegelenk so weit wie möglich gestreckt. Das andere Bein wurde in gestreck- ter Position auf der Unterlage abgelegt. Bei einer Ausgangsmessung wurde der Bewegungsumfang im Kniegelenk und der passive Widerstand der Oberschenkelrückseitenmuskulatur in der maximal mögli- chen Streckung getestet. Die Dehnintensität wurde mit Hilfe des Bewegungsradius und dem Wider- stand im Gewebe berechnet. Die Dehnintervention, folgend auf die Ausgangsmessung, bestand aus zehn Wiederholungen mit einer Dauer von je 15 Sekunden Dehnen und fünf Sekunden Pause. Das zu testende Bein wurde dazu mit Hilfe des Seilzugs soweit gestreckt, bis die errechnete Dehnintensität erreicht war. Nach den 15 Sekunden Halten der Dehnung wurde der erreichte Winkelwert im Kniege- lenk notiert. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass es einen signifikanten Unterschied zwi- schen den Wiederholungen der Dehnung gab. Ein signifikanter Anstieg des Bewegungsradius wurde bis zur fünften Wiederholung gemessen. Die größte Zunahme des Bewegungsradius wurde bei der zweiten Wiederholung gemessen. Ab der fünften Dehnung, bis zur zehnten, kam es zu keinen Verän- derungen des Bewegungsumfangs der Muskulatur der Oberschenkelrückseite. Im Mittel steigerte sich der Bewegungsradius um fünfzehn Grad, zwischen Dehnung eins und zwei wurden 53 Prozent dieser fünfzehn Grad erreicht. Die Ergebnisse zeigten, dass bei zehn durchgeführten Dehnwiederholungen die Werte einer jeden Dehnung vom Ausgangswert signifikant unterschiedlich waren, wobei zwischen den Wiederholungen fünf bis zehn kein Unterschied bestand. Mehr als fünf Wiederholungen führen zu keinen signifikanten Verbesserungen. Der größte Anstieg der Beweglichkeit wurde nach der ersten Wiederholung festgestellt (Abbildung 14Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.)Feh- ler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Beide Studien zeigen, dass es eine sehr kurze Zeitspanne benötigt, um erste kurzfriste funktionelle Veränderungen durch Dehnen in einem menschlichen Gewebe hervorzurufen. Es wird angenommen, dass auch strukturelle Veränderungen auftreten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2Tabelle 2Fehler! Ver- weisquelle konnte nicht gefunden werden. zusammengefasst.

Abbildung 14:Entwicklung des RoM in der Oberschenkelrückseitenmuskulatur bei wie- derholten 15-Sekunden Dehnungen (Boyce & Brosky, 2008)

(24)

20 Im Hinblick auf die folgenden zusammengefassten Studien im Literaturüberblick wird in diesem Exkurs auf die Verwendung des Ultraschalls als Messmethode aufmerksam gemacht. Bereits 1995 wurde eine Arbeit zu dieser Messmethode publiziert.

Fukashiro et al. (1995) beschäftigten sich mit Ultraschallmessungen, um die Verschiebung des Muskel- sehnenüberganges im Zuge einer Dehnung zu untersuchen. Mittels eines Dynamometers wurde das Sprunggelenk der Probanden/Probandinnen in eine Dorsalflexion mit den Winkeln 90, 105 und 120 Grad gebracht. Die Bewegungen im Bereich des Muskulus tibialis anterior wurden mit einem UItra- schallgerät visualisiert und aufgezeichnet. Der Sprunggelenkwinkel wurde von 120 Grad auf 105 Grad und 90 Grad verkleinert. Die Ergebnisse zeigten eine proximale Verschiebung des Gewebes. In dieser Studie wurde erstmals mittels Ultraschall die elastischen Charakteristiken einer menschlichen Sehne direkt und nichtinvasiv gemessen.

