• Keine Ergebnisse gefunden

MUSICAL ARRANGEMENTS & GARY HICKESON, MUSICAL SUPERVISOR

Können Sie mehr zur Auswahl der Titel für BERLIN BERLIN erzählen?

Hickeson: Es war wirklich schwer, die Besten aus so vielen guten Songs zu wählen. Für die endgültige Auswahl haben wir uns als Kreativteam zwei Tage lang förmlich in einem Raum verschanzt.

Morris: Es gibt bestimmte Stars, die wir unbedingt würdigen wollten. Dabei war es auch wichtig, wiederum die Vielfalt ihrer Arbeit zu zeigen. Vor allem soll die Musik aber Spaß machen. Die Show soll die ausgelassene Stimmung der Clubs vergegenwärtigen, in die die Menschen für einen Abend flüchteten.

Welcher Song ist Ihr ganz persönlicher Favorit?

Hickeson: Vom technisch-musikalischen Anspruch gesehen ist „Puttin‘ on the Ritz“ mein Favorit. Der Titel steht exemplarisch für das rhythmische und lyrische Genie von Irving Berlin und vereint das ganze verspielte Ideal der wilden 20er. Der Text und die Musik bringen in ihrer ursprünglichen Form auf den Punkt, dass jeder eine gute Zeit haben und seine Sorgen vergessen kann. Mein zweiter Favorit ist „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“.

Morris: Für mich ist es „It don‘t mean a thing (if it ain‘t got that swing)”, ein Titel, der alles sagt. Im Swing steckt so viel Leben. Josephine Baker, die den Titel singt, war verrückt, voller Energie, Leben und positiver Ausstrahlung.

Dieser Song repräsentiert einfach alles Brillante der Weimarer Republik.

Wenn man heute Aufnahmen von Künstlern wie den Comedian Harmonists hört, dann wirkt das Tempo für unsere Ohren eher langsam. Wie vereint man den authentischen Sound der 20er Jahre mit dem Zeit-gemäßen, also dem Geschmack und den Stilen von heute?

Hickeson: Das ist eine spannende Frage. Für mich sind die Tempi von typischen Songs wie „Puttin‘ on the Ritz“

und „Let’s Misbehave“ regelrechte „Upbeat-Titel” und gar nicht so weit weg von dem, was wir heute hören.

„Mein kleiner grüner Kaktus” haben wir sogar ein wenig langsamer angelegt. Vielleicht werden wir die eine oder andere Ballade etwas schneller spielen, aber das passiert oft bei Livemusik. Es ist ein Unterschied, ob man sich Musik zuhause anhört oder ob man sie live erlebt. Livemusik braucht in der Regel etwas mehr Schwung, um die Zuschauer mitzunehmen.

Morris: Man muss sich in Erinnerung rufen, dass viele Original-Aufnahmen mittlerweile über 90 Jahre alt sind.

Damals war vor allem die technische Qualität im Vergleich zu heute schlecht. Das nimmt den Aufnahmen jede Menge Energie und führt dazu, dass die Stimmen und der Sound nicht so klar wiedergegeben werden, wie sie wirklich waren. Man kann sagen, die Songs von damals sind nicht wirklich langsam, es fehlt ihnen nur die Ener-gie. Damals stand für die Aufnahmen zum Beispiel oft nur ein Mikrofon für alle Sänger und Instrumente zur Ver-fügung. Dadurch gingen enorm viele Details verloren – der Ausdruck, die Harmonien und die Begleitung. Und so klingen die Aufnahmen für unsere Ohren heute eher distanziert. Für die Show holen wir nun die Atmosphäre, das Leben und den Sound der Songs in ganzer Fülle zurück auf die Bühne.

Was bedeutet das für die Arrangements?

Morris: Bei vielen Arrangements sind wir sehr nah an den Originalen. Die Songs von Marlene Dietrich sind so bekannt, dass wir kaum etwas verändert haben. Andere Nummern wie „Puttin’ on the Ritz” haben brand-neue Arrangements im Stil des Originalsounds erhalten. Das hat damit zu tun, dass es zwar viele Arrangements bestimmter Titel gibt, die Originale aber nicht unbedingt überliefert sind. Was die Show definitiv ins Heute holt, ist die Qualität der Technik und des Sounds. Heute ist alles viel individueller. Alle Instrumente bekommen ihre eigene Verstärkung, was ihnen wesentlich mehr Klarheit und einen volleren Sound verleiht als vor 100 Jahren.

Welche Klänge, Instrumente, Rhythmen und Stile nutzen Sie noch, um den Sound der 20er auf die Bühne zu holen?

Hickeson: Wir gehen mit großer Sorgfalt vor und gestalten die Musik so nah wie möglich am Sound der 20er Jahre, um einen unverfälschten Clubband-Charakter zu erzielen. Klavier, Schlagzeug und Kontrabass sind das Rückgrat der Show, während die Blechbläser, die Holzbläser und die Violine ihr die Seele einhauchen. Natürlich darf auch das Banjo nicht fehlen – für den original kecken 20er-Jahre-Sound.

Braucht eine echte 20er-Jahre-Band spezielle Fähigkeiten, um die besondere Musik spielen zu können?

Morris: Absolut. Die Spieltechniken von damals werden heute nicht mehr unbedingt eingesetzt: Die Klarinette zum Beispiel muss viele hohe Noten und ein schnelles Vibrato spielen. Es gibt nur wenige, die das können. Aber wenn es gelingt, wird man direkt in eine andere Zeit katapultiert. Das Vibrato ist auch für die anderen Instru-mente wichtig: Der Schlagzeuger muss zum Beispiel die Snare Drum auf ganz besondere Weise bedienen. Auch die Schläge und Rhythmen werden sehr spezifisch gespielt. Das Banjo ist tatsächlich absolut zentral. Es ist so wunderschön rhythmisch und harmonisch zugleich. Deswegen wurde es oft auch für den Rhythmus genutzt und nicht nur für die Harmonien. Natürlich arbeiten wir nur mit akustischen Instrumenten – in den 20ern gab es keine E-Bässe. Es gab den Kontrabass. Dabei wird man hören, dass ganz wenig mit dem Bogen gespielt wird.