(25)

21

Tabelle 2: Überblick der Ergebnisse der Studien mit dem Schwerpunkt "Wiederholungszahl

Autoren Dehndauer Gewebesteifigkeit RoM Gewebeveränderungen

Ryan et al. (2009)

4x30 sek (gleichbleibendes

Drehmoment)

Ab dritter und vierter Dehnung – signifikante

Verringerung der Stei- figkeit

Boyce & Brosky (2008)

10x 15 sek (bei errechneter Dehnintensität >

baseline hamstring force x2)

Vergrößerter Bewegungs- umfang ab der zweiten Dehnung, Zwischen fünfter und zehnter Wiederholung

– kein Unterschied

Fukashiro et al. (1995)

120°-105°-90°

im Sprunggelenk (Muskulus tibialis an-

terior)

Proximale Verschiebung des Muskel- Sehnen-Übergangs beim Auflösen ei-

ner Dehnstellung

Tabelle 3: Überblick über die Ergebnisse der Studien mit dem Schwerpunkt Steifigkeit und passiver Widerstand/passives Drehmoment

Autoren Dehndauer RoM Gewebesteifigkeit Passiver Wider-

stand/ Drehmoment MVC Kubo et al.

(2000) 10 min Sehnensteifigkeit verringert Verringert

Morse et al.

(2008)

10 x passiv für 10°

mit 60°/sek 5 min

Vergrößert

Muskelsteifigkeit sinkt nach 5 min Deh- nung; Gesamtsteifigkeit sinkt aufgrund der

geringeren Muskelsteifigkeit; Sehnenstei- figkeit nicht signifikant verändert

Steigt mit größer werdendem Winkel

während der Mes- sung; geringer nach

der Dehnung Maisettti et al.

(2007) 75 sek Gewebesteifigkeit des Muskel-Sehnen-Ap-

parats nach Dehnung verringert

Nach Dehnung ver- ringert

Nach Dehnung verringert Evetovich et

al. (2003) 6 min Muskelsteifigkeit nach Dehnung verringert Verringert nach Deh- nung

(26)

22 2.4.2. Dehnen und die Auswirkung auf den passiven Widerstand/ auf das passive Dreh- moment

Die Steifigkeit eines Gewebes gibt Auskunft über die Elastizität bzw. den Dehnungswiderstand. Man würde erwarten, dass die Steifigkeit nach einer Dehnung abnimmt, da die einzelnen Elemente ausei- nandergezogen werden. Des Weiteren geht man auch davon aus, dass der passive Widerstand mit der Elastizität eines Gewebes zusammenhängt.

Der japanische Forscher Kubo (2000) und sein Team beschäftigten sich mit der Frage, wie sich stati- sches Dehnen auf die viskoelastischen Eigenschaften der lebendigen, menschlichen Sehnenstruktur auswirkt. Das Team untersuchte das Drehmoment während der Dehnung und einer MVC. Zusätzlich wurde die Dehnungsfähigkeit der Sehnenstruktur, die Steifigkeit und Hysterese mittels Ultraschall ge- testet. Weiters wurde das EMG-Signal während der Dehnung aufgezeichnet. Gedehnt wurde bei einem Winkel von 35 Grad Dorsalflexion. Das Dynamometer bewegte sich mit einer konstanten Geschwindig- keit von 5 Grad pro Sekunde in diese Position und verweilte in dieser für zehn Minuten. Beim Betrach- ten der Auswertung wurde ersichtlich, dass es nach dem Dehnen zu signifikant größeren Längenver- änderungen der Sehne kam (Abbildung 15). Weiters wurden signifikante Verminderungen der Seh- nensteifigkeit und Hysteresis nach dem Dehnen gemessen (Abbildung 16). Zusätzlich wurde der pas- sive Widerstand reduziert.

Die Studie von Kubo (2000) zeigt, dass es möglich ist, die Sehnenlänge und -steifigkeit durch statisches Dehnen zu verändern. Die Dehndauer mit zehn Mi- nuten war etwas länger als bei einigen anderen Stu- dien, dennoch gab es ähnliche Ergebnisse. Ein paar Jahre später beschäftigten sich britische Forscher mit einer ähnlichen Fragestellung.

Abbildung 16: Daten von 7 Personen; Fm-L Kurve während auf- steigender und absteigender Phase vollzieht einen Kreis (Hyste- rese). Hysterese war signifikant geringer nach dem Dehnen (A;

13.5+/-7.6%) als davor (B; 20.6+/-8.8%) Kubo et al. (2000)) Abbildung 15: Daten von 7 Personen; L tendiert dazu, nach dem

Dehnen größer zu werden als vor dem Dehnen. L über 300 N war sig- nifikant größer nach dem Dehnen als davor; *signifikanter Unter- schied zu den Ausgangswerten (Kubo et al. (2000))

(27)

23 Das britische Forscherteam Morse et al. (2008) hatte das Ziel, das Verhalten des Muskel-Sehnen-Über- gangs während der Dehnung genauer zu beschreiben, die Auswirkungen von kurzen, wiederholten Dehnungen aufzuzeigen und die Muskelausdehnung zu definieren, bei dem es zu verändertem Verhal- ten der Gewebe kam. Ein Dehn-Test führte die Fußschaufel in eine 25 Grad weite Dorsalflexion. Dieser Test wurde drei Mal vor und nach schnellen Dehnungen durchgeführt. Ein weiteres Protokoll beinhal- tet zehn sich wiederholende Dehnungen von Null bis zehn Grad Dorsalflexion mit einer Winkelge- schwindigkeit von 60 Grad pro Sekunde. Daraus wurde das Verhältnis zwischen Drehmoment und Win- kel berechnet. An einem anderen Tag wurde ein weiteres Protokoll durchgeführt. Dabei handelte es sich um fünf wiederholte Dehnungen, die am maximalen, individuell festgelegten RoM für die Dauer von je einer Minute ausgeführt wurden. Für jede der fünf Dehnungen wurde der RoM neu angepasst.

Die Forscher fanden heraus, dass das maximale Drehmoment stark zunahm, je größer der Winkel ge- gen Ende wurde. Das Drehmoment bei selbem Winkel während und nach der Dehnung war jedoch signifikant niedriger. Bei den Standard-Dehnungen verlängerte sich der gesamte Muskel-Sehnen-Ap- parat um 2.19 Zentimeter. Der Muskel-Sehnen-Übergang hingegen verschob sich um 1.04 Zentimeter, was bedeutet, dass der Muskel um 1.04 Zentimeter (47 % der gesamten Verlängerung) und die Sehne um 1.15 Zentimeter (53 %) verlängert wurden. Die Verlängerung des Gewebes passierte linear zur Ver- größerung des Winkels. Der Bewegungsradius des Sprunggelenks wurde nach den fünf wiederholten einminütigen Dehnungen signifikant vergrößert. Weiters kam es in der Ruheposition zu einer Verkür- zung der Sehne und einer Verschiebung des Muskel-Sehnen-Überganges nach distal. Der Grund dafür liegt darin, dass die Steifigkeit der Muskulatur stärker verringert war als die der Sehne. Die Steifigkeit der Muskulatur sank nach den fünf Dehnungen signifikant im Vergleich zu den Messungen vor den Dehnungen. Bei der Sehne kam es zu keinen signifikanten Veränderungen. Betrachtete man die Mus- kelfaserlänge während einer Standard-Dehnungen, so gab es keine signifikanten Längenveränderun- gen. Der Fiederungswinkel der Muskelfasern verringerte sich während der Dehnung, die relative Mus- kelfaserlänge in Bezug auf die Muskellänge stieg. Dennoch wurden keine signifikanten Veränderungen des Muskel-Sehnen-Überganges nach den zehn wiederholten Dehnungen gemessen. Ein Teil der pas- siven Dehnung wurde den Ergebnissen nach von der Sehne übernommen. Auch wenn die Gesamtstei- figkeit des Muskel-Sehnen-Apparates nach der Dehnung sank, ging dies von der signifikant verringer- ten Steifigkeit des Muskelgewebes aus und nicht von der Sehnensteifigkeit. Diese blieb statistisch ge- sehen unverändert.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigten, dass sich die Sehnensteifigkeit nicht veränderte, wohingegen das Muskelgewebe nach den Dehnungen elastischer wurde. Auch die Vergrößerung des Bewegungsradius im Sprunggelenk wird auf die verminderte Muskelgewebesteifigkeit zurückgeführt. Weiters spielt die Art der Dehnung bzw. Gewebebelastung eine entscheidende Rolle dabei, ob es zu funktionellen und/o- der strukturellen Veränderungen kommt oder nicht.

(28)

24 Das Team Maisetti et al. (2007) arbeitete an der Fragestellung, ob der passive Widerstand in der Wa- denmuskulatur durch eine Dehnung von realitätsnaher Dauer beeinflusst wurde. Die Dehnintervention beinhaltete fünf zyklische Dehnungen, die bei 40 Grad Plantarflexion begannen und bei 80 Prozent des zuvor ausgetesteten maximalen Bewegungsradius in der Dorsalflexion endeten. Beim Wendepunkt bei 80 Prozent wurde die Dehnung für 15 Sekunden gehalten, bevor das Dynamometer das Gelenk wieder in die Plantarflexion bewegte. Während der Dehnungen wurde der passive Widerstand, der Winkel und die Winkelgeschwindigkeit aufgezeichnet. Der maximale Bewegungsradius wurde vor der Dehnin- tervention gemessen. Nach standardisierten submaximalen Kontraktionen wurden drei MVC-Tests für die Plantar- und Dorsalflexoren bei 90 Grad Sprunggelenkswinkel durchgeführt. Die Krafttests sollten so schnell wie möglich ausgeführt werden, um eine maximale Kraftentwicklungsrate zu erreichen. Im Anschluss an die Dehnintervention und nach weiteren 30 Minuten Pause wurden diese Tests wieder- holt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass unmittelbar nach der Dehnung die passive Steifigkeit, das höchste passive Drehmoment und das finale Drehmoment verringert waren. Weiters kam es zu einer signifikanten Abnahme der maximal willkürlich erzeugten Kraft, die auch nach 30 Minuten noch verringert war. Die Kraftentwicklungsrate wurde durch die Dehnung nicht verändert. Zusammenfas- send lässt sich sagen, dass wiederholte Dehnungen keine Auswirkung auf die Kraftentwicklungsrate haben. Die maximale isometrische willkürliche Kraft und auch die passiven Charakteristiken der Wa- denmuskulatur sinken signifikant auf Grund der durchgeführten Dehnungen.

Die Ergebnisse der Studie von Maisetti et al. (2007) zeigen, dass das passive Drehmoment nach einer Dehnung verringert wird. Dies könnte wiederum mit der verringerten Steifigkeit des Muskel-Sehnen- Apparats zusammenhängen.

Das Forscherteam Evetovich et al. (2003) untersuchte die Auswirkungen bzw. Veränderungen einer statischen Dehnung in Bezug auf Drehmoment, Muskelaktivierung (EMG) und Mechanomyographie (MMG) während einer isokinetischen, konzentrischen Muskelaktivität. An zwei Terminen, mit mindes- tens 48 Stunden Abstand, wurden drei maximale isokinetische Vorarmflexionskrafttests am nichtdo- minanten Arm durchgeführt. Je ein Termin wurde mit Dehnintervention und einer ohne Dehnen ab- solviert. Es wurde ein EMG und ein Mechanomyogramm aufgezeichnet. Das isokinetische Drehmo- ment während der Kontraktion wurde mit dem verwendeten Dynamometer gemessen. Zwei unter- schiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten (fünf Grad pro Sekunde und 270 Grad pro Sekunde) wurden getestet und je drei Versuche aufgezeichnet. Für die Dehnintervention wurden drei verschiedenen Übungen gewählt, die vier Mal für 30 Sekunden wiederholt wurden. Aus den Ergebnissen konnte man herauslesen, dass das Drehmoment ohne Dehnung signifikant höher war. Die EMG-Auswertung ließ auf keine Unterschiede zwischen dehnen und nicht dehnen schließen. Die MMG-Amplitude war nach der Dehnintervention signifikant höher als ohne dehnen, gemessen bei beiden Geschwindigkeiten. Die

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25 Ergebnisse repräsentierten 34.3 % (bei 270 Grad pro Sekunde) bzw. 32.5 % (bei 30 Grad pro Sekunde) höhere Werte der MMG-Amplitude ohne Dehnintervention im Vergleich zur Messung mit Dehninter- vention. Die Ergebnisse zeigen, dass Dehnen die Muskulatur bzw. Sehnen soweit beeinflusst, dass das Drehmoment eines Gelenks verringert wird. Die Gründe dürften die herabgesetzte Muskelsteifigkeit und die verringerte Fähigkeit der Endplattenrekrutierung sein.

Laut Evetovich et al. (2003) treten funktionelle Veränderungen nach einer Dehnintervention auf, wel- che auch mit strukturellen Veränderungen einhergehen können. Abschließend lässt sich zusammen- fassen, dass die Muskelsteifigkeit das passive Drehmoment und auch den Bewegungsradius im jewei- ligen Gelenk beeinflussen kann.

In diesen beschriebenen Studien wurden unterschiedliche Muskelgruppen getestet und dennoch wa- ren die Ergebnisse sehr ähnlich. Es ist auffallend, dass sich die Sehnensteifigkeit nur in der Studie von Kubo et al. (2000) veränderte, wohingegen Veränderungen in der Muskelsteifigkeit bei mehreren Pro- tokollen (Morse et al. (2008), Maisettti et al. (2007), Evetovich et al. (2003)) auftraten. Ein genauer Überblick über die Studien ist in Tabelle 3Tabelle 3 gegeben.

2.4.3. Unterschiedliche Auswirkungen durch Dehnen bei Mann und Frau

Wie in Kapitel 2.2.2. bereits erwähnt, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Be- weglichkeit.

In England beschäftigte sich das Team Burgess, Graham-Smith & Pearson (2009) mit dem Vergleich von Effekten nachfolgend einer Dehnung zwischen Männern und Frauen. Das Ziel war es, mögliche Unter- schiede der mechanischen und strukturellen Auswirkungen des Dehnens auf Sehnenstrukturen zwi- schen den Geschlechtern aufzuzeigen. Getestet wurde die Wadenmuskulatur. Das Drehmoment wurde während einer MVC und die Sehnenlängenveränderung während einer isometrischen Plant- arflexion gemessen. Die Dehnintervention umfasste eine fünfminütige Dehnphase bei 35-40 Newton- meter passiven Widerstandes. Der Winkel im Sprunggelenk wurde während der Dehnung an den er- forderlichen Widerstand angepasst. Dieselben Messungen wurden im Abstand von einer Woche er- neut durchgeführt, jedoch wurde die Dehnintervention verändert. Die Intensität wurde so gewählt, dass 730 Newton auf die Achillessehne einwirkten. Die Ergebnisse ließen keine signifikanten Verände- rungen der Steifigkeit zwischen den unterschiedlichen Dehninterventionen erkennen. Die Steifigkeit der Achilles-Sehne vor der Dehnung war bei Frauen um 35 Prozent signifikant niedriger als bei Män- nern. Die Hysterese vor der Dehnung war bei Frauen um 33 Prozent erheblich geringer. Auch die Seh- nenlänge war bei Frauen um 16 Prozent erkennbar kürzer als bei Männer. Nach dem Dehnen sank bei

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26 beiden Geschlechtern die Steifigkeit der Sehne

und des Elastizitätsmoduls signifikant - bei Frauen um 20.5 Prozent, bei Männern um 8.4 Prozent. Die Hysterese verringerte sich wesent- lich bei beiden Geschlechtern, bei den Frauen je- doch mehr. Die Sehnenlänge veränderte sich nicht erheblich nach dem Dehnen. Zusammen- fassend bedeutet dies, dass bei Frauen, vergli- chen mit den Männern, signifikante Verringerun- gen der Steifigkeit, Hysterese und Elastizitätsmo- duls der Achillessehne zu beobachten waren (Abbildung 17).

Diese Studie zeigt, dass weibliche Probandinnen geringere passive Widerstände und verringerte Steifigkeiten aufweisen als Männer.

Inwieweit es nach einer statischen Dehnung in der Wadenmuskulatur einen geschlechtsspezifischen Unterschied bei Veränderungen der Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates und der Bewegungs- amplitude im Sprunggelenk gibt, untersuchten Hoge et al. (2010). Die Testungen wurden mit gestreck- tem Knie und einer Neunzig-Grad-Stellung im Sprunggelenk durchgeführt. Das genutzte Dynamometer bewegte die Fußschaufel mit einer Geschwindigkeit von fünf Grad pro Sekunde bis zum Schmerzpunk (point of discomfort). Insgesamt wurden neun Wiederholungen mit je 135 Sekunden Dehndauer und zehn Sekunden Pause durchgeführt. Die maximal mögliche Dorsalflexion im Sprunggelenk wurde vor und nach der Dehnintervention gemessen. Es wurde auch das passive Drehmoment aufgezeichnet. Die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates wurde mit Hilfe des Gelenkswinkels und dem Drehmoment errechnet. Die Steifigkeit nimmt bei Frauen um 36.7 Prozent und bei Männern um 15.4 Prozent in Bezug auf die Werte vor der Dehnung ab. Nach dem Dehnen vergrößert sich der Bewegungsumfang im Sprunggelenk bei Männern um 3.1 Prozent und bei Frauen um 7.3 Prozent. Zusammenfassend zeigte sich, dass zwanzigminütiges passives Dehnen mit gleichbleibendem Drehmoment die passive Beweglichkeit im Sprunggelenk erhöht und die Steifigkeit des Muskel-Sehnen-Apparates senkt. Dies ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten, wobei die Veränderungen bei Frauen höher ausfallen. Dies

Abbildung 17: Durchschnittliche Kraft-Verlängerungs-Kurve (a) und durchschnittliche Stress-Belastungs-Kurve (b) für Frauen und Männervor und nach der Dehnintervention (Burgess, Gra- ham-Smith & Pearson (2009))

(31)

27 kann auf geschlechterspezifische Differenzen bei den viskoelastischen Elementen im Gewebe zurück- zuführen sein.

Sowohl die Studie von Burgess, Graham-Smith & Pearson (2009) als auch Hoge et al. (2010) zeigen größere funktionelle und strukturelle Veränderungen bei Frauen. Der genaue Grund für diese Ergeb- nisse ist nicht bekannt, jedoch könnte es laut Hoge et al. (2010) mit unterschiedlichen viskoelastischen Gegebenheiten im Gewebe zusammenhängen. Tabelle 4Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse im Überblick.

2.4.4. Auswirkungen unterschiedlicher Dehnarten auf Funktion und Struktur des Muskel- Sehnen-Gewebes

Die unterschiedliche Wirkung von statischem und dynamischem Dehnen untersuchte ein amerikani- sches Forscherteam rund um Herda et al. (2008). Analysiert wurden das maximale Drehmoment, die EMG- und Mechanomyographie (MMG)- Amplitude des Muskulus bizeps femoris während einer MVC der Beinbeugemuskulatur. Das maximal erreichbare Drehmoment wurde in vier verschiedenen Win- kelpositionen vor und nach dem Dehnen gemessen. Weiters wurden in jeder Winkelposition zwei MVC-Testungen mit 30 Sekunden Pause zwischen den Wiederholungen und einer neuen Winkelein- stellung durchgeführt. Nach der ersten Testserie wurde je nach Gruppenzuteilung statisch oder dyna- misch gedehnt. Die statischen Dehninterventionen umfassten drei Dehnübungen mit vier Dehnungen von je 30 Sekunden. Die Dehnung wurde am Schmerzpunkt gehalten. Bei der dynamischen Dehninter- vention wurde der Muskel in drei verschiedenen Übungen vier Mal mit einer langsamen Geschwindig- keit 30 Sekunden gedehnt. Zwischen zwölf und fünfzehn Dehnungen wurden in dieser Zeit durchge- führt. Zwischen allen Dehnungen wurde 15 Sekunden pausiert. In einem Kniewinkel von 101 und 81 Grad sank das Drehmoment bei statischen Dehnungen, während dynamisches Dehnen keine Auswir- kungen hatte. Nach dem statischen Dehnen war die Kraftentwicklung in der getesteten Muskulatur verringert, wohingegen beim dynamischen Dehnen keine Veränderung auftrat.

Zusammenfassend kann die Aussage getroffen werden, dass es Unterschiede zwischen statischen und dynamischen Dehnungen gibt.

Konrad, Budini & Tilp (2017) untersuchten die unmittelbaren Auswirkungen zweier Dehnmethoden auf die funktionellen und strukturellen Parameter des Muskel-Sehnen-Apparats. Dabei ging es darum, die Unterschiede von konstantem statischen Winkel-Dehnen und konstantem statischen Drehmoment- Dehnen aufzuzeigen. Die Messungen wurden vor und nach dem Dehnen durchgeführt und umfassten die maximale Dorsalflexion des Sprunggelenks, eine passive Widerstandmessung, eine MVC und die Analyse der Steifigkeit von Sehne, Muskel und der Kombination aus beiden. Die Dehnintervention star- tete bei 90 Grad Sprunggelenkswinkel und dauerte vier Mal 30 Sekunden. Pausen bis zu 20 Sekunden zwischen den Dehnungen waren möglich. Bei der Methode mit gleichbleibendem Winkel bewegte der

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28 Proband/die Probandin das Dynamometer selbst zu 95 Prozent des zuvor bestimmten maximalen Dor- salflexionswinkels. Bei der Variante mit dem gleichbleibenden Drehmoment wurde der Proband/die Probandin angehalten, den Widerstand auf 95 Prozent des zuvor maximal erreichten Wertes zu brin- gen und diesen durch ständiges Anpassen des Winkels während der Dehndauer von 30 Sekunden zu halten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass beide Varianten zu einer signifikanten Erhöhung des Bewegungsumfangs im Sprunggelenk führten. Jedoch zeigte die Methode mit dem gleichbleibenden Drehmoment erheblich größere Veränderungen. Weiters führten beide Methoden zu einer Verringe- rung des passiven Widerstandes, der Muskel-Sehnen-Steifigkeit und der Muskelsteifigkeit an sich. Be- züglich der Daten des passiven Widerstandes fielen die Veränderungen bei der Methode mit dem gleichbleibenden Drehmoment signifikant höher aus. Es gab keine auffallenden Unterschiede zwischen den Dehnmethoden bezüglich der MVC und der aktiven Sehnen-Steifigkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Methoden zur Verbesserung der Bewegungsamplitude und Minimierung des passiven Widerstandes beitragen. Auch die Muskel-Sehnen- und Muskelsteifigkeit nehmen ab.

Den Ergebnissen dieser Studie zufolge ist es zielführender, den passiven Widerstand im Gewebe wäh- rend des Dehnens auf demselben Niveau zu halten.

Die australischen Wissenschaftler McNair et al. (2000) gingen der Frage nach, ob die Wirkung von sta- tischen Dehnungen und kontinuierlichen passiven Bewegungen in Bezug auf Steifigkeit und Wider- standsverringerung bei einer Dorsalflexion im Sprunggelenk unterschiedlich war. Die maximale Beweg- lichkeit der Probanden/Probandinnen wurde eine Woche vor den Testungen bestimmt. Am Testtag wurde bei der passiven Testung das Sprunggelenk mit einer Winkelgeschwindigkeit von fünf Grad pro Sekunde bis 80 Prozent der maximalen Dorsalflexion bewegt. Vier Testtermine wurden innerhalb von vier Wochen immer am selben Tag und zur selben Uhrzeit durchgeführt. Die Tests erfolgten in zufälli- ger Reihenfolge. Folgende Testvariationen wurden durchgeführt: 60 Sekunden statisches Dehnen, zwei Mal 30 Sekunden statisches Dehnen, vier Mal 15 Sekunden statisches Dehnen mit je zehn Sekun- den Pause zwischen den Dehnungen oder 60 Sekunden kontinuierliche passive Bewegungen. Es wur- den die ersten zehn Prozent zu Beginn und die letzten zehn Prozent am Ende der Bewegungsdauer analysiert und miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Steifigkeit in den letzten zehn Prozent der Bewegungsamplitude signifikant höher war als in den zehn Prozent zu Beginn der Bewe- gung. Die Steifigkeit nahm während der kontinuierlichen passiven Bewegung signifikant ab, bei den statischen Dehnungen wurde kein Unterschied gefunden. Bei diesen kam es zu einer signifikanten Ab- nahme des Widerstandes. Es gab einen signifikanten Unterschied zwischen der kontinuierlichen passi- ven Bewegung und den statischen Dehnungen, aber keinen Unterschied im Vergleich der zwei Mal 30 Sekunden, vier Mal 15 Sekunden und den 60 Sekunden Dehnzeiten. Am stärksten sank der Widerstand

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